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Chronologie der kurdischen Geschichte
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  Inhaltsverzeichnis

Vorwort /3

Neolithische Revolution und Entstehung von (Hoch-)kulturen in und um Mesopotamien /6

Neuorganisierung des Kräfte-gleichgewichts und die Eisenzeit /15

Das Medische Reich und das Perserreich /22

Die Römer, Parther und Sassaniden /26

Arabisch-Islamische Eroberung und kurdischer Widerstand /32

Schwächung der Vorherrschaft der Araber und erste Kurdische Fürstentümer /36

Einfall von Türkischen und Mongolischen Stämmen im Nahen Osten /38

Eroberung Kurdistans durch die beiden Großmächte der Osmanen und Safawiden /44

19. Jh. - Aufstände und erstes Stadium der Kurdischen Nationalbewegung /49

1900 - Das Zweite Stadium der Kurdischen Nationalbewegung /54

Der 1. Weltkrieg und die zweite Teilung Kurdistans /57

Kurdische Aufstände der 20er und 30er Jahre /65

Der 2. Weltkrieg und die Friedhofsruhe in Kurdistan /72

Neue Freiheitsbestrebungen der KurdInnen ab den 60er Jahren /77

Militärputsch in der Türkei, Islamische Revolution im Iran und erster Golfkrieg /85

Aufkommende Freiheitsbewegung in Nord-Kurdistan /89

Befreiungskampf und Spezialkrieg in Nord-Kurdistan, "Selbstverwaltung" in Süd-Kurdistan und Ruhe in Ost-Kurdistan /97

Internationales Komplott gegen die kurdische Freiheitsbewegung /110

Stopp des Krieges in Nord-Kurdistan, Strategiewechsel und Projekt "Demokratischer Konföderalismus" /113

US-Besetzung des Iraks und Zuspitzung des politischen Lage in Nord-, Ost- und Südwest-Kurdistan /119


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IMPRESSUM:
2. Erweiterte Ausgabe der Broschüre “Chronologie der Kurdischen Geschichte”. Erscheinungsdatum: Oktober 2008
Diese Broschüre Erschien im Jahre 2001 zum ersten Mal und wurde nun Von Ercan Ayboga für den Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) e.V. aktualisiert und erweitert. Ercan Ayboga hatte auch die erste Ausgabe erarbeitet.
Titel: Verschiedene Motive aus der kurdischen Geschichte
Adresse: YXK, Postfach 290227, 50524 Köln/D
E-Mail: info@yxk-online.com - Web: http://de.yxk-online.de
E-Mail des Autors: ercanayboga@yahoo.com
Anmerkung: In der Broschüre wurde für den Buchstaben “ş” durchgehend “sh” verwendet.

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Vorwort


Liebe Leserinnen und Leser,

mit dieser aktualisierten zweiten Ausgabe der Broschüre “Chronologie der kurdischen Geschichte” haben deutschsprachige Leserinnen und Leser eine neue Publikation in der Hand, die in chronologischer und übersichtlicher Form versucht, die relativ wenig erforschte und oft widerspruchsvolle Geschichte der KurdInnen und Kurdistans mit den wichtigsten Ereignissen wieder zu geben.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist zu diesem Thema einiges publiziert worden; doch fehlt eine Quelle, die einen kompakten, aber nicht zu kurzen Überblick gibt oder relativ schnell zu den verschiedenen Entwicklungen in der Geschichte mit den wichtigsten Aspekten informiert. Der Anlass, diese Broschüre zu verfassen und sie jetzt aktualisiert und erweitert herauszugeben, kommt aus der ständig wachsenden Nachfrage, mit der wir konfrontiert sind. Die Nachfrage kommt zum einen von deutschsprachigen Europäern und zum anderen von den KurdInnen in Europa selbst. Dabei handelt es sich um junge und in Europa aufgewachsene KurdInnen, für die die deutsche Sprache die bestbeherrschte ist.
An dieser Stelle soll betont werden, dass diese Broschüre trotz des Umfangs nicht den Anspruch vertritt, die Geschichte zu den KurdInnen und zu Kurdistan vollständig und in allen Zusammenhängen wiederzugeben.

Diese zweite Ausgabe hat auch die neuesten Forschungen zur Geschichte der KurdInnen, Kurdistans und des Mittleren Ostens mit eingearbeitet, vor allem die Thesen zur Herausbildung der Hochkulturen bzw. Klassengesellschaften im Fruchtbaren Halbmond und in Mesopotamien. Auch sind viele neue Informationen zu den kurdischen Fürstentümern vom Mittelalter bis zum 19. Jh. hinzugefügt und die kritischen Ereignisse während des ersten Weltkrieges und in den anschließenden Jahren neu und umfassender beleuchtet worden.

Grundsätzlich ist zur Erforschung der Geschichte der KurdInnen und Kurdistans festzuhalten, dass es im Vergleich zu anderen Kulturen und Ländern außerordentlich schwierig ist, sie umfassend und möglichst genau darzustellen. Denn die KurdInnen hatten nie ein eigenes staatlich gebildetes Wesen, konnten sich selten selbst regieren und wurden fast immer unterdrückt. Daraus folgend gab es bis vor kurzem keine fundiert arbeitende Institutionen und Forschungsstätten, die sich damit tiefgehend wissenschaftlich auseinandersetzen konnten. Erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich kurdische Institute oder andere Einrichtungen gebildet, die umfangreiche Forschungen aufgenommen haben. Diese befinden sich jedoch weitgehend am Anfang. So sind wenige Quellen zu den KurdInnen bekannt oder zugänglich; viele Quellen werden höchstwahrscheinlich von der Türkei, vom Iran und Syrien aus politischen Interessen der Öffentlichkeit vorenthalten. Ein anderer wichtiger Aspekt für diese Schwierigkeit liegt darin, dass bis zur arabisch-islamischen Eroberung Kurdistans die Stämme/Völker/Kulturen selbst an Quellen nichts hinterlassen und die Begriffe "Kurden" oder "Kurdistan" (fast) nie benutzt haben. So verwendeten die bekannten und weniger bekannten Vorgänger der KurdInnen Bezeichnungen ihrer Stämme, Regionen oder gar andere.
Die verschiedenen Thesen zur Abstammung der KurdInnen sind nach wie vor umstritten, doch kann auf der Basis der neuesten Forschungen davon ausgegangen werden, dass die KurdInnen heute die Nachfahren der im nördlichen und mittleren Zagros-Gebirge und im und um das Osttaurusgebirge lebenden Stämme und Gemeinschaften sind. Das heißt, sie lebten im Großen und Ganzen schon immer dort, wo sie sich heute befinden. Natürlich sind im Laufe der Geschichte viele verschiedene Völkerschaften durch Kurdistan gezogen und haben sich dabei auch teilweise niedergelassen. Auch sind viele KurdInnen bzw. proto-KurdInnen aus ihrem Siedlungsgebiet in andere Regionen des Mittleren Ostens gezogen, oft jedoch unfreiwillig. Auf jeden Fall können die KurdInnen nicht als eine "ethnische Gruppe" betrachtet werden (was übrigens weltweit für viele "Ethnien" gilt). Sie verkörpern die Erben der Kulturen, die in Kurdistan leb(t)en bzw. sich angesiedelt haben. Um die kurdische Gesellschaft, in der die Stämme und Klans immer stark waren und noch zum großen Teil sind, zu verstehen, muss das Neolithikum, was die aus Großfamilien und Stämmen bestehenden Dorfgemeinschaften hervorbrachte, genau betrachtet werden. Die KurdInnen tragen heute immer noch viele Eigenschaften dieser Zeit und kommen sehr schwer von darauf basierenden Denkweisen los.
Wiederum ist zu betonen, dass die KurdInnen in der Geschichte fast immer sich in die jeweiligen herrschenden eingebracht und nicht für ihre Selbstständigkeit gekämpft haben. So haben z.B. viele für die Welt- bzw. Regionalgeschichte bedeutende Personen im Namen der Osmanen/Türken, Araber/Moslems und Perser/Safawiden/Iraner gehandelt und dabei die Fragen der eigenen Gesellschaft ignoriert. Nicht wenige sind weiter gegangen und haben ihre eigene Bevölkerung verraten und gegen Freiheitsbestrebungen der KurdInnen aktiv eine Rolle eingenommen. Die Kollaboration mit den herrschenden Mächten hat leider eine tiefe Tradition bei den KurdInnen. Aber ebenso verbreitet waren Widerstände unter den KurdInnen. Diese Widerstände sind in den letzten Jahrzehnten organisierter und erfolgreicher geworden. In Süd-Kurdistan (Irakisch-Kurdistan), aber auch immer mehr in Nord-Kurdistan (Türkisch-Kurdistan) erreichen die KurdInnen langsam immer mehr gewisse Errungenschaften. In keinem der drei Staaten Türkei, Iran und Syrien wird die kurdische Identität und Kultur heute anerkannt; nach wie vor gibt es sie offiziell nicht. Diese drei Staaten schließen sich seit einigen Jahren noch mehr zusammen, um die Bestrebungen der KurdInnen zu unterdrücken.

Auf Basis dieser Betrachtungen haben wir in dieser Arbeit etwas weit ausgeholt und mit der Entstehungsgeschichte der ersten sesshaften Gemeinschaften und der Hochkultur in und um Mesopotamien angefangen. Oft wurde auch immer ein kleiner Überblick über die allgemeinen Entwicklungen in den Staaten/Ländern gegeben, damit die Entwicklungen in Kurdistan besser verstanden werden können. In anderen Worten: Die Geschichte der KurdInnen muss immer in engem Zusammenhang mit den sie beherrschenden Staaten betrachtet werden.


Ercan Ayboga
für den Verband der Studierenden aus Kurdistan

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Neolithische Revolution und Entstehung von (Hoch-)kulturen in und um Mesopotamien


Nach dem Ende der letzten Eiszeit um 10.000 v.u.Z. (vor unserer Zeitrechnung) entstanden im so genannten "fruchtbaren Halbmond", der sich von der Westseite des Zagrosgebirge über die Südseite des Osttaurusgebirges bis nach Syien-Palästina erstreckt, die Grundlagen der ersten menschlichen Zivilisationen. Dieser als neolithische Revolution genannter Prozess vollzog sich hier wegen den günstigen geographischen, klimatischen und pflanzlichen Bedingungen. Aber auch das Verschwinden von Großfauna trug dazu bei. Dieser Prozess ist durch das Aufkommen produzierender Wirtschaftsweisen und zwar des Ackerbaus und der Viehzucht gekennzeichnet und damit durch einen der Übergang vom nomadischen Leben als Jäger und Sammler zum sesshaften Leben als Bauer und Viehzüchter.
Zunächst waren die Menschen saisonal sesshaft, kannten anfangs allerdings weder systematische Viehzucht noch Getreideanbau. So entstanden erste feste Orte mit Gebäuden, die von den in der Region lebenden Menschen als religiöse Stätten (Tempel) aber auch zur Nahrungsversorgung (Jagd von Gazellen und anderen Tieren) genutzt wurden. Mit der direkt sich anschließenden Kultivierung der Wildweize, Wildgerste und anderer Pflanzen (tausende Jahre früher wurden schon Pflanzen vereinzelt genutzt) entstanden erste dauerhafte Siedlungsorte. Die ersten fanden sich vor allem im heutigen Nordkurdistan (Südosten der Türkischen Republik, auch Ober- bzw- Nordmesopotamien genannt). Die Sesshaftigkeit wurde mit der Zeit typisch für die Wohn- und Siedlungsweise. Mit der Zeit entwickelten sich aus kleinen Dörfern größere Orte und schließlich kleinere Städte. Damit einhergehend wurden aus den kleinen Dorfgemeinschaften Gemeinschaften mit bis zu vielen hunderten Menschen.
Diese sich entwickelnden Gemeinschaften waren durch kollektive (gemeinsamer Kornspeicher) und matriarchale Strukturen gekennzeichnet. Die Stellung der Frau im frühen Ackerbau als wesentliche Kraft stieg analog der Rolle weiblicher Fruchtbarkeitsgottheiten in der Religion. Es gab einen Übergang zu soliden Bauwerke aus Holz, später aus Stein, bis hin zu Monumentalbauten. Die arbeitsteilige Gesellschaft führte zunächst noch nicht zu herrschenden und beherrschten Klassen. Durch die damit einhergehende gesteigerte Nahrungsproduktion schuf der Mensch die Voraussetzung für ein verstärktes Bevölkerungswachstum.
Durch die Entwicklung von Pflanzenbau und Tierzucht kam der Idee der Fruchtbarkeit in der Vorstellung des Menschen eine noch größere Bedeutung zu. Analog zum Säen-Reifen-Ernten wurde die Abfolge Geburt-Leben-Tod in der Glaubenswelt bedeutend.
Die Religionen der Jungsteinzeit, des nomadischen oder frühbäuerlichen Neolithikums orientierten sich an den jahreszeitlichen Rhythmen der Natur. Die Menschen waren auf eine Fokussierung auf die Erde als Ernährerin fokussiert, begannen von kultivierten Pflanzen zu leben und erfuhren dabei den Himmel als die Ordnung gebende Kraft. Die lebensweltlichen Erfahrungen aus dem Umgang mit der Erde und ihren Vegetationszyklen ließen religiöse Vorstellungen entstehen, die einem ganz anderen Muster folgten, als die modernen monotheistischen. Sie waren auf eine von schöpferischen Kräften durchwirkte Natur voller Geistwesen und Magie bezogen und stellten noch nicht den Menschen in den Mittelpunkt. Die schriftlosen, mythischen Religionen kannten keinen allmächtigen Schöpfergott und kein endzeitliches Gericht, das den Einzelnen zur Rechenschaft zog.

10.000 v.u.Z.
Aus dieser Zeit stammte der bisher älteste nachgewiesene menschliche feste Ort in der Provinz Riha (türkisch: Urfa, Nordkurdistan) ab: Göbekli Tepe. Hier - nicht sehr weit vom Euphrat entfernt - wurden religiös genutzte Tempelanlagen entdeckt, was auf erste frühere Glaubenstrukturen zurück schließen lässt. Weiterhin befinden sich hier die Knochen von unzähligen Gazellen, woraus eine weitgehende Jagdkultur abzuleiten ist.

Ab 9.500 v.u.Z.: Fast um die gleiche Zeit entstand die bisher älteste gefundene menschliche Siedlung im Norden von Batman (Nordkurdistan): Hallan Çemi. In dem an einem Nebenfluss des Tigris liegenden Ort wurden Spuren einer Landwirtschaft und Wohnhäuser nachgewiesen.
In dieser Zeit bestanden große Siedlungen aus Rundhäusern (Trockenmauerwerk). Manche dieser Siedlungen liegen in der untersten Schicht späterer Tells (historische Siedlungsorte). Die Kunst dieser Zeit beschränkte sich hauptsächlich auf Idole, kleine Steinskulpturen, die meist Frauen, seltener Männer oder Tiere darstellten. Getreideanbau war zu dieser Zeit neu bekannt, nicht aber die Viehzucht, es wurden weiterhin Gazellen gejagt.

8500 bis 7000 v.u.Z.
Die Häuser dieser Zeit waren rechteckig oder quadratisch. In dieser Zeit fand eine Ausbreitung nach Westen statt, mit Floss und Einbaum auch über Wasser (Zypern). Die Domestikation von Tieren wie Schaf, Ziege und Hund begann. Die meist weiblichen Idole waren aus Stein oder Ton, die Gesichter waren kaum angedeutet, Geschlechtsteile dafür umso deutlicher zu erkennen. Vorherrschend in der Werkzeugherstellung war nun die geschliffene Steinindustrie. Erste ungebrannte Keramik ist bekannt.

Ab 8. Jt. v.u.Z.
Die im Fruchtbaren Halbmond entwickelte Ackerbaukultur weitete sich in verschiedene Richtungen durch Migration der Bauern mit den von ihnen domestizierten Pflanzen und Tieren aus der Levante sowie dem Wissen um deren Pflege, Aufzucht und Vermehrung im Gepäck aus. So zeigen Vergleiche der mitochondrialen DNA (mtDNA), dass die frühen indischen Bauern näher mit den Bauern der Levante verwandt waren als mit den Jägern und Sammlern in ihrer Nachbarschaft. Von hier aus ist anzunehmen, dass diese Kultur sich bis nach China ausweitete. Ähnliches gilt für Europa, welches die Ackerbauern vor etwa 9.000 Jahren über die noch existierende Landbrücke am Bosporus kultivierten. Von Südosteuropa verbreiteten sie sich zunächst entlang der Mittelmeerküste sowie entlang der großen Flussläufe nach Ost- und Mitteleuropa. Über die Levante erreicht diese Kultur am frühesten jedoch Ägypten, das relativ nahe liegt. In den verschiedenen Regionen werden lokal verbreitete Pflanzen zu den bekannten hinzu domestiziert.
Eine andere bis vor kurzem sehr verbreitete These besagt, dass weltweit in mindestens drei Regionen (Mittlerer Osten, Chine und Amerika) unabhängig voneinander die Landwirtschaft sich entwickelt. Zumindest für Amerika ist diese These noch stark vertreten.

7500 v.u.Z.
Anfangs wurden Schafe und Ziegen ausschließlich als Fleisch- und Felllieferanten gehalten. Aber ab 7500 lässt sich die Nutzung des Sekundärproduktes Milch, später auch Wolle archäologisch belegen.

Ab 6500 v.u.Z.
Die Gemeinschaft bestattet ihre Toten nun außerhalb der Siedlung. Neben dem Getreideanbau waren auch Nutztiere bekannt, die Jagd war nicht mehr der Hauptfleischlieferant. Die Keramikherstellung verbreitete sich.

6000 v.u.Z.
Das älteste festgestellte Bewässerungssystem wird in der Gegend um Halabja (heutiges Süd-Kurdistan) gebaut.

6 Jahrtausend v.u.Z.
Der Pflug und Sichel werden in der Landwirtschaft systematisch eingesetzt, was die Produktivität weiter steigert.

Ab 5500 v.u.Z.
Beginnende Metallverarbeitung von Kupfer (elementar vorkommendes Metall), in diesem Zusammenhang bildeten sich gesellschaftliche Oberschichten, Fernhandel und stärker befestigte Siedlungen.

Ab 3500 v.u.Z.
Die Entwicklung des Metalls Bronze ist eine wichtige Vorbedingung für die Hochkulturen. Bronze ist eine Legierung und weitaus härter als Kupfer. Sowohl Kupfer als auch Zinn werden im Zagros-Gebirge und in Palästina nachweislich ab 3300 v.u.Z. abgebaut. Somit beginnt die so genannte Bronzezeit, die bis zur Ausbeutung des Metalls Eisen andauert. Der Mittlere Osten gilt als Ausgangspunkt der Bronzetechnologie, von hier aus wurde das neue Material und das notwendige Wissen in alle Richtungen exportiert.
Der Zugang und die Beherrschung der Ressourcen (Metalle, Metallurgen, Kommunikations- und Handelswege) führen zu entscheidenden sozialen Differenzierungen und zur Herausbildung einer starken Oberschicht. Es ist mit der Bronze erstmals möglich, Reichtum anzuhäufen, welcher auch leicht transportierbar war. Bronzebarren wurden als Zahlungsmittel eingesetzt. Die Entstehung von stark befestigten Siedlungen und die Erfindung des Schwertes werden oftmals als Hinweis auf eine Zunahme kriegerischer bzw. räuberischer Auseinandersetzungen gedeutet.
Die ungleiche Verteilung der Metallvorkommen, insbesondere des zur Herstellung benötigten sehr seltenen Zinns, führte zu einem "globalen" Handelsnetz, welches neben den Waren auch kulturelle Ideen verbreitete.

4. Jt. v.u.Z
Die Menschen drängen durch die Entwicklung der Metallurgie, festere Werkzeuge, bessere Bewässerungstechniken, somit erhöhte Nahrungsmittelproduktion und wachsende Bevölkerung und stärker organisierte Gesellschaften immer mehr nach Mittel- und Untermesopotamien vor. Sie bewirtschaften die bis dahin sehr sumpfigen Ebenen Mesopotamiens, wo sie noch effektiver Nahrung produzieren und größere Siedlungen bauen.

3500 bis 3000 v.u.Z.
Die Hochkultur der Sumerer, die erste der Menschheitsgeschichte, entwickelt sich in Unter-Mesopotamien (heutiges Südirak) um die Stadt Uruk heraus.
Die Sumerer stammen vermutlich aus dem Zagros-Gebirge ab. Da die sumerische Sprache jedoch mit keiner anderen bekannten Sprache nachweisbar verwandt, gehen die Diskussionen hierüber weiter. Die Sumerer errichteten erste Monumentalbauten. So stand im Zentrum jeder sumerischen Stadt das Zikkurat, ein Tempel der Priester, welche die Stadtstaaten lenkten. Der bekannteste unter ihnen war der Innana-Tempel in Uruk. Kennzeichnend für die Sumerer war auch charakteristische Keramik. Ab 3200 v.u.Z. benutzen die Sumerer die erste Schrift, die Keilschrift, der Menschheit. Sie gilt als Vorläufer für viele Schriften.
Der Beitrag der Sumerer in der Landwirtschaft lag in der Verfeinerung und Intensivierung der Bewässerung. Die fortschrittliche Bewässerungstechnik legte gleichzeitig den Grundstein zum Niedergang Sumers (bzw. seiner Nachfolgestaaten): Aufgrund der Versalzung des Bodens gingen die landwirtschaftlichen Erträge immer weiter zurück.
Die sumerische Religion ist eine der ältesten der bekannten Religionen und gilt als wesentliches Vorbild für spätere Religionen in Mesopotamien und den angrenzenden Gebieten. Neben den Haupt- und Urgöttern verehrten die Sumerer jeweils ihre Stadtgötter, die mit einander konkurrierten und in ihrer Hegemonie einander ablösten. Zusammen bildeten sie bereits ein gemeinsames Pantheon. Die Göttinnen waren gegenüber den Göttern noch mindestens gleichgestellt, was sich aus der vor kurzem abgelösten und matriarchalisch geprägten neolithischen Gesellschaft erklären lässt.
Inanna bzw. Ischtar war die bekannteste Göttin Mesopotamiens. Sie war die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit. Der Planet Inanna's war die Venus und ihre heilige Stadt Uruk. Inanna wurde sowohl als Morgen- als auch als Abendstern verehrt. Als Morgenstern wurde sie mit der Sonne in Verbindung gebracht, weshalb ihr in dieser Rolle die männlichen Attribute zugeschrieben wurden; als Abendstern entsprechend wegen der Gleichsetzung mit dem Mond die weiblichen Eigenschaften. Inanna konnte so in drei Geschlechtern auftreten: Männlich, weiblich und Zwitter. Der ihr geweihte Tempel (Zikkurat) hieß Eanna. Sie galt als beliebteste Göttin der Sumerer. Ischtar war als Gleichsetzung der sumerischen Inanna die wichtigste babylonische Göttin; hier ist sie auch die Göttin des Krieges. Auch die hurritische Göttin Schauschka wird oft mit Ischtar gleichgesetzt. Auch in Assyrien war Ischtar eine der wichtigsten Göttinnen. Inanna bzw. Ischtar und alle anderen Hauptgötter sind in ihrer Grundstruktur in allen entwickelteren Kulturen im Mittleren Osten und im Mittelmeerraum unter anderen Namen vorzufinden, bis die monotheistischen Religionen bestimmend werden.

Die Sumerer bildeten zunächst einen Bund aus mehreren größeren autonomen Städten in Untermesopotamien.

3. Jt. v.u.Z.
Im Zagros-Gebirge, also in direkter Nachbarschaft zu den Sumerern, organisierten sich die dort lebenden Menschen in Stämmen und Föderationen. Dieses von Gutäer und Lullubäern - der Lebensstil ist teilweise nomadisch - bewohnte Gebiet wird in der Wissenschaft als Gutium (Land der Gutäer) bezeichnet, denn sie standen nicht unter der Kontrolle der jeweiligen mesopotamischen Herrscher. Sowohl im 3. als auch im 2. Jt. konnte dieses Gebiet praktisch nie richtig von den mesopotamischen Königen Kontrolle gebracht werden.
Parallel dazu lebten in den nördlichen Gebirgsrandzonen Mesopotamien, um das Osttaurus-Gebirge die hurritischen Stämme. Die Hurriter sind seit Mitte des 3. Jahrtausends v.u.Z. nachgewiesen. Sie geraten bald unter den Einfluss der sumerisch-akkadischen Hochkultur und spielten ihrerseits eine wichtige Rolle bei der Vermittlung dieser Kultur nach Syrien und Mittelanatolien, z.B. zu den Hethitern.

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Thesen zur Abstammung der KurdInnen

Mit dem Beginn des 3. Jahrtausends v.u.Z. formierten sich im mittleren und nördlichen Zagros-Gebirge die Stämme der Guti/Gutäer, Lulubi/Lullubäer u.a. und im Osttaurus-Gebirge die Stämme der Hurriter. Diese standen sich der Formierung, Eigenschaften und Abstammung nach sehr nahe und lebten in den Hochgebirgen, aber auch an den Hängen nach Mesopotamien hin, also im Fruchtbaren Halbmond. Diese sind diejenigen Völker und Stämme, aus denen (höchstwahrscheinlich) in den nachfolgenden Jahrhunderten die Mitanni/Mitannäer, Kassiten, Nairi, Urartäer, Meder abstammten, die wiederum mit den heutigen KurdInnen in Verbindung gebracht werden können. Denn diese Völker und Stämme lebten überwiegend im heutigen Kurdistan, viele heutige kurdische Lieder, Sagen und Erzählungen beziehen sich auf diese Letztgenannten und bei den KurdInnen ist die Stammesstruktur bzw. die neolithische Gesellschaftsformation nach wie vor stark ausgeprägt.
Die Tatsache, dass die heutige kurdische Sprache (gehört zu den iranischen Sprachen) mit den Sprachen der Gutäer, Hurriter, Urartäer nicht direkt verwandt ist (mit der Medischen aber schon), sollte kein Gegenargument seien. In vielen Fällen ist es so, dass alte Sprachstrukturen von neuen abgelöst wurden oder die Sprache einer relativ kleinen Gruppe Einwanderer übernommen wurde. Darüber hinaus stehen die Sprachen der Gutäer, Hurriter und Urartäer noch am ehesten dem Kurdischen nahe.
Es ist noch mit besonderem Vermerk zu erwähnen, dass im Laufe der Geschichte viele andere Völker und Stämme durch Kurdistan gezogen sind, die ihre Spuren hinterlassen haben und die auch die heutige Kultur in Kurdistan beeinflussen. Vor allem bis zum ersten Weltkrieg (bis sie nämlich vertrieben wurden) lebten auch viele verschiedene Kulturen in Kurdistan. Daher können wir die KurdInnen auch als die Erben vieler im Laufe der Geschichte vorgekommenen Kulturen verstehen.
Kurzgefasst können wir festhalten, dass der Ursprung der heutigen KurdInnen nicht auf ein einziges bestimmtes Volk oder Stamm zurückzuführen ist. Vielmehr ist eine Abstammung von den autochtonen (indigenen) Völkern des Zagros- und Osttaurusgebirgen zutreffend, allerdings mit vielen anderen Einflüssen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde oft auch die These vertreten, dass die KurdInnen vor etwa 3000 Jahren aus Osteuropa (Südrußland) bzw. Skandinavien ins heutige Kurdistan eingewandert seien. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 10-20 Jahren über die Entwicklung menschlicher Gesellschaften widersprechen dieser These immer mehr. Inzwischen sind die meisten Verfechter daher hiervon abgerückt. Eine andere eher früher vertretene These ist die, dass die KurdInnen von den Skythen, die im 7. Jh. v.u.Z. aus dem Norden kommend in Medien/Kurdistan auftauchten, abstammen. Die meisten Historiker und Archäologen bezweifeln, dass größere Teile der Skythen in dem späteren kurdischen Volk aufgegangen sind, denn die Heimat der Skythen war Kasachstan, Südrussland und die Ukraine.

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Ab 2800 v.u.Z.
Rivalisierende sumerische Stadtkönige bemühten sich, andere Städte unter ihre Kontrolle zu bringen. Um 2750 v.u.Z. schaffte es vermutlich als erster Mes-ki-agga-scher aus Kisch dies zu vollbringen, erlangte die Herrschaft über alle sumerische Städte und weitet den Machtbereich auf die ganze Region zwischen dem Mittelmeer und dem Zagros-Gebirge aus.

28. Jh. v.u.Z.
Das Gilgamesch-Epos wird auf die Mitte des dritten Jahrtausends datiert. Sie stand für die Erstarkung der Könige, die die Priester in ihrem Machteinfluss erheblich einschränken. Der Hauptfigur, der König Gilgamesch, bezwang in Auseinandersetzungen die Priesterklasse, bindet andere sumerische Stadtstaaten an sich, unterwarf mehr denn je die Natur, konzentrierte die ganze Macht auf sich und erklärte sich zum Gottkönig. Die Frau, repräsentiert durch die starken Priesterinnen, verliert in der Gesellschaft an spürbaren Einfluss. Das Epos beschreibt auch die Beziehungen bzw. die wachsende Kluft zwischen der Ebene von Mesopotamien und der gebirgigen Zagros-Region.
Dieses Epos ist das älteste literarische Zeugnis der Menschheit. Niedergeschrieben wurde es von 1900 bis 1200 v.u.Z. von den Babyloniern und anderen Völkern.

24. Jh. v.u.Z.
Die Akkader, welche nördlich von Sumer in Mittelmesopotamien lebten, eroberten das Land der Sumerer um 2371 v.u.Z. Die Akkader sprechen eine semitische Sprache, was an den vielen aus dem Süden (z.B. arabische Halbinsel) hinzu gewanderten Menschen semitischer Abstammung liegt. Die Akkader errichteten einen bis dahin nicht gekannten zentral organisierten Staat. Das politische Zentrum Mesopotamien verschob sich damit von Süd- nach Mittelmesopotamien. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden Menschen systematisch zu Sklaven gemacht.

2191 v.u.Z.
Die aus dem Zagros-Gebirge stammenden Gutäer erhoben sich in einem Bündnis mit anderen Zagros-Völkern und Stämmen (wie Lulubi/Lullubäer) fortwährend gegen die Angriffe der Akkader, besiegten sie schließlich und bildeten eine ca. einhundert Jahre andauernde Vorherrschaft im heutigen Mittel- und Süd-Mesopotamien. Viel Wissen über diese Herrschaftszeit der Gutäer herrscht nicht. Während auf einer Seite die Gutäer in den wenigen historischen Quellen plünderisch bezeichnet werden, sind sie auf der anderen Seite sehr anpassungsfähig.

2116 v.u.Z.
Durch eine gemeinsame militärische Aktion der Sumerer und Akkader werden die Gutäer wieder in die Berge zurückgetrieben. Teilweise wurden sie aber in die Gesellschaft des Tieflandes eingegliedert, wie etwa in Assur. Später werden die Gutäer von den Kassiten im Zagros verdrängt. Doch das neue Staatswesen der Akkader erreicht nicht den früheren Einfluss.

2113-2004 v.u.Z.
Die Sumerer gründen zum letzten Mal einen Staat im südlichen Mesopotamien, der 2005 vom Stamm der aus dem Südzagros stammenden Elamiten (Kerngebiet reicht bis ins fruchtbare Husistan) eingenommen wird. Diese bleiben bis etwa 1980 hier.

2000 v.u.Z.
Die Sumerer erwähnen in überlieferten Tafeln die "Karda" und die "Qurti", die aus dem Zagros-Gebirge stammen. In der sumerischen, wie auch später in der akkadischen Sprache, wurde der Begriff KUR zuerst für Berg und Bergland verwendet; KUR-KUR stand für Gebirge.
Somit wurde zum ersten Mal in der Geschichte ein der Bezeichnung "Kurde" oder "Kurdistan" nahe stehendes Wort in Zeugnissen genannt.

1894 v.u.Z.
Die semitischen Babylonier, direkte Nachfolger der Akkader und vom semitischen Stamm der Amoriter, wurden zum alleinigen Herrscher über Süd- und Mittel-Mesopotamien. Dazu gründeten sie nahe dem heutigen Bagdad die Stadt Babylon an der engsten Stelle zwischen Euphrat und Tigris, womit sie die Handelswege besser kontrollieren konnten. Dieser Staat erlebte unter Hammurabi (1792-1750) seinen Höhepunkt. Hammurabi erwies sich als geschickter Außenpolitiker, legte Bewässerungsanlagen an und ließ großartige Bauten errichten, organisierte das Land durch eine straffe Verwaltung und verfasste eine einheitliche Rechtsordnung, den Codex Hammurabi. Dieses Gesetzeswerk, mit 282 Paragraphen, hielt die Rechte aller Klassen fest. Den Stadtgott von Babylon, Marduk, erhob Hammurabi zum Hauptgott des Landes. Damit wurden die weiblichen Götter endgültig in Mesopotamien und im Mittleren Osten verdrängt. Die patriarchalen Strukturen setzten sich immer mehr durch. In kurzer Zeit wurde Babylonien zum dominierenden Reich in Mesopotamien (Altbabylonisches Reich). Im 17. Jh. v.u.Z. schwächte sich das Reich dann langsam ab.

Ab 1800 v.u.Z.
Die Assyrer - neben den Babylonier die Nachfahren der Akkader - gründeten ihren ersten Staat, den Altassyrischen Staat, aber weiter im nördlichen Mittelmesopotamien um die heutige Stadt Mossul. Wenn sie auch im 18. Jh. zeitweilig regional erstarkten, blieben sie lange unter dem Einfluss Babylons. Die Assyrer zeichneten sich durch kriegerische Aktivität aus, vollbrachten aber auch hohe kulturelle Leistungen. Die Kultur Assyriens war wie die der Akkader sumerisch beeinflusst, jedoch lassen sich auch Einflüsse der Hurriter, Hethiter sowie der Zagros-Völkerschaften feststellen. Ihr Hauptgott war Assur, der Schutzgott der gleichnamigen Hauptstadt. Weiterhin betreiben die Assyrer recht früh verstärkt Handel bis nach Anatolien. Hier errichten sie erste Handelsniederlassungen, um vor allem Metalle einzuhandeln.

19./18. Jh. v.u.Z.
Die Hurriter entwickelten besonders im 19. Jh. v.u.Z. ihre Gesellschaft so sehr, dass sie Ende des 18. Jh. v.u.Z. sich aus ihrem Kernland (etwa heutige Region zwischen Amed (Diyarbakir) und Wan-See) nach Westen und Norden, andere Gegenden Nordmesopotamiens und Syrien auszubreiten begannen. Hurritische Heere unternahmen Feldzüge nach Palästina und sogar nach Ägypten, wo sie bald sehr gefürchtet waren. Im Kampf waren sie ihren Gegnern durch die pferdebespannten Streitwagen meist überlegen. Im Hulatal im Norden Israels gründeten sie im 18. Jh. v.u.Z. die churritische Stadt Hazor, welche die größte Stadt in Palästina vom 15. bis 13. Jh. v.u.Z. war.
Das Hurritische hatte keine Gemeinsamkeit mit der semitischen Sprache. Nur zum verwandten Urartäischen (sie traten später auf) lassen sich engere Beziehungen feststellen.

19. Jh. v.u.Z.
Archäologisch können die Hethiter in Anatolien erst mit Funden ins 19. Jh. v.u.Z. nachgewiesen werden. Vermutlich sind die Hethiter zwei bis drei Jahrhunderte früher nach und nach aus östlicher Richtung ins östliche Mittelanatolien eingewandert und haben sich mit dem autochtonen Volk der Hatti vermischt. Die Hethiter bildeten die neue Führungsschicht. Die Hethiter übernahmen von den Hattiern die Bezeichnung Hatti für das Land. Unter weiteren nomadischen Einflüssen kristallisierte sich Mitte des 2. Jahrtausends v.u.Z. das Großreich der Hethiter mit der Hauptstadt Hattuscha/Bogazköy (berühmt durch die Entdeckung von 30.000 Texttafelns im Jahre 1915) heraus. Zu diesem Reich zählten weite Teile Anatoliens und zeitweise auch die nördliche Hälfte des heutigen Syrien. Die Herrscher Ägyptens und Babyloniens betrachteten den hethitischen Großkönig als gleichrangigen Partner, mit dem sie sowohl diplomatische Kontakte und Handelsbeziehungen unterhielten als auch Vormachtkämpfe führten. Die Beziehung zu den Hurri-Mitanni spielte ein besondere Rolle, denn von ihnen kamen viele der zivilisatorischen Errungenschaften aus Mesopotamien. Von besonderem Interesse in der Forschung der letzten Jahre ist die mögliche Beziehung, bzw. der Einfluss der Hethischen Macht und Kultur auf die Trojas, die heute als wahrscheinlich gilt, sowie die Kontakte mit den Mykenischen Stadtstaaten insbesondere an der kleinasiatischen Westküste.
Das Reich der Hethiter war ein relativ kompliziertes Gebilde mit deutlichen Anklängen an ein feudales System. An der Spitze stand der Großkönig, der oberster Priester, Richter und Feldherr war und über eine Anzahl nachgeordneter Könige herrschte.

Um 1600 v.u.Z.
Im hurritischen Herrschaftsgebiet bzw. Nordmesopotamien entsteht das Reich von Mitanni, dessen Zentrum zwischen dem oberen Euphrat und oberen Tigris um die heutigen Städte Diyarbakir (Amed), Urfa (Riha) und Bitlis liegt. Dessen Hauptstadt Wašukkanni wird beim Tell Fecheriye in heutigen Nordsyrien an der Grenze zur Türkei vermutet, wo seit 2006 ausgegraben wird. Die Könige des Mitannireiches trugen größtenteils nicht-hurritische Thronnamen, für die teilweise eine indo-iranische Etymologie nachgewiesen werden kann. Die in den Keilschrifturkunden erhaltenen wenigen indoiranischen Lehnwörter (Götter- und Personennamen, hippologische Fachausdrücke) lassen vielleicht auf eine kleine indoarische Oberschicht schließen, die zur Zeit der größten Machtentfaltung Mitannis aber schon hurrisiert war.

Ab 1600 v.u.Z.
Um die Jahrhundertwende 1600 verändert sich das Gleichgewicht im Mittleren Osten erheblich und es wurde ein neues für etwa 400 Jahre geltendes etabliert. Dies geschah vor allem durch die Eroberung Babylons durch die Hethiter im Jahre 1595 v.u.Z. (andere Quellen sprechen von 1531). Diese zogen aber sich schnell zurück. Anschließend drangen die aus dem Zagros-Gebirge stammenden Kassiten vor, eroberten Mittel und Süd-Mesopotamien (Babylonien) und errichteten eine Herrschaft von etwa 400-450 Jahren mit einer großen aufblühenden Kultur, die sich aus einer Mischung der kassitischen und babylonischen zusammensetzte, wobei letztere überwiegte. Einige hundert kassitische Wörter finden Eingang in die akkadische Sprache. Mehr als zehn Prozent davon sind Götternamen. Der Grund, warum so aber trotzdem wenig von der kassitischen Sprache überdauerte, lag darin, dass die Verwaltungssprache der Zeit Akkadisch war.
Nördlich des kassitischen Babylons existierte der neue Staat Mitanni. Mitanni stand jedoch immer unter großen Druck des sehr erstarkten nordwestlichen Hethiter Staates. Um 1335 v.u.Z. wurde Mitanni von den Hethitern abhängig und zu einem Vasallenstaat. Die Assyrer waren in der ersten Zeit dieses Gleichgewichts schwach und standen unter dem Einfluss der Kassiter, Hethiter und Mitanni. Ab Mitte des 14. Jh.s agierten sie unabhängig und drängten das kassitische Babylon immer mehr zurück.
Ein wichtiger Akteur im Mittleren Osten war zu jener Zeit das erstarkte Ägyptische Reich, das zum ersten Mal seit der Entstehung der Hochkultur Vorstöße bis nach Syrien/Libanon unternahm, wo es auf die Hethiter stieß. Beide Reiche schlossen nach vielen Kämpfen im Anschluss an die Schlacht von Kadesch im Jahre 1274 v.u.Z. mit einem Vertrag Frieden (der älteste bekannte Friedensvertrag der Menschen).

Um 1200 v.u.Z.
Das jahrhunderte lange währende Gleichgewicht wurde aus verschiedenen Gründen zerschlagen. Ein entscheidender Grund dürfte der Angriff der aus dem Mittelmeerraum kommenden Seevölker sein. Ihre Herkunft ist nach wie vor heftig diskutiert. Vermutlich stammten sie aus dem heutigen Griechenland und Italien ab und beabsichtigten, sich im reichen Mittleren Osten (vor allem Ägypten und Levante) niederzulassen. Bevölkerungsexplosion und Erstarkung der Strukturen könnten zwei wichtige Gründe für diese Völkerwanderung sein. Zur See operierende Völker schlossen sich höchstwahrscheinlich mit zu Lande agierenden Völkern zu einer Koalition zusammen und zerstörten im östlichen Mittelmeergebiet viele Städte und Reiche. Als Folge brachen erst der gesamte Handel am Mittelmeer und dann die Staaten der Ägypter, Hethiter und Kassiten zusammen. Ein kleinerer Faktor war das Erstarken der Elamiter aus dem mittelsüdlichen Zagros-Gebirge bzw. aus der fruchtbaren Ebene von Husistan. Die Elamiter besiegen 1155 v.u.Z. die Kassiten in Mesopotamien.


Neuorganisierung des Kräftegleichgewichts und die Eisenzeit

Ab 1200 v.u.Z.
Das schon im 14. Jh. gegründete Mittelassyrische Reich erstarkte und übernahm die Macht in Babylon. Danach führten sie Feldzüge vor allem in die nördlichen und östlichen Gebirge. Um diese Zeit wurden erstmals Deportationen der Bevölkerung aus den unterworfenen Gebieten erwähnt - eine Praxis, die im späteren neuassyrischen Großreich riesige Ausmaße annahm. Doch Unruhen führten zum Verlust Babylons nach wenigen Jahren.
Um 1100 wurden erstmals von Assyrern Waffen aus Eisen angefertigt. Eisen ist härter als Bronze und es konnten neue Formen von Waffen und Werkzeuge hergestellt werden. Der neue König Tiglatpileser I. konnte im 12. Jh. und Anfang des 11. Jh. den Machtbereich enorm erweitern. Im Süden waren die Babylonischen Kassiten-Herrscher sehr schwach, so dass die erneute Einnahme der altehrwürdigen Stadt möglich wurde. Im Norden war das Reich der Hethiter untergegangen; dadurch konnte Tiglat-pileser in neue Gebiete vordringen und das assyrische Reich bis zum Taurus und der Küste des Mittelmeeres erweitern. Seine Nachfahren konnten dieses große Reich nicht zusammenhalten. Die Assyrer wurden auf ihr Kerngebiet im nördlichen Mittel-Mesopotamien zurückgedrängt.

Ab 13. Jh. v.u.Z.
Nach der Auflösung des Mitanni Staates bildete sich in den Nördlichen Gebieten des Zagros- und in den östlichen Gebieten Osttaurus-Gebirge (Bitlis, Botan, Hakkari, Van, Urmiye) die Konföderation (Koalition von Kleinkönigreichen) der Nairi. Darin sind zumindest Hurriter und weniger die Kassiten (sie zogen sich nach 1200 zumeist in die Zagros-Berge zurück) organisiert. Die Bezeichnung Nairi wurde ihnen von den Assyrern, die sie immer wieder angriffen, gegeben. Nairi bedeutete auf Assyrisch Flüsse. Damit war dann das von den Nairi bewohnte Land das Land der Flüsse gemeint. Erwähnt wurden die Nairi-Länder von den Assyrern zum ersten Mal in assyrischen Quellen im 13. Jahrhundert v. Chr. Anfangs kämpften die Assyrer noch gegen mehrere lokale Nairifürsten. Tiglat-pileser I. (um 1114 v. Chr.) rühmte sich dreier Feldzüge gegen Nairi und berichtete, 23 Könige der Nairi unterworfen zu haben. Erst später schlossen sich die Nairi zu einer Konföderation zusammen. Des Weiteren nennen assyrische Quellen Urartu als eines der Nairifürstentümer. Die Nairi waren somit die direkten Vorfahren der Urartäern. Somit kann die Achse Hurriter-Nairi-Urartäer angenommen werden.
Wie die Stämme und Völker der Kassiter im Mittleren Zagros-Gebirge nach dem Zerfall des kassitischen Staates um 1200 v.u.Z. zwei bis drei Jahrhunderte lang (bis zum Staatsgebilde der Mannäer) sich politisch organisierten, ist weitgehend unbekannt.

Ab 12. Jh. v.u.Z.
Die vermutlich aus westlichen Gebieten stammenden und zumeist als Nomaden lebenden Aramäer breiteten sich mit der Schwächung des Mittelassyrischen und Hethitischen Reiches ab dem 11. Jh. in vielen Teilen Mesopotamien aus. Sie gründeten z.B. in Nordsyrien einige Kleinkönigreiche. Dann weiten sie sich bis nach Libanon und ins heutige Mittelmesopotamien aus. Erst durch die Wiedererstarkung der Assyrer um 900 v.u.Z. werden ihre Staaten zerschlagen.

Um 1000 v.u.Z.
Im heutigen Palästina/Israel wurde (nach biblischer Überlieferung) mit Jerusalem als Hauptstadt das Königreich Israel gegründet. Dieser teilt sich dann in zwei (im Norden Israel und im Süden Judäa). Diese beiden Staaten wurden durch die Assyrer (722) und die Babylonier (587) erobert und verwüstet. Durch diese Eroberungen wurden die Juden zu Sklaven, die später 550 v.u.Z. mit der Zerschlagung des Neubabylonischen Reiches durch die Perser befreit wurden.
Um 910 v.u.Z.
Das Neuassyrische Reich wurde gegründet. In der Mitte des 9. Jh. v.u.Z. dehnte Assyrien seinen Machtbereich weiter bis zum Mittelmeer, nach Südmesopotamien und in die hohen Gebirge aus. Am Mittelmeer befanden sich wichtige Handelszentren. Doch bald leisteten die Königreiche am Mittelmeer und die Urartäer im Norden so sehr Widerstand, dass die Eroberungen stoppten, teilweise zurückgenommen wurden und eine innere Krise von etwa 80 Jahren andauerte. Vor allem das Königreich Urartu machte den Königen enorm zu schaffen; in seiner bergigen Landschaft war es kaum zu erobern und stellte eine enorme Bedrohung für das assyrische Kernreich dar.

Ab 900 v.u.Z.
Aus der losen Konföderation der Nairi hebten sich die Urartäer hervor und gründeten um den Wan-See (Van-See) im heutigen Ararat Hochland (östliche Gebiete des heutigen Nordkurdistans) und nördliche Gebiete des heutigen Ostkurdistans nach 900 den Staat Urartu. Ein Grund dieser Staatsgründung ist auch die ständige Bedrohung durch die Assyrer. Die Bezeichnung "Urartäisch" leitet sich von der assyrischen Bezeichnung des Gebietes als "Urartu" ab. Die Urartäer selbst bezeichneten ihr Gebiet als Biai-nili, die Eigenbezeichnung der Sprache ist nicht bekannt. Aufgrund der oben genannten Verbindung zu den Nairi sprechen die Urartäern eine dem Hurritischen verwandte Sprache.
Urartu umfasste in seiner größten Ausdehnung auch Gebiete Transkaukasiens, hatte seine Ostgrenze am Urmia-See und seine westlicher Einflussbereich ging bis zu den heutigen Städten Erzingan (türkisch: Erzingan) und Meleti (türkisch: Malatya). Die Hauptstadt Tuschpa (heute Van bzw. Wan) lag am Wan-See. Benachbarte Staaten waren unter anderem Kolcha (im Nordwesten), Kimmerier und Skythen (im Norden) und das Königreich der Mannäer im Südosten, vor allem aber Assyrien im Süden.
Die seit Jahrhunderten währenden Angriffe intensivierten sich mit der Gründung des Neuassyrischen Reiches, was mit der Erstarkung der Urartäern zusammenfällt, in der ersten Hälfte des 9. Jh. v.u.Z. Nach anfänglichen Verlusten konnten die Assyrer bald erfolgreich zurückgeschlagen werden. Durch die Auseinandersetzungen und die Nähe zu den Assyrern übernahmen die Urartäer die Schrift, militärische und diplomatische Praktiken, Kunstmotive und -stile.
Zu den Urartäern lassen sich relativ viele historische Quellen sowohl von ihnen selbst als auch von den Assyrern und Babyloniern finden. Neben den Kurden vertreten viele Armenier die These, dass ihre Kultur auch von den Urartäer abstammt, da sich viele spätere Siedlungsgebiete der Armenier mit dem Land Urartu decken.

Die Könige von Urartu mit ihrer Regierungszeiten hießen:
862 - 840 v. Chr. Arama (Regionaler Herrscher in der Provinz Arzaškun von Nairi);
Aufstieg zur Großmacht: 840 - 825 v. Chr. Sarduri I. (In den Anfängen noch regionaler Herrscher neben Kakia im Gebiet von Nairi); 825 - 810 v. Chr. Išpuini; 810 - 785 v. Chr. Minua (820 - 810 v. Chr. Mitregent von Išpuini); 785 - 753 v. Chr. Argišti I.; 753 - 735 v. Chr. Sarduri II.; 735 - 714 v. Chr. Rusa I.;
Zerfallszeit: 714 - 680 v. Chr. Argišti II.; 680 - 639 v. Chr. Rusa II.; 639 - 635 v. Chr. Rusa III.; 635 - 629 v. Chr. Eriména; 629 - 615 v. Chr. Sarduri III.; 615 - 598 v. Chr. Sarduri IV.; 598 - 590 v. Chr. Rusa IV.
Der Hauptgott der Urartäer war Haldi, Kriegs- und Reichsgott, der auf einem Löwen stehend abgebildet wurde. Seine Begleiterin war Arubaine oder Bagmaštu und seine Stadt Ardini. Diese Gottheiten erscheinen nicht nur in Götterlisten, sondern auch in Verträgen. Aus den Listen ist mit Bestimmtheit nur der Mondgott Šelarde identifizierbar. Möglicherweise kann ihm die vierte urartäische Kultstadt Erdia zugeordnet werden.

Ab 900 v.u.Z.
Etwa zeitgleich mit den Urartäern wurde unter dem Namen Manni (auch Manna oder Mannai) südlich des Urmia-Sees im Zagros-Gebirge der Föderation der Mannäer gegründet, die sich aus den Bergvölkern (Kassiten und andere) des nördlichen und mittleren Zagros zusammensetzte. Diese Föderation grenzte im Norden an Urartu. Da keine Archive von den Mannäer selbst gefunden wurden, stammen die Informationen über sie hauptsächlich von den Assyrern, Urartäern und Babyloniern ab.
Nach der ersten assyrischen Inschriften über die Mannäer aus dem 9. Jh. v.u.Z. drang unter Salmanassar III. (858-824) zum ersten Mal ein assyrisches Heer nach Manni ein und zerstörte die Hauptstadt Zirta. Im folgenden Jahr erhoben die Assyrer auf dem Zug nach Parsuas (Persien) und Namri in Manni Tribut. Die Angriffe gingen über das ganze 9. Jh. weiter, wobei sie sich schnell abschwächten. Vermutlich planten die Assyrer, am Rande des iranischen Hochlandes eine Reihe von Pufferstaaten anzulegen, eine bleibende Eroberung war wohl nicht beabsichtigt.
Auch von Norden her war Manni bedroht. Išpuini von Urartu (824-806) hinterließ eine Inschrift, die berichtet, wie er mit 106 Streitwagen, 10.000 Reitern und 22.000 Infantristen gegen die Stadt Mešta im Reich der Mannäer zu Felde zog. Eine urartäische Inschrift berichtet vom Sieg des Königs Menua (ca. 805-ca. 785 v. Chr.), dem Sohn des Išpuini, über die Mannäer und nennt einen Palast, den Menua in Mešta errichten ließ. Ungefähr zu dieser Zeit wurde vermutlich die Zitadelle der wichtigen mannäischen Stadt Hasanlu IV. zerstört. Nach wenigen Jahrzehnten zogen sich die Urartäer zurück. Doch 719 griffen sie wieder an. Nach einigen Jahren Herrschaft kamen die wieder erstarkten Assyrer den Mannäern, die inzwischen ihre Verbündeten waren, zu Hilfe und vertrieben die Urartäer. Dies nahmen die Assyrer zum Anlass, im Zagros-Gebirge weiter in Richtung Medien und Persien vorzudringen. Aber vor allem konnten sie den Einfluss der Urartäer erfolgreich zurückdrängen. Die Mannäer gingen nach der Zerschlagung des Assyrischen Reiches weitgehend im Medischen Reich auf.

9. Jh. v.u.Z.
Im mittleren und teilweise nördlichen Zagros-Gebirge (südlich von Manni) schlossen sich Schritt für Schritt mehrere Stämme zu einer Konföderation zusammen. Dies wurde u.a. durch die Angriffe der Assyrer erwirkt und war in erster Linie dazu gedacht, sich organisierter zu verteidigen. Ein Königreich oder Zentralstaat war es keinesfalls. Dazu war die Geographie wenig geeignet, es fehlten die Strukturen und die Prägung der Menschen erlaubte es auch kaum. Die Bewohner wurden unter dem Oberbegriff Meder (Mad-ai, Mâd-y, Mand-a) zusammengefasst. Das Land wurde Medien (persisch Mâd, altpersisch Mâd, babylonisch Umman-Mand, kurdisch Medi / Medya) genannt, grenzte im Norden an Manni bzw. Urartu, im Westen an das assyrische Reich, im Osten erstreckte es sich bis zum mittleren Elburs-Gebirge (heutiges Teheran). Südlich von ihnen lebten die Perser. Es umfasste u.a. die Siedlungsgebiete der früheren Gutäer, Lullubäer und Kassiten.
Die Hauptstadt Ekbatana lag an den Osthängen des Zagros-Gebirges; heute ist es unter der Stadt Hamadan begraben, weshalb Ausgrabungen kaum durchgeführt und sehr wenige mehr Erkenntnisse über die Meder gewonnen werden können. Erste historische Belege bezüglich der Meder stammen von den Assyrern aus dem Jahr 835 v.u.Z.
Die Meder führten u.a. das Pferd, das später in Medien eine besondere Bedeutung bekommen sollte, ein. Die medischen Pferde waren auch bei den assyrischen Angreifern sehr begehrt.

Die bekannten medischen Könige sind:
Kyaksares I. (Kyakser) 715 - 675 v.u.Z.
Phraortes (Keyfiribzer) 675 - 653
Evtl. Skythische Könige von 653 bis 625 (nach Heredot)
Kyaksares II. 625 - 585 (manche Quellen bennen ihn schon ab 653 v.u.Z. als König)
Astyages (Keyazdiyak) 585 - 550

810-740 v.u.Z.
Urartu wird Ende des 9. Jh.s immer merh ein gefährlicher Rivale Assyriens, musste sich aber mehrfach gegen kimmerische und skythische Überfälle aus dem Norden zur Wehr setzen. Urartu brachte ab 810 die Assyrer in große Bedrängnis und wurde zu einem ebenbürtigen Staat im Mittleren Osten. Es erlebte bis etwa 740 v.u.Z. mit seiner Hauptstadt Tuschpa einen Hochglanz der Herrschaft.

745 v.u.Z.
Als Tiglatpileser III. den Thron bestieg, war das Land durch Seuchen, innere Unruhen und den Machtanstieg des Königreichs Urartu geschwächt. Sein Hauptinteresse galt dem Zugang zum Mittelmeer und den dortigen Handelszentren. In mehreren Schlachten gelang es ihm, die Fürstentümer des heutigen Syrien und Libanon zu erobern und im Jahr 733 v. Chr. bis Damaskus vorzudringen. Auch hat Tiglatpileser Babylon vollständig erobert. Bereits 100 Jahre zuvor hatten die früheren assyrischen Könige das assyrische Gebiet ähnlich ausgeweitet, jedoch nicht verstanden, es längerfristig zu behaupten. Dies wollte Tiglatpileser nicht wiederholen, und er teilte die eroberten Gebiete ebenso wie das Kernland in kleinere Distrikte auf, die er ihm genehmen Statthaltern übertrug. Außerdem griff Tiglatpileser rigoros zum Mittel der Massendeportation. Während Tausende von Landsleuten in den Grenzgebieten angesiedelt wurden, mussten die meisten der dort lebenden Stämme durch Versklavung den Weg ins assyrische Kernland antreten. Alleine für die Regierungszeit Tiglat-pilesers wird mit der Deportation von mehreren 100.000 Personen gerechnet. Damit wurden rebellische Staaten und Stämme nicht nur besiegt, sondern vernichtet. Die deportierten Personen befanden sich in einer fremden Umwelt, waren von assyrischen Rationen abhängig, ohne Kontakt mit ihren ehemaligen Landsleuten und hatten keine Wahl, als die assyrische Herrschaft zu akzeptieren und sich in das Reich einzugliedern. Diese Politik führte zu einer Vermischung der Bevölkerung und auch einer sprachlichen Vereinheitlichung. Die immer wieder auftretenden Aufstände schlug Tiglatpileser mit brutaler Gewalt nieder. Das Schicksal der Rebellen wird in allen Einzelheiten geschildert, um Nachahmer einzuschüchtern.
Als Tiglat-pileser 727 v. Chr. starb, hinterließ er ein Reich ungeheuren Ausmaßes, das sich sowohl im Inneren als auch nach außen hin relativ stabil und gefestigt präsentierte.

715 v.u.Z.
Erst mit dem Wiedererstarken der Assyrer nach einer 80jährigen Schwächephase ab etwa 740 v.u.Z. und vermehrten Angriffen kamen die Meder enger zusammen und gründeten 715 v.u.Z. eine größere Konföderation. Ihr erster bekannter König war ab Kyaxares I. (Kyakser). Es handelte es sich jedoch zunächst um Regionen und Kleinstfürstentümer, die aus mehr als 100 Stammesverbänden bestanden und sich unter Kyaxares I. zu einer militärischen Einheit verbündeten. Wechselnde Bündnispartner veränderten im Verlauf immer wieder die Gebietsstrukturen der medischen Konföderation.
Die Beziehung zu den Mannäer war sehr wichtig. Denn die gesellschaftlichen Strukturen, Lebensweise und Abstammung waren sehr nahe, doch politisch wurden Auseinandersetzungen durchgeführt. Erst nach der Zerschlagung des Assyrischen Reiches gliederten sich die Mannäer den Medern unter.

Um 714 v.u.Z.
Urartu wurde nach über zwei Jahrzehnten neuen assyrischen Druck und Verluste im Kampf gegen die Kimmerer durch den assyrischen König Sargon II. (721-705 v.u.Z.) in einer Schlacht entscheidend geschlagen. Sargon II. berichtet u.a. von 55 niedergebrannten urartäischen Städten. Danach wurde Urartu Assyrien gegenüber tributpflichtig. Auch wenn Urartu sich von dieser gewaltigen Niederlage zwar erholen konnte, stellte es aber für Assyrien keine Bedrohung mehr dar. Dieser Sieg ist die Vorbedingung für die anschließend wiedergewonnene Herrschaft über den Mittleren Osten.
Assyriern kann weiter unter Sargon II. bis nach Zypern und Mittelanatolien ausweiten. Eine seit Jahr währende Rebellion in Babylon wird niedergeschlagen.

708 v.u.Z.
Der Einfall der Kimmerer um 708 befreite Manna von der Bedrohung durch den mächtigen nördlichen Nachbarn Urartu. Wie weit die Kimmerer in den Iran vorstießen ist unklar. Zur Zeit Sanheribs (705-681) waren die Mannäer und Meder wohl mit den Kimmerern verbündet. Die Kimmerer sprachen eine iranische Sprache, waren ein Reitervolk wie die Skythen und stammten aus der Region der Südwestküste des Kaspischen Meeres ab.

700 v.u.Z.
Im Westen Anatoliens werden die zwei Staaten der Lyder und der Phryger gegründet.

681 - 650 v.u.Z.
In der Zeit des assyrischen Königs Assurhaddons (681-669) begegneten uns die Mannäer als Verbündete der Skythen. Beide wurden von den Assyrern neben den Medern als ernte Bedrohung wahrgenommen. Eine feste Kontrolle des Hochlandes, wie unter Sargon, bestand auf jeden Fall nicht. Unter Assurbanipal (669 - 627) versuchten die Mannäer unter König Ahšeri, auf assyrisches Gebiet vorzudringen und nahmen mehrere Befestigungen ein. Assurbanipal schickte zwischen 665 und 655 Truppen gegen sie aus, die Izirtu belagerten und das Umland verwüsteten. Daraufhin wurde Ahšeri von seinen Untertanen abgesetzt und getötet, sein Sohn unterwarf sich den Assyrern, die ihn gegen Abtretung einiger Grenzorte im Amt bestätigten. Da auch unter den Medern, den südlichen Nachbarn der Mannäer, Unruhen herrschten, konnten die Assyrer vermutlich nicht mit der gewohnten Härte durchgreifen.

667 v.u.Z.
Unter Assurbanipal (668-627 v.u.Z.) wurde mit der Einnahme Thebens, der Hauptstadt Oberägyptens, dem neuassyrischen Reich die größte Ausdehnung gegeben. Um 650 wurde auch noch das weitgehend unabhängige Königreich Elam mit seiner Hauptstadt Susa erobert. Die 40-jährige Regierungszeit von Assurbanipal war die sog. Blütezeit des Neuassyrischen Reiches, was als das erste Weltreich der Geschichte bezeichnet werden kann.

Mitte des 7. Jh. v.u.Z.
Fast der ganze Mittlere Osten ist unter der Hegemonie der Assyrer (ganz Mesopotamien, Zagros, Süd- und Mittelanatolien, Palästina-Syrien, Ägypten und Mittelarabische Halbinsel).

ca. 630 v.u.Z.
Zarathustra (Philosoph und Reformator) wurde in Medien geboren. Seine Lehre waren der monotheistische Glauben (Guter Gott: Ahura Mazda) und ethischer Dualismus. Für Zarathustra war das Leben ein ständiger Kampf zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Lüge und Licht und Finsternis. Der Zoroastrismus, die Lehre von Zarathustra, wird bis zum arabisch-islamischen Einfall im 7. Jh. n.u.Z. zur Hauptreligion der Kurden und Perser.

630 - 625 v.u.Z.
Die aus dem Norden kommenden Skythen unternahmen 625 einen Vorstoß in den Mittleren Osten und Raubzüge bis nach Palästina. Noch mehrere Jahre hinweg waren sie eine Gefahr für die Staaten des Mittleren Ostens. Die Skythen haben mit ihren Streifzügen auch die Meder in ihrer Entwicklung mehrere Jahre zurückgeschlagen und zum weiteren Niedergang des Urartustaates beigetragen. Kyaxares II. (624-585 v.u.Z.) beendete schließlich die Skythenherrschaft in Medien. Danach nahm die medische Konföderation durch weitere militärische Expansionen an Ausdehnung hinzu.

626 v.u.Z.
Nach dem Tod von Assurbanipal wurde der Neubabylonische Staat durch einen Aufstand in Süd-Mesopotamien gegründet. Die Konföderation der Meder nimmt auch deutlich an Stärke zu. Die Meder verbündeten sich gegen die Assyrer mit den Babyloniern.
Das neuassyrische Reich war einzig und allein auf Expansion ausgerichtet. Die eroberten Gebiete wurden durch Deportationen der Bewohner, ihre Versklavung und Steuern so lange ausgeblutet bis nur eine weitere Expansion in Frage kam, um den Lebensstandard der Führungsschicht zu halten. Um die immer weiter entfernten Gebiete unter Kontrolle zu halten, mussten immer mehr Assyrer aus dem Kernland als Soldaten eingesetzt, umgesiedelt bzw. zu Verwaltungsaufgaben abgezogen werden. Die so immer weiter abnehmende Produktivität des Kernlandes zwang wiederum zur Ausbeutung der eroberten Gebiete und damit zu weiteren Expansionen. So waren wohl bereits bei der Eroberung Thebens die Ressourcen an Verwaltungspersonal erschöpft. Dies führte nicht zu einem sofortigen Zusammenbruch, wie sich an der 40-jährigen Herrschaft Assurbanipals zeigte. Das instabil gewordene Reich konnte durch einen starken König, reiche Ernten und relativ wenig Unruhen an den Außengrenzen noch standhalten.

620-610 v.u.Z.
Das ohnehin schwache Königreich Urartu, was sich nur noch um den Wan-See konzentrierte, verschwand einerseits durch einen weiteren Einfall der Skythen andererseits durch die Erstarkung Mediens endgültig von der Geschichtsbühne.


Das Medische Reich und das Perserreich

614 - 612 v.u.Z.
Die Meder erobern unter ihrem König Kyaksares II. zusammen mit den Babyloniern zunächst die Stadt Assur 614, anschließend 612 die Hauptstadt des assyrischen Imperiums, Ninive (Ninova), und Assur. Damit wird das Assyrische Reich endgültig zerschlagen, die größte bis dahin gekannte Versklavung nimmt ein Ende und zwei neue Staaten werden im Mittleren Osten bestimmend für die kommenden Jahrzehnte: Medien im Iran, Obermesopotamien und Anatolien und Neubabylonien in Mittel-Südmesopotamien und an der Mittelmeerküstenregion.
Aus dem Sieg über die Assyrer leitet sich das in die kurdische Geschichte eingegangene Neujahrsfest "Newroz" (was "neuer Tag" bedeutet) ab, was von den Kurden, Perser und anderen iranischen Völkern am 21. März eines jedes Jahres gefeiert wird. Nach der mythologischen Überlieferung symbolisiert Newroz den Aufstand der KurdInnen unter der Führung des Schmieds Kawa (mythischer Held) und anderer Völker gegen die tyrannische Herrschaft des Dehak und dessen Zerschlagung.
Die Meder errichteten das Reich Medien, welches sich in seiner größten Ausdehnung von Ost-Iran bis Mittelanatolien erstreckte. In diesem Prozess des Ausbreitens wurden die im nördlichen und mittleren Zagros- und im Osttaurus-Gebirge ansässigen iranischen und proto-iranischen Völker (u.a. Mannäer und Urartäer), die sich alle kulturell relativ nahe stehen, in die neue Staatsform als Hauptstützen eingegliedert. Der medische Staat stützte sich vor allem auf diese Gesellschaften im groß gewordenen Reich. Nach Meinung verschiedener Geschichtsforscher war dies die Grundlage für die Bildung der kulturellen, sprachlichen und territorialen Einheit der Meder, auf die sich die KurdInnen heute als ihre Vorfahren vor allem in ihren Liedern und Erzählungen beziehen. Es gibt aber auch einige Historiker, die keinen Zusammenhang zwischen Meder und Kurden sehen.
Über die Gesellschaftsstruktur der Meder ist relativ wenig bekannt. Wie oben erwähnt, waren sie in einer Konföderation organisiert. Der Adel spielte eine starke Rolle.

585 v.u.Z.
Die Meder breiteten vor allem sich nach Westen aus, wo sie auf die stark organisierten ebenfalls iranischen Lyder stoßen. Die Lyder haben sich ab Anfang des 7. Jh.s in Westanatolien ausgebreitet. Die Meder liefern sich jahrelange Kämpfe mit den Lydern. Während einer großen Schlacht im Jahre 585 v.u.Z. fand eine Sonnenfinsternis statt, die beide Seiten des Krieges erschreckte. Diese Schlacht in Mittelanatolien am Halys (Kizilirmak-Fluß) endete daher ergebnislos; daraufhin wurde ein Frieden geschlossen. Fortan bildete der Halys die Grenze zwischen Lydern und Medern. Herodot erwähnte in diesem Zusammenhang, dass der lydische König Alyattes II. dem medischen König Astyages seine Tochter Aryenis zur Frau gab, um eine Verwandtschaftslinie aufzubauen.
Danach setzte eine relative Friedenslage im Medischen Reich ein, die aufgrund verschiedener politischer Beschlüsse und Praktiken schnell zur Stagnation führte.

560-550 v.u.Z.
Die Meder führten kleinere kriegerische Auseinandersetzungen in der Region um Harran gegen die Babylonier. Während dessen erstarkten langsam die Perser, die ihr Kerngebiet (Persis) im heutigen Südiran in der Zagros-Gebirgsregion haben. Im Jahre 560 v.u.Z. wird Kyros II. König von Ansan, einer Region in der Persis unter der Oberhoheit der Meder, die seit etwa hundert Jahren eine Hegemonie über diesen Raum ausübten.

550 v.u.Z.
Die Perser unter Kyros II. übernahmen bzw. eroberten das Mederreich und gründeten somit das persische Achämenidenreich. Nach Überlieferungen soll der Verrat (das Überlaufen) des medischen Kommandanten Harpagos entscheidend für die Niederlage von Astyages gegen die Perser sein. Dieser steht symbolisch für all die später durch die ganze kurdische Geschichte stattfindenden Verrate und Kollaborationen mit den Besatzern Kurdistans. Doch mindestens genauso beeinflussend für den Untergang war die Politik des medischen Königs gegenüber seinen Fürsten (Adel), deren Kraft er unterschätzt, weshalb diese ihm nicht beistehen, als Kyros die Macht übernimmt.
In wenigen Jahrzehnten fällt neben dem Gebiet des heutigen Kurdistans der gesamte Mittlere Osten unter die Herrschaft der Perser. Die medische Aristokratie genoss im Perserreich der Achämeniden viele Privilegien und wurde an der Verwaltung beteiligt. Medien wurde unter den Achämeniden zur Satrapie (größere Provinz mit politisch-administrativer und militärischer Leitungsfunktion) des Perserreichs. Herodot zufolge musste Medien dem Großkönig jährlich einen Tribut von 450 Silbertalenten, Tierhäuten, Bekleidung, Edelsteinen, Gefäßen und Waffen zahlen. Berühmt begehrt waren auch die nisäischen Pferde aus Medien, die später auch als "himmlische Pferde" bezeichnet wurden.
Mit der Niederwerfung der Medischen Staates durch die Perser begann für die Kurden von nun an eine ständige bis heute andauernde Phase der Okkupation, Ausplünderung und der Kriege.

541/539 v.u.Z.
Kyros II. eroberte zunächst Anatolien nach der Bezwingung der Lyder im Jahre 539, dann werden 541 die Babylonier geschlagen. Durch die Eroberung Babyloniens gelangte auch Juda unter persische Kontrolle. Die Perser erlaubten den Juden/Israeliten, in ihre Heimat zurückzukehren. Einige Jahrzehnte zuvor wurde ihr Land von den Babyloniern besetzt, infolgedessen sie als Sklaven zusammen mit der Tora nach Mesopotamien gebracht wurden.

521 -486 v.u.Z.
Der König Dareios I. (521-486) gilt als der eigentlicher Gestalter des Perserreiches. komplettierte den Rohbau des Reiches, indem er dessen Verwaltung in Satrapien organisierte, die Wirtschaft stärkte und Teile Indiens und Thrakiens dem Reich anschloss. Außerdem baute er die beiden wichtigsten achämenidischen Residenzen auf, Susa und Persepolis.
Im religiösen Bereich waren viele Fragen bei den Persern offen: Unter den Achämeniden wurde die von Zarathustra gegründete Religion (Zoroastrismus) jedenfalls nicht zur Staatsreligion erhoben. Vielmehr ist unklar, in welcher Weise die altpersischen Weisen in dieser Zeit verehrt wurden. Der König der Könige wurde auch keineswegs als Gottkönig verehrt, stand aber dennoch in einem besonderen Verhältnis zu Ahura Mazda (Gottesgnadentum im Zoroastrismus) und war den einfachen Untertanen völlig entrückt. In religiöser Hinsicht waren die Achämeniden jedoch tolerant, was auch ein Mittel war, die Macht in den eroberten Gebieten zu sichern.

5. Jh. v.u.Z.
Die Perser unternahmen mehrere Versuche, neben den griechischen Besitzungen an der Ägäisküste und in Thrakien auch Griechenland zu erobern, die jedoch alle scheitern.

401 v.u.Z.
Xenophon, ein griechischer Kommandant und Abenteurer, berichtete beim Durchmarsch seiner Armee durch Nord-Kurdistan von seinen Erlebnissen. Er berichtete von den "Karduchoi" (Karduchen). Die Griechen wurden bei ihrem Marsch von Mittel-Mesopotamien bis zum Schwarzen Meer von ihnen so angegriffen, dass sie große Verluste hinnehmen mussten. Diese Berichte des Xenophon ist für die heutige kurdische Geschichtsforschung eine wichtige Quelle ("Anabasis").
Dieser Bericht lässt schließen, dass zu dieser Zeit unter dem Namen Corduene, Cordyene, Cardyene, Gordyaea, Korduene, Korchayk und Girdiyan ein Staatswesen im nördlichen Mesopotamien, also in Nord-Kurdistan existierte, wenn es auch oberflächlich zum Persischen Reich gehörte. Die unterschiedlichen möglichen Namen rühren wahrscheinlich von der schwierigen Transskription des kh im Lateinischen her. Karduchoi oder Corduene erstreckte sich wahrscheinlich von Hakkari bis Amed und umfasste auch einen Großteil des Osttaurus-Gebirges.
Der römische Historiker Strabon verwendete den Begriff Gordyene für die Berge zwischen Amed und Mush. Die größten Städte sollen Sareisa (Shareisha oder Shereshe, nahe Ergani), Satalca und Pinaca (Cizre) gewesen sein und die Bewohner Nachfahren der Carduchianer. Nach ihm waren die Einwohner große Baumeister und als Experten im Belagerungswaffenbau bekannt.
Nach Alexander der Große untersteht die Region von 301 bis 189 v.u.Z. den Seleukiden. 189 bis 90 v.u.Z. war Corduene ein unabhängiger Staat. Danach herrschten Phraates III. von Parthien wie auch Tigranes II. von Armenien über das Land.

Ab 334 v.u.Z.
Alexander der Große aus Makedonien (Griechenland) besiegt 331 entscheidend das geschwächte aber noch intakte persische Großreich. Kurdistan fällt auch unter hellenische (griechische) Herrschaft. Alexander der Große zieht bis Indien und Mittelasien. Dabei zerstört er viele historische Städte wie Persepolis und Alexandria und ihre Büchereien. Er versucht eine Synthese der hellenischen und östlichen Kultur durch Heirat seiner Soldaten mit Frauen aus der Region zu entwickeln.

323 - 240 v.u.Z.
Nach dem Tod Alexanders 323 v.u.Z. kam es zu den so genannten Diadochenkriegen. In diesen setzte sich im Osten ein Weggefährte Alexanders, Seleukos I. durch. Das Reich wird in Satrapen aufgeteilt. Eines davon ist das Satrapat Medien. Der Iran war während des Hellenismus jedoch nur teilweise und unvollständig unter der Kontrolle der Seleukiden. Dies war zum einen der Größe des Raumes, andererseits der geringen Anzahl von Griechen bzw. Makedonen geschuldet, die diese Region kontrollieren mussten. Die ersten Seleukiden bevorzugten zwar Makedonen und Griechen, versuchten aber einen "modus vivendi" mit den Einheimischen zu schaffen. Diese Ausgleichspolitik war zu Anfang durchaus erfolgreich. Daneben betrieben die Seleukiden auch eine gezielte Urbanisierungspolitik, vor allem in Syrien und Mesopotamien.
Die ersten Zerfallserscheinungen traten mit dem Abfall Baktriens (ca. 256 oder 240 v.u.Z.; die Chronologie ist sehr unsicher) auf. So beschränkten die Seleukiden ihre Herrschaft auf den westlichen Teil des heutigen Irans (inkl. Medien) sowie auf Mesopotamien, Syrien und Anatolien. Im Osten traten in dieses Machtvakuum die Parther, die um 240 v. Chr. den Nordosten des Irans in Besitz nahmen. Doch weiter im Westen existieren seleukidisch beherrschten Gebiete, die später von den anrückenden Römern (bis etwa 130 v.u.Z.) oder den Parthern unter Kontrolle gebracht werden.


Die Römer, Parther und Sassaniden

235 v.u.Z.
Im Iran gründeten die vom südlichen Kaspischen Meer kommenden nicht-persischen, aber iranischen Parther einen zentralistischen Staat, der sich von Ostiran und südwestlichem Mittelasien bis nach Mesoptamien erstreckte. Das heutige Kurdistan gehörte komplett auch diesem Reich an. Dieser konnte gewissermaßen als eine Fortführung des Perserreiches verstanden werden. Die Parther waren wohl ursprünglich ein Teilstamm der Skythen mit dem Namen Parner (Parni), der an der Südostecke des Kaspischen Meeres ansässig war. Als sie in die Satrapie Parthia einwanderten (nicht ganz sicher), nahmen sie den davon abgeleiteten Namen Parther an.
Kulturell und religiös zeigten die Parther eine große Toleranz, auch wenn die Könige eine besondere Nähe zum Zoroastrismus zeigten, und waren vor allem der hellenistischen Kultur gegenüber sehr aufgeschlossen. Es verbanden sich im Partherreich vielfach achämenidische und seleukidische Traditionen. Allerdings wurde nach der Zeitenwende wohl wieder stärker das iranische Element betont - vielleicht in bewusster Abgrenzung zu den Römern. Die Parther waren kulturell fruchtbar und stellten das Bindeglied zwischen der griechisch-römischen Welt und Mittelasien und China dar - auch wenn viele Details aufgrund der schlechten Überlieferungslage unklar bleiben. Die militärische Macht der Parther lag im massiven Einsatz berittener Bogenschützen und in ihrer schweren Kavallerie begründet. Allerdings sind keine detaillierten Berichte über das parthische Militärwesen erhalten.
Innenpolitisch war das Partherreich ein Feudalstaat, in dem sich dynastische Unterfürstentümer (z.B. Armenien, Charakene, Elymais, Atropatene Media) herausbildeten. Die Zentralregierung war offenbar nur recht schwach ausgeprägt (trotz eines Königsrats), und die Macht der großen Adelshäuser war beträchtlich, sogar am Hofe des Königs.
Die Existenz der Atropatene Media zeigt, dass Medien auch nach dem Perserreich noch eine gewichtige Rolle innerhalb der persisch-iranischen Herrschaftsdynastien innehatte. Jedoch sind die historischen Quellen über Medien und Kurdistan aus dieser Zeit sehr spärlich.

190-55 v.u.Z.
Nach der Niederlage der Seleukiden gegen die Römer in der Schlacht von Magnesia im Jahr 188 v.u.Z. rief sich Artaxias zum König von Armenien aus. Seine Nachkommen, die Dynastie der Artaxiden, festigten die weitere Unabhängigkeit Armeniens als selbstständiges Königreich. Um 95 bis 55 v.u.Z. erreichte die Macht des Artaxidenstaates ihren Höhepunkt. Tigranes der Große ließ sich zum König der Könige ausrufen und kontrollierte zeitweise sogar das ehemalige seleukidische Kernland Syrien. Damit war Nord- und Mittel-Kurdistan unter armenischer Herrschaft. Sein Bündnis mit Mithridates von Pontos um 55 v.u.Z. brachte ihn jedoch in Konflikt mit den Römern, die ihn zwangen, Syrien wieder aufzugeben und ihre Oberhoheit über seinen Staat anzuerkennen.
Den in Mesopotamien und dem Iran herrschenden Parthern gelang es anschließend, Vertreter des eigenen Herrscherhauses, der Arsakiden (Arschakuni), auf den Thron zu setzen.
In den kommenden zwei Jahrtausenden lebten die Kurden und Armenier neben- und miteinander zusammen (weitgehend friedlich); bis zum Genozid an den Armenier im Jahre 1915. Neben Kappadokien waren sehr viele Provinzen im heutigen Nord-Kurdistan von Armeniern bewohnt, in den Provinzen wie Erzurum, Kars, Van, Agri und Mus bildeten sie etwa die Hälfte der Bevölkerung. Deshalb wurden/werden diese Provinzen oft auch zu Armenien gezählt. Im Laufe der Geschichte konzentrierten sich in den gemischten Gebieten die Armenier auf das Handwerk- und den Handel, während die Kurden eher in der Land- und Viehwirtschaft tätig waren.

141 v.u.Z.
Das bis dahin noch seleukidische Mesopotamien wurde durch die Parther erobert. Die Seleukiden konnten sich bis zu den Eroberungszügen der Römer sich an der Levante halten.

115 v.u.Z.
Unter dem erfolgreichen Partherkönig Mithridates II. (124-88 v.u.Z.) wurde 115 v. Chr. die Seidenstraße "eröffnet": Eine Delegation des chinesischen Kaisers Wu Ti machte ihre Aufwartung.

1. Jh. v.u.Z.
Erwähnung der Kyrtii in der Geographie des lateinisch schreibenden Strabon.

163 v.u.Z. bis 74 n.u.Z. (nach unserer Zeitrechnung)
Zwischen dem Römischen und Parthischen Reich am Euphrat etwa in der heutigen Provinz Adiyaman (Semsur) bildete sich das kleine Kommagene Reich aus, nachdem es unter Ptolemaios VI. Philometor von Ägypten 163 v. Chr. von den Seleukiden unabhängig wurde. Die Hauptstadt war Samsat, was heute in den Wassermassen des Atatürk-Stausees begraben ist. Es war ein Pufferstaat, der aber eher unter römischen Einfluss stand. Der bedeutendste König war Antiochos I. (69 - 36 v.u.Z.). Nach dem Tod Antiochos' III. (17 n. Chr.) wurde Kommagene langsam in das Römische Reich eingegliedert.
Eine der größten Leistungen sind die heute berühmten Statuen auf dem Berg Nemrut. Das Reich Kommagene lag im heutigen Kurdistan, weshalb von verschiedenen Stellen Thesen über eine eventuelle Verwandtschaft zu den Kurden gestellt wurden.

Anfang des 1. Jh. v.u.Z.
Die aus Italien stammenden Römer, die um das Mittelmeer herum ein Großreich gegründet hatten, okkupierten die gesamte Region um das östliche Mittelmeer, also Ägypten, Palästina/Israel, Syrien und West-Mittelanatolien. Damit beginnt die römische Kolonisierung des Mittleren Ostens.

69-53 v.u.Z,
Bald nach dem ersten Zusammentreffen der Parther unter Sulla mit den Römern zu Beginn des 1. Jahrhunderts v.u.Z., wurde das Partherreich zum Rivalen Roms um die Macht im Mittleren Osten, wobei es nicht zuletzt um den an Bedeutung zugenommenen Handel ging. Zahlreiche militärische Auseinandersetzungen kennzeichneten hinfort das Verhältnis der beiden Staaten, wobei die Parther in der Regel die Angegriffenen waren. Am bekanntesten ist sicher die römische Niederlage in der Schlacht bei Carrhae 53 v.u.Z. (25.000 tote römische Soldaten). Anlass dieser Schlacht war der Bruch der 69 v. Chr. geschlossenen Verträge, die den Euphrat als Grenze festlegten, durch den römischen Statthalter Syriens Crassus.

20 v.u.Z.
Unter dem römischen Kaiser Augustus erkannten beide Reiche den Euphrat als Grenze an.

54-218 n.u.Z.
Weitere römisch-parthische Kriege fanden unter den Kaisern Nero (in Bezug auf Armenien: 54-63 n.u.Z.), Trajan (114-117), Mark Aurel bzw. Lucius Verus (161-166), Septimius Severus (195 und 197/198) und Caracalla (216-18; der Krieg wurde erst nach seinem Tod unter Macrinus beendet) statt. Kurdistan, Mittel-Süd-Mesopotamien und Armenien waren bei diesen Angriffen oft der Kriegsschauplatz. Die Römer konnten nie wirklich erfolgreich sein, obwohl sie dreimal die parthische Hauptstadt Ktesiphon erobern konnten; denn sie gelangten an ihre Kapazitäten.
Die Euphratgrenze erwies sich angesichts der zahlreichen Kriege als erstaunlich dauerhaft und bestand bis zum Ende des Partherreiches im Wesentlichen unverändert fort. Obwohl es unter Nero im Jahre 63 zu einem Kompromiss in Hinblick auf Armenien (und teilweise heutiges Nord-Kurdistan) gekommen war, blieb das Land noch über Jahrhunderte umstritten; dies sollte sich auch später unter den Sassaniden nicht ändern, da das Land von großer strategischer Bedeutung war.

Ende 2. Jh. / Anf. 3. Jh. n.u.Z.
Vor allem im 2. Jahrhundert n.u.Z. wurde das Partherreich durch mehrere Bürgerkriege erschüttert. Auch im Kampf mit dem alten Rivalen Rom musste man einige Niederlagen hinnehmen. Doch auch die Abwehrkämpfe gegen die Steppenvölker aus Mittelasien an der Nordostgrenze stellte eine ständige Belastung für das Reich dar, dessen König nur über relativ geringe Einnahmemöglichkeiten verfügte (wie etwa Zölle).

211-226 n.u.Z.
In Persis, Kernland der Perser, begann zu Beginn des 3. Jahrhunderts n.u.Z. eine Revolte unter dem lokalen Fürsten (Unterkönig) Ardaschir I., der um 211 Feldzüge in die benachbarten Regionen unternahm. Ardaschir konnte schließlich 224 den letzten parthischen König in einer Schlacht besiegen und töten. Er selbst wurde 226, nach der Eroberung von Ktesiphon, wo sich ein anderer Arsakide noch zwei Jahre hatte halten können, zum König gekrönt. Er begründete so die Dynastie der Sassaniden, deren Neupersisches Reich bis ins 7. Jahrhundert fortbestand und erst im Zuge der islamischen Expansion am Ende der Spätantike unterging. Dabei ergaben sich zahlreiche Kontinuitäten in Bezug auf Staatsaufbau und Gesellschaft, und viele parthische Adelsgeschlechter konnten sich mit den Sassaniden arrangieren und auf diese Weise Macht und Einfluss sichern.
Das Sassanidenreich, das in der Forschung gelegentlich auch als Neupersisches Reich bezeichnet wird, war über Jahrhunderte hinweg eine bedeutende Großmacht und ein Rivale des römischen bzw. des oströmischen Reiches. Außer kriegerischen Auseinandersetzungen gab es aber auch zahlreiche friedliche Kontakte zwischen Römern und Sassaniden, die sich in vielerlei Hinsicht gegenseitig beeinflussten.
Ardaschir war offenbar bestrebt, den Einfluss der mächtigen Adelsfamilien zu begrenzen, was ihm allerdings nur teilweise gelang. Im Sassanidenreich gibt es keine Provinz Medien mehr. Auch werden in den historischen Quellen nicht mehr von den Medern gesprochen. Dies könnte daraufhin deuten, dass die Kurden sich in anderer Form oder unter anderen Namen begannen zu organisieren.

216-276 n.u.Z.
Der Zeichner und Religionsstifter Mani verbreitete ab 240 in Mesopotamien und im Iran eine neue Schriftreligion (Manichäismus). Diese vereinigte in sich das Christentum, den Zoroastrismus und Buddhismus und formte eine ausgeprägt tolerante Religion. Seine Religion versuchte dabei Nachfolger und Überbietung zu sein. In diesem Rahmen ging Mani von einem ewigen Kampf von Gut und Böse, von Licht und Dunkelheit, von Geist und Materie aus.
Mani beeinflusste eine längere Zeit sogar den damaligen sassanidischen Herrscher Schapur I., der ihn förderte und nach manichäischer Tradition die Mission in seinem ganzen Reich erlaubte. Ihm widmete Mani sein einziges persisch abgefasstes Buch Schapuragan. Ein Bruder des Großkönigs, Peroz, konvertierte sogar zum Manichäismus; dennoch stützte sich Schapur weiterhin vor allem auf den Zoroastrismus. Doch eine Intrige des nachfolgenden Herrschers in Zusammenarbeit mit der zorostrischen Priesterschaft führte zum Tod von Mani. Damit wurde diese Religion schnell zurückgedrängt.

240-272
Schapur I. (240-272) gilt als eine der großen sassanidischen Könige. Neben einigen Kriegen gegen die Römer stach ansonsten innenpolitisch aus Schapurs Regierungszeit vor allem seine recht intensive Urbanisierungspolitik hervor. In den von Schapur gegründeten Städten wurden auch aus dem Westen stammende Menschen, darunter auch etliche Christen, die dort ihren Glauben nicht ausüben konnten, angesiedelt.

3. - 7 Jh.
Das römische Reich und die persische Sassaniden Dynastie bekämpften sich ununterbrochen um die Vorherrschaft. Der Krieg fand oft auch auf kurdischem Siedlungsgebiet statt. Der ständige Kriegszustand zwang die Kurden sich immer wieder in die Berge zurückzuziehen, wo sie Schutz für ihre Existenz fanden.
Ganz wie die Römer hatten die Sassaniden nicht nur an einer Front zu kämpfen. Auch das Neupersische Reich musste sich (wie schon die Parther) gegen Eindringlinge aus den Steppen Zentralasiens und aus dem Kaukasus zur Wehr setzen.

359
Der Großkönig Schapur II. führte seit 338 einen langen Krieg gegen die Römer mit Ziel, den aus persischer Sicht schwer erträglichen "Friedensvertrag" von 298 zu revidieren. Ihm gelangen nach anfänglichen Rückschlägen mehrere Siege; so konnte etwa die sehr wichtige Festung Amida (heutiges Amed bzw. Diyarbakir) im Jahre 359 eingenommen werden. Doch kurze Zeit später nahmen die Römer diese Stadt zurück.

387
Die wieder erstarkten Sassaniden erreichen nach kriegerischen Erfolgen durch einen Vertrag, dass 4/5 der Provinz Armenien (auch Persarmenien genannt, reichte bis hinein nach Nordmesopotamien) von den Römern abgetreten wurde.

395
Das Römische Reich wird in Ost und West geteilt. Während das weströmische Reich in wenigen Jahrzehnten untergeht, hält sich Ostrom lange an der Macht und wird später in Byzanz umbenannt.

400-470
Unter Yazdegerd I. (399-420) konnte das Christentum im Perserreich an Boden gewinnen, auch wenn es weiterhin gelegentlich zu Verfolgungen kam. Um 450 mussten die Sassaniden einen gefährlichen Aufstand in Persarmenien niederschlagen, der sich ebenfalls an religiösen Fragen entzündet hatte. Um 470 wurde die nestorianische assyrische Kirche des Ostens gegründet. Dies war eine Abspaltung von der orthodoxen im Römischen Reich dominanten Kirche. Da nun die Perser die Christen nicht mehr fürchteten, kam es auch zu keinen weiteren Christenverfolgungen.

4.-5. Jh.
Einige Historiker vertreten die These, dass die Kurden vor allem im 4. und 5. Jh. n.u.Z. das Gebiet des heutigen Kurdistans insgesamt besiedelten, sich also weiter in Richtung Nordwesten orientierten.

502
Im 5. Jh. Gab es fast keine kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ost-Römern und Sassaniden. Ab 502 begannen wieder die Kriege zwischen Sassaniden und Oströmern. 503 gelang es den Sassaniden für 2 Jahre die strategische Stadt Amida (Amed) mit ihrer großen Festung einzunehmen.

531-579
Großkönig Chosrau I. Anuschirvan (531-579) war der große Gegenspieler des oströmischen Kaisers Justinian I. Während Chosraus Herrschaft erreichte das Reich seine größte Blüte und Ausdehnung (bis Jemen und Oman), er selbst lebte in der Sagenwelt des Orients weiter, während sein Name als Kisra bei den Arabern bis heute das Synonym für "König" ist (ähnlich wie Caesar als "Kaiser" im Deutschen). Im Inneren entstanden prächtige Bauwerke, und der Ruf des hochgebildeten Großkönigs als Patron der Künste und Wissenschaften drang bis nach Athen: Nach der Schließung der weltberühmten Akademie von Athen im Jahr 529 suchten die letzten heidnischen Neuplatoniker 531 Zuflucht im Perserreich. Im Inneren konnte Chosrau offenbar wenigstens zeitweise die Position des Königtums gegenüber dem Adel stärken und mehrere Reformen in Angriff nehmen.

560
Im Nordosten vernichtete Chosrau mit Hilfe der Türken um 560 das Reich der Hephthaliten, woraufhin allerdings die Türken deren Platz als Feind der Perser einnahmen.

590-628
Der letzte bedeutende Sassanidenherrscher Chosrau II. musste kurz nach Machtantretung sehr bald vor seinem General ausgerechnet zu den Römern fliehen und erlangte seinen Thron 591 nur mit Hilfe des Kaisers Maurikios zurück, wofür die Römer erhebliche Gebiete (zurück-)erhielten. Während die Sassaniden in den vorangegangenen Jahrhunderten niemals ernsthaft versucht hatten, ihren Machtbereich im Westen über Armenien und Mesopotamien hinaus auszuweiten, brach Chosrau ab 602 angesichts der militärischen Erfolge nun mit dieser Politik: Syrien und Ägypten wurden als dauerhafte Eroberung administrativ in das Perserreich integriert. 626 kam es sogar zu einer Belagerung Konstantinopels. Doch die scheinbare Macht des Sassanidenreiches, das seine Leistungsfähigkeit in diesem Kampf stark überfordert hatte, erwies sich nun offenbar als brüchige Fassade. Entscheidend für die persische Niederlage aber waren vermutlich weniger die verzweifelten Aktionen des Kaisers, der zu keinem Zeitpunkt auf die Hauptstreitmacht der Sassaniden traf, als das Eingreifen von türkischen Stämmen aus Mittelasien in den Krieg. 627 wurden die Perser dann von den Römern endgültig zurückgeschlagen und das Reich stürzte in eine tiefe Krise.


Arabisch-Islamische Eroberung und kurdischer Widerstand

Mit dem Islam im 7. Jahrhundert kam die letzte große monotheistische Religion auf die Weltbühne. Heute ist sie zusammen mit dem Christentum, Judentum, Buddhismus und Hinduismus der bestimmende Glauben in der Welt.
Die von Mohammed verkündete Botschaft eines kompromisslosen Monotheismus fand im polytheistischen Mekka (heutiges Saudiarabien) jener Zeit wenige Anhänger und die junge muslimische Gemeinde musste im Jahre 622 Mekka verlassen (Hidschra genannt) und in das nördlich gelegene Medina auswandern. Als Mohammed dort sehr stark wurde, seine Macht ausbaute, eroberte er 630 Mekka. Damit begannen die Eroberungszüge auf der arabischen Halbinsel. Mohammed erzeugte durch die neue Religion des Islam, die dritte große monotheistische Religion, eine neue große Dynamik, die ihren Ursprung aus den arabischen Stammesgesellschaften mit ihrem heidnischen Glauben nahm. Als er mit verstarb 632, war die südliche und mittlere arabische Halbinsel schon erobert.
In dieser Zeit waren die beiden seit Jahrhunderten bestimmenden großen Reiche der Oströmer und Sassaniden von einem erneuten langen Krieg erschöpft gewesen, den sich beide bis 629 geliefert hatten. Dies begünstigte auch den arabisch-islamischen Eroberungszug. Weiterhin waren sie politisch-ideologisch in einer Stagnation. Ausschlaggebend für den Erfolg des Islams waren auch die wesentlich mildere und im rechtsstaatlichen Sinne berechenbarere Besteuerung und die relativ größere Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten. So genannte "Heiden" wurden verfolgt, aber nicht Anhänger der Buchreligionen (Christen, Juden und Zoroastrier), wenn sie eine Kopfsteuer zahlten. Erst später kam es zu größeren Ausschreitungen von Seiten der Moslems; auch die Steuerbelastung nahm später zu. Hinzu kam, dass den islamisch-arabischen Kämpfern eine große Beute nach jedem Sieg zustand.
Wichtig ist festzuhalten, dass die Ursachen für den Islam nicht in einer einzigen Erklärung, sondern in einer Vielzahl von Faktoren zu suchen sind. Auch der Satz, dass kein Weltreich oder Imperium (was mit Eroberungen und Unterdrückung verbunden ist) für immer existieren wird, egal wie stark es ist, bewahrheitete sich in dieser Zeit wieder einmal als auch für alle anderen späteren Reiche und Imperien.
Die Verwaltung des neuen Reiches sah so aus, dass von den Arabern auch griechischsprachige Verwaltungsbeamte übernommen, was zur Folge hatte, dass Griechisch und Persisch als Verwaltungssprache erst mit Abd al-Malik durch das Arabische ersetzt und im 8. Jahrhundert langsam zurückgedrängt wurden. Offenbar änderten die Araber relativ wenig an dem bestehenden Verwaltungssystem, das ja auch effektiv arbeitete. Zunächst war der neue Großstaat aber relativ locker aufgebaut, wobei die Gouverneure weitgehend freie Hand hatten. Erst ab etwa 662 wurde eine straffere Zentralverwaltung geschaffen, die eine Konsolidierung des Reiches brachte.


637 n.u.Z.
Die Eroberungswelle der arabisch-islamischen Herrscher breitete sich unter dem zweiten Khalif Ömer (Umar) nach Norden (Iran, Kurdistan und Nordafrika) aus.
Ab 637 sind auch die Kurden von den Eroberungen betroffen. Die bis dahin zumeist zarathustrischen Kurden und Perser werden fortan durch die Eroberungszüge in Etappen islamisiert. 650 kommen die islamisch-arabischen Armeen in Armenien an, das erst 693 vollständig erobert wird. Bis auf eine kleine Minderheit an der Grenze zu Arabien, erfolgt dies bei den Kurden durch Zwang. Sie sind nicht wie die Araber in Mesopotamien oder Syrien mit den neuen Herrschern einverstanden.
Die kurdische Bevölkerung wehrte sich bis weit ins 9./10. Jh. gegen die gewaltsame Islamisierung und führte zahlreiche Aufstände gegen die islamische Zentralregierung mit ihrem neuen Hauptsitz (ab 661) in Damaskus. Besonders die bergigen Gebiete im Norden Kurdistans leisteten erbitterten Widerstand, während die im Süden an der Grenze zu den Arabern lebenden KurdInnen schnell unter Kontrolle gerieten. Das mittlere und östliche Taurus-Gebirge bildete für einige Jahrhunderte eine Barriere für die Ausbreitung des Islams, was auch am Widerstand der Byzantiner lag, die westlich-nördlich vom Taurus-Gebirge noch herrschen konnten.
Der Islamisierungsprozess hatte in den folgenden Jahrhunderten neben kulturellen Einflüssen vor allem eine starke Feudalisierung der kurdischen Gesellschaftsstrukturen zur Folge. Obwohl sich Gemeinden anderer Glaubensrichtungen (Aleviten, Yeziden, Christen, Juden) innerhalb der kurdischen Gesellschaft erhalten bzw. herausentwickelt haben, wurde der Islam zum bestimmenden Faktor und prägenden Element der Traditionen und Lebensweise.
Der Widerstand der Kurden gegen die arabisch-islamischen Eroberer entfachte trotz der Brutalität und der Niederschlagungen immer wieder auf. Dutzende Aufstände fanden in dieser Zeit statt.
Ein Massaker im Fürstentum Hakkari Ende des 7. Jh.s zeigte deutlich die Brutalität der Eroberer: Tausende Menschen werden entlang der Straße 25 km lang von Meleti nach In den Süden gekreuzigt. Weitere bekannte Aufstände der KurdInnen:
- 637 Mossul Aufstand
- 642 Sehrizor Aufstand
- 645 Balasagan Aufstand
- 657 - 692: "chawaridschi" Aufstand
- 708: Aufstand in Ost-Kurdistan
- 744-746 Sehrizor Aufstand
- 777 El-Mukanna Aufstand
- 793 Cizre Aufstand
- 833 Maziyar Aufstand
- 833-838 Cafer Bin-Faharces Aufstand
- 846 Mossul Aufstand
- 867 - 879: Yakub-al-saffar Aufstand
- 839 - 840: Aufstand unter dem kurdischen Fürst Cafar Hasan Desimi gegen die Zentralacht und den Neuglauben
- 9 Jh. Karmati Aufstände
- 903 Almoqtadar Aufstand
- 906 Halbani Aufstand
- 951 Seddadi Aufstand

Ein auf ein Stück Leder geschriebener Text über die arabisch-islamische Eroberung ist höchstwahrscheinlich der erste schriftlich überlieferte Nachweis der kurdischen Literatur:
Die grausamen Araber zerstörten
Die Dörfer der Arbeitenden bis zum Scharizur
Die Frauen und die Mädchen sind gefangengenommen
Die tapferen Männer wälzen sich im Blut
Die Riten des Zarathustra blieben verlassen...
Mit diesem Dokument wurde zum ersten Mal in der Geschichte der heutige genutzte Begriff der Kurden nachweislich benutzt. Zuvor wurden ähnliche Bezeichnungen wie Karduchi, Qurti, Karda, Kyrtii etc. verwendet.

656 - 661
Als Ali, Vetter und Schwiegersohn von Mohammed, Kalif wird, stellte sich Muawiye (Muawiya) ihm entgegen, woraufhin jahrelange Auseinandersetzungen stattfanden. Muawiye repräsentierte die herrschenden Klassen der islamischen Araber, Ali dagegen eher die einfachen Massen und orientierte sich an den Ursprungsideen des Islams. Nachdem Ali 661 ermordet wird, wird Muawiye Khalif (Beginn der Zeit der Omajjaden/Umayyaden) und Ali's Anhänger ziehen sich in den Süden des Iraks zurück. Somit beginnt im Islam eine Spaltung (Schisma) in Sunniten und Schiiten statt. Die Schlacht von Kerbela am 10. Oktober 680 manifestierte dabei diese Spaltung der Muslime, als der Enkel Muhammads und Sohn von Ali, Hussein, getötet wurde.
Neben den Schiiten beziehen sich die heutigen Alewiten in der Türkei und in Kurdistan auf Ali. Allerdings in geschwächter Form. Die durch die islamischen Armeen größten Massaker ausgesetzten Kurden in Nord-Kurdistan erklärten sich später teilweise zu Anhängern Ali's, um weiteren Repressionen zu entkommen. Doch dies blieb oberflächlich, die ursprünglichen Glauben wurden von den Kurden weiter gelebt. Der Alevitismus in der heutigen Form bildete sich einige Jahrhunderte später aus.

7. u. 8. Jh.
Auch wenn Byzanz Kleinasien zum größten Teil halten konnte, hatte es seine Stärke endgültig verloren. Byzanz brauchte zwei Jahrhunderte, um sich von diesem Schock zu erholen und wieder zu einer (begrenzten) Offensive überzugehen. Zahlreiche Flüchtlinge strömten in die byzantinischen Gebiete und stärkten somit langfristig gesehen das Kaiserreich, das nun gänzlich seinen lateinisch-römischen Charakter verlor und sich zum griechisch-byzantinischen Reich des Mittelalters wandelte

705-732
Die zweite Expansionswelle des Islams erreichte den Indus in Indien, in das sie teilweise nur eindringen können, kämpfte sich bis Transoxanien (Usbekisten) mit den Städten Samarkand und Buchara durch, eroberte die iberische Halbinsel und wurde erst in der Schlacht von Tours in Frankreich 732 geschlagen.

746 - 750
Der aus dem Osten Kurdistans bzw. Westiran stammende Ebu Muslim Horrasani (Abu Muslim), wurde aus der Sklavenschaft in Kufa befreit und nach Horassan (heutiges Nordostiran) geschickt, wo er bald die Führung des Widerstands gegen die Omajjadan übernahm. Er bündelte den religiösen Widerstand aus Mekka und Medina einerseits und der Perser und Kurden andererseits. Er bezwang so 750 die Dynastie der Omajjaden in Zusammenarbeit mit den Abbassiden (arabischer Stamm aus Mittelarabien) und nahm 750 Damaskus ein. Doch zog er sich kurze Zeit später zurück, obwohl er durch seine militärische Stärke die Stelle des Khalifen hätte einnehmen können. Dies lag eventuell an seiner Person und daran, dass Horrasani sowohl politisch und militärisch als auch in religiöser Hinsicht in Widerspruch mit dem arabisch-sunnitschen Islam stand. Er nahm stattdessen die Position des Gouverneurs von Horassan an. Die neue arabische Dynastie der Abbassiden ab 750 nahm Ebu Müslim Horrasani durch ein Komplott gefangen und lies ihn anschließend umbringen. Die Dynastie der Abbasiden regierte bis 1258.
Das Wirken Ebu Muslim Horassani's führte auch zu einem Widererstarken der persischen Kultur und bildete den Auftakt zur Bildung persischer Dynastien. Sein Tod führte zu lang anhaltenden politischen Unruhen und Ebu Muslim wurde zu einer legendären Gestalt. Einige Historiker vertreten die Meinung, dass Ebu Muslim Horassani ein Kurde war, der jedoch eher für die persische Kultur arbeitete. Andere Forscher sehen in Ebu Müslim Horasani auch eine wichtige Stütze zur späteren Herausbildung des heutigen Alewitismus.

754
Der abbasidische Khalif Al-Mansur (reg. 754-775) gründete die Stadt Bagdad und macht sie zum neuen Zentrum des Islamischen Reichs. Die Blütezeit des Islams begann damit. Durch die geografische Nähe der neuen Hauptstadt zu Persien, waren viele Iraner Träger dieser Hochkultur der islamischen Philosophie, Kunst, Literatur, Forschung und Technik. Mansurs Enkel Harun ar-Raschid (reg. 786-809) ist der wohl bekannteste islamische Herrscher, verewigt in den Märchen von Tausendundeine Nacht. Das Kalifenreich war nun auf dem Höhepunkt seiner kulturellen Blüte. Namen von Intellektuellen wie Al-Kindi (800-873), Ar-Razi (864-930), Al-Farabi (870-950), Avicenna (980-1037) künden von diesem Zeitalter islamischen Geisteslebens.

8. und 9. Jh.
In der Abbassidenzeit wurden die Ländereien höheren Offizieren und Staatsbeamten mit dem Nutzungsrecht "als Besoldung überlassen", das ihnen vom Kalifen verliehen wurde. So wurden staatsabhängige, herrschende Großgrundbesitzer und Aristokraten geschaffen, die auch von anderen Völkern gebildet wurden. In dieser Zeit kamen in Kurdistan die ersten ernsthaften Ansätze einer feudalen Großgrundordnung auf. Es tritt auch eine neue Klasse auf: die religiös Privilegierten. Parallel existierten noch eine längere Zeit auch die Überreste der vorfeudalistischen Ordnung.
Die damaligen Aufstände der Kurden können wir in drei Ausrichtungen unterscheiden: 1) Aufstand der kurdischen Fürsten und lokalen Großgrundbesitzer (gegen die islamischen Araber) 2) Aufstand der kurdischen Bauern und Massen (gegen die Fürsten und Großgrundbesitzer) 3) Aufstände der kurdischen Fürsten und kurdischen Bauern zusammen gegen die islamischen Araber. Das Motiv für die breite Masse ist das Ziel des Zurücks zu alten Verhältnissen und alter Religion.
Folgende Aufstände der Bauern und Sklaven richten sich gegen die arabischen Besatzer und die lokalen Großgrundbesitzer und Aristokraten:
- 816 - 837: Babak-Aufstand. Babak, der sowohl religiöser Reformator als Organisator ist, wollte eine Gemeinwesen-Gesellschaft errichten. Religiöse Wurzeln stammen von der Lehre Mazdak's. Aufstand griff auch nach Aserbaidschan über.
- 868 - 883: Sklavenaufstand. Ein Aufstand von den versklavten Schwarzen in Basra erhielt große Unterstützung durch die kurdischen Massen. Anführer war der Perser Ali Ibni Mohammed, gab sich als Nachkomme Alis und Fatimas aus.

9. und 10. Jh.
Die Byzantiner lieferten sich Anfang des 10. Jh.s verstärkt Kämpfe mit den Arabern um die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer, in Anatolien und Nord-Kurdistan. Es fand eine Ausgliederung von mehreren Provinzen mit eigenen Dynastien statt, die zwar die Oberhoheit vom Khalifen in Bagdad anerkannten, aber Ausdruck der Schwächung der Zentralherrschaft sind. Diese Entwicklung führt auch dazu, dass die Herrschaft der Araber über Kurdistan sich langsam abschwächte.


Schwächung der Vorherrschaft der Araber und erste Kurdische Fürstentümer

Das Großgrundbesitzertum und die Aristokratie bildeten sich ab dem 10. Jh. sowohl im ganzen Mittleren Osten als auch in Kurdistan weiter heraus, festigten Besitzerverhältnisse und ökonomische Grundlagen. Es gab Bestrebungen der regionalen kurdischen Machthaber, sich von der abbassidischen Zentralregierung unabhängig zu machen. Denn in dieser Zeit hatten die Unabhängigkeitsbestrebungen und Aufstände gegen die Araber auch Erfolg. Es entstanden mehrere kurdische Fürstentümer mit weit reichender Autonomie:
- 950 - 1121: Die Hasanwayhiden-Dynastie umfasste viele Gebiete von Süd- und Ost-Kurdistan. Das Herrschaftsgebiet dehnte sich mit der Zeit auf die Städte Scharezur, Dinaver, Hamadan und Nihavend aus. Ihre Hauptstadt war die Stadt Sermac. Während der Herrschaft von Bedir bin Hasanwaih, dem wichtigsten der Fürsten, ab 980 konnte die Dynastie ihre Gebiete bis nach Ahwaz in Husistan, Borudscherd in Luristan und Esadabad ausweiten. Die Dynastie löste sich nach dem Tod des letzten Herrschers 1121 auf.
- 990-1116: Die Annazid- oder Banu Annaz-Dynastie (auch Ayyarid genannt) herrschte in im Süden des heutigen Ost-Kurdistan. Aber auch einige Orte im Südosten des heutigen Iraks gehörten dieser Dynastie an. Abul-Fath Mohammad bin Annaz (990-1011) war der Gründer dieser Dynastie und herrschte von der Stadt Hulwan aus. Die Annazid-Dynastie führte am Anfang einige Auseinandersetzungen mit der Hasanwayhiden Dynastie, denen sie zeitweise Vasallen wurden. Die Regentschaft des Sohnes Hosam-al-Dawla Abul-Shawk (1011-1046) war von Konflikten geprägt. Zeitweise konnte er die Macht bis in die mesopotamische Ebene ausweiten und eroberte 1039 Kermanshah. Mit den Seldschuken führten sie auch viele Auseinandersetzungen, denen sie meistens unterlagen.
- 951 - 1174: Die Schaddadiden-Dynastie umfasste Teile Armeniens und Teile Aserbaidschans (wo in dieser Zeit viel mehr Kurden als heute lebten). Gegründet wurde es von Muhammad bin Schaddad (951-971). Die Hauptstadt dieser Dynastie war Dwin (bei Eriwan). Mit der Zeit eroberten die Schaddadiden weitere Städte wie Parav und Gäncä. Für die Treue als Vasallen zu den Seldschuken bekamen sie noch die mittelalterliche armenische Hauptstadt Ani. In ihrer Glanzzeit beherrschten sie das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen Kura und Aras.
- 990 bis 1096: Die Merwaniden bildeten in Nord-West-Kurdistan ein Staat von Wan bis Riha (Urfa)
mit der Hauptstadt Meyafarqîn (Silvan) das größte kurdische Fürstentum in dieser Zeit.
Mit der Schwächung der Buyidenmacht (persisch-schiitische Dynastie in Nordiran) nach 983 errang der kurdische Stamm der Merwan unter Badh die Herrschaft über Meyafarqin und die Gebiete von Amed und Nisebin (Nusaybin). Später marschierte Badh gegen Mosul und nahm es ein. Hier konnte er die Hamdaniden (arabische Dynastie in Nordsyrien und Nordirak von 890-1003) und der Buyiden schlagen. Ein Angriff auf Bagdad aber scheiterte. Badh zog sich nach Meyafarqin zurück und wurde ein Vasall der Hamdaniden.
Die nächsten drei Herrscher der Merwaniden waren alle Neffen des Badhs, wenn auch von verschiedenen Schwestern von Badh. Unter Abu Mansur (997-1011) und Nasr al-Dawla Ahmad (1011-1061) erreichte die wieder unabhängige Dynastie ihren Höhepunkt. Die wirtschaftliche Blüte des Fürstentums wurde durch eine starke Bautätigkeit in den Städten dargestellt (u.a. die Malabadi Brücke gebaut). Auch wurden Kunst und Wissenschaft stark gefördert. Ahmad hatte gute Beziehung zu den damaligen Großmächten und erhielt vom Kalifen den Titel Nasr al-Dawla (Helfer des Staates) und vom Fatimidenherrscher Abu Ali Mansur den Titel Izz al-Dawla (Ruhm des Staates). Des Weiteren hatte er Kontakte zum byzantinischen Herrscher Basilios. Diese Beziehungen stärkten Nasr al-Dawla Stellung sehr.
1071 mussten sich die Merwaniden jedoch den Seldschuken unterwerfen, als nach dem Tod von Nasr ad-Daula Ahmad Machtkämpfe innerhalb der Dynastie ausbrachen und dies zur Schwächung der Marwaniden führte. Durch die Seldschuken wurde die Dynastie 1084 aus Amed vertrieben und 1096 endgültig gestürzt.
- Die Rewandi-Dynastie (oder Rawaddid) herrschte im heutigen Aserbaidschan im Iran. Gegründet von Muhammad ibn Husai im Jahre eroberten sie erst im Jahre 979 Aserbaidschan mit der Hauptstadt Tebriz und Maragheh. Wahsudan bin Mamlan ist der bekannteste der Fürsten. In 1029 half er den Hadhbani Kurden vor den anstürmenden Oghuz Türken. Dann schickt er eine Armee nach Ardebil, das unter seinen Einfluss gerät. Hier baute er eine große Festung. 1054 wurde das Fürstentum von den Seldschuken erobert. Damit wurde es zu einem Vasallen der Seldschuken. Die Rewandi-Dynastie beteiligte sich dann an den Kriegen der Seldschuken und Araber; auch den Kriegen gegen die Kreuzzügler. Die Rewandi herrschten noch bis zur mongolischen Invasion 1227 in Aserbaidschan.
- Weiterhin gibt es die kurdisch-islamische Eyyubiden-Dynastie mit ihrem berühmten Gründer Selaheddin Eyyubi ab 1171. Dieser gehört zu Rewandis Zweig des Hadabani-Stammes. Sie war jedoch nicht in Kurdistan existent, sondern in Ägypten und Syrien. Wenn auch viele Führungskader im Militär und Staat Kurden waren und die Kurdischstämmigkeit nicht geleugnet wurde, ist es vielmehr als eine arabische Dynastie zu verstehen.

Unter diesen Dynastien - ein sichtbares Zeichen der Blütezeit des Aufkommens des Feudalismus in Kurdistan - bildeten sich bedeutende handwerkliche Zentren und Handelsstädte. Geldwirtschaft wurde erweitert und durch bargeldlosen Zahlungsverkehr (Scheck, Gutschrift etc.) erleichtert. Diese Entwicklung führte jedoch nicht zur Unabhängigkeit oder geschweige zu einem zentralen kurdischen Staat, weil diese untereinander nicht zusammen kamen und außerdem sie ab dem 11. Jh. durch die starken und wuchtigen türkischen und mongolischen Einfälle und Zerstörungen abgebrochen wurde.


Einfall von Türkischen und Mongolischen Stämmen im Mittleren Osten

Die Einwanderung bzw. der Einfall der türkischen Völker in den Mittleren Osten brachte das Gleichgewicht erheblich auseinander und führte zu neuen politischen Konstellationen.
Nachdem die Seldschuken, ein Zweig des im 8. Jahrhundert aus Transoxanien (heutiges Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan) eingewanderten türkischen Stammesverbands der Oghusen, Ende des 10. Jh.s den Islam annahmen und somit den Schamanismus über Bord warfen, drangen sie unter dem Gründer Seldschuk (türk: Selçuk) in die Herrschaftsgebiete der Perser ein. Unter seinen Söhnen brachten sie 1034 Horassan unter ihrer Herrschaft und verdrängten 1040 mit der siegreichen Schlacht von Dandânakân die persischen Ghaznawiden. 1055 zog Tughril in Bagdad ein und beendete die über hundertjährige Schutzherrschaft der persisch-schiitischen Bujiden. Damit wurden die Seldschuken nach dem Sturz der Bujiden Schutzmacht über das Abbasiden-Kalifat in Bagdad. Doch die Seldschuken gaben sich mit der Funktion der Schutzmacht des Khalifen nicht zufrieden und hatten ihre Machtambitionen. Unter Tughril Beg unterwarfen die Seldschuken große Teile Persiens (auch Teile Ostkurdistans) und den ganzen Irak. Tughril Beg erhielt vom Kalifen in Bagdad den Titel eines Sultans verliehen.
Die anschließend einhergehende Gründung des Reiches der Großseldschuken und die türkische Dominanz in der islamischen Welt markierten einen Wendepunkt in der Geschichte der islamisch dominierten Welt. Zu einem Zeitpunkt, als die Welt des Islam an inneren und äußeren Krisen litt, schafften die Seldschuken mit ihrer Einwanderung die Wiederherstellung der politischen Einheit der islamischen Welt.
Alp Arslan (1063-1072) führte das Reich der Großseldschuken zum Höhepunkt seiner Macht. Alp Arslan war es ebenfalls, der 1071 in der Schlacht von Malazgirt (Manzikert) bei Mus das Byzantinische Reich besiegte und damit die türkische Eroberung Anatoliens einleitete. Bei dieser Schlacht in Kurdistan stellten sich die Kurden auf die Seite der Seldschuken, weil sie sich eine Befreiung von der Unterdrückung durch die Byzantiner erhofften und die Seldschuken als Moslems ihnen näher standen. Dies war historisch gesehen der erste entscheidende Kontakt zwischen Kurden und Türken. Infolge der anschließenden Eroberung Anatoliens kam es zur zahlreichen Einwanderung von Türken, die sich über ganz Anatolien verteilten. Sie zogen meistens durch Kurdistan, ohne sich in großer Anzahl niederzulassen. Überhaupt spielen im späteren Verlauf der Geschichte die in Kurdistan, Mesopotamien, Iran oder Arabien eingewanderten türkischen Gruppen keine wichtige politische Rolle, teilweise werden sie von den ansässigen Kulturen assimiliert. Zwischen 1071 (Schlacht von Malazgir) und 1243 wanderten wahrscheinlich bis zu eine Million Türken in Anatolien ein. Sie bildeten nicht die ethnische Mehrheit in Anatolien, waren aber die einzige Gruppe, die sich über das gesamte Gebiet verteilt hatte. Die Landnahme Anatoliens durch die Seldschuken im 11. Jahrhundert bildete den Gipfel der massiven Wanderungen der türkischen Völker, die ab dem 8. Jahrhundert erfolgten.


1073
Das Reich der Großseldschuken wird unter Melikschah (1073-1092) gegründet. Es wird zum mächtigsten Staat im Vorderen Orient. Es umfasst Mesopotamien, Kurdistan, Anatolien, den Iran und Syrien/Palästina. Es kann sich jedoch nicht wirklich lange auf den Beinen halten. Dies liegt an der Größe des Reiches und der vielen verschiedenen Völker und der von ihr ausgehenden Widerstände. Die Zahl der Türken/Seldschuken gegenüber den ansässigen Völkern ist auch viel zu klein. Auch die christlichen Kreuzzüge ab Ende des 12. Jh.s tragen zu dieser Schwächung bei.

1092-1118
Mit der Ermordung des wichtigen Wesirs Nizâm al-Mulk durch die Assassinen und dem Tod von Sultan Melik-Schah (1092) brachen bald Thronkämpfe innerhalb der Seldschuken aus. Diese führten 1118 zur Teilung des Reiches in Horassan, Irak und Iran (letztere auch beide Irak genannt). Unter dem in Horassan regierenden Sultan Sandschar (1118-1157), Sohn Malik-Schahs II., hatte die Seldschukenherrschaft eine letzte Blüte.
Die Assassinen waren eine legendenumwobene militante ismailitische Sekte angeführt von Hasan el-Sabah. Diese haben ihre Stellung in der Burg Alamut im nordiranischen Elburs-Gebirge, wo Männer zu "Fedai" (Untergrundkämpfer, die bei Angriffen ihren Tod in Kauf nehmen) ausgebildet wurden, um Anschläge gegen herrschende Seldschukenherrscher durchzuführen. Die Assassinen hatte sowohl eine religiöse als auch nationale Ausrichtung.

11. Jh.
In Ost-Kurdistan lebte Baba Tahir, einer der ersten und bedeutendsten kurdischen Dichter. Von ihm sind jedoch wegen den ständigen Überfälle und Besetzungen wenige Verse überliefert.

Ende 11. Jh. bis 12. Jh.
Die Dynastie der Artukiden war ein turkmenisches Herrscherhaus, was im 11. und 12. Jahrhundert in Teilen von Nord-, Südkurdistan und Nord-Syrien regierte. Die Hauptstädte waren Amed und Hasankeyf. In diesen Orten wurde trotz vieler kriegerischer Auseinandersetzungen die Kultur und Kunst gefördert. Es nahm an den Kreuzzügen auf Seiten der Moslems teil und stand immer wieder in Konflikt mit den Seldschuken. Ende des Jh.s kam das Gebiet unter die Herrschaft von Selaheddin Eyyubi.

1099
In Europa bildeten sich Ende des 11. Jh.s Heere, die zur "Befreiung" Jerusalems und des "Heiligen Landes" aufriefen. Die so genannten Kreuzzüge waren religiös und wirtschaftlich motiviert und verdeutlichten auch die inzwischen gewachsene politisch-wirtschaftliche Stärke des christlichen Europas. 1099 wurde Jerusalem von einem Kreuzfahrerheer erobert. In diesem Zusammenhang kam es auch zur Bildung von insgesamt vier Kreuzfahrerstaaten. Deren Bedrohung durch die muslimischen Anrainerstaaten führte zur Durchführung weiterer Kreuzzüge. Die Kreuzzüge wurden nach kurzer Zeit allerdings auch zu rein weltlichen Machtinteressen innerhalb des Christentums genutzt.

Mitte 12. Jh.
Die Seldschuken wurden auch von weiter anrückenden türkischen Stämmen angegriffen. Diese beseitigten 1194 den letzten Seldschukenherrscher. Nach dem beginnenden Zerfall des Großseldschukenreichs entsteht das Sultanat der anatolischen Seldschuken oder Rumseldschuken mit der Hauptstadt Konya, die zur wichtigsten türkischen Herrschaftsbildung dieser Jahre wurde, was durch eine gewonnene Schlacht 1176 gegen die Byzantiner ermöglicht wurde.

1171-1250
Der Kurde Sultan Selaheddin Eyyubi von der kurdischen Dynastie der Eyyubiden einigt die Araber nach Jahrzehnten der Spaltung und erobert am 2. Oktober 1187 Jerusalem zurück. Dieser Sieg gilt als eine Vorentscheidung für die weiteren Kreuzzüge.
Der Onkel von Selaheddin Eyyubi, Sirkuh, der für die Zangiden in Syrien als General im Dienst war, wurde 1169 vom damaligen Khalif von Damaskus nach Ägypten gerufen, um das dortige Reich als Wezir zu stützen. Dies konnte er auch vollbringen. Nach dem Tod von Sirkuh übernahm Selaheddin Eyyubi die totale Macht in Ägypten und stellte die sunnitische Orthodoxie in Ägypten wieder her. 1171 wurde dann die Eyyubiden-Dynastie gegründet. 1174 stürzte er auch den Khalif von Damaskus und verleibte Syrien in sein Reich. Damit hatte er die Macht, Jerusalem einzunehmen, was ihm auch relativ schließlich gelang. Bis 1189 eroberte er weite Teile der Kreuzfahrerstaaten Jerusalem, Tripolis und Antiochia. Erst der Dritte Kreuzzug konnte ihn daran hindern, die Kreuzfahrerstaaten vollständig zu vernichten. Während diesem verlor er 1191 die wichtige Hafenstadt Akko und erlitt eine Niederlage gegen Richard Löwenherz bei Arsif. Ein Jahr später kam es zum Waffenstillstand zwischen ihm und seinem Gegner. 1193 starb er im Alter von 55 Jahren in Damaskus, und sein Reich begann alsbald zu zerfallen. Das Reich der Eyyubiden-Dynastie umfasste damals das Gebiet von Ägypten bis Nord-Kurdistan.
Als Sultan Selaheddin wurde er zu einem Mythos und Freiheitsheld, zum größten aller Helden der muslimischen Welt und vorbildhaften islamischen Herrscher. Doch für die Kurden hat er jedoch nichts Besonderes getan, sich nicht für ihre Autonomie oder Entwicklung getan. Dieses Verhalten kann als typisch für viele Kurden bezeichnet werden, die im Laufe der Geschichte für die türkischen, arabischen oder persisch-iranischen Staaten in verschiedener Form in Schlüssel- oder Führungsposition gedient haben. Einige Jahrhunderte früher hatte auch Ebu Muslim Horrasani gehandelt gehabt.

1220 bis etwa 1280
Im Mittleren Osten wird der Mongolensturm wegen seiner Brutalität genauso traumatisch wie die Kreuzzüge empfunden. Um 1220 war das Reich der Choresm-Schahs im Iran zerstört, die Rum-Seldschuken in Kleinasien wurden 1243 zu Vasallen degradiert, und das Abbasiden-Kalifat mit Sitz in Bagdad ging 1258 unter. Die Mongolen verwendeten das Konzept der "psychologischen Kriegführung" in vollem Umfang. Auf Widerstand reagierten sie selbst für die damalige Zeit ungewöhnlich hart, mit Erdöl übergossene und verbrannte Pyramiden aus tausenden abgeschlagener Schädel (Schädeltürme) sind überliefert. Erst ab 1260 erlitten die Mongolen die ersten Niederlagen im Mittleren Osten und etwa 20 Jahre später zogen sie sich wieder zurück.
Ab etwa 1240
Die Mongolen eroberten auch große Teile von Kurdistan und hinterlassen grausame Verwüstungen. Unzählige Kurden wurden ermordet. Städte wie Kermanshah, Hamadan und Amed (1250) wurden geplündert und niedergebrannt. Viele kulturelle Hinterlassenschaften wurden für immer ausgelöscht. Auch die Natur Kurdistans wurde durch die Waldbrände der Mongolen trockener und öder. Nach dem Einfall wurden die kurdischen Provinzen von mongolischen Emiraten für mehrere Jahre verwaltet.
Durch das Vordringen der Mongolen nach Westen zogen die türkischen Stämme vollständig nach Anatolien und bildeten dort in einigen Gebieten die Majorität.

Mitte 13. Jh.
Zwei der wichtigsten in Kurdistan gebliebenen türkischen Stämme waren die Akkoyunlu (Weißhammel) und die Karakoyunlu (Schwarzhammel). Die Akkoyunlu waren eine turkmenische Stammesföderation, die nach der Mongolenherrschaft in Amed aufstieg. Sie beherrschten Nord-Kurdistan, Aserbaidschan und weite Teile des Irak und des Iran bis 1507. Sie unternahmen viele räuberische Streifzüge in benachbarte Gebiete und waren so auch eine Gefahr für die Osmanen.
Der Akkoyunlu Staat hatte sein Zentrum in Kurdistan. Dabei bildeten sie jedoch nur die Oberschicht, die breite Masse waren die Kurden. In diesem Staat gab es mehrere kleine autonome kurdische Lokalherrscher, die sich bei Schwächung der Zentralmacht zeitweilig ausweiteten.

1250
In Ägypten wurde der Mamlukenstaat gegründet, welcher bis 1517 existieren konnte.

1256-1335
Im den meisten Gebieten von Zentral- und Ost-Iran und Zentralasien herrscht von 1256 bis 1335 die mongolische Dynastie der Ilchane.

Um 1300
Nach Abzug der Mongolen bildete sich Ende des 13. Jh.s in Nordwestanatolien um die Stadt Bursa das Osmanische Fürstentum unter Osman - dieser stand vorher in Diensten der Seldschuken. Es ist zunächst eines der vielen türkischen Fürstentümer. Um 1299 erklärte Osman die Unabhängigkeit vom Reich der Rum-Seldschuken, womit der Osmanische Staat als gegründet galt. Die Osmanen dehnten in kürzester Zeit ihre Macht auch auf andere türkische Fürstentümer aus und erweiterten ihren Herrschaftsbereich auch auf Kosten des Byzantinischen Reiches. In einigen Jahrzehnten kamen große Teile von West- und Mittelanatolien unter die osmanische Kontrolle und die Byzantiner wurden aus Anatolien verdrängt. Ab 1361 wurden auch europäische Gebiete erobert.
Bei den erfolgreichen Eroberungen spielten u.a. die Janitscharen eine wichtige Rolle, die sog. Elitetruppen der Infanterie. Sie stellten auch die Leibwache des Sultans und erreichten oft höchste Positionen im osmanischen Staatswesen. Von Zeit zu Zeit mischten sich die Janitscharen in die vielen Machtkämpfe direkt ein. Der jeweilige Sultan musste unbedingt ihre Gefolgschaft sichern.

1389
Die Osmanen drangen in Europa vor und schlugen die Serben und Bosnier auf dem Amselfeld, womit sie in Europa fest Fuß fassen. Der europäischere Teil des Reiches wurde damit wichtiger.

1400
Der mongolische Herrscher Timur aus Mittelasien eroberte aus dem Osten kommend fast den ganzen Mittleren Osten, darunter Kurdistan. Das osmanische Reich zerfiel nach einer verlorenen Schlacht 1402 schnell auseinander. Die Verwüstungen, Zerstörungen und Plünderungen übertrafen teilweise die der ersten Mongolenstürme. Timur hatte innerhalb kurzer Zeit ein riesiges Reich von Nordindien über Iran und Kurdistan bis Anatolien erobert, das aber nach seinem Tod 1405 schnell zerfiel.

Um 1420
Nach dem Tod von Timur bündelten die Osmanen ihre Kräfte und gelangen in kurzer Zeit zu ihrer alten Stärke. Ganz Mittel- und Nord-Anatolien, Griechenland und viele Teile des Balkans waren um 1500 unter osmanischer Hegemonie.

1435-1478
Ab 1435 geriet die Föderation der Akkoyunlu unter den Druck der Karakoyunlu und verlor viele der beherrschten Gebiete. Ihr Territorium schrumpfte wieder auf das Ausgangsgebiet um Amed zusammen und die Schwarzen Hammel erlangten die Vorherrschaft unter den Turkmenen. Unter Uzun Hasan (1453-1478) kam es erneut zum Aufstieg und zur Glanzzeit der Weißen Hammel. Zu seiner Zeit reichten die Grenzen des Reiches vom Kaspischen Meere bis Syrien und von Aserbaidschan bis Bagdad. Die Herrschaft Uzun Hasans war den nomadischen Traditionen entsprechend indirekt. Er forderte die jährlichen Tribute und Steuern von den örtlichen Fürsten, baute aber bis zur Verlegung der Hauptstadt nach Täbriz keine feste Residenz und errichtete keine tragfähigen Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen. Von der Bautätigkeit der Akkoyunlu ist nicht viel erhalten.

1453
Die Osmanen eroberten unter Fatih Sultan Mehmet Konstantinopel, das spätere Istanbul, von den Byzantinern, deren Staat für immer von der Geschichtsbühne verschwindet.

1461
Die Eroberung von Trapezunt durch das Osmanische Reich 1461 konfrontierte die Akkoyunlu mit diesem neuen Gegner.

Ende des 15. Jh.s
Der osmanische Sultan Mehmed II. konnte nach vielen mühsamen Kämpfen bis 1460 die Peloponnes und den Rest Serbiens erobern. 1470 kam Albanien, 1475 die Krim dazu.

1478-1507
Uzun Hasans Sohn Yaqub (reg. 1478-1490) hielt den Akkoyunlu Staat zusammen, indem er die Großen des Reiches für sich zu gewinnen suchte und Kriege soweit möglich vermied. Er schlug 1480 eine ägyptische Streitmacht, die zur Eroberung Ameds ausgesendet worden war. Die Blütezeit seines konnte Vaters konnte er fortsetzen. Problematisch wurde die Lage aber erst, als Yaqub 1490 plötzlich starb und seine Nachfolger in einen Thronfolgestreit gerieten, der das Land in chaotische Zustände versetzte. Dadurch gerieten die Aq Qoyunlu zunehmend unter den Druck der aufstrebenden Safawiyya unter Ali und dem jugendlichen Ismail, wobei letzterer 1501 gegen den Thronanwärter Alwand Täbriz eroberte und 1507 den letzten Regenten der Aq Qoyunlu in Mardin stürzte.

1501
Im Iran entstand die neue persische Dynastie der Safawiden, die bis 1722 Bestand hatte. Mit der Eroberung von Täbriz durch Ismail I. und dem Sturz der turkmenischen Akkoyunlu wurde dieser Staat ins Leben gerufen, der schnell ganz Iran, Irak (1507) und die meisten Gebiete Kurdistans in sein Einflussbereich brachte. Es stieg in den kommenden Jahrhunderten zum ständigen Rivalen der Osmanen auf. Mit der Schaffung eines einheitlichen Staates und der Einführung der Zwölferschia (Schiitismus) als Staatsreligion wurden die Grundlagen des heutigen Iran gelegt. Sah Ismail I. machte eine Konvertierung für die große sunnitische Bevölkerung verbindlich. Die sunnitische Ulema (Klerus) wurden entweder getötet oder verbannt. Ismail I. brachte trotz seiner heterodoxen schiitischen Glaubensvorstellung schiitische religiöse Führer ins Land, schenkte ihnen Land und Geld für ihre Loyalität. Iran wurde zu einer feudalen Theokratie; der Schah war das göttlich bestimmte Haupt des Staates und der Religion.
Weiterhin bemühte sich Sah Ismail I. um den Ausgleich zwischen den nomadischen Turkmenen (im Militär) und den sesshaften Persern (in der Verwaltung). So entstand unter den Safawiden der Bund der "Kizilbasch": Elitesoldaten, die anfangs nur aus Turkmenen bestanden und später auch unter anderem aus Persern und Georgiern. Die Kizilbasch erlangten unter den Safawiden viel Ansehen und Ruhm.

1512
Selim I. wurde osmanischer Sultan (Yavuz Sultan Selim I.). Er wendete sich vor allem nach Osten, nach dem in Europa die Eroberungen zum Stillstand kommen.

ab 1512
Kurdistan wurde Schauplatz von Kämpfen zwischen dem Osmanischen und dem Safawidenreich. Dabei spielten die Kurden aufgrund ihrer geographischen Zwischenposition eine entscheidende Rolle, deshalb benötigen beide Seiten die dringende Unterstützung der kurdischen Feudalherren. Die Kurden waren zu Beginn des Konflikts weitgehend unter safawidischen Einfluss. Doch Sah Ismail I. verhielt sich wenig tolerant gegenüber den Kurden und stellt keine substanzielle Autonomie in Aussicht. So scheiterten die Näherungsversuche kurdischer Fürsten im Jahre 1510 an das Safawidenreich, das sie sogar verfolgen lässt. Dann traten die Kurden unter Idrisi Bitlisi, einflussreiche Person aus Bitlis, der schon zuvor für die Osmanen gedient hatte (er hat eine diskutable Rolle in der kurdischen Geschichte. Während viele Kurden ihn als "Verräter" bezeichnen, da er die Kurden an die Osmanen gebunden hätte, weshalb er auch Iblisi Bitlisi (Teufel von Bitlis) genannt wird, befinden ihn andere als klugen Fürsten, der für die Kurden in der damaligen schwierigen Zeit viel herausholte), mit den Osmanen in Kontakt. Die Osmanen sicherten sich die Unterstützung der kurdischen Lokalfürsten, indem sie ihnen die Umwandlung ihrer Besitztümer in erbliche Fürstentümer anboten. Diese kurdischen Herrschaften (türk: Kürt Hükümetleri) mussten keinen Tribut zahlen und keine Soldaten für die osmanische Zentralregierung stellen. Daneben gab es noch die kurdischen Sandschak's, deren Gouverneure per Erbe bestimmt wurden, aber trotzdem wie alle Sandschak's Steuern zahlten und Soldaten bereitstellten. Im Osmanischen Reich war das nicht üblich. Normalerweise wurden Ländereien nur auf Lebenszeit an kriegsverdiente Soldaten verteilt. Die Reorganisierung und Eingliederung Kurdistans ins osmanische Verwaltungssystem übernahm im Einzelnen Idrisi Bitlisi. Die Osmanen schafften es somit, die überwiegend sunnitisch eingestellten KurdInnen an sich zu binden, um dann im anschließenden Krieg leichtes Spiel zu haben. Nur die wenigen im Südosten Kurdistans lebenden schiitischen KurdInnen standen den Persern nahe. Durch diesen Pakt zwischen den osmanischen Herrschern und den kurdischen Fürsten konnten die Türken in der Geschichte zum zweiten Mal (nach der Schlacht von Malazgirt 1071) mit Hilfe einen historischen folgenreichen Sieg erringen.
Alle diese Ereignisse zeigen auch, wie fremde Mächte die KurdInnen auf Grundlage der verschiedenen Religionen und Konfessionen ausnutzen und über sie zu herrschen versuchen.


Eroberung Kurdistans durch die beiden Großmächte der Osmanen und Safawiden

1514
In der Schlacht von Çaldiran (nördlich von Wan) besiegten die Osmanen mit unersetzbarer Hilfe der Kurden die Safawiden entscheidend. Die Osmanen eroberten Aserbaidschan mit der safawidischen Hauptstadt Täbriz, Armenien, Georgien und Irak. Fast ganz Kurdistan (bis auf den Südosten) kam unter die Herrschaft der Osmanen. Den sunnitischen kurdischen Stämmen wurde am 9.8.1515 vertraglich ihre volle Autonomie zugesichert. Im Gegenzug sollten die Kurden im Kriegsfalle Soldaten bereitstellen. Auch sollten sie eine kleine Steuer abrichten. Damit bekommen sie aber gleichzeitig die Möglichkeit, Steuer aus dem Handel in und durch Kurdistan einzunehmen. Da die Seidenstraße auch durch Kurdistan verläuft, erhalten einige kurdische Feudalherren regelmäßig hohe Einnahmen. Dies führt zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Gebiete.
Die politischen Zugeständnisse der Zentralregierungen an die kurdischen Herrscherfamilien führten dazu, dass die kurdische Kultur ab dieser Zeit (16. bis 18. Jh.) eine bisher nie dagewesene Blüte erfuhr. Zahlreiche Fürstentümer führten mit einer kulturellen und politischen Entwicklung zu einer umfangreichen Renaissance. Literatur, Architektur, Handwerk, Wissenschaft und Handel erlebten eine große Blüte.

1514
Während des Krieges zwischen den beiden großen Reichen töteten osmanische Soldaten systematisch Alewiten, um eine Kollaboration mit den Safawiden zu unterbinden. So ermordete der osmanische Herrscher Yavuz Sultan Selim I. während seiner Züge nach Kurdistan und Persien mindestens 40.000 Alewiten (zumeist Kurden) bei Sîwas (Sivas).

Ab 16. Jh.
Die einzelnen kurdischen Fürstentümer im Osmanischen Reich waren folgende:
Botan: Das Zentrum bildete die Stadt Cizre am Tigris und umfasste auch Teile der heutigen Provinzen Mardin und Siirt. Das Fürstentum Botan war das mächtigste der kurdischen Fürstentümer im osmanischen Reich. Regiert wurde es zuletzt von der Bedirxan Familie, deren Mitglieder später für die kurdische Sprache und Kultur viel beitrugen. Schon damals war Botan das kulturelle Zentrum der Kurmanci-Literatur (Kurmanci ist vor Sorani der größte kurdische Dialekt) während die südlicheren Fürstentümer Soran und Baban die Sorani-Literatur förderten.
Hakkari: Das Azizan-Fürstentum hatte sein Einflussgebiet etwa in der heutigen Provinz Hakkari und in der südlichen Hälfte von Wan. Westlich davon lag das Fürstentum Botan, südlich Behdinan und nördlich Bazid. Östlich war safawidisches Einflussgebiet. Viel ist über das Azizan Fürstentum nicht bekannt.
Bazid: Die Hauptstadt war die gleichnamige Stadt Bazid (heutiger türk. Name Dogubeyazit), die in der Nähe des Ararat Berges liegt. Bazid's Bedeutung lag u.a. im Grenzhandel, weil eine wichtige Route in den Iran über diese nur 35 km von der Grenze entfernte Stadt führte. Die Einnahmen durch den Handel waren relativ hoch. Bazid hatte nur Bitlis im Südwesten als einziges kurdisches Fürstentum. Der Norden und Osten war armenisches bzw. russisches Einflussgebiet. In diesem Fürstentum lebten auch sehr viele Armenier.
Bitlis: Dieses Fürstentum entwickelte sich schon im 12. Jh. und hatte sein Zentrum in der Stadt Bitlis, zwischen Wan-See und die Region östlich von Amed.
Milan: Über dieses semi-autonomes Fürstentum um die Stadt Weranshah (türk: Viranshehir) östlich von Botan liegen kaum Informationen vor.
Behdinan (Badinan): ein kurdisches Fürstentum, was im nördlichen Süd-Kurdistan um die Stadt Dohuk herrschte. Das Gebiet erstreckte sich bis runter nach Mossul. Im Norden grenzte Behdinan an die Fürstentümer von Botan und Hakkari und im Süd-Südosten an das Fürstentum von Soran. Gegründet wurde das Fürstentum etwa im 13. oder 14. Jahrhundert von einem Kurden namens Baha-ad-Din. Sein Name gab in abgewandelter Form dem Fürstentum den Namen. Amediye wurde die Hauptstadt der Behdinan. In diesem Gebiet lebten neben den muslimischen Kurden viele yezidische Kurden und christliche Assyrer.
Baban: Baban beherrschte den südlichen Teil Südkurdistans und hatte von 1649 bis 1850 bestand. Feqî Ehmed war der Gründer der Dynastie. Sein Nachfolger Baba Sulaiman erweitere die Einflusssphäre bis nach Kerkuk. Der spätere Herrscher Sulaiman Pascha brachte die Städte Koya, Xaneqîn, Hewler (Erbil), Badra und einige Gebiete im Westiran (Ost-Kurdistan) unter die Kontrolle des Fürstentums. Hauptstadt der Baban war bis 1781 Qala Chuwalan, bis Mahmud Pascha Baban sie in das neu gegründete Silemani verlegte. Die Zeit von 1750 bis 1847 war von Rivalitäten mit anderen kurdischen Fürstentümern wie dem Ardalan- und Soran-Fürstentum und Problemen mit der Zentralisierung des osmanischen Reiches geprägt.
Soran: Soran beherrschte den mittleren-nordöstlichen Teil von Süd-Kurdistan für mehr als sechs Jahrhunderte, bis es von osmanischen Truppen 1835 beseitigt wurde. Es hatte öfters Konflikte mit den Nachbarfürstentümern. Die meiste Zeit war Rewanduz Hauptstadt des Emirates. Soran hatte insgesamt 24 Herrscher.

Die kurdischen Fürstentümer im Reich der Safawiden waren folgende:
Ardalan (Erdelan): ein semi-autonomes kurdisches Fürstentum im safawidisch beherrschten Ost-Kurdistan (vor der Gründung des Staates der Safawiden 1501 war es weitgehend selbstständig). Das Gebiet deckte sich etwa mit der heutigen iranischen Provinz Kurdistan. Das Fürstentum bestand seit dem Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Hauptstadt war Sine (Sanandadsch). Der kurdische Stamm des Bani Ardalan gründete das Fürstentum und beherrschte das Gebiet bis zum Ende. Als Grenzregion zwischen den Safawiden und den Osmanen war die Bedeutung des Fürstentums für die Safawiden hoch. Das Fürstentum hatte oft Auseinandersetzungen mit dem kurdischen Baban-Fürstentum in Silemani.
Jelali: Dieses kleinere Fürstentum lag ganz im Norden von Ost-Kurdistan an der Grenze zu Nord-Kurdistan. Es war wie Ardalan semi-autonom.

16./17. Jh.
Trotz der Blütezeit der kurdischen Fürstentümer fanden mehrere jedoch nicht sehr verbreitete Aufstände von Bauern nach 1514 statt, die sich sowohl gegen die osmanische Fremdherrschaft als auch gegen die kurdische Feudalobrigkeit richten. Diese werden allesamt blutig unterdrückt.

1555 - ca. 1620
Die Gedichte und Prosa vom kurdischen Dichter Feqiyê Teyran aus Hakkari erlangen zur Berühmtheit in Kurdistan. Feqê Teyran ist heute nach wie vor sehr bekannt und hat ein ausgesprochenes Bewusstsein der gesellschaftlichen und religiösen Herrschaftsordnung, womit er sich in seinen Werken kritisch auseinandersetzt.

1570-1640
Melayê Cizîrî war ein kurdischer Schriftsteller, Poet und Mystiker aus Botan und ein sehr wichtiger Name der kurdischen Literatur. Das bekannteste Werk Melaye Cezires ist der Diwan, der zu den wichtigsten kurdischen Werken gehört. Sein Diwan war damals für die kurdische Literatur sehr wichtig gewesen. Cîzîrî wurde sehr von der klassischen persischen Dichtern Hafiz, Calal ad-Din Rumi und Cami beeinflusst. Seine Gedichte handeln u.a. vom Sufismus.

16. und 17. Jh.
Nach einigen dynastischen Wirren erreichte Abbas I. der Große (1587 - 1629) eine Konsolidierung des safawidischen Reiches. Dann nahmen die militärischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen zu, weil die Safawiden verlorene Gebiete zurückzuerobern begannen. So wurde von den Safawiden 1601 Bahrain besetzt, seit 1603 die Osmanen aus Aserbaidschan, Armenien und Georgien vertrieben und 1623 sogar der Irak mit Bagdad wieder erobert. Damit kamen die schiitischen Wallfahrtszentren Nadschaf und Kerbala wieder unter persische Kontrolle. Die Auseinandersetzungen in Kurdistan jedoch hörten nicht auf.

1596
Das Geschichtswerk "Sherefname" (Prachtschriaft) mit dem Anspruch der ersten vollständigen Überblick über die kurdische Geschichte wird von Sherefhan, Fürst von Bitlis und Sohn von Idrisi Bitlisi, fertiggestellt. Darin wird u.a. von den Geschehnissen in den kurdischen Fürstentümern bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erzählt. Diesem bedeutendsten Werk seiner Zeit ist u.a. zu entnehmen, dass das Fürstentum Bitlis seinen Machtbereich sehr ausweitete.

1639
Durch das "Kasr-i Schirin-Abkommen" (auch: Vertrag von Zuhab) zwischen den Osmanen und Safawiden wurde die osmanisch-safawidische Grenze quer durch Kurdistan festgelegt: Kurdistan wurde zum ersten Mal durch eine vertraglich festgelegte Grenze aufgeteilt (1. Teilung Kurdistans) geteilt. Damit wird der gemeinsame dynamische Entwicklung der Gesellschaften in Ost- und West-Kurdistan ein Riegel vorgeschoben.

1683
Die Osmanen belagern zum zweiten Mal vergeblich Wien. Von nun an beginnt der Niedergang dieses Reiches. Im 16. und 17. Jh. erstreckt sich das osmanische Reich von Algerien bis nach Aserbaidschan/Armenien und vom Jemen bis zur südrussischen Halbinsel Krim.

1685
Der Ishak Pascha Palast wird ab 1685 bei Bazid durch die kurdischen Fürsten Çolak Abdi Pascha und seinen Sohn Ishak Pascha II: errichtet. Erst im Jahre 1784 wird der burgähnliche Palast komplett vollendet. Nur durch die zuvor eingesammelten Steuereinnahmen und Zölle des autonomen Fürstentumes Bazid ist der Bau dieses Palastes möglich gewesen. Es ist ein architektonisch unschätzbares Werk voller Prunk und ein Symbol der damaligen sich entwickelnden kurdischen Kultur.
Der Gebäudekomplex vereint armenische, georgische, persische, seldschukische und osmanische Architekturstile. Auf 7600 m² und zwei Etagen zählte der Palast ursprünglich 366 Zimmer. Die Anlage verfügte unter anderem über eine Moschee, ein Hamam, eine Haremsabteilung, eine Bibliothek, einen Kerker und ein Grabmal, in dem auch die Erbauer bestattet wurden, sowie eine Zentralheizung, fließendes Wasser und ein Abwassersystem. Die alten vergoldeten Tore wurden unter russischer Herrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts entfernt und befinden sich heute in der Eremitage in Sankt Petersburg.

1695
Der Dichter und Schriftsteller Ehmedê Xanê (1651-1707) verfasste im Jahr 1695 das wichtigste kurdische Epos: "Mem û Zîn". Dieses behandelt anhand einer Liebesgeschichte die Verhältnisse der feudalen kurdischen Gesellschaftsordnung im 17. Jh. sehr genau. Er setzt sich darin für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden ein. Diesem kurdischen Selbstbewusstsein widmete er 2650 Verse. Sein Einsatz für die KurdInnen war für die damalige Zeit im Nahen Osten eher ungewöhnlich, da sich die Menschen der Region über ihre Religion definierten. Dieses hat für die Weltliteratur auch eine große Bedeutung. Ehmede Xanî stammte aus Hakkari. Später zog er nach Bazid, wo er als Lehrer arbeitete. Weiterhin schrieb er 1683 eine Kinderfibel mit dem Titel "Nû-Bahar" mit arabischen und kurdischen Vokabeln. In seinen Werken behandelte er folgende Themen: Die Beziehungen zwischen Mann und Frau, Liebe und Erotik, Die Dichtung als Sprache der Liebe, Grundlagen des Islam, Bildung und Erziehung der Kinder.

1722
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam es im Safawidenreich unter Sultan Hussain (1694 - 1722) zu einem starken wirtschaftlichen Niedergang. Da gleichzeitig die Sunniten im Reich zwangsweise zum schiitischen Islam bekehrt werden sollten, begann 1719 ein Aufstand der sunnitischen Afschariden. Diese eroberten 1722 Isfahan und beendeten 1736 endgültig die Dynastie der Safawiden.

1779
Im Iran herrschte die Qadscharen-Dynastie ab 1779 über zwei Jahrhunderte (bis Anfang des 20. Jh.s). Die Qadscharen waren eine turkmenische Herrschaftsfamilie. Der Staat wurde Persien genannt.

1798
Bonapartes schließlich gescheiterte Invasion in Ägypten markierte den Beginn einer Epoche der Zuwendung in den Mittleren Osten, was durch massiven europäischen Einfluss und Druck auf politischer, ökonomischer und ideologischer Ebene geprägt war. Die politischen Eliten im Mittleren Osten suchten ihre Macht durch den Import europäischen Know Hows primär auf militärischer und administrativer Ebene zu wahren. Auf diplomatischer Ebene versuchten sie, die konkurrierenden Großmächte gegeneinander auszuspielen.

1817-1897
Der revolutionäre Volksdichter Xanî Khoyî ruft in seinen Werken die KurdInnen zur Rebellion gegen die Fremdherrscher und auch gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit der kurdischen Feudalherren auf. Er droht mit der "Macht des Volkes".


19. Jh. – Aufstände und erstes Stadium der Kurdischen Nationalbewegung

Als das Osmanische Reich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund der aufstrebenden industriellen Entwicklung Europas technisch und wirtschaftlich weiter zurückfiel und somit in seinen Fundamenten erschüttert wurde, geriet es langsam aber sicher unter den Einfluss der imperialistischen Staaten wie Deutschland und Großbritannien. Das im Westen allmählich zerfallende Osmanische Reich - im Balkan fanden nationale Freiheitskämpfe gegen die Osmanen statt - legte daraufhin seinen Schwerpunkt der Ausbeute auf die östlichen Gebiete, darunter auch Kurdistan. So begannen die Osmanen mit der Zentralisierung ihres Staates die Autorität der kurdischen Fürsten einzuschränken, deutlich mehr Steuern zu erheben und die wirtschaftliche Ausbeutung zu steigern und mehr Kurden als Soldaten für ihre Armee zu rekrutieren. Damit wurde die autonome Struktur der Fürstentümer ausgehobelt und ein Status aufgehoben, der seit 1514 existierte. Erhöhte Steuern bedeuteten für die Bauern und Armen mehr Abgabe an ihre Feudalherren, weshalb es auch zu einer Unzufriedenheit bei ihnen führte.
Aufgrund des sich verstärkenden Drucks, Ausbeute und Unterdrückung durch das Osmanische Reich kam es unter der Führung kurdischer Fürsten zu zahlreichen Aufständen, die von etwa 1830 bis 1880 vorkamen. Doch die kurdischen Aufstände im 19. Jh. begannen nicht mit dem Ziel eines modernen unabhängigen Nationalstaates (wie im Balkan), vielmehr mit der Befürchtung kurdischer Feudalherren, ihre Privilegien abtreten zu müssen. Doch können die kurdischen Aufstände auch als das erste Stadium der kurdischen Nationalbewegung bezeichnet werden, denn sie führten zur Entwicklung des ersten kurdischen Nationalgedankens.
Die Aufstände kamen auch dem britischen Imperialismus recht, weshalb dieser indirekt die Kurden, aber auch die Araber und Assyrer, dazu immer wieder ermunterte, gegen die Osmanen zu rebellieren. So ist der britische Imperialismus in diesem Kontext zu berücksichtigen, denn er war auch ein begünstigender Faktor für die Aufstände. Die Staatsschwäche und Aufstände führten wiederum dazu, dass die osmanischen und persischen Staaten sich den Briten annäherten. Das Interesse der Briten war es, nach Ägypten auch Mesopotamien, damit die Ölreserven unter Kontrolle zu bringen. Diese Politik des britischen Imperialismus kann insgesamt als eine klassische Teile-Herrsche-Politik bezeichnet werden.


1806
Der erste nennenswerte Aufstand des 19. Jh.s war der Baban Aufstand 1806 unter der Führung von Abdurrahman Pascha. Das Fürstentum mit der Hauptstadt Silemani (Süleymaniye) war das in vieler Hinsicht entwickelste von allen in Süd-Kurdistan. Große Teile Süd-Kurdistan werden auch in Richtung Iran befreit, aber eine osmanisch-kurdische (darunter rivalisierende kurdische Fürsten) Allianz bringt nach zwei Jahren die Niederlage.
1828
Russland eroberte einen Zipfel des osmanischen Transkaukasiens und bis einschließlich armenisch besiedelte Gebiete wie Kars.

1830 - 1831
Aufstand der Yeziden in Hakkari und Bitlis Serifxan Aufstand in Bitlis. Beide Aufstände werden schnell niedergeschlagen.

1830-31
H. G. O. Dwight und Eli Smith unternahmen im Auftrage des American Board of Commissioners for Foreign Missions (ABCFM) eine Forschungsreise in Kurdistan und Armenien. Ihr 1833 publizierter Bericht lieferte die Informationsgrundlage für die missionarische Durchdringung und ethnographische Erforschung jener Region.

1830-1837
Mîr Mohammed, der Herrscher von Soran ist und Ambitionen hat, König eines kurdischen Staates zu werden, befreit fast ganz Süd-Kurdistan bis Botan, dabei erobert er auch Behdinan. Botan geht jedoch nicht auf ein Bündnis ein. 1830 erklärte er seine Unabhängigkeit und ließ Münzen prägen. Es ist der erste große Aufstand des 19. Jh.s. Mir Mohammed verfügte über mehrere Waffenschmieden, in denen er auch Kanonen produzieren ließ, und mehrere 10.000 Soldaten. Am Anfang erkannte der osmanische Gouverneur in Bagdad die Unabhängigkeit an. Doch als Mîr Mohammed 1835 auch viele Teile Ost-Kurdistans befreit, begannen die Osmanen gegen ihn vorzugehen. Doch Persien ging auf ein Angebot der Osmanen gegen Mîr Mohammed nicht ein. 1836 scheitern wieder osmanische Armeen gegen Mîr Mohammed. Doch schnell zogen sich mehr osmanische Soldaten zusammen, die gewisse Gebiete zurückerobern. Durch Bestechungen am kurdischen Klerus und einem erlassenen Fetwa, ein religiöses Dekret, muss widerstrebig Mir Mohammed nach Istanbul zu Verhandlungen reisen. Inzwischen wurden die befreiten Gebiete Kurdistans von den Osmanen zurückerobert. Auf der Rückreise wurde Mîr Mohammed bei Trabzon von "Unbekannten" ermordet. Mit ihm endete das Fürstentum und Soran wurde der Provinz von Bagdad zugeschlagen.
Der deutsch-preußische Offizier und osmanischer Militärberater Moltke, der als militärischer Berater bei den Osmanen zu dieser Zeit tätig ist, schrieb in seinen Memoiren, dass er kein vergleichbares Gemetzel ähnlichen Ausmaßes gesehen hat, wie das der Osmanen gegen die Kurden. Er wurde Zeuge der brutalen "Pazifikation" Kurdistans und der gewaltsamen Rekrutierungen durch die Osmanen

1830-1847
Baban Aufstand unter Ahmad Pascha Baban in Süd-Kurdistan. Dieser endete, als 1847 der osmanische Gouverneur von Mossul den Babanherrscher bei Koya besiegte.

1831-33
Muhammed Ali, König von Ägypten, eroberte das osmanische Syrien und bedrohte für eine kurze Zeit Anatolien. 1833 wurde er wieder nach Ägypten zurückgedrängt.

1837
Aufstand von Sinaar. Nach der Niederschlagung wurden erste Deportationen und Umsiedlungen von Kuren großen Ausmaßes vorgenommen.

1838
Öffnung des osmanischen Marktes für britische Waren, dasselbe 1841 in Persien.

1839
Gurzum Aufstand in Amed.

1839-1876
Die Tanzimat schlossen an die vorhergehenden Erneurungsmassnahmen unter dem osmanischen Sultan Mahmud II. an, umfassten aber auch liberale Postulate wie die Religionsfreiheit und die prinzipielle Gleichberechtigung der Untertanen. In den neu eingerichteten osmanischen "Ostprovinzen" kam es ausserhalb der Provinzzentren, wo weder die neue Verwaltung noch die liberalen Grundsätze verwirklicht wurden, zu chaotischen Verhältnissen und namentlich zu Doppelbesteuerung (sowohl zentralstaatliche Steuern als auch bisherige Abgaben der armenischen und kurdischen Kleinbauern an Lokalherren). Immerhin erlaubten die freiheitlichen Rahmenbedingungen ein Aufblühen des Millet-Schulwesens. Die orientalischen, insbesondere armenischen Christen werden von den Missionaren gefördert. Das ABCFM und die Kapuziner beginnen in den 1840er Jahren Stationen in den Ostprovinzen zu gründen.

1843 - 1846
Bedirxan, Herrscher von Botan, befreite 1843 große Teile Kurdistans und vereinigt die meisten kurdischen Fürsten unter seiner Führung. Er zog zuvor jedoch die Lehre, dass die Rivalitäten unter den Stämmen aufhören müssen und eine militärische Organisierung notwendig ist. Im befreiten Kurdistan durften nichtmuslimische Religionen sich frei entfalten und andere Völker werden den KurdInnen gleichgesetzt. Ein kurdischer Staat sollte aufgebaut werden.
Die Osmanen schafften es jedoch, alte Rivalitäten zwischen den kurdischen Fürsten aufleben und die Christen (diese sollten mit Steuerzahlungen den Aufstand mitfinanzieren) gegen Bedirxan auflehnen zu lassen. Yezdan Sher, Neffe von Bedirxan und Kommandeur von der Hälfte der kurdischen Truppen, wird von den Osmanen gekauft. Begünstigt durch Hunger, Kälte und Tod kapitulierte Bedirxan 1846 und starb 1868 in der Verbannung.
Nach der Niederschlagung des Bedirxan Aufstandes annektiert das Osmanische Reich die letzten noch unabhängigen kurdischen Fürstentümer und ersetzen sie durch so genannte Walis (türk.: Gouverneure).

1843
Ein Aufstand in Hakkari wurde im gleichen Jahr noch niedergeschlagen.

1853 - 1856
Russisch-Osmanischer Krieg wurde auch in Nord-Kurdistan mit großen Zerstörungen, Massakern beider Mächte an der Zivilbevölkerung und Hungersnöten geführt.

1855 - 1858
Nach dem die Söhne Bedirxans Botan und Behdinan wieder aufbauten, kam es zum Zweiten Aufstand von Botan, der nicht so stark wie der vorherige war und auch scheiterte.

1855
Yezdan Sher nutzte nach seiner Entmachtung vom Gouverneursposten in Hakkari durch die Osmanen den osmanisch-russischen Krieg aus und begann mit der Eroberung Kurdistans. Im Frühjahr 1855 ist Wan, Amed, Siirt, Bitlis und Mossul unter seinem Einfluss. Die Briten schaffen es, Yezdan Sher zu Verhandlungen zu überzeugen, wo er verhaftet wird. Daraufhin verläuft der Aufstand im Sand.

Ab 1860
Nach der gezielten Öffnung des Iran durch die Qadscharen für westliche Staaten entstand durch die Unfähigkeit der Qadscharen-Regenten eine wirtschaftliche und politische Abhängigkeit. Es wurden viele Konzessionen an westliche Unternehmen gemacht, welche die technische Modernisierung des Landes durchführten.

1876
Abdulhamid II. wurde Sultan des Osmanischen Reiches. Eine neue Balkankrise entstand: antiosmanische Aufstände und Krieg mit Serbien; die Pforte setzte sich militärisch durch. Der Sultan erließ am 23. 12. 1876 eine Verfassung, die Parlamentswahlen vorsah.

1877
Bedirxan Osman und Hüseyin Pasalar Aufstand in Mêrdîn/Cezîre.

1877/78
Die Kriegsverluste auf dem Balkan und die muslimischen Flüchtlingsströme traumatisierten den jungen Sultan. Der russisch-türkische Krieg führte in weiten Teilen des kurdisch-armenischen Siedlungsgebietes zu einem Interregnum. Die Neuordnung jener Region wurde unter der Bezeichnung "armenische Frage" ein Thema der Berliner Konferenz (1878). Diese verpflichtete die Türkei zu Verwaltungsreformen und zu inneren Schutzmassnahmen gegen "kurdische und tscherkessische Gewaltakte". Sowohl Abdulhamid als auch viele durch die Tanzimat verunsicherten KurdInnen fürchteten um ihre Machtposition bzw. Stellung. Sie interpretierten die internationalen Reformforderungen als Einmischung, die zu einer armenischen Autonomie führen sollte. Sie widersetzten sich einem Reformprozess, der die Nichtmuslime stärkt.

1880 - 1882
Der Ubeydullah Aufstand (auch genannt: Nehriaufstand) in Hakkari war der letzte große Aufstand. Ubeydullah, Sohn des letzten geistlichen Führers sunnitischer Kurden, führte den Aufstand im persischen und osmanischen Teil durch. Zu dieser Zeit fand auch der osmanisch-russische Krieg 1877-78 statt, der zu großen Verwüstungen führte. Zunächst unterstützten indirekt die Osmanen die Kurden im Iran über die Briten mit Waffen. Als die Kurden Ost-Kurdistan befreiten, wandelt sich das Blatt. Auf den Hilferuf der Perser hörend griff die osmanische Armee Ubeydullah an. Jetzt führte er Krieg an zwei Fronten. Er wurde von englischen Unterhändlern dazu überredet, nach Istanbul zu Verhandlungen zu fahren. Dort entfloh er der Diplomatie, womit der Aufstand beendet wurde. Ubeydullah starb kurze Zeit später im Exil.
Ubeydullah konnte fast alle KurdInnen (220 Stammesführer und Scheichs) auf seine Seite bringen und ein nationales Gefühl schaffen. Auch christliche Völker, besonders Nestorianer und Armenier, standen auf seiner Seite. U.a. durch ihn wurden junge aristokratische Kurden dazu bewegt, in Europa zu studieren und dort freiheitliche Ideen aufzugreifen.

1880er Jahre
Aus Enttäuschung über das Ausbleiben wirksamer Reformen entsteht eine armenisch-revolutionäre Bewegung: 1887 wird die Huntschak-, 1890 die Daschnak-Partei gegründet. Die Propaganda und die Aktivitäten dieser Parteien richten sich gegen den osmanischen Staat, aber auch gegen die kurdische Lokalherren und die angepasste armenische Bourgeoisie.

1889
Bedirxan Emin Ali Aufstand in Erzingan.

Ende des 19. Jh.
Das Versagen der vielen kurdischen Aufstände im 19. Jh. kann u.a. mit der feudalen Struktur der Stämme und ihrer Führer, die eine politische Einheit verhinderte, begründet werden. Individuelle, lokale Interessen überwiegten bei den Fürsten. Auch die politische Naivität war ein Faktor. Das Nationalgefühl unter den Kurden war wegen den feudalen Strukturen sehr begrenzt entwickelt.
Nach den Aufständen folgte unter Sultan Abdulhamit II. eine Epoche der Integration kurdischer Stammesführer und ihrer Kinder ins zentrale Machtgefüge des Reiches. Viele Kinder der früheren Fürsten (jetzt nur noch Stammesführer) wurden nach Istanbul zur (Aus-)Bildung an die Hochschulen geschickt. Durch diese Anbindung der Stammeseliten und herrschender Klassen wurde die erste Phase der "noch indirekten" Assimilation der KurdInnen eingeleitet.

Gleichzeitig lies der Sultan aus den "rückständigen" sunnitischen kurdischen Stämmen - in dieser Phase wurden die alewitisch-sunnitischen Gegensätze bewusst geschürt - 36 Truppeneinheiten rekrutieren: die Hamidiye-Kavallerie entstand ab 1891. Daran beteiligten sich vor allem diejenigen Stämme, die sich bei den Aufständen neutral verhalten hatten. Daneben waren in dieser Reiterei eine geringere Zahl von Turkmenen und Araber. Die Hamidiye Kavallerien unterstanden den jeweiligen osmanischen Kommandanten.
Diese Kavallerie dient der Sicherung der Vormachtstellung in Kurdistan. Die feudalen kurdischen Stämme erhielten mit dieser militärischen Struktur eine stärkere Position und wurden dadurch loyal gegenüber dem Sultan. Die Aufbegehren von kurdischen Bauern wurden oft mit dieser Hamidiye-Kavallerie niedergeschlagen. Aber besonders hart und brutal wurden sie gegen die nichtmoslemischen Völker in und um Kurdistan eingesetzt. So spielte die Hamidiye Kavallerie eine wichtige Rolle beim Genozid an den Armenier im Jahre 1915.

1894
Massive militärische Unterdrückung eines von wenigen Huntschak-Revolutionären angeführten Bauernaufstandes in Sasun. Als Folge der brutalen Repression wurde die Reformfrage in der internationalen Diplomatie reaktiviert.

Um 1895
Etwa 100.000 Armenier werden bei Massakern vor allem in Kappadokien durch osmanische Truppen systematisch umgebracht. Dies ist das erste offene gewalttätige Vorgehen durch den osmanischen Staat gegen die Armenier.


1900 - Das Zweite Stadium der Kurdischen Nationalbewegung

Um die Jahrhundertwende entwickelte sich die erste kurdische Intelligenz. Teilweise in Istanbul und teilweise in Europa studierte KurdInnen aristokratischer Familien waren Träger eines neuen modernen kurdischen Nationalgedanken. Beeinflusst von den Ideen der bürgerlichen Revolution gründeten sie erste kurdische Organisationen, Vereine, Zeitschriften und Zeitungen, dabei arbeiteten sie vor allem von Istanbul und Kairo aus.


1897
Das "Erste Kurdische Nationalkomitee" wurde in Istanbul von gegründet.

1898
Die erste kurdische Zeitung "Kurdistan" wurde in Kairo von Mithat Bedirxan in kurdisch und osmanischer Sprache herausgegeben. Schnelles Verbot der Verbreitung dieser Zeitung im Osmanischen Reich.

Ab 1903
Der Bau der Bagdadbahn begann. Es handelte sich um eine 1.600 Kilometer lange (einschl. der Nebenstrecken 3205 km) Bahnstrecke, die zwischen den Jahren 1903 bis 1940 von Istanbul nach Bagdad gebaut wurde. Die Bagdadbahn war eine ingenieurtechnische Meisterleistung jener Zeit und gehörte zu den aufwändigsten Infrastrukturprojekten des deutschen Finanzimperialismus. Damit vergrößerte Deutschland seinen Einfluss im Osmanischen Reich gegenüber Großbritannien und Frankreich.
1914 waren erst 1.094 Kilometer fertig gestellt. Die Lücken wurden mit Feldbahnen überbrückt. Ab Oktober 1915 diente die Bahn mit deutscher Unterstützung auch als Transportmittel für die systematische Deportation der Armenier aus ihren Siedlungsgebieten in Richtung der Syrischen Wüste. Auch bei der Zerschlagung des kurdischen Shex Said Aufstandes 1925 förderte sie mit Zustimmung der französischen Kolonialmacht in Syrien türkischen Truppen in den Süden Merdîn's, von wo aus die Aufständischen ernsthafte getroffen wurden.
1918 war die Strecke zwischen Istanbul und Nisebin und zwischen Bagdad und Samarra auf einer Länge von etwa 2.000 Kilometern fertig gestellt.

1905-1906
In Persien wurde die erste Verfassung verabschiedet, nach dem zuvor die Verfassungsgebende Versammlung 1899 durch die Opposition infolge einer "Revolution" durchgesetzt wurde. Städtische KurdInnen waren dafür und die ländlichen KurdInnen dagegen. Die Schwäche des Staates führte dazu, dass die gesamte Wirtschaft und damit die Politik unter russischer und britischer Kontrolle stehen.

1908
Die Jungtürkische Revolution fand im Osmanischen Reich statt. Die Jungtürken erzwangen die Wiederinkraftsetzung der seit 1878 suspendierten Verfassung von 1876 und setzten den nur widerwillig kooperierenden Sultan 1909 schließlich ab, nachdem er einen erfolglosen konservativen Gegen-Putsch unterstützt hatte. Abdülhamids Bruder und Nachfolger Mehmed V. (1909-1918) wurde daraufhin zum machtlosen Werkzeug der jungtürkischen Regierung. Träger der Jungtürken-Bewegung waren modernistische Teile der gebildeten Eliten.
Ziel war die Stärkung des außenpolitisch geschwächten und innenpolitisch vom Zerfall bedrohten Reiches durch systematische politische, militärische und wirtschaftliche Modernisierung. Am Anfang wurde auch mehr Gleichberechtigung für alle ethnischen und religiösen Kulturen versprochen. So wurde anvisiert, eine parlamentarisch-konstitutionelle Regierung im Osmanischen Reich einzurichten, die auch die Mitbestimmungs- oder Autonomiebestrebungen christlicher und nichttürkischer islamischer Minderheiten im Vielvölkerstaat der Osmanen einzubinden versuchte.
Daraufhin traten aus dem Untergrund zahlreiche kurdische Vereinigungen mit klaren politischen Programmen hervor; im Istanbuler Exil wurden daraufhin Organisationen gegründet. Einige KurdInnen und sogar armenische Organisationen nähern sich zunächst den Jungtürken. Doch viele kurdische konservative Stammesführer blieben hingegen dem Sultan und dem gemeinsamen islamischen Banner verpflichtet.
1908-1910
Die "Gesellschaft für das Wiedererstehen und Fortschritt Kurdistans" wurde von kurdischen Lehrern, Künstlern und Studierenden gegründet; diese gab eine kulturelle Zeitung heraus.
Ein Komitee kurdischer Intellektueller in Istanbul gründete die erste kurdische Schule.
In kurdischen Städten entstehen die sogenannten Kürt Kulüpleri (kurdischen Clubs), die sich aus Intellektuellen und jungen Aktivisten zusammensetzen. Zentren dieser halbmilitärischen Organisationen sind: Amed, Mush, Erzirom (Erzurum), Bitlis und Mossul.
Kurdische Studierende gründen 1910 den ersten studentischen Verein namens "Hevi". Mitbegründer ist der aus Wan stammende Memduh Selîm.
Die junge Nationalbewegung war heterogen zusammengesetzt, so dass bei Streitigkeiten Spaltungen (nach den drei einflussreichsten Stämmen Bedirxan, Nehri, Ubeydullah) hervortreten. Die Fraktionen wurden in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg noch zahlreicher und kleiner.

Ab 1909
Trotz diesen Entwicklungen, die in der Praxis der osmanischen Politik Widerhall fand, kam es seitens der KurdInnen zu mehreren Aufständen, die aber nicht mit denen des 19. Jh. vergleichbar sind.
- 1908 Dersim Aufstand unter Seyit Riza
- 1909 Mossul Aufstand
- 1908 Aufstand kurdischer Bauern in Silemani
- 1910 Barzan Aufstand führt zur vorübergehenden Teilbefreiung Süd-Kurdistans
- 1910 Bitlis Aufstand

1912
Gründung des Vereins "Freunde Kurdistans", der bedeutendste unter den KurdInnen. Aus ihr stand später die Partei Mucjedad (Partei der Erneuerung) in der türkischen Nationalversammlung, dessen Ziel primär die Thematisierung der kurdischen Frage war. Sie stand u.a. für Laizismus, mehr Gleichstellung von Mann und Frau, Lateinisierung des Alphabets.

1912/1913
Die Balkankriege wurden mit Beteiligung der kurdischen Milizen (aus der Hamidiye Reiterei) durchgeführt. Diese Kriege verursachen auch muslimische Flüchtlingsströme Richtung Anatolien.

1913
Die "Heviya Kurd" (Kurdische Hoffnung) gab die Zeitung "Roja Kurd" (Kurdischer Tag) heraus, die später in "Hetewa Kurd" umbenannt wurde. Ihre Ziele waren die "Reformierung des kurdischen Alphabets, die Erziehung des kurdischen Volkes und die Propagierung des kurdischen Nationalismus".

Januar 1913
Mit der zweiten jungtürkischen Machtübernahme der Jungtürken im Januar 1913 entwickelte sich ein Bündnis zwischen radikalen Intellektuellen (Ziya Gökalp, Nazim) mit zivilen Bürokraten (Talat Pascha) und den letztlich entscheidenden Offizieren (Enver Pascha, Cemal Pascha). Der demokratisch-parlamentarische Versuch von 1908 zur Reformierung des Reiches wurde endgültig aufgehoben.
Ab jetzt stiegen Personen von "ganz unten" in die höchsten Positionen auf, so Talat Pasche 1917 zum Großwesir, womit eine Radikalisierung des türkischen Nationalismus ganz offen zutage trat, während vorher Personen aus der alten Elite im Vordergrund waren. Das Triumvirat von Enver, Talat und Cemal Pascha regierte das ganze Reich diktatorisch bis 1918.
In diesen Jahren wurden gute Kontakte zu deutschen demokratischen Intellektuellen (auch aus der Sozialdemokratie) aufgebaut. Diese waren mit einer der Ursachen für die starken wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der BRD und der Türkei nach 1945, die mittelbar auch Grund für die Einwanderung von mittlerweile zwei Millionen Menschen nach Deutschland seit den sechziger Jahren waren. Eine weitere enge Verbindung entwickelte sich nach 1908 und namentlich von 1913 bis 1918 zwischen den jungtürkischen Offizieren der osmanischen Armee und ihren verstärkt ins Land geholten deutschen Militärberatern unter dem jungtürkischen Kriegsminister Enver Pascha.


Der 1. Weltkrieg und die zweite Teilung Kurdistans


02.08.1914
Geheimes deutsch-türkisches Bündnis kurz nach Weltkriegsbeginn: Zum Preise der Kriegsbeteiligung erhielt das osmanische Regime die Gelegenheit, seine volle Souveränität zu erklären und somit armenische Reformen, Kapitulationen und Schuldenwirtschaft zu annullieren.

14.11.1914
Beginn des 1. Weltkrieges. Das Osmanische Reich nahm an der Seite von Deutschland gegen Russland, Großbritannien und Frankreich am Krieg teil. Die osmanischen Truppen griffen noch im gleichen Jahr Russland an.
Kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen auf politischer Bühne daher werden abgebrochen. Der Iran erklärte sich neutral, wurde aber dennoch Kriegsschauplatz.

1914-1918
Das Osmanische Reich erklärt nicht den äußeren Feinden den Krieg, sondern in besonderer Härte auch den inneren Feinden. In den Kriegsjahren geht der Staat gegen die religiösen und ethnischen Minderheiten vor und massakriert sie eine nach der anderen. Als Vorwand dienen schwere militärische Verluste am Anfang des Krieges, z.B. die berühmte verlustreiche Schlacht im Winter 1914/1915 bei Sarikamish zwischen Erzurum und Kars gegen russische Truppen. Bei dieser gescheiterten Kaukasus Offensive der Osmanen starben 90.000 osmanische Soldaten (vor allem KurdInnen).
Das erste Opfer der pantürkischen Ideologie wurde das Volk der Pontus in der mittleren Schwarzmeerregion in Nord-Anatolien. Bis zu 200.000 Pontus-Griechen wurden im 1. Weltkrieg kaltblütig dahingemetzelt. Die verbleibenden Griechen wurden 1922 im Zuge des griechisch-türkischen Bevölkerungsaustau-sches nach Griechenland deportiert.
Das Kriegsregime betrieb ab Februar 1915 eine pauschale propagandistische Verunglimpfung der Armenier als Verräter und Verschwörer bei den Verlusten gegen die russische Armee. Die armenischen Soldaten in der osmanischen Armee wurden entwaffnet.
Bei Massakern an den Armeniern ab 1915 wurden bis zu 1,5 Millionen Menschen systematisch und auf die brutalste Art und Weise ermordet. Zunächst wurden die armenischen Intellektuellen in den Großstädten und Istanbul festgenommen und oft gleich ermordet. In einer breiten Aktion wurden fast alle Armenier innerhalb des Osmanischen Herrschaftsgebietes in ihren Orten überfallen; dabei wurden die führenden Köpfe umgebracht oder festgenommen. Die breite Masse der Armenier kam durch die von Mordaktionen begleiteten Deportationen in die syrische Wüste durch ums Leben. Die seit Wochen inhaftierten armenischen Soldaten in der osmanischen Armee wurden auch Opfer in diesem Massaker. 800.000 Armenier können diesem Genozid gerade noch ins russische Herrschaftsgebiet entfliehen. In der Vorkriegszeit wurden schon bis zu 200.000 bis 300.000 Armenier bei verschiedenen Massakern ermordet. Die Ausführung des Massakers lässt annehmen, dass es schon im Voraus geplant war. An den Massakern waren auch die restliche Strukturen der Hamidiye-Reiterei und viele sunnitische kurdische Stämme beteiligt. Die alewitischen KurdInnen nahmen daran nicht teil, die Dersim-KurdInnen boten sogar vielen Armeniern Zuflucht. Hingegen wurden die 80.000 armenischen Einwohner Istanbuls - vermutlich mit Rücksicht auf die dort besonders präsente internationale Diplomatie - nicht deportiert.
Dieser bis dahin größter Genozid wird bis heute von der Türkei geleugnet. Die verbündeten Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn verfolgten damals insgesamt eine leisetreterische Duldungspolitik und schwiegen, um die jungtürkischen Verbündeten nicht zu verlieren.
Gleichzeitig mit dem Genozid an den Armeniers wurden auch zehntausende christliche Assyrer, vor allem in Nord-Kurdistan, kaltblütig ermordet.
Das Morden beschränkte sich jedoch - anders als in vielen Darstellungen - nicht auf die zweifellos schlimmsten Jahre 1915/16. Auch in den syrischen Internierungslagern starben später noch zahlreiche Deportierte. In Nord-Kurdistan, Nordostanatolien, Armenien und Aserbaidschan führten wechselnde Kriegserfolge der Osmanen und der Russen zwischen 1915 und 1918 zu weiteren Massakern.
Diese Kriegszeit nutzte das Osmanische Reich auch dafür aus, mehrere hunderttausend KurdInnen, besonders aus den west-kurdischen Regionen wie Marash, umzusiedeln. Sie sollten auf ganz Anatolien verstreut "im Türkentum aufgehen". Schlechte Organisation führt bei vielen zum Hunger-, Kälte- oder Seuchentod.
Diese Deportationen und Massaker sind Teil eines gigantischen wahnsinnigen Plans der ethnischen Umgestaltung Anatoliens, West-Armenies und Nord-Kurdistans, um die Basis zu einem ethnotürkischen Nationalstaat zu legen.

1915
Bei der erfolgreichen Verteidigung von Gallipoli und der Dardanellen (Meerenge von der Ägäis zum Marmarameer) gegen die britische Armee trat der osmanische Kommandeur Mustafa Kemal (später auch Atatürk genannt) in den Vordergrund. Mustafa Kemal blieb aber immer im Schatten von Enver Pascha, der ihn politisch kalt zu stellen beabsichtigte. Während Mustafa die Verteidigung Anatoliens in den Vordergrund stellte, wollte Enver den Machtbereich bis nach Mittelasien ausweiten. Außerdem stand Enver Pasche Deutschland sehr nahe, was Mustafa Kemal nicht gefiel.

1916
Die Alliierten schlossen geheime Verträge (Sykes-Picot-Abkommen) über die Aufteilung des Osmanischen Reiches und Kurdistans. Danach soll der größte Teil des osmanischen Kurdistans dem zaristischen Russland zufallen, was jedoch nach der Oktoberrevolution aufgekündigt wird.

Nov. 1917
Die in Russland an die Macht gekommenen Bolschewisten unter Lenin befahlen den Rückzug aus den besetzten osmanischen Gebieten, die sich bis Erzingan, Erzirom und Wan erstreckten.

8.1.1918
US-Präsident Wilson fordert in seinen 14 Punkteplänen die Alliierten auf, auch den KurdInnen die Möglichkeit der Unabhängigkeit einzuräumen.

28.05.1918
Es erfolgte die Gründung der unabhängigen Republik Armenien mit Zentrum Eriwan. Dem unpopulären osmanischen Kriegsregime gelang es, viele KurdInnen damit wieder vermehrt für sich zu mobilisieren, indem es auf das Schreckgespenst eines möglichen grossarmenischen Staates hinwies, der einen Teil des kurdischen Siedlungsgebietes umfassen würde.

30.10.1918
Das Osmanische Reich kapitulierte bedingungslos im Waffenstillstandsabkommen von Mudros und soll auf einen türkischen Reststaat reduziert werden. Das Gebiet des heutigen Irak - darunter Süd-Kurdistan - wurde von britischen Truppen und das heutige Syrien - darunter Südwest-Kurdistan - von französischen Truppen besetzt.
Izmir (Smyrna), Teile der Ägäis und Ostthrakien wurde in den kommenden Monaten von griechischen Militärs eingenommen. Ganz Anatolien und Nord-Kurdistan befanden sich in einem "Machtvakuum". Zugleich kann diese Zeit als die bisher "demokratischste" in der Türkei bezeichnet werden. Denn es gründeten sich überall Komitees und lokale militärische Verteidigungseinheiten, die das Leben und die Gesellschaft organisierten, wobei sie sich auf die Bevölkerung und nicht auf feudale Herrscher stützten.
In Istanbul werden die radikalen von gemäßigten Jungtürken gestürzt, diese dann wiederum von denjenigen Liberalen, die bis 1913 an der Macht waren. Diese wurden dann von englischen Besatzern vor Gericht gestellt.

1918-1920
Etablierung der "Aufschwungsvereinigung Kurdistans" im Dezember 1918. Ziel war die Vertretung der Rechte der KurdInnen im Allgemeinen. Die Vereinigung wurde in Istanbul durch reiche kurdische Familien, einige Intellektuelle und Beamten gegründet. Die Mitglieder setzten sich hauptsächlich aus Mitgliedern früherer kurdischer Organisationen wie den "Kürd Teavün ve Terrakki Cemiyeti" und der "Civata Talebeyi Kurdan - Hevi" zusammen. Die Aufschwungsvereinigung fand unter den Kurden Istanbuls schnell eine breite Unterstützung. Bald darauf wurden auch in den östlichen Provinzen Zweigstellen, die so genannten Kurdische Clubs, eröffnet. Seyyit Abdülkadir war sowohl Vorsitzender der Vereinigung als auch Mitglied des Osmanischen Senats und Präsident des Osmanischen Staatsrates. 1920 spaltet sich diese Gesellschaft. 1921 wird sie vom türkischen Parlament verboten.
1918-1919
Die wöchentliche Zeitschrift "Jin" ("Leben") wurde u.a. von Memduh Selîm im Auftrag der Aufschwungsvereinigung Kurdistans in Istanbul ab dem 7.11.1918 herausgegeben. Es ist das wichtigste Sprachrohr der Vereinigung.

1918-1922
Im Jahre 1918 begann der Simko-Aufstand in Ost-Kurdistan, der bis 1922 andauerte. Simko ist ein kurdischer Stammesführer aus der Region um den Urmia See. Simko hatte Kontakte zu anderen politischen KurdInnen wie Abdurrazaq Bedirxan.
Im Sommer 1918 hatte Simko das Gebiet westlich des Urmiasees unter seine Kontrolle gebracht. Ab 1919 konnte er mit seiner Armee mehrere Städte der Umgebung erobern. Urmia wurde sein Hauptquartier, wo einer seiner Verwandten als Gouverneur eingesetzt wurde. Später fielen die Städte Mahabad, Xoy, Miandoab, Maku und Piranshahr in einer Reihe von Kämpfen unter die Herrschaft Simkos. 1921 eroberte Simko die Stadt Maragha und ermunterte die Loris ebenfalls zum Aufstand gegen den Schah. Da die Vorteile auf Simkos Seite waren, wollte sich die Regierung in Teheran mit dem Angebot einer begrenzten kurdischen Autonomie mit Simko einigen. Simko eroberte 1922 noch die Städte Baneh und Sardasht. Damit hatte er fast ganz Ost-Kurdistan kontrolliert.
Simko wollte auch die kurdische Kultur verbreiten und eröffnete so in Khoy eine kurdische Schule. Außerdem brachte er schon ab 1912 mit Abdulrazzaq Bedirxan, der 1918 durch die türkische Regierung hingerichtet wurde, ein monatliches Magazin namens Kurdistan raus. Kulturelle Aktivitäten wurden vornehmlich von der Organisation Gîhandanî (Zur Hilfe eilen), die 1912 in Khoy gegründet wurde, veranstaltet. Von 1919 bis 1922 erschien auch die Zeitung Roja Kurd, das offizielle Organ der Regierung in Urmia. Herausgeber war Muhammad Turjanizade.
Simkos Vorherrschaft in der Region wurde 1922 von der iranischen Armee bei der Stadt Salamas gebrochen. Nach dieser Niederlage konnte die Armee sogar den Familiensitz Chari erobern. Simko selber flüchtete mit tausenden seiner Kämpfer in den Irak, wo sie allerdings ihre Waffen niederlegen mussten. Als er 1930 zu eingeladenen Gesprächen mit dem iranischen Staat ging, wurde er in einem Hinterhalt getötet.

April 1919
Aufstand unter Scheich Mahmud Berzenci in der Region um Silemani gegen das englische Mandat. Berzenci stammte aus einer Sufi-Familie der Qadiriyya, deren Scheich er später wurde.
Als der Irak nach dem ersten Weltkrieg zu einem Mandat Großbritanniens wurde, suchten die Briten ein geeignetes Mittel, um den kurdischen Norden zu regieren. In Anlehnung an die Stammesregierung in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung im heutigen Pakistan, das damals zu Britisch-Indien gehörte, bestimmten die Briten 1918 Berzenci als Gouverneur über die KurdInnen in Silemani. Allerdings war die Bestimmung von Berzenci nicht im Sinne einiger KurdInnen, da die Rivalität zwischen Stämmen und Orden groß war. Da Berzenci Rückendeckung durch die Briten hatte, konnte er seinen Einfluss über die KurdInnen vergrößern. Allerdings begann er seine Stellung im Sinne der kurdischen Freiheitsbestrebungen zu nutzen, was ihn in Konflikt mit den Briten brachte. Er ernannte sich selber zum Herrscher von ganz Kurdistan. Im Mai 1919 konnte er sogar die Briten aus Silemani vertreiben. Unter den Anhängern Berzencis gab es viele KurdInnen aus dem Iran, darunter auch der später berühmte Mustafa Barzani. Die Briten setzten bei der Niederschlagung des Aufstandes im Juni auch die Royal Airforce ein. Berzenci wurde verraten und ausgeliefert, vor ein britisches Gericht gestellt, zu Tode verurteilt, dann begnadigt und nach Indien verbannt.

15. Mai 1919
Am 15. Mai 1919, unmittelbar vor Mustafa Kemals Einschiffung nach Samsun, hatte die von der britischen Regierung unterstützte griechische Invasion in Smyrna, heute Izmir, begonnen, die dann in eine östliche Expansionsbewegung griechischer Truppen überging und von der Regierung in Konstantinopel nicht verhindert werden konnte.

Mai 1919
Der letzte Sultan Mehmed IV. sendete Mustafa Kemal (später "Atatürk" genannt) als Generalinspekteur in die östliche Schwarzmeerregion (Samsun) und nach Kurdistan mit dem Auftrag der Bekämpfung griechischer Milizen im Hinterland von Samsun (griechisches Siedlungsgebiet, Pontus genannt) und zur Demobilisierung der IX. Armee in Kurdistan. Doch er entmachtete nicht, wie von den Alliierten gefordert, die dortigen osmanischen Truppen. Vielmehr begann er mit den zwei türkischen Heerführern Kazim Karabekir, Ali Fuad und mit ihren bereitstehenden Truppen einen Widerstand gegen die Besatzungsmächte zu organisieren.
Er schaffte es, die KurdInnen mit Versprechungen auf seine Seite zu bringen. M. Kemal versicherte bei den Kongressen von Sîwas und Erzirom den KurdInnen, einen "zukünftigen Staat der Türken und Kurden zu gründen", wenn sich die KurdInnen am Kampf gegen die gemeinsamen Feinde, die griechischen, französischen und armenischen Besatzungsmächte, beteiligen würden. Die KurdInnen beteiligten sich daraufhin sehr zahlreich an den Kämpfen in den folgenden drei Jahren. Diese Unterstützung durch die KurdInnen ist sehr entscheidend für die Erfolge in diesen Jahren gegen die griechischen und anderen Armeen. Nach der Schlacht von Malazgirt 1071 und von Çaldiran 1514 standen die KurdInnen zum Dritten Mal in der Geschichte entscheidend den TürkInnen in sehr kritischen Situationen bei.

23. April 1920
Die neue Unabhängigkeitsbewegung brachte schnell Nord-Kurdistan, die Schwarzmeerregion und Mittelanatolien unter Kontrolle. Es erfolgte im April 1920 die Gründung der türkischen Nationalversammlung in Ankara, die Mustafa Kemal zu ihrem Vorsitzenden machte und eine gegen den Sultan und die Alliierten gerichtete Gegenregierung installierte. Seit der Jahreswende 1919/20 nahm diese ihren Sitz in Ankara, das nun nach und nach zur neuen türkischen Hauptstadt ausgebaut wurde. Diese Regierung schaffte es im Laufe der Zeit regionale Widerstände in die ihrige durch verschiedene geschickte Maßnahmen "einzugliedern".

10.08.1920
Vertrag von Sêvres zwischen dem Sultan und den Alliierten: Die kurdische Frage wurde in den Artikeln 62-64 behandelt, wonach ein autonomes Kurdistan - das allerdings nur ein Viertel des ganzen Kurdistan ausmacht - vorgesehen wurde. Eine internationale Kommission sollte vor Ort prüfen, ob die kurdische Bevölkerung diese Möglichkeit “annehmen” würde.
Weiterhin war ein armenischer Staat an der östlichen Schwarzmeerregion und im Ararat-Hochland um Erzurum, Kars und den Wan-See vorgesehen. Im Süden würde es ans geplante Kurdistan anschließen. Die Region ums Marmarameer und Istanbul sollte englische, die westliche Mittelmeerregion um Antalya italienische Besatzungszone und Smyrna (Izmir) mit Umgebung dem griechischen Staat einverleibt werden. Die in Ankara ansässige türkische Nationalversammlung lehnt den Sevres-Vertrag ab.
24.08.1920
Kemalisten und Bolschewisten einigten sich am 24. 8. 1920 in Moskau auf den Entwurf zu einem Freundschaftspakt.

23.09.1920
Die erste kemalistische Offensive führte gegen Armenien: bis im Dezember Eroberung des westlichen Teils des ehemaligen Russisch-Armeniens. Gleichzeitig fand eine Invasion der Roten Armee in dessen Ostteil statt (6.12.1920). Der kemalistisch-bolschewistische Freundschaftspakt vom 16. 3. 1921 anerkennte die türkischen Annexionen.

6.3.1921
Offener Aufstand der KurdInnen in Koçgiri (Region im Osten der Provinz Sîwas und im Westen der Provinz Erzingan; hat enge Beziehungen zu den KurdInnen in Dersim) gegen türkische Truppen. Die erste Phase begann eigentlich schon im Juli 1920 und wurde nach Bekannt werden des Friedensvertrages von Sevres intensiver. Einige Führer des Aufstandes wollten einen eigenen Staat entsprechend dem Sevres-Vertrag und andere waren weniger fordernd und wollten wiederum sich mit der türkischen Regierung in Ankara einigen. Ankara nahm die Forderungen der Rebellen nicht ernst und spielte auf Zeit. Andere kurdische Abgeordnete aus Ankara sollten die aufständischen Stämme dazu bewegen, den anti-republikanischen und von Dr. Nuri Dersimi (von der Aufschwungvereinigung Kurdistan), Alisher und Zarife gelenkten Aufstand zu beenden. Als die Verhandlungen scheiterten, verhängte am 10. März 1921 Ankara das Kriegsrecht. Die Kämpfe intensivierten sich, Ankara marschierte voran und brannte mehrere Dörfer nieder. Einige Anführer flohen nach Dersim, wo Seyit Riza sie beschützen konnte. Weitere Verhandlungen in Erzingan brachten nichts, weil Ankara sich daran nicht hielt und seine Stärke ausspielte. Der Aufstand wurde im Frühling 1921 endgültig niedergeschlagen.

August 1921
Mit einem die Griechen überraschenden Konzept flexibler Flächenverteidigung - statt eines starren Stellungskriegs - gelang es Mustafa Kemal am Sakarya-Fluss (bei Izmit und Adapazari) im August 1921 die Gegner erneut zurückzuschlagen. Die türkischen Truppen konzentrierten ihre Auseinandersetzungen vor allem gegen die griechischen Truppen und kaum gegen die britische Besatzungsmacht in Istanbul und den Meerengen.

1921-1923
Reza Chan, der spätere Reza Schah Pahlawi (ab 1925), führt einen Staatsstreich im Iran durch. Er wird zum Kriegsminister und somit praktisch zum Herrscher, der diktatorisch regiert. Als 1923 der Schah Ahmad-Mirza das Land verlässt wird Reza Chan zum Premierminister.

August 1922
Erst nach einem weiteren Jahr des Kräftesammelns gelang es Mustafa Kemal mit einem Überraschungsangriff bei Dumlupinar/Kütahya am 26. August 1922 seinen Triumph über die griechische Armee zu vollenden und die griechischen Truppen vernichtend in die Flucht zu schlagen. Der Vertrag von Sèvres war damit praktisch hinfällig.

01.11.1922
Abschaffung des Sultanats, jedoch noch nicht des Kalifats.

23.05.1923
Die "Kurdische Autonome Provinz", auch Rotes Kurdistan (Kurdistana Sor) genannt, bildete sich in der sowjetischen Provinz Aserbaidschan an der Grenze zu Armenien (zwischen dem armenischen Berg-Karabach und dem armenischen Kernland). Die Region wurde am 23. Mai 1923 ausgerufen und die Hauptstadt war Laçin. Andere Städte waren Kelbecar, Kubatliski und Cebrail. Der erste Ministerpräsident war Gussi Gaciyev. Dieser Staat existierte bis 1929, als dann die Bewohner durch Stalin nach Mittelasien umgesiedelt wurden. Ein Versuch, sie 1991 wieder zu gründen, scheiterte am Zerfall der UdSSR. Der Krieg Anfang der 90er Jahre zwischen Armenien und Aserbaidschan vertrieb die meisten Kurden aus diesem Gebiet.

24.07.1923
Der Vertrag von Lausanne wurde unterzeichnet: Denn für die Alliierten hatte sich alles nicht so entwickelt wie im Vertrag von Sevres vorgesehen; sie wurden vor vollendeten Tatsachen gestellt, weshalb die Regierung von M. Kemal anerkennt wurde. Und dass keine KurdInnen in Lausanne dabei waren und die türkischen Vertreter (vor allem der zweite im neuen Staat Türkei wichtige Mann Ismet Inönü) angeblich auch im Namen der KurdInnen gesprochen haben, trug dazu bei, dass von kurdischer Autonomie nicht mehr die Rede ist. Nur religiöse Minderheiten wurden erwähnt und ihnen Rechte zugesprochen, in ihrer Religion praktizieren zu können. Zugleich folgte die vertragliche Aufteilung Kurdistans unter vier Staaten; der Türkei, dem Irak, Iran und Syrien. Somit wurde die 2. Teilung Kurdistans vollzogen.
In der Folge dieses Vertrages mussten eineinhalb Millionen Griechen Kleinasien verlassen und eine halbe Million Türken aus Griechenland in die Türkei umsiedeln.

29.10.1923
Die Türkische Republik unter Mustafa Kemal wurde ausgerufen. In der Anfangszeit wurden 75 KurdInnen ins Parlament einberufen. In den Reden wurde öfters von der Republik der TürkInnen und KurdInnen gesprochen.
Die neue türkische Republik nimmt sich den folgenden offiziellen kemalistischen Leitlinie an: Republikanismus im Sinne von Volkssouveränität, Nationalismus als Wendung gegen den Vielvölkerstaat des osmanischen Zuschnitts, Populismus als Ausdruck einer auf die Interessen des Volkes, nicht einer Klasse gerichteten Politik, Revolutionismus im Sinne einer stetigen Fortführung von Reformen, Laizismus und Etatismus mit partieller staatlicher Wirtschaftslenkung.

3. März 1924
Das Kalifat wurde vom türkischen Parlament abgeschafft. In der Folge wurden die Derwischklöster und die religiösen Gerichtshöfe geschlossen, Religionsschulen für Geistliche und Richter aufgelöst; die allgemeine Schulpflicht wurde eingeführt und alle Schulen einem Erziehungsministerium unterstellt. Der Bruch mit den jahrhundertealten Strukturen und Institutionen des Osmanischen Reiches blieb ein Wagnis, das Widerstand hervorrief. So gründete sich im November 1924 - noch mit Erlaubnis von Mustafa Kemal - die oppositionelle Fortschrittspartei durch wichtige Mitstreiter des türkischen Befreiungskampfes.
1923-1924
Nach der Ausrufung der Republik entwickelten sich die ersten Ansätze mit dem Ziel, die KurdInnen langsam aus dem politischen Leben zu verdrängen. So waren nach einigen Monaten die kurdischen Abgeordneten im neuen Parlament immer weniger willkommen. Der Nationalismus wurde nun mehr vorangetrieben. Noch führte dieses Verhalten nicht zu Repressionen in Kurdistan, doch langsam zu mehr Angespanntheit.

10. Oktober 1924
Auf Druck der KurdInnen und vor Angst einer türkischen Einflussnahme auf den Nordirak wurde Berzenci 1922 aus dem indischen Exil zurückgeholt. Berzenci nutze diese Gelegenheit aus und rief eigenmächtig am 10. Oktober 1922 das Königreich Kurdistan aus. Da die Briten militärisch nicht stark genug waren, duldeten sie Berzenci. 1924 wurde er dann endgültig von den Briten besiegt und all seiner Ämter enthoben. Mit ihm endete auch das Königreich Kurdistan. Am 9. Oktober 1956 starb Berzenci in Bagdad.

Januar 1925
Bei einer unter Kontrolle des Völkerbunds durchgeführten Volksabstimmung in Süd-Kurdistan (Irak) entschied sich die Mehrheit der KurdInnen gegen einen Anschluss an den Irak und für die Unabhängigkeit.

1925
Im Iran erfolgte am 31. Oktober 1925 die formelle Absetzung des letzten Qadscharen, Ahmad-Mirza Schah, durch das Parlament. Am 12. Dezember 1925 wurde Reza Chan durch das Parlament zum Schah ernannt. In diesem Jahr wurde auch ein staatliches Monopol auf Zucker und Tee, sowie Tabak- und Zündholz-Steuer eingeführt.


Kurdische Aufstände der 20er und 30er Jahre

Von 1920 bis 1940 fanden in Nord-, Süd- und Ost-Kurdistan gegen die jeweiligen Besatzerstaaten Türkei, Iran und Irak zahlreiche Aufstände statt, die jedoch alle fehlschlugen. Allein innerhalb der Republik Türkei rebellierten die KurdInnen 20 Mal. Die oben erwähnte feudale Führung, die bewusst vorangetriebene künstliche Spaltung unter der kurdischen Bevölkerung in Religionen und Stämme und die starken geostrategischen Interessen der imperialistischen und regionalen Mächte waren die Gründe fürs Scheitern. Kein Aufstand war von längerer Dauer und umfasst den gesamten Teil des jeweiligen Kurdistan. Es fehlte eine moderne Führung, welche das Stammesdenken und die religiöse Verschiedenheit überwand und die nationale Entwicklung vorantrieb. Die drei Staaten massakrierten in der Zeit von 1925 bis 1940 mehrere hunderttausende Menschen in Kurdistan. Doppelt soviele wurden deportiert.
Doch die Diskussionen darüber, unter welchen Umständen es zu den kurdischen Aufständen ab 1925 in Nord-Kurdistan kam und welche Folgen diese für die Entwicklung in der Türkei hatte, wird seit einigen Jahren vor allem von kurdischer Seite in einem neuen Rahmen geführt. Der erste und großflächigste Aufstand Shêx Saids gegen die neue Republik Türkei im Jahre 1925 hat hierbei einen besonderen Stellenwert. Die neue türkische Republik begann seit dem Lausanner Vertrag 1923 die KurdInnen aus dem politischen Leben langsam zurückzudrängen. Die gegebenen Versprechen wurden nicht eingehalten. Die Gründe für diese Entwicklung waren nicht nur in der Person von Mustafa Kemal und seinem Nationalismus zu suchen. Der türkische Staat geriet insgesamt immer mehr unter den Einfluss der alten jungtürkischen und somit stark nationalistischen Kader. Diese erhielten besondere Unterstützung vom britischen Imperialismus, die damit Mustafa Kemal und seine "relativ" unabhängige Linie unter Kontrolle zu bringen versuchten. Dies trieb den Nationalismus noch mehr voran. Mustafa Kemal war nicht mehr der uneingeschränkte Herrscher wie zu Zeiten des Befreiungskrieges bis 1922. Er musste sich mit diesen stärker werdenden Kreisen, zu denen auch der erste Ministerpräsident Ismet Inönü zu zählen ist, die Macht teilen.
Die Unzufriedenheit der KurdInnen führte in Kurdistan immer mehr zu einer Anspannung. Sie begannen einerseits abzuwarten und andererseits sich auf einen eventuellen Aufstand unter dem bekanntesten Stammesführer Shêx Said vorzubereiten. Die Briten mischten sich ein und signalisierten den KurdInnen, dass sie Unterstützung bekommen würden. Sie schürten somit einen Aufstand. Auch den chauvinistischen Kreisen im türkischen Staat kam ein unvorbereiteter und erfolgloser Aufstand recht, um damit gegen die KurdInnen und andere oppositionelle Kreise in der Türkei vorzugehen. Shêx Said verlangte beim Aufstand neben nationalen Rechten für KurdInnen vor allem die Wiedereinsetzung des Kalifats und anderer islamischer Gesetze. In dieser angespannten Lage brach der Shêx Said Aufstand sozusagen zu früh aus. Nach der Niederschlagung wurde in der ganzen Türkei vehementer gegen Oppositionelle vorgegangen, auch die Fortschrittspartei wurde geschlossen. Damit wurden die ohnehin geringen demokratischen Verhältnisse ganz aufgehoben.
Als der Shêx Said Aufstand ausbrach, wandte sich die Türkei an die Briten und Franzosen um Unterstützung. So erhielt sie politische und logistische Unterstützung. Als Gegenleistung verzichtete die Türkei auf die Region um Mossul und Kerkuk mit seinen großen Ölreserven (einige Monate später wurde diese Region dem Irak zugesprochen). Zuvor hatte die junge Türkei diese Gebiete diese Gebiete beansprucht.


14.02.1925
Unter Shêx Said, einem Führer des Nakshibendi-Orden, begann in Nord-Kurdistan ein groß angelegter Aufstand. Er wurde jedoch durch eine nach wie vor "ungeklärte" Provokation in Egil (Provinz Amed) am 14. Februar 1925 - Tötung türkischer Soldaten in einem Hinterhalt - zu früh ausgelöst. Die kurdische Bewegung war für einen späteren Zeitpunkt vorbereitet. Zu dieser Zeit ist die Lage angespannt. Denn kurz zuvor erließ Ankara Haftbefehle gegen zehn Kurden, deren Auslieferung Shêx Said verweigerte. Nun war der Aufstand unaufhaltsam ausgebrochen. Die Aufständischen befreiten in kürzester Zeit ein Drittel von Nord-Kurdistan. Die erste Stoßrichtung ist Bingöl und Elaziz, danach Amed und Siverek (Provinz Riha). Im Osten wurde sogar Varto und Mush erobert. Amed wird zum Zentrum des Widerstandes. Jedoch schließen sich viele kurdische Stämme in der Serhat-Region (Mush, Agri, Wan, Kars und Erzirom) und westlich des Euphrats ihnen nicht an; besonders die alewitischen KurdInnen halten sich u.a. wegen den islamischen Forderungen fern. Einige wenige kämpfen sogar in Mush, Erzingan und Erzirom gegen den Aufstand auf Seiten des Staates.
Der schlecht vorbereitete Aufstand wurde von schließlich aufgebotenen 80.000 türkischen Soldaten bereits im April 1925 niedergeschlagen. Shex Said und 52 andere Anführer wurden am 27. April festgenommen. Shêx Said wurde am 30. Juni zum Tode verurteilt und am 4.9.1925 in Elaziz hingerichtet. In diesem Jahr wurden bei Säuberungsaktionen bis zu 20.000 Menschen ermordet. Kleine Verbände, die entkommen konnten, setzten den Kampf als Guerilla fort. Diese Aktivitäten dauerten bis 1927.
Mit dem Aufstand wird über Nord-Kurdistan der Kriegszustand ausgerufen und es ist lange Zeit für Ausländer verboten, hierhin einzureisen.
1925-1927
In der Provinz Merdîn wurde der Shex Said Aufstand vom Haco Stamm angeführt und endete erst 1926. Es flüchteten über 70.000 Menschen über die syrische Grenze. 1927 wurde für sie vom türkischen Staat eine Amnestie ausgerufen. Daraufhin kehren viele Frauen und Kinder zurück, von denen der türkischen Staat in einem Dorf viele grausam massakrierte. Es starben hier 5.000 Menschen.

16. Dezember 1925
Am 16.12.1925 entschied sich der Rat des Völkerbunds entgegen der zuvor in Süd-Kurdistan durchgeführten Volksabstimmung und auf britische Forderungen hin, für die Angliederung des südlichen Kurdistan (einschließlich Erdölregion Kerkuk und Mossul) an den irakischen Staat. Die offizielle Einverleibung erfolgte am 5. Juni 1996. Die Anteile der Irakischen Erdölgesellschaft gingen zu 52,5 % an eine englische, zu 21,25 % an eine amerikanische, und zu 21,25 % an eine französische Firmengruppe.

1926-30
Der türkische Staat, regiert von der Einheitspartei CHP (Republikanische Volkspartei), erließ einschneidende progressistische Reformen von oben; so die Übernahme des westlichen Kalenders (26. 12. 1925), des schweizerischen ZGB (17. 2. 1926), die Übernahme der lateinischen Schrift (1. 11. 1928) und das Frauenstimmrecht (3. 4. 1930).

Mai/Juni 1926
Erster, aber kleinerer Aufstand am Berg Ararat. Auch wenn die türkischen Truppen bei Dogubeyazit geschlagen werden, wurde er nicht weiter geführt. Am Aufstand beteiligten sich auch Armenier.

Mai-August 1926
Aufstand in Mutki/Bitlis.

1926
Ein begrenzter Feldzug der türkischen Armee gegen die weitgehend unabhängigen Stämme in Dersim brachte kaum einen Erfolg.

20er, 30er und 40er Jahre
Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei wurde nach Lausanner Vertrag durch den Verlauf der Bagdadbahnlinie festgelegt. Dadurch entstanden in Syrien drei kurdische Enklaven, nämlich Cizire, Kurd-Dag und Ain-el-Arab. Diese Enklaven waren Hunderte Kilometer voneinander getrennt, was die Kommunikation unter den KurdInnen erschwerte. Nach der Gründung Syriens unter französischem Protektorat konnten die Kurden ein Radio betreiben und Zeitschriften veröffentlichen. Viele wichtige Kurden waren von der Türkei nach Syrien geflohen, wo sie ihre politischen Arbeiten fortsetzten. Insgesamt waren die KurdInnen in Syrien zumindest physisch nicht einer Verfolgung ausgesetzt und konnten gewisse Rechte in Anspruch nehmen.

5. Oktober 1927
Gründungskongress von "Xoybûn" (Unabhängigkeit), einer nationalen kurdischen Liga in Syrien/Libanon. Der vollständige Name lautete "Xoybûn - Ciwata Serxwebuna Kurd". Darin schlossen sich alle Organisationen und Parteien zusammen, die nach dem 1. Weltkrieg im Osmanischen Reich gegründet wurden. Es handelte sich fast nur um KurdInnen aus dem Norden, so war auch die politische Arbeit ausgerichtet. Es wurde auch eine Versöhnung mit den Armeniern (mit der armen. Daschnak Partei) erreicht. Erklärtes Ziel war es, Kurdistan im bewaffneten Kampf zu befreien.
In Syrien, Libanon, in Europa und in den USA wurden Vertretungen gegründet. Das Zentralkomitee wurde zur nationalen Regierung Kurdistans ernannt. Den Vorsitz von Xoybûn hatten die Brüder Celadet Ali Bedirxan und Kamuran Bedirxan inne. General wurde Ihsan Nuri Pascha, der beim Ararat-Aufstand eine sehr große Rolle spielte. Nach Niederschlagung dieses Aufstandes verlor Xoybûn an Bedeutung und löste sich schließlich 1946 auf.

1927-1929
Der Ararat Aufstand des Xoybûn Bundes begann. Somit verlagerte sich nach der Zerschlagung des Shêx Said Aufstandes das Zentrum des kurdischen Widerstandes weiter nach Nordosten. Angeführt wurde er von General Ihsan Nuri. Die Forderung nach einem autonomen Staat wurde erhoben.
Im September 1927 kam es nach 1926 wieder zu ersten großen Auseinandersetzungen, die für beide Seiten verlustreich waren (auch zweiter Ararataufstand genannt). Nach dem Rückzug der türkischen Armee vom Berg Ararat endeten die Kämpfe zunächst einmal. Bis 1929 wurde das Gebiet um den Berg Ararat weitgehend kontrolliert und die Republik Ararat ausgerufen. Kurz daraufhin am 28. Dezember 1929 beschloss das türkische Kabinett eine militärische Aktion für 1930.

1928
Nach dem gescheiterten Aufstand 1922 versuchte Simko einen neuen durchzuführen, der jedoch kaum Fuß fasst.

Mai-August 1929
Die Bevölkerung im Tal von Zilan, das südlich des Berg Ararats liegt, erhob sich gegen den türkischen Staat. Dieser Aufstand wurde besonders brutal niedergeschlagen, es starben unzählige Menschen. Es war das größte Massaker an den KurdInnen während des Ararataufstandes.

1930 bis 1932
Der Ararat Aufstand erreichte 1930 in Nord-Kurdistan seinen Höhepunkt. Der Iran, welcher sich zunächst freundlich gegenüber den KurdInnen verhielt, erlaubte der Türkei im September 1930, auf iranisches Gebiet vorzudringen, um von dort aus gegen die KurdInnen vorzugehen. Der Ararat Aufstand wurde damit endgültig blutig niedergeschlagen. Die Rache ist wieder brutal. Hunderte Dörfer wurden mit Brandbomben zerstört. Gleichzeitig gehen türkische Truppen am Tendurek Berg gegen Aufständische und Bevölkerung vor, wobei viele hunderte Zivilisten ermordet werden. Weiterhin wurden in einer Aktion 100 Intellektuelle im Wan-See ertränkt. Widerstände dauern bis 1932 lokal noch an.

Ab 30er Jahren
In der Staatsdoktrin des Kemalismus hatten vor allem nach dem Ararat Aufstand Minderheiten in der Türkei absolut keinen Platz mehr. "Dieses Land ist ein Land der Türken. Wer nicht von rein türkischer Herkunft ist, hat nur ein Recht in diesem Land; das Recht, Diener zu werden; das Recht Sklave zu sein." sagte Mahmut Esat, damaliger Justizminister der Türkei. Die verbliebenen kurdischen Abgeordneten im türkischen Parlament wurden verhaftet oder aufgehängt. Kurdische Schulen und Publikationen wurden endgültig landesweit verboten.

1930
Die Wahlen zum irakischen Parlament werden in den kurdischen Gebieten boykottiert.
In Silemani kommt es im September zu einer Demonstration von Schülern und Studierenden, welche die Unabhängigkeit fordern. Das Eingreifen der irakischen Truppen wird von den KurdInnen mit einem bewaffneten Aufstand in der Stadt beantwortet. Auf kurdischer Seite kostet der Aufstand 30 Menschen das Leben, Hunderte werden verletzt.

1930
Simko - seit 1918 die Führungsfigur im kurdischen Widerstand gegen den iranischen Staat - wurde vom iranischen Staat zu Gesprächen in den Iran eingeladen. Er begab sich dahin, doch wurde er in einem Hinterhalt ermordet.

Mai 1932
Ankara verkündete ein Gesetz zur Deportation und Verschleppung der KurdInnen. Mehrere 100.000 Kurden werden nach Zentral- und Westanatolien deportiert. Im Gegenzug werden im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte Nicht-KurdInnen in Kurdistan angesiedelt. Offizielles Ziel ist es, die "türkische Kultur" zu verbreiten.


3.10.1932
Unter Führung von Ahmed Barzani und seinem Bruder von Mullah Mustafa Barzani kam es in Süd-Kurdistan zu Aufständen gegen die britische Kolonialherrschaft im Irak und Süd-Kurdistan, die von der britischen Armee und Luftwaffe niedergeschlagen werden. Die Briten nahmen beide schließlich fest und stellten sie unter Hausarrest in Silemani.

30er Jahre
Der aus Mêrdîn stammende große Dichter Cîgerxwîn (Sexmus Hasan, 1903-1984) entwickelte früh literarische Fähigkeiten. Er schreibt für Zeitschriften wie Hawar in den 30er Jahren. Cîgerxwîn studiert ausführlich den Marxismus-Leninismus. Er hat insgesamt 8 Gedichtesammlungen und ist nach Ehmedê Xanî der bedeutendste kurdische Literat.

1932
Celadet Ali Bedirxan fertigte ein lateinisches Alphabet für die kurdische Sprache an, das heute unter den KurdInnen weit verbreitet ist.

1932-1945
Die Brüder Kamuran und Celadet Ali Bedirxan gaben die kurdische Zeitschrift Hawar ("Hilferuf") in Damaskus heraus. Hawar wurde schnell zur bedeutendsten kurdischen Zeitschrift.

30er Jahre
In den 30er Jahren war die Stadt Amed nach Istanbul und Izmir statistisch gesehen die drittwichtigste industrielle bzw. gewerbliche Stadt innerhalb der Republik Türkei. Die Gesamtprovinz Amed liegt heute jedoch sozio-ökonomisch gesehen nach offizieller Statistik auf dem 55. Platz, unter mehr als 80 Provinzen. Dies war ein Ergebnis einer bewussten Vernachlässigung und Benachteiligung der Wirtschaft in Nord-Kurdistan. Genauso verlief die Entwicklung für die anderen kurdischen Provinzen.

1935
Erster Roman der Neuzeit in kurdischer Sprache ist das Werk "Schivane Kurd" (Der kurdische Schäfer) von Erebê Schemo.

Dezember 1935
Das seit 1934 vorbereitete "Tunceli Gesetz" wurde verabschiedet. Damit wurde die kurdische Provinz Dersim in Tunceli umbenannt und die gesetzliche Grundlage für das brutale Vorgehen in Dersim geschaffen. Demnach waren die Bewohner Dersims zur Deportation freigegeben und den Militär-Kommandanten alle Rechte des Ministeriums übergeben. Das Gesetz sah auch Regionen vor, die für türkischstämmige Neusiedler freigegeben werden sollten. Eine weitere Zone sollte vollständig evakuiert werden.
Dersim war zu dieser Zeit die einzige kurdische Provinz, wo der Staat noch nicht seine Herrschaft ganz durchsetzen konnte. Schon 1926 wurde ein Einmarsch im Süden Dersims erfolglos verfolgt oder 1930 wurden in einer Aktion 10.000 Menschen aus Dersim in den Westen der Türkei deportiert. Doch einen Erfolg brachten solche Aktionen nicht. Daher dieses Gesetz.

8.7.1937
Saadabad-Abkommen zwischen der Türkei, dem Irak, dem Iran und Afghanistan, in dem auch ein koordiniertes Vorgehen bei der Bekämpfung der KurdInnen vereinbart wurde.

1936 bis 1938
Der längste und erbittertste der kurdischen Aufstände gegen die Republik Türkei war in Dersim. Die sehr gebirgige alewitische Region Dersim war seit langem unter den kurdischen Provinzen die am meisten erfolgreich Widerstand leistende Provinz. Seit der Gründung des Osmanischen Staates hatte Dersim niemals Steuern gezahlt oder Soldaten für die Besatzungsmacht bereitgestellt. Es stellte sich als erstes gegen die Hamidiye-Reiterei und lehnte grundsätzlich jede Zusammenarbeit bei der Massakrierung der Armenier ab. Die Stammesstruktur war in Dersim sehr stark, die Region Dersim wurde daher von Stammesführern geleitet.
Im Jahre 1936 häuften sich die Überfälle der türkischen Armeeeinheiten auf die Dörfer in der Region Dersim. Unter dem Vorwand, Waffen zu suchen, wurden die Menschen zusammengetrieben, gefoltert, vertrieben und ihre Ernte vernichtet. Alle Verhandlungsversuche seitens der Stammesführer wurden von der türkischen Regierung abgelehnt. Die Einwohner ihrerseits bereiteten einen Aufstand vor, um die Pläne Ankaras zu verhindern. Allerdings waren nicht alle Stämme bereit für einen Widerstand. Der Aufstand wurde von Seyit Riza angeführt, ein geistlicher Führer der Region, der seit Anfang des 20. Jh.s die meisten Aufstände in Dersim leitete. An seiner Seite standen Alishêr, seine Frau Zarife und Dr. Nurî Dersîmî, die alle drei auch am Aufstand in Koçgîrî beteiligt waren.
Der Kampfhandlungen begannen mit einem Überfall von einigen Stämmen unter der Führung eines der Stammesführers, Kamber Aga, Ende 1936 kurz vor dem Winter. Infolgedessen wurden der türkischen Armee schwere Verluste zugefügt. Daraufhin wurde in der Türkei eine Mobilmachung ausgerufen und über 100.000 Soldaten nach Dersim verlegt. Mit dem Angriff der Aufständischen auf eine Polizeistation am 21. März 1937 brach der Widerstand dann ganz offen aus. Im Frühling 1937 flammten schwere Kämpfe auf. Die ersten Invasionspläne durch türkische Truppen scheiterten weitgehend. Zerschlagen zog sich die Armee zum größten Teil nach Elaziz (Elazig) zurück, wo sie sich auf den neuen Feldzug vorbereitete.
Der Herbst 1937 war für die Einwohner Dersims sehr schwer. Mehrmalige Aufrufe der Widerstandsführer an die Weltorganisationen waren erfolglos. Seyit Riza schlug den türkischen Behörden wieder Verhandlungen vor, die vom türkischen Staat angenommen wurden. Als er für Verhandlungen nach Erzingan ging, wurde er festgenommen. Noch im gleichen Jahr wurde er in Elaziz mit anderen Anführern gehängt. Seine letzten Worte lauteten: "Ich bin 75 Jahre alt. Ich werde auf dem Feld der Ehre fallen. Dersim ist unterlegen. Nieder mit den Unterdrückern! Nieder mit den Niederträchtigen und Verlogenen!" Etwa zur gleichen Zeit wurde Alishêr - der militärische Kopf des Aufstandes - durch einen Verrat des berühmten Kollaborateurs in Dersim, Raybero Qop, ebenfalls ermordet. Ohne Führung konnten die türkischen Truppen unter Einsatz der Luftwaffe gegen einen nicht koordinierten Widerstand vorgehen und Dersim einnehmen und vollständig zerstören.
Zunächst war der Westen Dersims das Zentrum des Aufstandes. Als der Völkermord auch den Osten erreichte, begann dort ein Aufstand, der ebenfalls sehr blutig niedergeschlagen wurde. 1938 erreichten die Massaker - als Genozid zu verstehen - ihren Höhepunkt. Beim Genozid wurde in Dersim systematisch Dorf für Dorf mit seinen Bewohnern vernichtet. Viele Menschen flüchteten in die hohen Berge und Höhlen. Auch hier wurden sie oft durch verschiedene Verräter ausgeliefert. Manche Höhlen wurden zugemauert, manche mit Giftgas in einen Ort des Sterbens verwandelt. Fliehende Menschen warfen sich in tiefe Täler, um nicht gefangen genommen zu werden. Das so genannte Tal Laç ist hier sehr berühmt. Hier floss so viel Blut in den Munzur-Fluss, dass nach Erzählungen dieser tagelang blutgetränkt war.
Ende 1938 war der Aufstand ganz niedergeschlagen und das schwer zugängliche Territorium schließlich unter dem türkischen General Abdullah Alpdogan erobert. Zwischen 50.000 und 80.000 Menschen (verschiedene Schätzungen) waren massakriert und mindestens genauso viel in den Westen deportiert worden. Dieses Massaker hinterließ bei den Menschen aus Dersim bis heute sehr einschneidende, deutliche Spuren. In anderen Wörtern ausgedrückt, könnte auch von einem Traumata gesprochen werden, wenn auch nicht in der Dimension wie bei den Armeniern, die vollständig vertrieben wurden.


Der 2. Weltkrieg und die Friedhofsruhe in Kurdistan

Mit der Niederschlagung des Aufstandes von Dersim wurde Nord-Kurdistan vom türkischen Staat unter vollständige Kontrolle gebracht. In vielen Provinzen galt mindestens ein Jahrzehnt lang entweder der Ausnahmezustand oder das Kriegsrecht. Nach dem physischen Massaker wurde von nun in den folgenden Jahrzehnten das "weiße Massaker", die systematische Assimilation, eingeleitet, während in den anderen Teilen Kurdistans die Assimilation weitaus weniger durchgesetzt wurde. Auch wurden türkische Nachnamen eingeführt und Ortsbezeichnungen durch türkische ersetzt. Vor allem in den an die türkischen Gebiete angrenzenden Provinzen wurde die Assimilierung vorangetrieben und eine ständige Ansiedlung von Nicht-KurdInnen in Kurdistan betrieben. Dabei waren vor allem die Provinzen Dîlok (Antep), Marash, Meletî, Sîwas, Erzingan und Dersim betroffen. Hier wurden z.B. viele Schulen auf dem Land errichtet und zahlreiche Internatsschulen aufgebaut. Erst später, vor allem ab dem Militärputsch von 1980 und mit technischen Mitteln (Kommunikation) und kapitalistischer Globalisierung ereichte die neue Assimilationswelle in ihrer ganzen Wucht auch die anderen kurdischen Provinzen.
Die Kurden galten ab den 30er Jahren im Sprachgebrauch als "Bergtürken". Der Gebrauch der kurdischen Sprache war nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im privaten Leben lange Zeit verboten. Die Benutzung des Kurdischen wurde oft mit Strafen geahndet. KurdInnen, die sich jedoch als TürkInnen betrachteten, war eine Karriere in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen möglich. Diese repressive Staatspolitik hatte eine Selbstzensur kurdischer Familien zur Folge, die vom Land in die Städte ziehen. Sie führte dazu, dass zahlreiche Kinder ihre Muttersprache nicht mehr richtig lernten.
In Ost-Kurdistan herrschte nach der Ermordung von Simko bis in die Mitte der 40er Jahre weitgehende Ruhe. Es fanden keine großen Massaker statt und der iranische Staat ist gegenüber dem türkischen relativ schwach, weshalb sich schnell gewisse Tendenzen herausbilden können.
In Süd-Kurdistan kehrte nach den gescheiterten Aufständen bis Ende der 50er Jahre weitgehende Ruhe ein. Die Süd-KurdInnen unterstützen vielmehr in den 40er Jahre die Ost-KurdInnen.
In Südwest-Kurdistan (syrisch besetzt) nahmen nach dem 2. Weltkrieg erst die Repressionen gegenüber den KurdInnen zu.


1939
Der 2. Weltkrieg begann in Europa. In Kurdistan herrschte in dieser Zeit relative Ruhe.

26.12.1939
Bei einem Erdbeben in der nordkurdischen Provinz Erzingan starben 32.372 Menschen. Mehrere zehntausende Gebäude wurden zerstört.
Weitere Erdbeben in Kurdistan:
- 19.8.1966: Erbeben in Varto bei Mush. Über 3.000 Tote und 20.000 zerstörte Häuser.
- 1975: Erdbeben in Lice (Provinz Amed): Dutzende Menschen verloren ihr Leben.
- 24.11.1976: Bei einem schweren Erdbeben in Van kamen 3.837 Menschen ums Leben. Über 100.000 kurdische Bauern und ihre Familien wurden obdachlos. Der örtliche (türkische) Militärkommandant wurde in einer Zeitung mit dem Satz zitiert: "Laßt die Leute doch sterben, es sind ja nur Kurden".
- 30.10.1983: Erdbeben in Erzingan. 1.331 Tote und Tausende von Verletzten.
- 13.03.1992: Erdbeben in Erzingan. 653 Tote. Tausende Verletzte und obdachlose Familien.

1939 - 1942
Gründung der Partei "Freiheitliebendes Kurdistan" in Ost-Kurdistan. In ihrem Programm forderte die Partei das Selbstbestimmungsrecht für die KurdInnen. 1942 erfolgte jedoch die Auflösung dieser Partei.

16.09.1942
In Ost-Kurdistan wurde die "Auferstehungspartei Kurdistans", kurz JEKAF, gegründet. Ihr politisches Programm lautete: "Was man den KurdInnen durch Gewalt weggenommen hat, können die KurdInnen nur durch Gewalt zurückbekommen". Kurze Zeit später erfolgte die Umbenennung der JEKAF in die Demokratische Partei Kurdistans-Iran, I-PDK.

1943 bis 1945
Mullah Mustafa Barzani gelang 1943 die Flucht aus dem Arrest in Silemani. Er organisierte neue Aufstände, die sich bis nach Ost-Kurdistan zogen. Er legte der Regierung in Bagdad ein Memorandum vor, in dem kulturelle und wirtschaftliche Interessen der KurdInnen sichergestellt werden sollten. Bagdad lehnte jedoch dies ab. Erneut folgten irakisch-britische Angriffe auf die kurdischen Gebiete, gegen welche die kurdische Peschmerga ("die für die Freiheit sterben") standhalten konnten.
1944 kam es zu einem Waffenstillstand. 1945 flammten die Kämpfe erneut auf, und im September mussten sich die Peschmerga, unter Führung Barzanis, mit ihren Familien nach Ost-Kurdistan zurückziehen.

Juli 1943
In der Kleinstadt Özalp der Provinz Van wurden 33 KurdInnen, die ihr Lebensunterhalt durchs Schmuggeln von Waren in den Iran verdienten, vom dortigen türkischen General Muglali gefangen genommen und erschossen. Zuvor wurden mehrere wegen Schmuggel angeklagte Dutzend Personen vom Gericht freigelassen. Der in die Region geschickte General Muglali nahm diese 33 KurdInnen, die dem grossen Stamm der Milan angehören, aus Hass gegen die KurdInnen wahllos fest. Er lies es offiziell so dokumentieren, als seien sie bei der Flucht erschossen worden. Dieses Massaker ging in die Geschichte als der Vorfall "33 Kugeln" (kurdisch: sî u se gule) ein. Dieses Massaker hatte in den kommenden Jahren (von 1950 bis 1958) parlamentarische Diskussionen zur Folge, was auch mit einer Konkurrenz innerhalb der beiden großen türkischen Parteien CHP und DP (Demokratische Partei) zu tun hatte. 1950 wurde der General Muglali verurteilt, sogleich von einem Militärgericht aber freigesprochen. 1951 starb er allerdings einen natürlichen Tod.
2004 wurde der Militärkaserne in Van-Özalp, in der der General Muglali gedient hatte, sein Name (Mustafa Muglali) vergeben, was von der Bevölkerung als Beleidigung aufgefasst wurde.

Ab 1945
Nachdem Syrien im Anschluss an den zweiten Weltkrieg ein souveräner Staat wurde, begann es schrittweise mit der Beschneidung der Rechte der KurdInnen. So wurden die KurdInnen immer mehr aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen, die kurdischen Ortsnamen verändert und Menschen verhaftet. Nach dem ersten Krieg gegen Israel 1948 putschten die Offiziere und es folgten Jahre sozialer Unruhen in Syrien.


1946-1948
Aufhebung des Kriegszustandes in den kurdischen Provinzen in Nord-Kurdistan.

22.01.1946 - 16.12.1946
Gründung der bisher einzigen ganz selbstständigen kurdischen Republik Mahabad (kurdisch: Komara Kurdistan a Mahabadê) in Ost-Kurdistan. Diese wurde nach ihrer Hauptstadt Mahabad benannt und umfasste die Gebiete von der armenischen Grenze bis Saqqez, jedoch nicht die Region um Sine und Kermanshah. Zu dieser Zeit war der Iran im Norden (auch die Gebiete der Republik Mahabad) von der Sowjetunion und im Süden von Großbritannien besetzt gehalten. Es wurde ein Kabinett aufgestellt und alle Geschäfte einer regulären Regierung aufgenommen. Es wurde ein Parlament mit 13 Abgeordneten gebildet. Präsident wurde Qazi Mohammed von der PDK-Iran, Mullah Mustafa Barzani hingegen Verteidigungsminister. Die Ausrufung erfolgte durch Qazi Mohammed auf dem Platz Çar Çira. Die Hymne des neuen Staates wurde das Lied Ey Reqîb, was heute von allen KurdInnen als Nationalhymne akzeptiert wird. Die beschlossenen Hauptaufgaben der Republik waren der Aufbau und Entwicklung eines Bildungswesens und die Pflege der kurdischen Sprache und Kultur.
Als im November 1946 jedoch die sowjetische Armee ihre Stellungen in Ost-Kurdistan und im Nordiran verlies, drangen am 16.12.1946 die Armee des Schahs von Iran in Mahabad ein. Dagegen wurde kein bewaffneter Widerstand durchgeführt. Qazi Mohammed und weitere Mitglieder der knapp ein Jahr existierenden kurdischen Republik wurden von iranischen Militärs am 31. Mai 1947 erhängt. Barzani floh mit mehreren hunderten Kämpfern entlang der iranisch-türkischen Grenze in die Sowjetunion, wo er viele Jahre im Exil verbrachte.
Ein großes Problem der Republik Mahabad war, dass es von der Sowjetunion zu abhängig war und sich nicht selbst verteidigen konnte. Den KurdInnen fehlte das nötige Material, um sich zu behaupten, auch wenn es Pläne seitens der Sowjetunion gab, die KurdInnen mit den nötigen militärischen Gütern zu versorgen. Aber gerade diese engen Verbindungen zur UdSSR sorgten dafür, dass es innerhalb der konservativen Stämme eine große Opposition zur Republik gab. Eine Differenz gegenüber Qazi Mohammed war das Misstrauen der kurdischen Stämme, die auf dem Land lebten, gegenüber ihm und seiner Führungsriege, die gebildete Städtebewohner waren. Diese Abneigung und Angst sorgte dafür, dass viele Stämme der KurdInnen sich auf die Seite der iranischen Armee schlugen und die Republik stellten.

16.08.1946
Am 16. August 1946 wurde von Vertretern der kurdischen Intelligenz, dem städtischen Kleinbürgertum und Mitgliedern des Barzani Clans in Süd-Kurdistan die "Demokratische Partei Kurdistans" PDK-Irak gegründet. Mustafa Barzani wurde trotz Abwesenheit zum Vorsitzenden gewählt. Von Anfang an gab es innerhalb der Partei unterschiedliche Bestrebungen über die Zukunft Kurdistans: grundsätzlich auf der einen Seite diejenigen, die eine kurdisch-arabische Geschwisterlichkeit innerhalb eines Iraks anstrebten, und auf der anderen Seite, die auf eine überregionale Lösung der Kurdenfrage hinarbeiteten.

1946-1952
1946 wurde in der Türkei erstmalig eine weitere politische Partei zugelassen: Die DP (Demokratische Partei) errang bei den zweiten Parlamentswahlen (nach 1946) am 14. Mai 1950, unter der Führung von Adnan Menderes, die Mehrheit der Sitze im Parlament. Damit endete die seit Republikgründung herrschende Einparteienherrschaft der CHP.
Der sich abzeichnende Ost-West-Konflikt und die Versuche der Sowjetunion, Einfluss auf die Türkei auszuüben, führten zur endgültigen Aufgabe der außenpolitischen Neutralität der Türkei. 1950 nahm die Türkei als Teil eines UNO-Kontingents am Korea-Krieg teil und trat 1952 in die NATO ein.

1950-1951
Viele hunderte kurdische Familien aus Dörfern in der Region Wan wurden zwangsdeportiert. In ihren Häusern wurden türkische Familien aus Bulgarien und Jugoslawien angesiedelt.

50er Jahre
Der Kapitalismus fand ab den 50er Jahren in Nord-Kurdistan langsam Einzug. So entstand in einigen Städten wie Dîlok und Meletî Amed eine kleine Industrie bzw. Gewerbe. Damit entwickelte sich langsam aber sicher ein Kleinbürgertum, eine Bourgeoisie (die aus den dominanten Clans kamen) und eine Arbeiterklasse in den größeren Städten. Etwa zur gleichen Zeit fand eine ähnliche Entwicklung in den großen Städten Ost-Kurdistans und in der südkurdischen Edölstadt Kerkuk aus.

23.02.1955
Bagdad-Pakt zwischen Türkei, Irak und Iran. Gemeinsame Militäroperationen gegen jede kurdische Befreiungsbewegung wurden darin vereinbart. Anfang April trat Groß-Britannien dem Abkommen bei. Die USA nahmen bei den Treffen einen festen Beobachterstatus ein.

1956
Der in einer unzugänglichen Gebirgsregion nördlich von Kermanshah, nahe der irakischen Grenze lebende Stamm Djuwanroj widersetzte sich den Anordnungen der Zentralregierung in Teheran. Mit massiven Militärkräften einschließlich der Luftwaffe wurde der Stamm in die Berge vertrieben, ihre Festung bombardiert und völlig zerstört. Es starben dabei unzählige KurdInnen.

1956
Nach dem Beispiel der PDK-Irak wurde in Südwest-Kurdistan die "Demokratische Partei Kurdistans - PDK-Syrien" von Intellektuellen, Bauern und Arbeitern gegründet. Ziel war die Anerkennung der KurdInnen als ethnische Gruppe, eine Landreform und grundlegende demokratische Rechte.
Eine große Anzahl der Verantwortlichen der PDK-Syrien wurden 1959 jedoch verhaftet. Die Partei bestand weiterhin, spaltet sich aber aufgrund großer politischer Differenzen in viele Untergruppen und blieb bis heute politisch wirkungslos.

1958
Sturz der Monarchie im Irak. Die neue Regierung unter Abdel Karim Qasim machte daraufhin Zugeständnisse an die KurdInnen. So kehrte Mustafa Barzani aus dem sowjetischen Exil in den Irak zurück. Es begann eine relativ kurze Zeit für die KurdInnen, die von gewissen Freiheiten geprägt ist.

1959
Ein militanter Flügel der PDK-Iran begann 1959 in der Gegend um Mahabad, Banah und Sardascht mit dem Guerillakampf. Mustafa Barzani von der "Schwesterpartei" PDK-Irak, die Beziehungen zum Iran pflegte, stellte sich nach einer gewissen Zeit an die Seite des Schahs und bekämpfte die Mitglieder der PDK-Iran.
Bis zum Anfang der 90er Jahre sollte sowohl die PDK-Irak als auch PDK-Iran aufgrund ihrer Beziehungen zum jeweiligen Staat auf der anderen Seite der Grenze und den damit verbundenen Interessen sich gegenseitig bekämpfen.

1959
Im berühmten "49er Prozess" im Jahre 1959 wurden 49 damals bekannte kurdische Intellektuelle wie Musa Anter, Sait Kirmizitoprak, Sherafettin Elçi, Naci Kutlay verurteilt. Diese hatten Bestrebungen, auf legaler Ebene sich für die Rechte der KurdInnen einzusetzen. Später nahmen alle diese Personen wichtige Positionen in diversen kurdischen Parteien und Institutionen ein.

27.05.1960
Am 27. Mai 1960 putschte in der Türkei das Militär unter Führung von General C. Gürsel gegen die Regierung von Menderes. Kurz zuvor proklamierte der regierende Ministerpräsident Adnan Menderes ein Ermächtigungsgesetz, um die politische Opposition auszuschalten. Nachdem das Militär 1961 eine neue Verfassung eingeführt hatte, gab es die Macht an eine Zivilregierung ab. Diese war liberaler, garantierte aber keine erweiterten Rechte für die KurdInnen. "Kürtçülük", so wird in der türkischen Sprache der so genannte "kurdische Separatismus" genannt, wird weiterhin zum Staatsverbrechen erklärt.


Neue Freiheitsbestrebungen der KurdInnen ab den 60er Jahren

Ab den 60er Jahre nehmen die Bestrebungen der KurdInnen wieder spürbar zu, für ihre Freiheit sich einzusetzen und dafür zu kämpfen. Vor allem die 68er Bewegung beeinflusste die Widerstände in Nord-Kurdistan und in Ost-Kurdistan. Das feudalere Süd-Kurdistan blieb davon weitgehend unberührt. Hier begann schon Anfang der 60er Jahre der bewaffnete Freiheitskampf, der jedoch auf traditionelle Strukturen basiert. In den beiden großen Teilen Kurdistans waren die KurdInnen, allen voran die Studierenden, von fortschrittlicheren und linken Idee stark beeinflusst. Sie gründeten im Norden und Osten besonders in den 70er Jahre viele verschiedene Organisationen. Viele KurdInnen in diesen beiden Teilen nahmen sehr intensiv auch an den türkischen und iranischen linken Organisationen teil.


1961
Der kurdischen Bewegung in Süd-Kurdistan und Irak wurde von der neuen irakischen Republik "Separatismus" vorgeworfen, es folgten erste Verbote von kurdischen Zeitungen. Die Repressionenen die PDK nahmen zu. Mustafa Barzani zog sich in die Region Barzan, somit in die Berge nahe der türkisch-irakischen Grenze, zurück.

11.09.1961
Am 11. September begann unter der Führung der PDK-Irak der bewaffnete Aufstand in Süd-Kurdistan, der nach und nach zu einer Volksbewegung der nationalen Befreiung wurde. Die irakische Luftwaffe begann mit der massiven Bombardierung kurdischer Dörfer.

23.08.1962
Die Regierung in Damaskus erließ das Gesetzesdekret Nr. 93, wonach eine außerordentliche Volkszählung in der Provinz Djazira zulässig war. Als Ergebnis wurden 120.000 KurdInnen zu "Fremden" erklärt. Die syrischen Staatsbürgerrechte wurden ihnen entzogen. Heute haben immer noch 200.000 Kurden ihren Pass nicht zurück.
Um der "kurdischen Gefahr" entgegenzutreten, entwickelte die Regierung Pläne für die Einrichtung eines "arabischen Gürtels". Danach sollte die ganze kurdische Bevölkerung, die entlang der türkischen Grenze lebte, auf einem 280 km langen Gebiet, 15 km breit, umgesiedelt und durch arabische Bevölkerung ersetzt werden. In einigen Gebieten wurde dieser Plan tatsächlich auch umgesetzt.

08.02.1963
Am 8. Februar putschte die "panarabische" Baath-Partei im Irak, stürzte General Qasim und übernahm die Macht in Bagdad. Daraufhin folgte ein kurz andauernder Waffenstillstand an der kurdischen Front.

März 1963
Die Baath-Partei unter Führung von Michel Aflaq übernimmt die Macht in Syrien. Die Lage der KurdInnen verschärfte sich daraufhin. Im November veröffentlichte der Leiter der Provinz Djazira, eine Studie mit einem 12-Punkte-Plan für eine "Säuberungspolitik".

Juni 1963
Im Juni 1963 begann die irakische Armee eine neue Offensive gegen die kurdische Bewegung. Die Luftwaffe von Syrien unterstützte ebenfalls die irakische Armee gegen die KurdInnen.
10.02.1964
Am 10. Februar wurde mit Oberst Aref ein Waffenstillstand, der die nationalen Rechte der KurdInnen in Süd-Kurdistan anerkennte, vereinbart. Das führte zu Streitigkeiten innerhalb der PDK-Irak. Das politische Büro unter Leitung von Celal Talabani und Ibrahim Ahmed (Schwiegervater von Talabani) kritisierte Barzani. Der berief daraufhin einen eigenen Kongreß ein und ernannte ein neues Politbüro. Das ursprüngliche Politbüro unter Talabani spaltete sich ab, und seine Mitglieder flohen nach einem Angriff von Barzani-Peschmergas nach Ost-Kurdistan.

1965
Die Arbeiterpartei der Türkei (TIP) wurde am 13. Februar 1961 von 12 führenden Gewerkschaften gegründet. Nach den Parlamentswahlen von 1965 erreichte sie mit 3% der Stimmen ihren größten Erfolg und entsandte 15 Abgeordnete ins türkische Parlament. Sie hatte als erste Partei die Realität einer Kurdenfrage anerkannt und dies in ihr Parteiprogramm aufgenommen. U.a. deswegen wurde die TIP am 20. Juli 1971 vom Verfassungsgericht verboten.
1965-1966
Die Gruppe um Talabani kehrte 1965 nach Süd-Kurdistan zurück und richtete sich in der südlichen Provinz Silemani ein. Hier bildete diese Gruppe mit anderen Kreisen eine Splittergruppe der PDK-Irak. Jedoch war diese erste einmal insgesamt unter den KurdInnen relativ einflusslos. 1966 verbündete sich diese Gruppierung sogar mit der Zentralregierung in Bagdad, um mit militärischen Mitteln gegen die PDK-Irak vorzugehen.

1965
Zum ersten Mal dürfen ausländische Besucher nach Nordwest-Kurdistan einreisen. Die Region war seit 1925 "für Ausländer verbotenes Militärgebiet".

1965
Gründung der Demokratischen Partei Kurdistan in der Türkei, PDK-Türkei. Vorsitzender war Sait Kirmizitoprak. Schon ein Jahr später wurden die neben ihm wichtigsten Mitglieder Faik Bucak und Sait Elçi durch Agenten des türkischen Geheimdienstes ermordet. 1970 kam es zu einer Spaltung. Nach einer weiteren Spaltung 1979 verlor diese Partei endgültig an Bedeutung und blieb wirkungslos bis heute.

1966
Die erste Pipeline zum Transport von Rohöl und Ölprodukten aus Nord-Kurdistan wurde 1966 zwischen Batman und Dörtyol (im Golf von Iskenderun) in Betrieb genommen. Um 1950 wurde am Raman Berg in der Provinz Batman Erdöl gefunden. Die Provinz Batman stellt nach wie vor die meisten Erdölvorkommen der Türkei dar.

1967
Das "Gesetz zur Kulturpflege" intensivierte das Verbot kurdischer Literatur und Musik in Nord-Kurdistan.

1968
Weltweit fanden parallel linke Studierenden-, Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen statt, von denen viele die jeweiligen Gesellschaften in den kommenden Jahrzehnten entscheidend prägten. Diese 68er Bewegung war auch in der Türkei/Nord-Kurdistan und im Iran/Ost-Kurdistan sehr stark (in Süd- und Südwest-Kurdistan schwach wegen feudalerer Zustände und schwachen Kapitalismus). Diese stützten sich vor allem auf Studierende, welche das bestehende politische System auf revolutionärem Wege überwinden wollten. Aus dieser Bewegung gehen sehr viele linke, sozialistische und marxistische Organisationen in Kurdistan, Türkei und Iran hervor.

1967
Spaltung innerhalb der PDK-Iran: Eine von den Ideen der weltweiten nationalen Befreiungsbewegungen, besonders von Che Guevara beeinflusste Gruppe kritisiert die passive Haltung der Partei und deren enge Anbindung an die PDK-Irak, die massive Unterstützung vom iranischen Schah erhält. Die marxistisch orientierte Gruppe organisierte sich als Komalah und bildete bewaffnete Guerillaeinheiten in Ost-Kurdistan. In Frühjahr 1968 werden ihre führenden Kader, darunter der Priester Mala Avara, der Student Abdullah Moini und der Elektroingenieur Sharif Zadeh getötet. Die Peshmerga der PDK-Irak von Barzani beteiligte sich in den folgenden Jahren zusammen mit der iranischen Armee aktiv an der Verfolgung dieser revolutionären Gruppe.
1969
1969 erfolgte die Gründung der "Revolutionären Kulturvereinigungen des Ostens" (DDKO) in Nord-Kurdistan und in der Türkei. Zuvor prangerten zum ersten Mal am 16. September 1967 kurdische Mitglieder der Arbeiterpartei der Türkei (TIP) das Ungleichgewicht zwischen West und Ost im Lande an. Dies geschah in Form von so genannten "Ost-Treffen". Diese Treffen bereiteten die Basis für die Gründung der DDKO. Mehdi Zana, Mümtaz Kotan, Ibrahim Güçlü, Sait Kirmizitoprak, Mehmed Emin Bozarslan, Tarik Ziya Ekinci, Naci Kutlay, Kemal Burkay und Ümit Firat fanden sich dort ein. Nach einer kurzen Zeit gab es ein repressives Vorgehen der türkischen Polizei gegen diese Kulturvereinigungen.

11.03.1970
Am 11. März wurde eine kurdisch-irakische Vereinbarung (Märzmanifest) über die "Autonomie Kurdistans" unterzeichnet. Laut Abkommen sollten fünf kurdische Vertreter Kabinettsminister in Bagdad werden. Eine Landreform sollte auch durchgeführt werden. Gesundheitsversorgung und Erziehungswesen sollten in die entlegendsten Flecken ausgeweitet werden. An den Schulen sollte kurdisch gelehrt und eine kurdische Akademie der Wissenschaften gegründet werden.

1970-1974
Als Bagdad 1970-74 die Aussöhnung mit Barzani suchte, wurde Talabani vorübergehend fallengelassen. Dieser kehrte 1971-75 wieder in Barzanis KDP zurück.

1970
Hafiz Al-Assad wurde Staatspräsident in Syrien. Assad stoppte zwar zumeist die Diskriminierungen gegen die Kurden, aber unternahm nichts, um ihre Rechte wieder herzustellen.

1971
Der 1939 geborene türkische Soziologe Dr. Ismail Besikci befaßte sich seit 1961 wissenschaftlich mit der kurdischen Frage in der Türkei. Er verlor aufgrund seiner engagierten Forschungen 1971 seine Professur an der Universität Ankara. Im gleichen Jahr wurde er zum ersten Mal festgenommen. 1974 freigelassen, veröffentlichte er in den folgenden Jahren eine Vielzahl von Untersuchungen zur kurdischen Frage. Fast jede seiner Schriften wurde kriminalisiert und verboten. Seit 1978 befand sich Besikci aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit mehr im Gefängnis als in Freiheit. Zuletzt wurden 1990 in einem Verfahren insgesamt 45 Jahre Haft gefordert. Weitere Strafverfahren gegen ihn sind anhängig. 1993 wurde er erneuert ins Gefängnis gesteckt und Oktober 1999 auf Bewährung freigelassen.

12.03.1971
Am 12. März übernimmt das türkische Militär unter Führung von General Tagmac und Nihat Erim in der Türkei die Macht. Das Parlament wird für eine gewisse Zeit außer Funktion gesetzt. Linke Parteien und Organisationen werden verboten. Mehrere tausend Menschen werden verhaftet und eingesperrt.

1972
Deportation von mehr als 3.000 Bauern aus der Provinz Hakkari in Nordwest-Kurdistan ins westliche Anatolien.

1972
Die Gründung der ersten Universität nach der Vierteilung Kurdistans (1923), in der auch in Kurdisch gelehrt wird, fand in Silemani (Süd-Kurdistan) statt. Dies wurde durch die entspannende politische Atmosphäre nach dem Märzabkommen von 1970 ermöglicht.

1972-1975
Die Zentralregierung in Bagdad war nach 2-3 Jahren des Märzabkommens nicht bereit, die kurdischen Forderungen nach Kontrolle der Erdölgebiete um Kerkuk und Xanaqin zu erfüllen. Hier entzündete sich die Anspannung und die folgenden Jahre waren von ständigen Angriffen, Attentaten auf kurdische Führer und einer Politik der Arabisierung geprägt. Der Autonomiestatus Südkurdistans existierte de facto immer weniger.

April 1972
Der kurdische Student aus Urfa (Riha) Abdullah Öcalan wurde bei einer von ihm mitangeführten Protestaktion an der Ankara Universität gegen das Ermorden des türkischen Revolutionärs und Anführers der Organisation THKP-C Mahir Çayan festgenommen und für sieben Monate in U-Haft gesetzt.

März 1973
Am kleinen Çubukçu-Stausee nahe Ankara traf sich Abdullah Öcalan mit fünf weiteren kurdischen Studierenden. Es war das erste Treffen für eine frühe Organisationsform. Von den anderen fünf Studierenden trennten sich nach kurzer Zeit vier, aber Ali Haydar Kaytan bleibt in der Bewegung.

Ab März 1974
Im März verkündete Bagdad einseitig ein Gesetz, was aber weit weniger Rechte für KurdInnen vorsah als 1970 verhandelt wurde. Die KurdInnen lehnten es ab und es begann ein Krieg zwischen den KurdInnen und dem irakischen Staat, der sich schnell zuspitzte. Die irakischen KurdInnen wurden vom Iran mit Waffen beliefert. Der Aufstand stützt sich überhaupt auf den Iran. Es kam zu heftigen Kämpfen 1974 und 1975, bei denen die irakische Artillerie massiv die kurdischen Fronten angreift. Hunderttausende von Dorfbewohner flohen in iranische Flüchtlingslager.
30.04.1974
Hinrichtung der 19-jährigen Leyla Kasim und vier weiterer Studierenden nach schweren Folterungen wegen "Begünstigung und Gutheißung der separatistischen Bestrebungen" in Süd-Kurdistan durch das irakische Regime.

November 1974
Als die Militärdiktatur von Griechenland die Macht in Zypern an sich zu reißen versuchte, intervenierte die Türkei mit ihrer Armee im Norden der Insel, wo auch TürkInnen lebten. Diese sollten angeblich geschützt werden. Nach schweren Kämpfen wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der bis heute gilt. 1983 wurde die Nordzypriotische Türkische Republik ausgerufen. Eine politische Lösung lässt nach wie vor auf sich warten.

70er Jahre
In den 70er Jahre verliessen die verbliebenen nicht-moslemischen Bevölkerungsgruppen wie Assyrer und Armenier fast alle die Türkei, als Mitte der 70er Jahre der Chauvinismus wieder geschürt wurde und tätliche Angriffe zunahmen. Bis dahin bildeten sie in Orten wie Midyad und Merdîn einen erheblichen Teil der Bevölkerung.

1975
Gründung der Sozialistischen Partei Kurdistans, Türkei (PSK-T) in Ankara. Sie wurde in den 70er Jahre zu einen der wichtigeren kurdischen Organisationen. Sie gab auch verschiedene Zeitungen in kurdischer und türkischer Sprache. Nach Verhängung des Ausnahmezustandes 1978 und dem Militärputsch 1980 stellte die Organisation in der Türkei ihre Arbeit ein. Die meisten Mitglieder gingen wie vielen anderen kurdischen Organisationen nach Europa ins Exil, wo sie heute u.a. unter dem der Vereinigung Komkar arbeiten.

1975
Zwischen den kurdischen Städten Amouda und Derik Südwest-Kurdistan wurden in der Provinz Djazira 40 neue Dörfer gebaut. 7.000 arabische Bauernfamilien wurden dort angesiedelt und bewaffnet. Seit 1968 hatten mehr als 30.000 KurdInnen die Provinz verlassen und im Libanon oder im Landesinneren von Syrien versucht, eine neue Existenz aufzubauen.

05.03.1975
Algier-Abkommen zwischen Iran und Irak, womit die Auseinandersetzungen zwischen dem Irak und Iran zunächst einmal endeten. Dieses Abkommen sah u.a. die Einstellung iranischer Waffenhilfe an die SüdkurdInnen unter Barzani. Daraufhin begann Bagdad eine mörderische Offensive am 8. März. Der kurdische Widerstand brach daraufhin zusammen, Mustafa Barzani floh ins Exil und die PDK konnte die kurdische Bevölkerung nicht mehr schützen.
Entlang der iranischen und türkischen Grenze wurde ein zehn bis zwanzig Kilometer breiter Streifen von den irakischen Behörden menschenleer gemacht. Ganze Dörfer wurden evakuiert. Die südkurdische Bevölkerung wurde in strategischen Dörfern oder Lagern angesiedelt. Junge KurdInnen, unterstützt von städtischer Intelligenz, organisierten in den Bergen unabhängig von der PDK einen bewaffneten Widerstand gegen die Deportationen.

01.06.1975
Am 1. Juni wurde in Berlin-Dahlem die Patriotische Union Kurdistans, YNK, gegründet. Vorsitzender der YNK ist seitdem Celal Talabani. Talabani warf grundlegend der PDK-Irak vor, ihre Struktur wäre auf Stämmen basiert, nicht modern und daher der Führungsstil klassisch. Talabani arbeitete von Anfang an mit dem iranischen Staat gegen den Irak zusammen. In diesen Jahren bestanden auch enge Beziehungen zu Syrien, was anti-irakisch eingestellt war.

1976
Der Chef der PDK-Iran, Abdul Rahman Ghassemlou, ließ sich im Pariser Exil nieder, wo er bis 1978 blieb. Während dieses Aufenthalts versuchte er Kontakte mit Verantwortlichen anderer iranischen Oppositionellen aufzubauen.

1976
Die Gruppe um Abdullah Öcalan, die sich als "Revolutionäre Kurdistans" bezeichnen, begab sich nach der "Dikmenversammlung" im Frühjahr 1976 von Ankara aus nach Kurdistan. Der Schwerpunkt der politischen Arbeit lag nun immer mehr dort. Die Arbeit konzentrierte vor allem in den Städten wie Dîlok (Antep), Siverek, Marash, Amed, Batman, Dersim, Cewlik (Bingöl), Beyazid und Varto. Die Provinzen Siirt, Sirnak und Çolamerg (Hakkari), später Zentren des Guerillakampfes, stehen dabei kaum im Mittelpunkt.
März 1977
Die "Revolutionäre Kurdistans" (zu dieser Zeit auch Apocular - Apoisten - genannt) verloren in einer Auseinandersetzung mit einer türkischen linken Gruppierung ihren ersten Aktivisten Aydin Gül in Dersim.

18. Mai 1977
Haki Karer, Türke, Internationalist und ein wichtiger ideologischer Kopf der Bewegung um die Revolutionären Kurdistan, wurde in Dîlok von einer kurdischen kollaborierenden namens Sterka Sor ermordet.

1977
Gründung der KUK (Partisanen der Nationalen Befreiung Kurdistans) und Gründung der Partei "Rizgarî" (Befreiung) in Nordwest-Kurdistan.

1. Mai 1977
Bei der größten 1. Mai-Demo in der Geschichte der Türkei werden 37 Menschen durch Angriffe türkischer Counterguerillakräfte getötet.
In der Türkei und in Nord-Kurdistan sterben Ende der 70er Jahre bei politischen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen revolutionären und faschistischen Kräften täglich oft bis zu 20-25 Menschen.

1977
Die wichtige Ölleitung zwischen dem Norden Iraks und der Türkei wurde eingeweiht. Das aus Kerkuk geförderte Erdöl wurde über die Pipeline, die durch den südlichen Teil Nord-Kurdistans führt, ans Mittelmeer (Iskenderun) transportiert. Die Leitung wurde wegen des Golfkrieges und dem anschließenden Embargo zwischen 1990 und 1997 außer Betrieb gesetzt und spielte bei strategischen Überlegungen verschiedener Mächte immer eine gewisse Rolle.

1978
Mullah Mustafa Barzani zog sich, schwer an Krebs erkrankt, in die USA ins Exil zurück. Er starb dort 1979. Seine Nachfolge traten seine Söhne Idris und Masud Barzani an. Nach dem Tod von Idris Barzani 1987 führt seitdem Mesud Barzani die PDK-Irak allein an.

27.11.1978
Am 27.11.1978 wurde die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK (Partîya Karkêren Kurdistan) im Dorf Fis bei Lice in der Provinz Amed vollzogen. Vor der Gründung arbeiteten die Aktivisten von 1973 bis 1977 auf ideologischer, politischer und soziologischer Ebene und führten viele Untersuchungen zu der kurdischen Gesellschaft durch. Das Ziel der marxistisch-leninistisch orientierten Organisation lautete, durch einen Volkskrieg (Guerillakrieg) eine Revolution zu erreichen und anschließend einen eigenen kurdischen Staat zu gründen. Als zentrales Problem Kurdistans wurde eine doppelte Unterdrückung gesehen: Eine nationale Unterdrückung durch den türkischen Staat und die ihn unterstützenden imperialistischen Mächte und eine Unterdrückung der Demokratie durch die feudalen innerkurdischen Strukturen. Beiden wurde der Kampf angesagt. Träger der kurdischen Revolution sollten ArbeiterInnen, normale Landbewohner (Bauern) und die kurdische Jugend sein.
Beim Gründungskongress wurde die grundlegende Schrift "Der Weg der Revolution Kurdistans" und ein Programm verfasst, das bis 1995 Gültigkeit hatte.
Als wesentlicher Unterschied zu den anderen kurdischen Parteien werden immer wieder die soziale Basis der Partei und die damit verbundene politische Ausdrucksformen gesehen. Im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren kleineren marxistisch-leninistisch orientierten Gruppen gelang es der PKK, eine Mitgliederbasis auch unter Bauern, Arbeitern und den Tagelöhnern zu finden, was ihr in den folgenden Jahren Stabilität verlieh und weshalb die PKK die einzige kurdische Organisation wurde, die ihr Programm mit Leben füllen konnte. Die PKK war zweifellos die proletarischste unter den kurdischen Organisationen."
Aufgrund des sozialen Charakters der PKK sei die Programmatik nicht nur eine solche geblieben, sondern inklusive des bewaffneten Kampfes auch angegangen worden. Die PKK sah den bewaffneten Kampf als eine Notwendigkeit an, die sich aus dem Nichtbestehen der Möglichkeit von legalen Aktivitäten herleitete. Hauptangriffsziel der PKK waren zu dieser Zeit die kurdischen Stammesführer und Großgrundbesitzer. Offensive bewaffnete Aktionen fanden zu dieser Zeit noch nicht statt. Die PKK organisierte Landbesetzungen, verteilte Kader im Land zur Propaganda und gebrauchte Waffen vor allem zur Selbstverteidigung. Mit zahlreichen anderen linken Organisationen kam es in dieser Zeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Dies wurde jedoch 1981 auf dem 1. Konferenz der PKK selbstkritisch eingestanden und versucht zu ändern.
Bei der PKK spielte von Anfang an Abdullah Öcalan zwar eine sehr entscheidende Rolle; ohne ihn ist die PKK kaum vorstellbar. Doch die Aktivisten Kemal Pir, Haki Karer, Hayri Durmus und Mazlum Dogan waren bei der Herausbildung der Ideologie und Struktur unverzichtbar. Diese wurden jedoch im Laufe des Befreiungskampfes entweder ermordet oder inhaftiert.
Das erste Zentralkomitee bestand aus sieben Personen und zwar: Abdullah Öcalan, Cemil Bayik, Shahin Dönmez, Mehmet Karasungur, Baki Karer, Mazlum Dogan û Mehmet Hayri Durmush.

23.12.1978
Massaker in Marash an KurdInnen alewitischer Glaubensrich-tung durch türkische Faschisten (Graue Wölfe), die vom türkischen Geheimdienst unterstützt wurden. Bis zu 1000 Menschen werden bestialisch ermordet. Wenige Tage später wurde der Ausnahmezustand in acht kurdischen Provinzen verhängt.

Ende 1978 / 1979
Die PKK führte in den Regionen den Widerstand von Siverek und Hilvan in der Provinz Riha (Urfa) durch. Wegen Aufklärungsarbeit unter der Landbevölkerung und Organisierung der Menschen wurden die kurdischen Revolutionäre der PKK von den Großgrundbesitzern angegriffen. Es fand eine wochenlange Auseinandersetzung mit feudalen Großgrundbesitzern mit vielen hunderten Toten auf beiden Seiten statt. Vor allem die Großgrundbesitzfamilie Bucak ging brutal vor. Durch sie werden gefangen genommene Menschen regelrecht zerstückelt. Durch den langen und hartnäckigen Widerstand in Siverek und Hilvan wurde die PKK zu einer ernsthaften Massenbewegung in Kurdistan.

Ende der 70er Jahre
Die revolutionäre linke Bewegung im Iran hatte großen Zulauf. In Ost-Kurdistan wurde die Komalah nach 12 Jahren des Widerstands sehr stark. Volksaufstände und Guerilleros breiten sich Ende der 70er rapide aus. So wird kurz vor der Revolution die Garnison von Sardascht (Ost-Kurdistan) von den KurdInnen erobert.


Militärputsch in der Türkei, Islamische Revolution im Iran und erster Golfkrieg

Februar 1979
Der Schah Reza Pahlewi im Iran wurde von den Islamisten und Linken gestürzt. Ajatollah Khomeini, Anführer der radikalen islamischen Bewegung, übernahm jedoch die Macht. Wie viele andere Oppositionsgruppen des Landes hatten die KurdInnen gehofft, unter der neuen Regierung der Mullahs mehr Autonomie zu erlangen; doch wurden ihre Erwartungen enttäuscht. Bis zur Machtübernahme der Mullahs haben die KurdInnen sie unterstützt. Khomeini selbst hatte zunächst den ihm zur Seite stehenden Volksgruppen mehr Rechte zugesagt.
Seit der islamischen Revolution von 1979 ist der Oberste Rechtsgelehrte (Revolutionsführer) entweder der “Führer". Der Revolutionsführer, seit 1989 Seyyed Ali Chamenei, hat die uneingeschränkte Macht und ernennt die obersten Richter (allesamt Geistliche) und ist auch Oberkommandierender der Streitkräfte. Er wird vom Expertenrat auf Lebenszeit gewählt. Dieser wird wiederum alle 8 Jahre vom Volk gewählt, wobei der sog. Wächterrat (besteht aus zwölf Personen, die zur Hälfte mit Geistlichen und zur Hälfte mit Juristen besetzt werden) die Kandidaten genehmigen muss. Nach der iranischen Verfassung wird die staatliche Gewalt, also Legislative, Exekutive und Judikative, der religiösen Führung unterstellt.

14.02.1979
Eine aus 5 Repräsentanten verschiedener Parteien und Stellvertretender bestehende kurdische Delegation traf sich mit dem Sekretär von der nationalen Front Irans Darius Faruhar. In diesen Verhandlungen stellten die kurdischen Delegierten ihre Forderungen, die sogenannten "sechs Punkte von Mahabad", in denen Autonomie für die kurdischen Regionen gefordert wurde.

18.-22. März 1979
Die Soldaten der Garnison von Sine (Ost-Kurdistan) öffneten das Feuer auf die Menge, die Newroz feiern und für ihre Freiheit demonstrieren. Bei den Auseinandersetzungen sterben 178 Menschen.

03.08.1979
Wahlen der "Experten Versammlung" in Iran, die die Verfassung überprüfen sollte. A.R. Ghassemlou wurde gewählt, durfte aber an der Versammlung nicht teilnehmen, da er Laizist war. In den anderen kurdischen Provinzen wie Kurdistan und Kermanshah waren die Wahlergebnisse oft gefälscht.

07.08.1979
Die Kämpfer der PDK-Irak schossen in Unschu (Ost-Kurdistan) auf die demonstrierende Menge. Es gab mehrere Tote. Die Demonstration wurde von der PDK-Iran organisiert.

17.08.1979
Khomeini erklärte die KurdInnen als untreu und revolutionsfeindlich. Nach dieser Erklärung fingen die Massaker gegen die kurdische Bevölkerung an. Khomeini verdiente sich damit den Namen "Metzger von Kurdistan".
Am 23.08.1979 begann die iranische Armee mit der Bombardierung kurdischer Städte an. Am 23. August wurde Sakez, am 1. September Bokan, am 2. September Piranschar, am 3. September Mahabad und am 6. September Sardascht angegriffen.
2./3. Dezember 1979
Referendum über die Verfassung der islamischen Republik Irans. Die Verfassung erklärte den Schiitismus als die offizielle Religion Irans und ließ keine Form von Autonomie für ethnische und religiöse Minderheiten zu.

Frühling 1980
Die reguläre Armee Irans marschierte in alle Regionen Ost-Kurdistans ein und eroberte fast alle kurdischen Städte, die 1979 von iranischen KurdInnen befreit wurden. Am 6. Juni erklärte Iran, dass die kurdische Frage gelöst wäre. Ab diesem Datum kündigte die PDK-Iran den Guerillakrieg an. Die Spaltung und Schwächung der PDK-Iran beginnt aber auch damit gleichzeitig. Der Widerstand wurde in diesen Jahren verstärkter von der Komalah geführt.
Bis Mitte der 80er Jahre wurde ein erbitterter Krieg zwischen der Komalah und PDK-Iran auf der einen Seite und der iranischen Armee auf der anderen Seite geführt infolgedessen viele tausende Menschen auf beiden Seiten starben. Der Widerstand der KurdInnen schwächte sich jedoch ab Mitte der 80er Jahre spürbar ab.

12.09.1980
Am 12 September 1980 putschte das Militär unter General Kenan Evren zum dritten Mal in der Türkei. Der Putsch wurde von der NATO und den USA direkt oder indirekt unterstützt. Die NATO stationierte anschließend schnelle Eingreiftruppen im Herzen Kurdistans, in Van und Batman. Evren begründete den Putsch damit, "zu den Quellen des Kemalismus zurückzukehren" zu wollen und "die separatistische Umtriebe zu bekämpfen".
Das Militär verhängte über das Land das Kriegsrecht und verbot alle politischen Parteien. Die Regierung wurde des Amtes enthoben, Gewerkschaften, Vereine und Stiftungen wurden verboten und ihre Funktionäre wurden vor Gericht gestellt. Das Militär versuchte die Gesellschaft der Türkei durch Säuberungsaktionen in staatlichen Institutionen zu entpolitisieren. 30.000 Menschen sollen davon betroffen gewesen sein. Der Putsch richtete sich grundlegend gegen die aufkeimende kurdische Befreiungsbewegung und gegen die starken links-revolutionäre Kräfte. Insgesamt wurden 650.000 Menschen zu politischen Gefangenen, die meisten von ihnen gefoltert. In 210.000 Prozessen wurden 230.000 Personen vor Gericht gestellt. Es gab 7.000 beantragte, 571 verhängte und 50 vollstreckten Todesstrafen. 14.000 Personen wurden aus der Staatsbürgerschaft entlassen. 30.000 Personen flohen ins Ausland. 3.854 Lehrer und Lehrerinnen, 120 Universitätsdozenten und 47 Richter wurden entlassen. 133.607 Bücher wurden verbrannt.
Dieser Putsch ist der dramatischste aller drei Putsche. Alle revolutionären Organisationen konnten dem Putsch nicht viel entgegensetzen. In kürzester Zeit war ihre Basis zerschlagen. Das Ergebnis war, dass neben den revolutionären Strukturen auch gewerkschaftliche, soziale und kulturelle Bewegungen und Strukturen zerschlagen wurden. Das Militär schaffte es, die Hoffnungen in der Gesellschaft zu begraben. Es förderte neben dem Faschismus den Islam gegenüber linken Ideen, so wurden systematisch Moscheen in allen Orten gebaut. Es wurde eine türkisch-islamische Synthese vertreten, die auch heute von vielen türkischen Kräften vertreten wird. Vor allem die türkische Gesellschaft hat sich bis heute von diesem Putsch immer noch nicht erholen können, während die KurdInnen ab Ende der 80er Jahre Widerstand aufbauen konnten. Dies lag u.a. daran, dass die PKK (auch Abdullah Öcalan) sich schon ein Jahr zuvor teilweise aus Nord-Kurdistan in den Libanon zurückzog. Nach dem Putsch rief sie alle Gruppen ins Ausland gerufen, wovon mehrere es nicht schaffen. Türkische oppositionelle Gruppen gehen auch ins Exil, die meisten nach Europa, von wo sie aus jedoch den Kampf kaum vorantreiben können.

22.09.1980
Beginn des ersten achtjährigen Golfkrieges zwischen Irak und Iran, der vor allem auf dem Gebiet der KurdInnen tobt. Der Krieg führt auf iranischer Seite bis zu einer Millionen Toten. Auf irakischer Seite, die vom Westen zu diesem Krieg geschürt und militärisch ausgestattet wurde, starben deutlich weniger Menschen.

1980 - 1984
Die PKK Mitglieder hielten sich in der Bekaa Ebene vor allem in Lagern der PFLP (Befreiungsfront Palästinas) auf. Hier bildeten sie sich sowohl politisch als auch militärisch aus. In dieser festigte sich wieder langsam nach dem Militärputsch die Parteistruktur.

1981
In Libanon fand die 1. Konferenz der PKK statt, die als Vorbereitung für den 2. PKK Kongress dienen sollte.

1981
Streitigkeiten zwischen der YNK und der PDK-Irak bestimmen die politische Landschaft in Süd-Kurdistan. 1981 kommt es sogar zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen beiden Parteien.

21.03.1982
Mazlum Dogan, Mitbegründer und Mitglied des Zentralkomitees der PKK, verbrennt sich aus Protest gegen die brutalsten physischen und psychischen Foltern gegen die Gefangenen im Gefängnis von Amed. Damit leitet er den bedeutenden Gefängniswiderstand von 1982 ein. Er wurde am 1.10.1979 gefangen genommen.

17.05.1982
Ferhat Kurtay, Esref Anyik, Mahmut Zengin und Necmi Öner verbrennen sich aus Protest im Gefängnis von Amed. Dieser Tag geht als die "Nacht der Vieren" in Geschichte ein.

6. Juni 1982
Im Sommer 1982 kämpften Einheiten der PKK auf palästinensischer Seite gegen den Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon. Dabei starben insgesamt elf PKK Kämpfer. Dieser Einsatz schaffte aber die Voraussetzung für die Übernahme des "Camps Helve" 1986 in der Bekaa-Ebene im Libanon. Dieses Camp wurde später nach dem gefallenen legendären ARGK Kommandanten Mahsum Korkmaz benannt (Mahsum Korkmaz Akademie). Dort wurden bis Ende 1992 Mitglieder der PKK politisch und militärisch geschult.

14.07.1982
Beginn des großen Todesfastens der kurdischen politischen Gefangenen im Gefängnis von Amed. M. Hayri Durmush, Akif Yilmaz, Ali Çiçek und Kemal Pir verlieren im September 1982 an Folgen des Hungerstreiks ihr Leben.

1982
Der türkische Staat beschloß das Südostanatolienprojekt (GAP). Dieses besteht aus 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken am Euphrat und Tigris. Neben der Energieproduktion soll intensiv bewässert und eine exportorientierte Landwirtschaft aufgebaut werden. Infolgedessen sollen bis zu 3,6 Millionen Arbeitplätze entstehen und die ökonomisch schwachen kurdischen Provinzen regional entwickelt werden. Bis heute ist nur etwa die Hälfte umgesetzt worden, es hat bisher der Region nichts außer Vertreibung und Zerstörung von wichtigsten Kulturgütern gebracht. GAP wurde und wird vom Staat auch als ein Mittel zur Aufstandsbekämpfung und eine politische Waffe (durch die Staukapazitäten) gegen den Irak und Syrien verstanden.

20.-25.08.1982
2. Kongress der PKK fand in Libanon an der Grenze zu Jordanien, in einem PFLP-Ausbildungslager statt. Die beiden wichtigsten Punkte dieses Kongresses waren: 1) die selbstkritische Bestandsaufnahme der vergangenen Jahre. Diese Selbstkritik öffnete den Weg für die Zusammenarbeit mit sieben anderen linken Organisationen in der FKBDC (Einheitsfront des antifaschistischen Widerstandes). Diese scheiterte jedoch bald, vor allem aufgrund dessen, dass es den meisten Organisationen, außer der PKK, nicht gelang in der Türkei und Kurdistan erneut Fuß zu fassen. 2) Der Beschluß zur Rückkehr nach Kurdistan, um dort die Vorbereitungen für den bewaffneten Kampf zu treffen.
Nach diesem Kongress schickte die PKK ihre Kader wieder zurück nach Kurdistan, um die Vorbereitungen für den Beginn des bewaffneten Kampfes zu treffen. Für die PKK war nun die Phase vom Sommer 1982 bis Frühjahr 1983 die Phase des Eruierens und der Rückkehr ihrer Kader in ihr Land. Die eigentliche Phase der bewaffneten Propaganda begann erst im Frühjahr 1983. Die Kader der PKK bestanden aus Studierenden, Intellektuellen, aber auch einigen Bauern.

September 1982
Viele Tage lang fanden Kämpfe zwischen den beiden ostkurdischen Parteien PDK-Iran und der Komalah statt. Anschließend kam es jedoch zu Verhandlungen, infolgedessen beide Parteien "das Respektieren der Demokratie in Kurdistan" vereinbarten.

1982
1982/83 schloss sich die Komalah mit anderen linken Gruppen zur Kommunistischen Partei Iran (KPI) (nicht zu verwechseln mit der Tudeh-Partei) zusammen; der Name Komalah wurde für die Parteistrukturen der neuen Partei in Iranisch-Kurdistan weiterverwendet. Die Komalah hat auch Frauen bei ihren Peshmerga-Einheiten.

7. November 1982
Die von den türkischen Militärs vorgelegte neue Verfassung wurde in einem Volksentscheid mit knapp 92% der abgegebenen Stimmen angenommen. Diese Verfassung ist nach wie vor gültig, es wurden bisher nur einige wenige Veränderungen an ihr vorgenommen. Mit der Abstimmung zur Verfassung wurde der Juntachef Kenan Evren für die nächsten 7 Jahre zu einem mit verstärkten Rechten ausgestatteten Staatspräsidenten ernannt.

Juli 1983
Die Iranische Armee und die PDK-Irak besetzten die Stadt Haci Umran in Süd-Kurdistan. Kurz darauf lies Saddam Hussein 8000 junge und alte Männer des Barzani Klans in die Lager an der saudischen Grenze bringen, wo sie später exekutiert wurden.

6. November 1983
Bei den ersten Parlamentswahlen in der Türkei nach dem Putsch traten drei Parteien an. Unerwartet gewann die Mutterlandspartei ANAP unter Turgut Özal die Wahlen. Diese Partei vereinigte Technokraten, Konservative und auch islamische Kreise. Sie blieb bis 1991 allein an der Macht, führte die bisherige Staatspolitik gegen die KurdInnen an der Seite der Generäle weiter und leitete viele liberale Reformen ein.

22. Juli 1984
Am 22.Juli 1984 wurde bei einem Treffen der PKK in Südkurdistan der Beschluß zur militärischen Offensive gefasst


Aufkommende Freiheitsbewegung in Nord-Kurdistan

15. August 1984
Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK gegen den türkischen Staat in Nord-Kurdistan. Durch die Besetzung der Kreisstädte Eruh in der Provinz Siirt und Shemdinli in der Provinz Çolemerg für einen Tag begann der Guerillakampf der PKK gegen die türkischen Armeeeinheiten in Kurdistan. Die PKK hatte in dieser Zeit zunächst etwa 300 Kämpfer, die unter dem Namen HRK (Hezen Rizgariya Kurdistan - Befreiungskräfte Kurdistans) agieren. Im Flugblatt der HRK vom 15.08.84 heißt es:
"Die HRK verfolgen das Ziel, den Kampf unseres Volkes um nationale Unabhängigkeit, eine demokratische Gesellschaft, Freiheit und Einheit unter Führung der PKK gegen den Imperialismus, den türkischen Kolonialfaschismus und ihre einheimischen Lakaien bewaffnet zu führen. (...)
Die kolonialfaschistischen Ungeheuer, die Blutsauger, die politischen und militärischen Herrscher und die Feinde des Volkes werden die Angriffsziele der Aktionen der HRK sein. (...) Wenn die Bildung einer Plattform des praktischen revolutionären Kampfes in Kurdistan und der Türkei gegen den faschistischen Terror und die Beteiligung der Massen an diesem Kampf eine hohe Stufe erreicht, werden die eigentlichen Ziele erreicht werden."
Der Offensive des 15.August wurde im Allgemeinen eine hohe Bedeutung beigemessen. So verglich der Soziologe Ismail Beshikci die Bedeutung des 15.August mit dem "ersten Schuss" bei Franz Fanon. Tatsächlich hat diese Aktion in allen Schichten und Klassen so tief greifende Veränderungen in ihrem Denken, Handeln und Beziehungen hervorgebracht, die sonst in dutzenden Jahren woanders zustande gekommen wären. Die kurdische Gesellschaft wurde nach dem Militärputsch aus ihrer Apathie und Selbstleugnung herausgeholt.

09.09.1984
Der kurdische Regisseur, Filmemacher und Schauspieler Yilmaz Güney verlor im Alter von 47 Jahren in Paris sein Leben durch Magenkrebs. Er gilt bis heute der bedeutendster Regisseur in der Türkei und Kurdistan. Er drehte ab den 60er Jahren Anfang der 80er Jahre mindestens zwei Dutzend Filme, darunter viele eindrucksvolle gesellschaftskritische. Wegen seiner Sympathie für die revolutionären Kräfte in der Türkei und Kurdistan wurde er einige Male inhaftiert. Kurz vor dem Militärputsch floh er aus einem Gefängnis und ging nach Europa. 1982 wird sein Film "Der Weg" mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet.

21. März 1985
Gründung der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans, ERNK (Eniya Rizgarîya Netewa Kurdistan). Sie existierte bis 2000 und wurde dann durch eine andere Organisationsstruktur ersetzt. Die ERNK war die politisch arbeitende Frontorganisation der PKK. Ihr gehörten eine Vielzahl von gesellschaftlichen Organisationen an, Arbeiter-, Jugend- und Frauenorganisationen, aber auch verschiedene religiöse Interessengruppen der Islamisten, Alewiten, Yeziden, Assyrer sowie später Berufsorganisationen.

1985
Der Guerillakampf der PKK konnte 1985 nicht von der türkischen Armee zerschlagen werden, doch bedeutend ausgeweitet hatte er sich auch nicht.

April 1985
Nach dem die PKK nicht schnell zu zerschlagen war, führte die türkische Regierung das Dorfschützersystem ein. Dorfschützer sind bewaffnete Milizen aus feudal-reaktionären kurdischen Stämmen, die für Geld die Dörfer überwachen, um sie vor den Guerillaeinheiten zu schützen. Mitte der 90er Jahre erreichte die Zahl dieser Dorfmilizen 70.000 und blieb bis heute relativ stabil. Die Dorfmilizen waren und sind eine sehr wichtige Stütze der türkischen Armee im Kampf gegen die PKK und die kurdische Gesellschaft. Ohne sie wäre die türkische Armee bei den Operationen in den Bergen oft verloren. Die Dorfmilizen haben seit ihrer Gründung ihre Stellung dazu ausgenutzt, sich zu bereichern; in dem die Bevölkerung erpresst wurde oder die Dörfer der in den 90er Jahren Vertriebenen Menschen für den eigenen Vorteil ausgebeutet wurden bzw. ihre Bewohner nicht mehr wegen der von ihr ausgehenden Repression teilweise nicht zurückkehren können.

28. Februar 1986
Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Schweden, Olof Palme, wurde auf offener Straße erschossen. Daraufhin begann eine jahrelange währende Kampagne, diesen Mord der PKK in die Schuhe zu schieben. Alle künstlichen Konstrukte scheiterten schließlich vor Gericht. Doch dieser Vorwurf fügte der PKK einen lang währenden Imageschaden zu.
Dieser Vorwurf war in dem Bestreben der westlichen imperialistischen Staaten zu verstehen, die PKK Struktur und Sympathien in Europa zu zerschlagen. Die Nato fasste höchstwahrscheinlich schon im Jahre 1985 den Beschluss, also nach dem Beginn des bewaffneten Kampfes, gegen die PKK in Europa vorzugehen. Vor allem der BRD wurde eine besondere Rolle vorgesehen, denn hier lebten die meisten KurdInnen in Europa. So führte im Oktober 1986 der deutsche Generalbundesanwalt Rebmann Gespräche mit hochrangigen Vertretern der Türkei (darunter dem Botschafter) über die Zusammenarbeit gegen den “internationalen Terrorismus”, wobei es hauptsächlich um die PKK ging.

März 1986
Sowohl in Damaskus als auch in der südwestkurdischen Stadt Afrin griffen syrische Polizeieinheiten mit Waffen kurdische Newroz-Feiern an. In Damaskus wurde ein Kurde getötet, in Afrin drei Menschen. Zu der Beerdigung kamen 40.000 Kurdinnen und Kurden.

28. März 1986
Der führende ARGK Kommandant Mahsum Korkmaz (Agit) wurde am Berg Gabar (Provinz Sirnak) durch bis heute ungeklärte Umstände in einem Hinterhalt getötet. Er war eine sehr entscheidende Person in den ersten zwei Jahren des Guerillakampfes gegen die türkische Armee.

Oktober 1986
Vom 25-30.Oktober 1986 fand der 3. PKK-Kongreß im Bekaa-Tal im Libanon, statt. Dieser Kongress wird als ein Wendepunkt im Kampf der PKK betrachtet. Auf diesem Kongress wurden selbstkritisch Mängel in der politischen Arbeit angemerkt und mehrere wichtige Entschlüsse gefaßt: die Intensivierung der politischen Arbeit in den Städten bei gleichzeitiger Ausweitung der militärischen Operationen in städtischen Gebieten, die Intensivierung der Beziehungen zu anderen politischen Kräften national wie international, die Bildung von Frauen-, Jugend-, Arbeiter- und Intellektuellenverbänden unter dem Dach der ERNK und der Übergang von der Phase der bewaffneten Propaganda zu der des Guerillakrieges. Letzteres ging einher mit dem Beschluß, die HRK in die ARGK (Artesha Rizgariya Gele Kurdistan - Volksbefreiungsarmee Kurdistans) umzuwandeln, was die Vergrößerung der Guerillaeinheiten und die Bildung eines militärischen Rates beinhaltete.
Als die wichtigsten Schritte des 3. Kongresses der PKK wird die Stärkung ihrer inneren Struktur und Einführung eines offiziellen Funktionsmechanismus betrachtet. Seit dieser Zeit verstärkte die PKK ihre Aktivität auf internationaler Ebene (Öffentlichkeitsarbeit und Diplomatie) und konnte stellenweise ihre Isolation durchbrechen.

1986
Angehörige von Gefangenen, Intellektuellen, Juristen und Wissenschaftler gründen in der Türkei den Menschenrechtsverein IHD. Dieser setzte sich seitdem bis heute für Menschen ein, die Folter und Repression ausgesetzt wurden.

1986
Der Verband der Patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) wird gegründet. YJWK kämpft für ein befreites Kurdistan und für die Befreiung der kurdischen Frau.

1987
In diesem Jahr konnte die ARGK Guerilla sich im Kampf gegen die türkische Armee sowohl qualitativ als auch quantitativ verbessern. Sie war nun in mehreren Regionen Nord-Kurdistans aktiv und nicht mehr nur in Botan (Sirnak, Teile von Siirt und Hakkari).

19. Juli 1987
Die Türkei verhängte am 19. Juli 1987 den Ausnahmezustand über 13 kurdische Provinzen. Damit konnten die Menschenrechte sehr unproblematisch durch den Gouverneur außer Kraft gesetzt werden. Der Ausnahmezustand wurde in einzelnen Provinzen bis zum November 2002 aufrechterhalten.

1987
Durch die Unterstützung der kurdischen PDK-Irak Peshmergas errang das iranische Militär in den Jahren 1987 an der Nordfront einen Sieg über die irakischen Truppen. Bagdad revanchierte sich schon schnell mit ersten Giftgasangriffen auf das Hauptquartier der YNK und auf dutzende Dörfer in Süd-Kurdistan.

1988
Spaltung der PDK-Iran. Es gab unterschiedliche Ansichten zum Verhalten gegenüber der iranischen Zentralregierung: Während die einen für Verhandlungen eintraten, lehnten die anderen solche Gespräche - zu dem Zeitpunkt - rigoros ab. Es gründete sich neben der PDK-Iran die PDK-Iran/Revolutionäre Führung. Diese konnte sich jedoch in den kommenden Jahren nicht stärken und eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielen.

1987-1988
Die Anfal-Operation der irakischen Armee begann gegen die kurdischen Siedlungsgebiete im Irak. Im Verlauf der acht Anfall-Offensiven werden unter systematischem Einsatz von Giftgas bis zu vier tausend Dörfern zerstört und nach diversen Schätzungen bis zu 180.000 Menschen verschleppt bzw. getötet.

Februar 1988
Die BRD begann schon 1987 im Rahmen eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens mit einer massiven flächendeckenden "staatliche Verfolgung" der KurdInnen mit den Mitteln des Straf-, Polizei- und Verwaltungsrechts, Hausdurchsuchungen, Verboten von Veranstaltungen und Demonstrationen, der Beschlagnahme von Spendengeldern. Im Februar 1988 wurden insgesamt 20 KurdInnen in Deutschland, die für die PKK bzw. für die Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf arbeiteten, inhaftiert. Dazu dienten gefälschte Aussagen von zwei früheren PKK-Mitgliedern, von denen einer zum Kronzeugen wurde. Damit das auch juristisch funktionierte, verabschiedete das deutsche Parlament eine Kronzeugenregelung. Unter den Verhafteten waren u.a. Ali Haydar Kaytan, Hüseyin Çelebi, Selman Arslan. Sie alle wurden im so genannten Düsseldorfer Prozess nach Paragraph 129a wegen terroristischen Aktivitäten angeklagt. In der Anklageschrift wurde behauptet, innerhalb der PKK gäbe es eine - nur vage und ohne klare Konturen umschriebene - terroristische Vereinigung, die zur Durchsetzung des Alleinvertretungsanspruchs der PKK zur Erreichung eines kommunistischen Gesamt-Kurdistans Parteiabweichler und führende Repräsentanten anderer kurdischer Organisationen bestrafe und liquidiere. In dem Zusammenhang wurden der PKK in Westeuropa mehr als ein Dutzend Morde angelastet, ohne auch nur ein einziges authentisches Dokument mit Anweisungen o.ä. oder einem Tatzeugen für die Verantwortlichkeit der PKK-Führung präsentieren zu können.
Dieses politisch motivierte Verfahren dauerte daher lange und wurde zum teuersten Gerichtsverfahren der BRD. Für das Verfahren wurde das speziell in den 70er gegen die RAF gebaute Stammheim Gefängnis benutzt. Es endete 1994 mit der Freilassung aller Angeklagten.

16.03.1988
Die kurdische Stadt Halabja wurde von irakischen Bombern mit Giftgas (C-Waffen) angegriffen. Über 5.000 KurdInnen meist Frauen, Kinder und alte Menschen sterben noch am gleichen Tag einen qualvollen Tod, Zehntausende wurden verletzt. In den folgenden Jahren verlieren weitere zwei bis vier tausend Menschen infolge der Verletzungen ihr Leben. Halabja ist in der Menschheitsgeschichte die erste Stadt, die mit chemischen Waffen systematisch angegriffen wurde.
Die irakische Armee wurde vor allem von deutschen Unternehmen mit dem Know-How zur Herstellung von chemischen Waffen beliefert. Überhaupt besaßen deutsche Unternehmen zu dieser Zeit gute Beziehungen zum Saddam Regime.

19 Juli - 15. September 1988
Das irakische Regime griff in Hakurk am Staatendreieck Iran-Irak-Türkei die KurdInnen an. Dabei wurden chemische Waffen gegen die kurdische Kämpfer und Zivilbevölkerung benutzt. Daraufhin flohen über 50.000 KurdInnen in die Türkei.

20.08.1988
Eine Waffenstillstandserklärung zwischen Iran und Irak wurde bekannt gegeben. Damit endete der grausame 8-jährige Krieg, den keine der beiden Seiten gewinnen konnte.

14.07.1989
Tödliches Attentat auf den Generalsekretär der PDK-Iran, Abdul Rahman Ghassemlou, in Wien. Zusammen mit zwei weiteren kurdischen Vertretern hatte er sich mit einem inoffiziellen Vertreter der Teheraner Regierung getroffen.

Frühjahr 1990
Die ersten Massenproteste fanden in Nord-Kurdistan statt, was der Ausdruck eines qualitativen Sprungs des von der PKK angeführten Befreiungskampfes war. Der erste große Serhildan (=Volksaufstand) fand 14.03.1990 in Nisebin (Nusaybin) in der Provinz Merdîn für einen gefallenen Guerillakämpfer mit vielen tausenden Teilnehmern statt. Eine Woche später wurde Newroz zum ersten Mal offen gefeiert, so am 20.03.1990 in Cizre. Am 25.01.1991 kamen in Kulp-Lice bei Diyarbakir kamen auch tausende aus Protest zusammen. Der Staat geht massiv gegen die Menschen vor und es sterben Zivilisten durch Schüsse der türkischen Sicherheitskräfte; doch bleiben die Einschüchterungsversuche erst einmal wirkungslos.
Die Aufstände drückten eine veränderte Situation aus: Nationales Bewusstsein hatte sich inzwischen massenhaft in Kurdistan verbreitet.

21.03.1990
Die kurdische Medizinstudentin Zekiye Alkan verbrennt sich aus Protest gegen den Vernichtungskrieg des türkischen Staates gegenüber der kurdischen Bevölkerung in Amed.

07.06.1990
Auf Basis der Massenproteste gegen den türkischen Staat fand die Gründung der Partei des Volkes (HEP) statt. Damit begann für die KurdInnen in der Republik Türkei auch die Auseinandersetzung auf legaler Ebene. Auch wenn ihre Parteien immer wieder verboten wurden, setzen sie ihren politischen Kampf und intensivierten ihn immer mehr.

1990
Die PKK schaffte es um 1990, die Sympathien der KurdInnen in Südwest-Kurdistan und Syrien für sich zu gewinnen und sie zu organisieren. Viele hunderte und tausende KurdInnen beteiligten sich aktiv als Guerillero in den anschließenden Jahren am Befreiungskampf der PKK in Nord-Kurdistan.

26.-31.12.1990
4. Kongreß der PKK in Süd-Kurdistan.

Anfang Januar 1991
Die türkische Regierung unter Özal schaffte ein Gesetz ab, wonach es verboten war, selbst zuhause Kurdisch zu benutzen (totales Verbot der kurdischen Sprache). Doch diese Abschaffung führte nicht zur Belebung der kurdischen Sprache, weil sich an der Praxis des türkischen Staates gegen die KurdInnen sich nichts änderte. Nur war es erlaubt, in den Straßen Kurdisch zu sprechen ohne dafür geahndet zu werden.

17.01.1991
Am 17. Januar 1991 greifen alliierte Truppen unter der Führung der USA den Irak an (2. Golfkrieg), weil dieser am 2. August 1990 in Kuwait einmarschiert war. Als die irakische Armee aus Kuweit zurückgedrängt wurde, begannen die KurdInnen einen Aufstand gegen das Regime von Bagdad. Innerhalb kürzester Zeit wurde ganz Süd-Kurdistan (auch Kerkuk und Mossul) befreit. Als die alliierten Truppen den Feldzug im Süden des Iraks stoppen und sich nach Kuweit zurückziehen, gehen die irakischen Truppen ab dem 27. März 1991 zu einer Offensive gegen die KurdInnen und auch gegen die aufständischen Schiiten im Südirak über. Die kurdischen Peshmergas konnten vor allem in den Ebenen wenig Widerstand leisten und zogen sich zurück. Im April 1991 begann daraufhin eine Massenflucht der kurdischen Bevölkerung vor dem Angriff irakischer Truppen in den Iran und die Türkei. Bis zu knapp 2 Millionen Menschen fliehen an die Grenzen. Allerdings hält die Türkei die Flüchtlinge in den Bergen fest. Täglich sterben wochenlang in den provisorischen Lagern bis zu 1.000 Menschen.

April 1991
Durch die Einrichtung der Alliierten Schutzzone im Norden des Iraks werden die Flüchtlinge aus der Türkei und dem Iran in den Süden (Nordirak) zurückgeführt. Die Alliierte Schutzzone hat zur Folge, dass die irakische Armee sich aus den meisten Gebieten in Süd-Kurdistan zurückzieht, allerdings nicht aus den erdölreichen Städten Mossul und Kerkuk. Über den Irak wird ein UN-Embargo verhängt, worin die kurdischen Gebiete auch inbegriffen sind.
Mit der Alliierten Schutzzone nördlich des 36. Breitengrades im Irak erhielten die KurdInnen de facto eine selbstverwaltete Region Kurdistan. Die Kontrolle dieser Region, die Hewler (Erbil) als Hauptstadt hat, wurde von den beiden größten Parteien in Süd-Kurdistan, nämlich von der PDK-Irak und YNK, ausgeübt. Im ersten Jahr herrscht unter der Bevölkerung große wirtschaftliche Not, denn die Selbstverwaltungsstruktur ist zu schlecht aufgebaut. Außerdem waren viele Politiker der beiden regierenden Parteien korrupt und bedienten sich selbst.
Dieses selbstverwaltete Gebilde ist jedoch vollkommen abhängig von den USA und auch von der Türkei, von wo die einzigen Hilfsgüter in die Region kommen. Damit konnte die Türkei beide südkurdische Parteien unter Druck setzen, wovon sie in den kommenden Jahren auch oft Gebrauch machte. So sah die PKK in der Autonomieregelung in Südkurdistan keine Lösung. und gründete 1992 die PAK (Partiya Azadiya Kurdistan - Freiheitspartei Kurdistans) als Ableger in Südkurdistan. Das Verhältnis zu den großen südkurdischen Parteien YNK und PDK ist gespannt.

1991
Das Kulturzentrum Mesopotamien (NÇM-MKM) wurde in Istanbul gegründet. Es wurde die Grundlage und der Ort der Entwicklung der kurdischen Kultur im Zuge der zeitgenössischen kurdischen Freiheitsbewegung in Nord-Kurdistan. In den folgenden Jahren wurden jedoch die meisten Zweigstellen in Kurdistan verboten. Sie blieb auf Istanbul, Izmir und Adana beschränkt.

13.11.1991
Der Verband der StudentInnen aus Kurdistan (YXK) wurde nach einigen Vorbereitungstreffen am 12./13.12.1991 in Bochum/BRD gegründet.

08.07.1991
Vedat Aydin, Vorsitzender der Arbeiterpartei des Volkes (HEP) in Amed und Vorstandsvorsitzender der örtlichen Sektion des Menschenrechtsvereins (IHD), wurde am 5. Juni 1991 von türkischen Spezialeinheiten aus seinem Haus geholt, bis zur Unkenntlichkeit misshandelt und ermordet. Der Leichnam von Vedat Aydin wurde am 8. Juni 1991 unter einer Brücke auf einer Landstraße gefunden. An der Trauerfeier am 10. Juni 1991 im Zentrum von Amed nahmen über 100.000 Menschen teil. Der Staat reagiert repressiv. Durch den Kugelhagel der militärischen Spezialeinheiten und der Polizei werden 11 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt. Dieser Protest ist der bis dahin größte Serhîldan der kurdischen Bevölkerung gegen den repressiven türkischen Staat.

November 1991
Die HEP ging bei den Parlamentswahlen ein Bündnis mit der Sozialdemokratischen Volkspartei (SHP) unter Erdal Inönü ein und konnte dadurch 15 Abgeordnete ins türkische Parlament schicken. Unter ihnen war auch Leyla Zana, die einzige Frau. Beim Amtseid im Parlament am 6. November sagte sie - sie trug auch einen Band in den traditionellen kurdischen Farben Gelb, Grün und Rot um den Kopf - einen Satz des Eides auch in Kurdisch. Dies löste einen Tumult unter nationalistischen Abgeordneten aus.


Befreiungskampf und Spezialkrieg in Nord-Kurdistan, „Selbstverwaltung“ in Süd-Kurdistan und Ruhe in Ost-Kurdistan

Der türkische Staat setzte ab 1992 systematisch den Spezialkrieg in Kurdistan nach US-amerikanischem Muster (wie in Vietnam angewendet) um. So wurden systematisch Dörfer in Nord-Kurdistan zerstört (knapp 4.000 an der Zahl), mindestens drei Millionen Menschen vertrieben, die Natur Kurdistans zerstört (Niederbrennen von Wäldern, Äckern und Gärten) und tausende Oppositionelle und Intellektuelle in den kurdischen Städten ermordet. Ziel des türkischen Staates war es, den Kontakt zwischen der Guerilla und der Bevölkerung zu trennen, wozu auch gegen gewisse Regionen in Sirnak, Hakkari und Dersim Nahrungsmittelembargos verhängt wurden. Bei der Ermordung von Oppositionellen und Intellektuellen in den kurdischen Städten wird die Hisbollah, eine bis dahin kleine radikalislamische Gruppe in Kurdistan, vom Staat instrumentalisiert. Der vom Militär zuvor gegründete Geheimdienst JITEM führte die Attentate, Bombenangriffe etc. gegen KurdInnen und andere Oppositionelle im Rahmen dieses Spezialkrieges durch.
Ab 1992 etabliert sich eine autonome Selbstverwaltungsstruktur in Süd-Kurdistan, die jedoch von undemokratischen Verhältnissen nach innen, Korruption und Beeinflussbarkeit durch imperialistische und regionale Mächte gekennzeichnet ist.

21.03.1992
Bei den bisher größten Newroz-Feierlichkeiten in Nord-Kurdistan erschossen die türkischen Streitkräfte über 100 Kurdinnen und Kurden, vor allem in den Städten Cizre, Sirnak und Nisebin. Tagelange dauerten die Unruhen und Proteste an. Dies war ein neuer Höhepunkt des Staatsterrors gegen die Bevölkerung. Ausländische Beobachter berichten von dem Einsatz deutscher Waffen gegen die kurdische Zivilbevölkerung. Rahshan Demirel, eine 17jährige Kurdin verbrennt sich aus Protest gegen den Krieg des türkischen Staates in Kurdistan.

19. Mai 1992
Am 19. Mai 1992 wurde das erste Parlament im selbstverwalteten Teil Süd-Kurdistans gewählt. Das Ergebnis führte zu fast gleichen Sitzverteilung zwischen der YNK und der PDK (YNK 51 Sitze und PDK 49). Daneben bekam die "Demokratische Bewegung" der Assyrer 4 Sitze und die "Christliche Einheit" einen Sitz. Am 4. Oktober 1992 deklarierte das Parlament den "Föderalen Teilstaat Kurdistan". Das Parlament konnte jedoch nicht agieren, da die PDK und die YNK gegeneinander arbeiteten.

30.05.1992
Özgür Gündem, erste prokurdische Tageszeitung in türkischer Sprache, erschien zum ersten Mal nach einer langen Vorbereitungszeit am 30. Mai 1992. Die Redaktion wollte objektiv über den Krieg in Kurdistan berichten. Durch die Vielzahl von Behinderungen und Angriffen ist Özgür Gündem gezwungen, ihr Erscheinen am 15. Januar 1993 vorübergehend und im Februar 1994 endgültig einzustellen.
Viele Menschen, die als Journalisten und im Vertrieb der Zeitung tätig waren, wurden ermordet oder verletzt. Die Vertriebsfahrzeuge und Kioske, die Özgür Gündem verkauften, wurden in mehreren Städten niedergebrannt. In den Jahren 1992 bis 1994 wurden 13 Journalisten ermordet.

Frühling-Sommer 1992
Der Krieg zwischen der PKK Guerilla und dem türkischen Staat erreicht eine bis dahin nie dagewesene Intensität und Ausweitung. Auch in den Provinzen Dersim und Marash (in Kurdisch Tolhildan genannt) nehmen die militärischen Auseinandersetzungen erheblich zu. Es standen sich 1992 etwa 10.000 PKK Guerilleros und über 300.000 türkische Sicherheitskräfte gegenüber. Die Kämpfe fanden im Jahr 1992 vor allem zwischen April und Oktober statt, infolgedessen nach PKK Angaben einige tausend Soldaten und viele hunderte Guerilleros starben.
Im Jahr werden von der türkischen Armee etwa 500 Dörfer zwangsgeräumt (die meisten davon niedergebrannt) und ihre Bewohner vertrieben.

25. Juli 1992
Der Atatürk-Staudamm auf dem Euphrat Fluss wird fertig gestellt. Er dient offiziell der Energieversorgung, Bewässerung und Trinkwasserversorgung. Er ist die größte Talsperre im Rahmen des GAP und der Türkei. Mit diesem Projekt erhält die Türkei die Möglichkeit, das Wasser nach Syrien und in den Irak zurückzuhalten und somit als Waffe einzusetzen, was auch Ende 1998 im Falle von Abdullah Öcalan der Fall war.

01.08.1992
Das erste Internationale Kurdistan-Kultur-Festival wurde in Bochum von 60.000 Menschen mit der Forderung nach Freiheit und Frieden durchgeführt. Zum ersten Mal in der Geschichte des kurdischen Volkes kamen so viele in Europa lebende Menschen für Kurdistan zusammen.

18.08.1992
70 % der kurdischen Stadt Sirnak wird durch türkisches Militär mit schweren Waffen vernichtet. Als Anlass diente ein angeblicher Angriff der Guerilla gegen die Stadt. Drei Tage lang wird die Stadt bei dieser Zerstörung abgeriegelt. Infolge der Angriffe werden mehrere Dutzend Menschen ermordet.

17.09.1992
Während des Treffens der Sozialistischen Internationale in Berlin wurden der Generalsekretär der PDK-Iran, Sadagh Scharafkandi, Repräsentant der PDK-Iran in Frankreich Fattah Abdulli, Repräsentant der PDK-Iran in Deutschland Homayoun Ardalan und der Dolmetscher Nuri Dekhurdi von iranischen Agenten ermordet. Es geht als das Mykonos-Attentat in das Gedächtnis der Öffentlichkeit ein. Dieses Attentat führt zu einer langjährigen Diskussion in der deutsch-europäischen Öffentlichkeit über geheimdienstlichen Aktivitäten des Iran in Europa, das aber nicht dazu trägt, dass die bekannten Mörder durch die BRD aus politischen Interessen an den Iran ausgeliefert werden.

20.09.1992
Der 74-jährige Schriftsteller, Journalist, Historiker und Mitbegründer der Arbeiterpartei des Volkes (HEP) und des Kurdischen Instituts Istanbul, Musa Anter wurde der Counterguerilla in Amed (Diyarbakir) zuerst entführt, erschossen und dann am 20.09.1992 tot aufgefunden. Er ist das prominenteste Opfer der Counterguerilla in diesen Jahren.

Oktober 1992
Die südkurdische PDK und YNK griffen gemeinsam die Lager der PKK-Guerilla in den südkurdischen Bergen nahe zur Türkei (Nord-Kurdistan) an. Nach einigen Tagen marschierte in dieser koordinierten Aktion auch die Türkei in Süd-Kurdistan ein. Die Auseinandersetzungen (auch Südkrieg 1992 genannt) dauern etwa einen Monat in Form eines Frontenkrieges an. Die PKK erlitt zwar relativ hohe Verluste und musste ihre grenznahen Lager räumen, konnte sich aber in Südkurdistan halten und die Stützpunkte direkt an der Grenze zur Türkei später wieder aufbauen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen der PKK vor allem mit der PDK und regelmäßig Invasionen der türkischen Armee in Südkurdistan.
Dieser Angriff der PDK und YNK gegen die PKK erfolgte zum einen infolge eines großen Drucks seitens der Türkei - von der Süd-Kurdistan in gewissem Maße wegen den wirtschaftlichen Beziehungen abhängig war - und auch der USA, zum anderen, weil sich PDK und YNK erhofften, durch die Zerschlagung der PKK unter den Nord-KurdInnen mehr Einfluss zu bekommen.

19. Oktober 1992
Hüseyin Çelebi wird während des "Südkrieges" bei einem Angriff der südkurdischen PDK auf die ARGK in der Region Haftanin getötet. Hüseyin Çelebi hatte in Europa seit Mitte der 80er Jahre viele Institutionen mit aufgebaut und war an der Herausgabe vieler deutschsprachiger Publikationen beteiligt. Für die Entwicklung der Außenarbeit der KurdInnen in Europa war Hüseyin insgesamt eine sehr wichtige Person.
Hüseyin Çelebi ist Ehrenvorsitzender des Verbands der Studierenden aus Kurdistan (YXK). In Erinnerung an ihn wird vom YXK seit 1993 eine Gedichts- und Erzählungenaktivität in Form einer Literatursammlung jährlich durchgeführt.

20. bis 22.11.1992
Erste Wahlen zum kurdischen Nationalparlament in Europa. Insgesamt 153 Delegierte wurden von 87.719 Kurdinnen und Kurden gewählt, darunter 27 Frauen. Auf der Delegiertenkonferenz einen Monat später werden 15 Abgeordnete für die Arbeit im kurdischen Nationalparlament gewählt. Der Versuch ein solches Nationalparlament auch in Nord-Kurdistan durchzuführen, konnte sehr begrenzt durchgeführt werden. Insgesamt wurde ein Jahr später die Idee eines Nationalparlaments nicht mehr weiterverfolgt.

17.03.1993
Der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan verkündete am 17.03.1993 auf einer Pressekonferenz in Bar Elias-Libanon einen einseitigen Waffenstillstand. Abdullah Öcalan erklärte dabei, dass die PKK bereit ist, die kurdische Frage auf politischem Wege zu lösen, nicht mehr auf einem eigenen Staat zu bestehen, vielmehr einen demokratischen föderalen Gesamtstaat zu befürworten und Verhandlungen ohne große Vorbedingungen zu beginnen. Der Waffenstillstand wurde für einen Monat verkündet. Die türkische Öffentlichkeit nimmt diese Entwicklung recht positiv auf; es beginnen weite Diskussionen und die Situation entspannt sich kurz vor Newroz erheblich.
Auf der Pressekonferenz war auch Celal Talabani anwesend. Er traf sich kurz zuvor mit dem türkischen Staatspräsidenten Turgut Özal. Özal traf kurz vor der Verkündung des Waffenstillstandes auch einige HEP-Abgeordnete, wo er sein Interesse am Start eines Dialoges offen darlegte. Der Premierminister Süleyman Demirel verhält sich dagegen zurückhaltend.
Ab diesem Waffenstillstand nimmt die PKK von der Idee eines kurdischen Staates endgültig Abstand. Vielmehr wird eine demokratische Türkei gefordert, in der die KurdInnen ihre grundlegenden kulturellen, sozialen und politischen Rechte in Anspruch nehmen können.

21.03.1993
Die Newroz-Feiern verlaufen wegen dem einseitigen Waffenstillstand in Kurdistan und der Türkei weitgehend friedlich. Es gab keine Tote und wenige Verletzte zu beklagen.

16.04.1993
Auf einer zweiten Pressekonferenz am 16. April 1993 in Bar Elias im Libanon erklärte Abdullah Öcalan, dass der Waffenstillstand unbefristet verlängert sei, damit der neue eingeschlagene Weg eine ernsthafte Chance erhält.

17.04.1993
Nur einen Tag nach der Verlängerung des einseitigen Waffenstillstandes starb Turgut Özal, was für den Friedensprozess ein entscheidender Rückschlag ist. Offiziell erlag er einem Herzinfarkt. Doch höchstwahrscheinlich wurde er von denjenigen Kreisen ermordet, die seine Ambitionen, einen Friedensdialog mit den KurdInnen zu beginnen, skeptisch gegenüber standen und den Krieg und die Repression fortgesetzt haben wollen.
Wenige Tage nach dem Tod von Özal verlor auch Bitlis, einer der höchsten Generäle der Türkei, sein Leben durch einen Absturz eines Armeejets. Bitlis stand Özal sehr nahe. Damit waren die zwei wichtigsten Protagonisten eines Dialogs aus dem Weg geräumt. Anschließend kamen von türkischer Seite kaum noch positive Signale.
April/Mai 1993
Nach dem Tod von Turgut Özal wurde der damalige Premierminister Süleyman Demirel vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählt. Er blieb bis 2000 im Amt.
Gleichzeitig wird die bis dahin relativ unbekannte DYP-Abgeordnete Tansu Çiller zur Premierministerin. Sowohl Çiller als auch Demirel leugneten die kurdische Frage weiterhin und setzten zusammen mit dem Militär und dem höchsten türkischen General Dogan Güresh den Spezialkrieg in höchster Intensität um. Kurz nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Demirel und Çiller nahmen die Militäroperationen wieder zu.

07.05.1993
Die Demokratie Partei (DEP) wurde am 7. Mai 1993 gegründet. Auch gegen die DEP wurden die Repressionen unvermindert fortgesetzt. Die Provinz- und Kreisgebäude der Partei wurden bombardiert, Festnahmen und Folter an den Führenden Politikern wurden verstärkt.

24. Mai 1993
In der Provinz Bingöl wurden 33 Soldaten durch den ARGK-Kommandanten Shemdin Sakik umgebracht. Dies war keine von der PKK Zentrale verordnete Aktion, vielmehr eine Aktion in eigener Sache. Die PKK verurteilt später diese Aktion; Shemdin Sakik floh 1998 von der PKK und arbeitete anschließend mit dem türkischen Staat zusammen. Durch diese Tat wird der Waffenstillstand jedoch wirkungslos. Die türkische Öffentlichkeit nimmt von einem möglichen Friedensdialog ganz Abstand und die Militäroperationen erreichen wieder eine hohe Dimension.

8. Juni 1993
Die PKK hebt den einseitigen Waffenstillstand auf, nach dem ab Mai die militärischen Auseinandersetzungen in Nord-Kurdistan wieder zunahmen und der türkische absolut kein Interesse an seiner Fortführung zeigte. Ab jetzt intensivierte sich der Krieg, der gegenüber 1992 noch brutaler vom türkischen Staat geführt wurde. 1993 wurden noch mehr Dörfer als 1992 zerstört und ihre Bewohner vertrieben. Die systematischen Verhaftungen nahmen spürbar zu. Die Hisbollah ermordete auf offener Strasse vor allem in den Städten Amed, Batman und Farqin (Silvan) weiter. Die Bevölkerung in den Städten eingeschüchtert. Die Wirtschaft kam zum Erliegen und die Menschen verarmten weiter, auch durch die Massenzuflucht verursacht. Die Bevölkerungszahl in Städten wie Amed und Batman verdoppelte sich innerhalb von 2-3 Jahren.

02.07.1993
Bei einem gezielten Massaker in Sivas wurden 37 systemkritische Schriftsteller, Künstler und Sänger ermordet. Die im Hotel Madimak versammelten Menschen werden von einem aufgebrachten islamisch-faschistischen Mob umzingelt. Durch ein gelegtes Feuer verbrannten sie in diesem Hotel. Das Massaker wurde staatlichen Stellen stundenlang geduldet bevor eingeschritten wurde, womit dies erst möglich wurde. Die Schriftsteller, Künstler und Sänger trafen sich in Sivas anlässlich des alewitisch-kurdischen historischen Dichers und Volkshelden Pir Sultan Abdal, der in Sivas vor 400 Jahren einen Widerstand anführte, zu einer Versammlung.

14.07.1993
Die Ansprache des Vorsitzenden der HEP, Fehmi Isiklar, wurde zum Anlaß genommen, die Partei per Gerichtsbeschluss zu schließen.

15.08.1993
Bei Demonstrationen anlässlich der Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK am 15. August vor neun Jahren kam es in Malazgirt (Provinz Mush) und Digor (Provinz Kars) zu Massakern gegen die Bevölkerung. Es wurde direkt auf die Menschen scharf geschossen. In beiden Städten starben dabei jeweils 25 Menschen.

04.09.1993
2. Internationales Kurdistan-Kultur-Festival in Frankfurt mit ca. 100.000 Teilnehmern. Seitdem wird in Europa jährlich dieses Festival mit jeweils rund 100.000 Teilnehmern Anfang September durchgeführt.
Am gleichen Tag wurde der Abgeordnete der DEP, Mehmet Sincer, von der Counterguerilla in Qoser (Kiziltepe)/Merdîn ermordet.

22.10.1993
Erhebliche Zerstörung der Kleinstadt Lice (Provinz Amed) durch türkisches Militär ähnlich dem Muster im September 1992 in Sirnak. Dutzende Menschen ließen dabei ihr Leben. Lice war eine der Hochburgen der PKK, hatte aber auch eine Symbolwirkung, weil die PKK hier gegründet wurde.

20.11.1993
Die Lehrervereinigung Kurdistans YMK (Yekîtiya Mamosteyên Kurd) wurde in Braunschweig/BRD gegründet.

26.11.1993
Der deutsche Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) verkündete das "PKK-Verbot". Neben der PKK und ERNK, die in Deutschland kein Sitz hatten, werden weitere 34 kurdische Organisationen verboten. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten gegen das Recht verstoßen, seien gegen den "Gedanken der Völkerverständigung" gerichtet und würden die "innere Sicherheit" gefährden.
Es werden Polizeibeamte eingesetzt, die in 19 Städten mit Durchsuchung von privaten Häusern und Vereinen beauftragt werden, die alles Vorgefundene beschlagnahmten. Die Mitglieder der kurdischen Vereine leisteten oft Widerstand, was dazu führte, dass sie wieder geöffnet wurden (unter anderen Namen).
Seit diesem Verbot kurdischer Organisationen wurden und werden regelmäßig kurdische Vereine, Büros, Verlage, private Wohnungen durchsucht und geschlossen, aber auch Veranstaltungen, Demonstrationen, Versammlungen, sogar Feiertage untersagt. Tausende Ermittlungsverfahren wurden seit 1993 eingeleitet und hunderte, ja tausende Menschen zu hohen Geldstrafen verurteilt.

15. Januar 1994
Innerhalb kurzer Zeit werden die berühmten kurdischen Geschäftsleute Savash Buldan und Behçet Cantürk von der Counterguerilla ermordet. Diese waren sehr reich und unterstützten angeblich die PKK. Zuvor am 4. November 1993 hatte die Premierministerin Çiller angekündigt, dass sie über gewisse Geschäftsleute und Schauspieler Bescheid wüßten, die der PKK finanziell halfen, und dass "sie zur Rechenschaft gezogen würden".
2. März 1994
Die Immunität der DEP-Abgeordneten im türkischen Parlament wurde am 2. März 1994 aufgehoben; alle Abgeordneten wurden anschließend in einer unmenschlichen Art und Weise festgenommen. Sofort wurde ein Gerichtsverfahren gegen sie eingeleitet und die lebenslängliche Strafe bzw. Todesstrafe vom Staatsanwalt verlangt. Während einige von ihnen relativ schnell rauskommen, bleiben die prominentesten bzw. beliebtesten DEP-Abgeordneten (Leyla Zana, Hatip Dicle, Selim Sadak, Orhan Dogan) weiter Haft und erhalten jeweils 15-jährige Haftsstrafen.

12./13.03.1994
Die erste internationale Konferenz über Nord-Kurdistan findet in Brüssel statt. Repräsentanten aller bedeutenden kurdischen Organisationen, prominente türkische und kurdische Intellektuelle, Mitglieder von Verbänden und Gewerkschaften, europäische Parlamentarier, Akademiker und Menschenrechtsaktivisten aus ganz Europa, Afrika, den Vereinten Staaten und Kanada kamen zusammen. Die Konferenz fasste eine Reihe von Beschlüssen.

21. März 1994
Nahezu alle geplanten Veranstaltungen anlässlich des kurdischen Newrozfestes werden verboten. Als Reaktion darauf blockieren Kurdinnen und Kurden überall in Deutschland Autobahnen. Es kam zu Hunderten von Festnahmen.

19.-21.03.1994
Nachdem kurdische Newroz-Veranstaltungen in ganz Deutschland kurzfristig verboten wurden, protestierten tausende KurdInnen gegen diese Maßnahmen und blockierten u.a. an mehreren Stellen die Autobahnen. Bei den Autobahnblockaden griff die Polizei ein und es kam zu Auseinandersetzungen, infolge dessen ein Mann sich verbrannte. Er überlebte diesen Brand. Diese Proteste wurden in den deutschen Medien so negativ dargestellt, dass eine anti-kurdische Kampagne gestartet wurde. Der Freiheitskampf der KurdInnen wurde systematisch versucht zu diskreditieren und als terroristisch darzustellen.

21.03.1994
In Mannheim verbrennen sich die beiden Kurdinnen Bedriye Tas (Ronahi) und Nilgün Yildirim (Berivan) aus Protest gegen den Völkermord in Kurdistan und gegen die Verfolgung der KurdInnen in Deutschland. Die Trauerkundgebung in Mannheim wurde verboten und die Stadt in eine Festung verwandelt. Trotz massiven Behinderungen und Wasserwerfereinsatz beteiligten sich 30.000 Menschen an der Kundgebung und setzten sich durch.

Ende März 1994
Die türkische Armee marschierte mit mindestens 10.000 Soldaten in Südkurdistan ein, um gegen die PKK Guerilla vorzugehen. Es kam zu mehreren Gefechten mit Dutzenden Toten. Doch war dieser Einmarsch gegenüber dem vom Oktober 1992 eingegrenzter. Die Truppen wurden recht schnell zurückgezogen.

11.05.1994
Die Demokratiepartei des Volkes (HADEP) wird gegründet. Repressionen, Folter, Drohungen und Mord wurden auch gegen die HADEP fortgesetzt. Die ganze Parteiführung wird noch im Jahre 1994 verhaftet und mehrere Monate lang ins Gefängnis gesteckt. 16 Parteimitglieder der HADEP werden Opfer von "unaufgeklärten Morden".

Frühling 1994
Die Rivalität zwischen der PDK-Irak und YNK über die Verteilung der Einnahmen aus dem Grenzhandel führte 1994 zu einem bewaffneten Konflikt zwischen beiden, der sogar soweit ging, dass die KDP Saddam Hussein um Hilfe bat, um ihren Gegner die PUK aus Hewlêr zu vertreiben. Das tat Saddam Hussein auch. Die PDK kontrollierte den Norden des selbsverwalteten Süd-Kurdistans und die YNK den Süden. Der Konflikt endete erst 1996 in Washington, D.C.

16. Juni 1994
Am 16. Juni 1994 wurde die DEP per Gerichtsentscheid verboten.

01.07.1994
Halim Dener, ein 16-jähriger Kurde wurde im Stadtzentrum von Hannover von einem Zivilpolizisten gezielt erschossen; er hatte zuvor Plakate für die ERNK verklebt.

Frühling-Sommer 1994
Der Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Staat erreichte 1994 seinen Höhepunkt. Die meisten militärischen Auseinandersetzungen fanden in diesem Jahr statt und die meisten Toten auf beiden Seiten sind in diesem Jahr zu beklagen. Nach PKK Angaben starben mehr als 10.000 Soldaten und mehr als 1200 Guerilleros im Jahre 1994. Die PKK hatte 1994 bis zu 25.000 Guerilleros, die Türkei bietete bis zu einer halben Million Militärs auf.
Sommer 1994
Der Kurdische Rote Halbmond (Hevya Sor a Kurdistane) wird 1994 im Exil in Deutschland gegründet und verfügt über verschiedene regionale Stellen. Die Organisation betreut vor allem kurdische Flüchtlinge und Kriegsversehrte aus dem Nordwesten Kurdistans.

Sommer 1994
Der Freie Frauenverband Kurdistans YAJK wurde gegründet. YAJK organisiert kurdische Frauen, die sich für die aktive Unterstützung des Befreiungskampfes in Kurdistan engagieren wollen.
Der Frauenfrage wird in der PKK ein hoher Stellenwert beigemessen. Ohne die Befreiung der Frau könne es keine Befreiung geben. Die Frauenbefreiung wird als eine "Revolution in der Revolution" gesehen. Frauen seien in Kurdistan einer doppelten Unterdrückung ausgesetzt. Auf der einen Seite die koloniale Unterdrückung, auf der anderen die als Frauen.

03.12.1994
In der Nacht zum 3. Dezember 1994 wurde das Zentralbüro der Tageszeitung Özgür Ülke (Nachfolger von Özgür Gündem) in Istanbul und ihr Zweigbüro in Ankara durch Bombenattentate völlig zerstört. Der Redaktionsmitarbeiter Ersin Yildiz kam dabei ums Leben und 20 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Angriff war auf das Konto der Counterguerilla zurückzuführen.
Özgür Ülke konnte nach zwei Tagen dank der Solidarität anderer linker Zeitungen wieder mit dem Titel "Dieses Feuer wird auch euch erfassen" erscheinen. Doch noch nur wenigen Wochen später wurde der Vertrieb eingestellt, weil jede Ausgabe beschlagnahmt wurde. Die Herausgabe der Tageszeitung Özgür Ülke wurde dann am 03.02.1995 verboten.


08.-27.01.1995
5. Kongreß der PKK fand unter der Losung "Bildung der Volksmacht", ab. Neben der Verabschiedung des neuen Parteiprogramms, was das alte von 1978 ersetzte, wurde auf dem 20tägigen Kongreß die Praxis der letzten 4 Jahre ausgewertet. Anfang 1995 konnte die PKK eine militärische Stärke in Kurdistan erreichen, wonach weder die türkische Armee noch die PKK gewinnen konnte. In dieser Phase wollte die PKK in den Gebieten, in denen ein Kräftegleichgewicht herrschte, mit dem Aufbau von Institutionen eines neuen Staates beginnen. Dies stand unter der Losung "Bildung der Volksmacht".
Auf dem 5. Kongreß wurde auch beschlossen, die Arbeit der DHP (Revolutionäre Volkspartei, stand der PKK sehr nahe und war von 1993 bis 1999 in türkischen Provinzen propagandistisch und militärisch aktiv) stärker zu entwickeln und sämtliche türkische demokratische und revolutionäre Kräfte nach Kräften zu unterstützen. Es wurde auch ein Beschluss über die internationalen Aufgaben gefaßt, in dem die Orientierung auf eine neue sozialistische Internationale festgelegt wird. Diese konnte in den folgenden Jahren nicht realisiert werden.

Februar 1995
Im Februar 1995 unterzeichnete die PKK die Genfer Konvention.
Ende März -April 1995
Die türkische Armee marschierte mit 50.000 Soldaten in die kurdischen Gebiete des Nordirak ein; Ziel war die Zerstörung der Camps der PKK. Die PDK-Irak und YNK beteiligen sich nicht an den Angriffen gegen die PKK, jedoch lassen sie die türkische weit (bis zu 40km) ins südkurdische Gebiet einmarschieren. Die internationale Press berichtete sehr ausführlich über diesen Einmarsch. Nach drei Wochen ziehen sich die türkischen Truppen weitgehend erfolglos zurück.

April 1995
Seit Mitte April 1995 versucht "Yeni Ülke" mit ihrem Erscheinen, die Tradition der beiden vorherigen prokurdischen Tageszeitungen fortzusetzen. Schon im Juli 1995 wurde auch diese Tageszeitung verboten.

12.04.1995
Gründung des Kurdistan Exil-Parlaments (PKDW) in Den Haag / Niederlande. Es besteht aus 65 Mitgliedern, die sich aus einigen der ehemaligen Abgeordneten und Bürgermeistern der DEP, den gewählten Vertretern der politischen Parteien und Organisationen, den Vertretern des assyrischen Volkes und anderen nationalen Institutionen und Einrichtungen, der religiöse Gemeinschaften, den Vertretern der Arbeiter- und Gewerbetreibender, den Frauen-, Jugend- und Berufsorganisationen und VertreterInnen der kurdischen Intellektuellen- und Wissenschaftlern zusammensetzt. Yashar Kaya ist der erste Präsident des Exil-Parlaments. Das Kurdistan Exil-Parlament ist mit der Hauptaufgabe gegründet worden, einen Nationalkongress der KurdInnen herauszubilden.

15.05.1995
Das erste kurdische Fernsehsender Med-TV begann am 15.05.1995 regelmäßig Sendungen in kurdischer, türkischer, assyrischer und arabischer Sprache in ganz Europa, Nordafrika und den Mittleren Osten auszustrahlen. Schon Ende März 1995 gab es erste Probesendungen.

29.05.1995
Seit dem 27. Mai 1995 versammelten sich die "Mütter der Verschwundenen", die jeden Samstag in Istanbul mit Fotos ihrer vom Staat verschleppt und ermordeten Angehörigen. Sie protestieren gegen die Politik des Verschwindenlassens in der Türkei und in Nord-Kurdistan. Sie so genannten Samstagsmütter führen zwei Jahre lang diese Protestaktion durch.

14.07.1995
In den Gefängnissen der Türkei und Kurdistans traten die 10.000 PKK-Häftlinge in den unbefristeten Hungerstreik. Außerhalb der Gefängnisse schlossen sich mehrere Tausend KurdInnen als Unterstützter diesen Hungerstreikenden an. Der Hungerstreik endet nach knapp zwei Monaten.
Um sich mit den Hungerstreiken zu solidarisieren begannen ab 20.07.1995 Hungerstreiks in den wichtigsten Zentren Europas. Die deutsche Polizei griff die Hungerstreikenden in Frankfurt und Berlin gewaltsam an, es kam zu tagelangen Auseinandersetzungen und hunderten Festnahmen. Eine Teilnehmerin des Hungerstreiks, Gülnaz Baghistani, in Berlin verlor durch Herzinfarkt ihr Leben.
Nach diesen Ereignissen fanden im Herbst 1995 Gespräche der PKK mit Vertretern der deutschen Regierung statt. Daraufhin nahm die Repression gegen die KurdInnen etwas ab, was zunächst zu keinen weiteren Ausschreitungen mehr führte.

Ende August 1995
In Europa wurde mit "Özgür Politika" (Freie Politik) eine eigenständige kurdische Tageszeitung seit Ende August 1995 herausgegeben. Sie konnte sich besser den Bedürfnissen der KurdInnen in Europa anpassen und unabhängig von den ständigen Verboten in der Türkei ununterbrochen erscheinen. In den drei Jahren zuvor erschien immer die in der Türkei erschienene Zeitung auch in Europa.

09. bis 11.08.1995
Zur Beendigung der Auseinandersetzun-gen zwischen der PDK-Irak und YNK in Süd-Kurdistan fand in Dublin/Irland das zweite Treffen statt. Es nahmen auch die USA und Großbritannien teil. Es kam jedoch zu keiner ernsthaften Einigung.

September 1995
Aachener Friedenspreis 1995 wurde an die inhaftierte kurdische Abgeordnete Leyla Zana verliehen. Sie wurde auch für den Nobelpreis nominiert.

14.12.1995
Der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, Abdullah Öcalan, ruft in einer Sendung des kurdischen Fernsehsenders Med-TV den zweiten einseitigen Waffenstillstand nach 1993 mit der Türkei aus.

24.12.1995
Die Parlamentswahl wurde etwas vorgezogen am 24.12.1995 in der Türkei durchgeführt. Die HADEP erreichte 4,3 % der gesamten Stimmen, was deutlich weniger als erwartet war. Damit scheiterte sie an der landesweiten 10% Hürde, um ins Parlament zu kommen. Während die in der Hälfte der kurdischen Provinzen die HADEP führende Partei war, bekam sie kaum Stimmen aus den westlichen kurdischen Provinzen wie Dîlo, Semsur (Adiyaman), Meleti und Marash und von den in den Großstädten der Türkei lebenden KurdInnen. Gründe für dieses Abschneiden waren Repressionen gegen den Wahlkampf und gegen viele kurdische Dörfer, die schwache Struktur der HADEP in vielen Provinzen und Wahlfälschung. Die Stimmen von 4 bürgerlichen Parteien liegen zwischen 21 und 15 %. Die stärkste Partei wird die islamische Refah Partei (RP) mit 21%. Doch wird zunächst eine Koalition aus drei bürgerlichen Parteien (ANAP, DYP und DSP) gebildet.

21.03.1996
Newroz konnte in Kurdistan wegen den Repressionen nur im kleinen Maßstab gefeiert werden. In den türkischen Städten wie Istanbul (20.000) und Mersin (80.000) hingegen offener.
Die geplante große Newrozfeier in Dortmund wurde einen Tag vorher von der deutschen Polizei verboten. Die Polizei versuchte, die mit Bussen ankommenden Menschen zu stoppen und zurückzuschicken. Die harte Haltung der Polizei führt zu Ausschreitungen mit vielen verletzten KurdInnen. In den deutschen Medien wurden stattdessen zwei verletzte Polizisten, die zuvor in eine Menschenmenge mit dem Auto fuhren, gezeigt und gezielt eine antikurdische Atmosphäre geschaffen.

27.03.1996
Am 27. März 1996 begannen über 1.500 linke politische Gefangene in 43 Gefängnissen in der Türkei und in Kurdistan einen Hungerstreik. Über 10.000 kurdische und türkische politische Gefangene beteiligten sich mit Unterbrechungen daran.

Juni 1996
Der im März begonnene Hungerstreik wurde zu einem dominierenden Thema in der Türkei, nach dem mehrere Gefangene ihr Leben verloren. Unter tagelangen Vermittlungen von Intellektuellen und anderen wurde zwischen Gefangenen und Regierung verhandelt, ein Abkommen erzielt und der Hungerstreik beendet. Für die Durchsetzung grundlegender menschlicher Forderungen verloren insgesamt 13 Gefangene ihr Leben.

28.06.1996
Zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei wurde mit Necmettin Erbakan ein Islamist Ministerpräsident der Türkei. Seine Wohlstandspartei (RP) ging eine Koalition mit der DYP von Tansu Çiller ein, die ein Jahr andauerte. Durch diese Koalition wurde die Laizismusdebatte in der Türkei angeheizt. Erbakan verfolgte ansatzweise eine etwas andere Politik gegenüber den KurdInnen. So gab es indirekte Briefwechsel mit der PKK, die jedoch zu nichts führten.

30.06.1996
Zeynep Kinaci (Zilan) verwirklicht während einer Militärparade in Dersim, die erste "Selbstauf-opferungsaktion" (Selbstmordaktion), infolgedessen neun türkische Soldaten sterben. Es war die erste Aktion der PKK dieser Art. In den kommenden zwei Jahren fanden zwei weitere ähnliche Aktionen gegen türkische Polizei und Militär statt.

Juli 1996
Der zweit einseitige Waffenstillstand der PKK wird aufgehoben, nach dem die Regierung nicht darauf einging und in der türkischen Öffentlichkeit sich keine Bewegung für den Frieden formierte. Schon ab Mai nahmen die militärische Operationen der türkischen Armee und folglich Auseinandersetzungen mit der ARGK Guerilla zu.

Sommer 1996
Der türkische Geheimdienst führte ein Attentat gegen Abdullah Öcalan durch. Ein LKW detonierte vor einem Haus, wo sich Öcalan doch nicht aufhielt.

26.10.1996
Sondereinheiten und Soldaten griffen die politischen Gefangenen des Gefängnisses in Amed mit Waffen an. Zehn kurdische politische Gefangene werden bestialisch ermordet. Die Verantwortlichen dieses Massaker wurden in den kommenden Jahren trotz Verfahren nie geahndet.

17.08.1996
Die PDK-Irak griff mit Hilfe der irakischen Armee einige kurdischen Städte, die von der YNK kontrolliert werden, an und eroberte vor allem die Hauptstadt Hêwler. Damit erkämpfte sie sich einen leichten Vorteil gegenüber der YNK.

Dezember 1996
Mit der türkischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front, ehemals Dev-Sol) unterzeichnete die PKK Dezember 1996 ein gemeinsames Protokoll zur Zusammenarbeit auf allen Ebenen und zur Bildung einer gemeinsamen Front. Diese führte jedoch nicht zu einer ernsthaften Annäherung beider Basen. Diese Front wurde 1998 aufgelöst.

28. Februar 1997
Der Nationale Sicherheitsrat (MGK), von Militärs dominiert und die de-facto Regierung in der Türkei seit dem Militärputsch 1980, fasste mehrere Beschlüsse gegen die Islamisierung des Landes. Diese basierten auf einem Bericht des Geheimdienstes. Die Regierung von Necmettin Erbakan wurde unter großen Druck gesetzt (in der türkischen Literatur wird dies auch als Postmoderner Putsch bezeichnet). Auch marschierten in den Strassen von Ankara Panzer als Ausdruck des Machtanspruchs. Im Juni scheitert schließlich diese Koalition.

12.05.1997
Die türkische Armee begann eine weitere eine Großoffensive gegen die Stellungen der PKK-Guerilla in Süd-Kurdistan. Bei dem Einsatz, der von der PDK-Irak geduldet wurde, kamen bis zu 70.000 Soldaten zum Einsatz. Erklärtes Hauptziel der Türkei war die Eroberung des Zap-Tales, was 10-20 km entfernt zur türkischen Grenze lag, wo angeblich die Zentrale der PKK gelegen wäre. Türkische Soldaten kamen zwar ins Zap-Tal, doch wurden sie nach Abschuss eines mit Kommandeuren besetzten Helikopters schnell zurückgedrängt. Gescheitert zogen sich die türkischen Soldaten am 7. Juli zurück. Insgesamt starben wieder hunderte Menschen - vor allem Soldaten - bei diesem Angriff.

23. Mai 1997
Bei den iranischen Präsidentschaftswahlen wurde Mohammad Khatami etwas überraschend gewählt, womit er Rafsandschani ablöste. Khatami repräsentierte den politisch gemäßigten Teil des Staates. Er konnte nur einige Reformen in seiner achtjährigen Herrschaft durchsetzen.

26.08. bis 1. September 1997
Der aus Europa kommende und lange vorbereitete Friedenszug "Musa Anter" wird bei Urfa (Riha) von türkischen Soldaten gestoppt. Der Zug kam eigentlich nur bis Bulgarien voran, dann wurde mit Bussen weiter gefahren.

25.09.-15.10.1997
Zwanzig tage lang führen türkische Truppen wiederholt in Süd-Kurdistan Operationen gegen die PKK durch.

Ende 1997
Die kurdischen Parteien PKK, PSK, Rizgari, HIK (Harekata Islamiya Kurdistan - Islamische Bewegung Kurdistans), KKP (Kommunitische Partei Kurdistans) gründeten die "Plattform Nord-Kurdistan". Damit die kleineren nordkurdischen Parteien zum ersten Mal mit der PKK in einem Bündnis zusammen. Nach dem Strategiewechsel der PKK im Jahre 1999 löste sich diese Plattform auf.

08.01.1998
Der kurdische Student Ümit Cihan Tarho, wird in der Inönü-Universität in Meletî (Malatya) von türkischen Faschisten (Graue Wölfe) angegriffen und ermordet. Ümit setzte sich für die Rechte der Studierenden an der Universität und KurdInnen in der Türkei ein.

März 1998
Die türkische Armee marschierte für etwa zehn Tage in den Süden Kurdistan, um PKK Stellungen dort anzugreifen. Es nahmen mehrere tausend Soldaten daran teil, womit es vom Ausmaß deutlich kleiner als der Einmarsch 1997 war.

12.05.1998
Eine faschistische Gruppe führte ein Attentat auf Akin Birdal, dem Vorsitzenden des Menschenrechtsvereins (IHD), durch. Akin Birdal überlebte trotz neun Kugeln schwer verletzt. Er war eine sehr bekannte Person in der Türkei, die sich seit den 80er Jahren gegen Menschenrechtsverletzungen einsetzte.

Juni 1998
In Kirikkale (70km östlich von Ankara) wurde eine Waffenfabrik in die Luft gesprengt. Die Fabrik war anschließend für Monate nicht mehr betriebsfähig.

01.09.1998
Am 28.08.1998 verkündete Abdullah Öcalan während einer internationalen Telekonferenz im kurdischen Med-TV den dritten einseitigen Waffenstillstand der PKK nach 1993 und 1995. Ab dem 1. September, dem "Weltfriedenstag", ruhten die Waffen der ARGK.
Zuvor stellte das türkische Militär von der Öffentlichkeit versteckte Beziehungen zur PKK auf. Sie forderten von der PKK einen einseitigen Waffenstillstand, damit ein neuer Prozess für einen Dialog eingeleitet werden könnte.

September 1998
Nach der Verkündung des einseitigen Waffenstillstands befolgte die PKK Guerilla diesen Schritt. Doch die Angriffe des türkischen Militärs gingen weiter. Es stellte sich schnell heraus, dass es sich um ein Täuschungsmanöver handelte. Denn ab Mitte September verschärfte sich der Ton der Türkei gegenüber Syrien, sie forderte die Ausweisung von Abdullah Öcalan aus Syrien bzw. Libanon. Das türkische Militär marschierte an der Grenze zu Syrien auf und es wurde offen mit Krieg gedroht. Auch wurde das Euphrat-Wasser nach Syrien spürbar zurückgedreht, was durch die Errichtung des Atatürk-Staudamm und -sees möglich war. Diese Drohungen wurden durch ein Nato Manöver im östlichen Mittelmeer verstärkt.


Internationales Komplott gegen die kurdische Freiheitsbewegung

Anfang Oktober 1998
Der ägyptische Ministerpräsident Mubarek spielte die Vermittlerrolle zwischen der Türkei und Syrien. Genaueres davon gelangte nicht an die Presse.

09.10.1998
Der Druck Syriens auf die PKK nahm so sehr zu, dass Abdullah Öcalan Syrien und Libanon verlassen muss. Damit begann der "Internationale Komplott" gegen die kurdische Freiheitsbewegung und ihre Führung. A. Öcalan begibt sich zunächst nach Russland. Weil der Druck in Russland groß war, ging er zunächst nach Kasachstan, wo tausende KurdInnen lebten. Doch hier ergab sich von Anfang an keine Perspektive.

20.10.1998
Am 20. Oktober 1998 kam es in der türkischen Stadt Ceyhan zu zweitägigen Geheimverhandlungen zwischen der Türkei und Syrien. Nach dem Abdullah Öcalan Syrien verlassen hatte, verpflichtete Syrien sich daraufhin, gegen die PKK vorzugehen und jegliche Unterstützung einzustellen. Ab diesem Zeitpunkt verbessern sich langsam aber stetig die Beziehungen zwischen beiden Staaten.

22.10.1998
Andrea Wolf (Ronahî), eine deutsche Guerillakämpferin bei der ARGK, wird bei Catak im Norden Kurdistans bei einer Operation der türkischen Armee gefangen genommen und anschließend hingerichtet. Ronahî zeigte zuvor viele Jahre lang ein antifaschistisches Engagement in Deutschland und weltweit.

12.11.1998
Ankunft des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan in Rom (Italien), um eine friedliche und demokratische Lösung der Kurdenfrage unter Beteiligung der Europäer zu erreichen. Er stellt kurz nach seiner Landung einen Antrag auf Asyl. Die Weltpresse berichtet sehr ausführlich darüber. In den folgenden Tagen machten sich zehntausende KurdInnen aus ganz Europa auf dem Weg nach Rom, um ihre Sympathie mit Öcalan zu bekunden. Über zehn Tage hausen tausende KurdInnen in den Straßen von Rom vor dem Militärhospital, wo Öcalan sich in seinen ersten Italien-Tagen aufhielt. Hunderte Italiener zeigten in diesen Wochen ihre Solidarität mit den KurdInnen.

27.11.1998
Großdemonstration in Bonn mit 100.000 Teilnehmern für den Frieden und Freiheit in Kurdistan. Die Forderungen lauteten:
- Die Anerkennung Abdullah Öcalan als Repräsentant des kurdischen Volkes.
- Eine internationale Konferenz für den Frieden in Kurdistan unter Beteiligung aller Konfliktparteien.
- Aufhebung des “PKK-Verbots” in Deutschland.
Am gleichen Tag entscheidet die deutsche Regierung, den seit Jahren existierenden internationalen Haftbefehl gegen Öcalan auszusetzen. Damit endet die seit einer Woche stattfindende Diskussion. Damit wurde der Weg für die weitere Odyssee von Öcalan freigemacht. Denn somit erschwerte sich die Möglichkeit weiter, in Europa zu bleiben.

November-Dezember 1998
Die Türkei und die USA übten großen Druck auf die italienische Regierung unter Massimo D'Alema aus, damit dieser Öcalan keinen Asylstatus gewährt und ihn ausweist. In der Türkei wurde eine nationalistische Hetzkampagne gegen Italien und seine Wirtschaftsprodukte gestartet. Der Druck der USA fand hinter den Kulissen statt.

Anfang Dezember 1998
Das russische Parlament stimmt mit überwältigender Mehrheit für eine Anerkennung von Abdullah Öcalan als politischer Flüchtling an.

16.01.1999
Nach vielen Gesprächen und Abmachungen mit der italienischen Regierung verließ Öcalan am 16. Januar 1999 Italien zunächst mit für die Öffentlichkeit unbekanntem Ziel. Unter anderem gab es die Zusage von d'Alema und der italienischen Regierung, daß Italien seine Bemühungen fortsetze, um die Voraussetzungen für einen Aufenthalt des Parteivorsitzenden in einem Drittstaat zuschaffen.
Öcalan traf zuerst in Moskau ein. Zur Wahrnehmung seiner eigentlichen Aufgaben wollte er nach einem kurzen Aufenthalt zu seinem Ziel - Mitte-West Europa- zurückkehren. Als die USA auch großen Druck auf Russland üben, ergab sich keine Möglichkeit trotz anerkanntem Asyl, in Russland weiter zu bleiben.
So reiste Öcalan am 29. Januar nach Griechenland. Dort gab es Treffen mit Verantwortlichen, um Gespräche zu führen, an denen unter anderen Ministerpräsident Simitis, Außenminister Pangalos, Innenminister Populupolas, der Minister für öffentliche Sicherheit und der Chef des Geheimdienstes Savrakakis (er begleitete Öcalan tagelang) teilnahmen. Die genannten Verantwortlichen machten Öcalan Versprechungen, gaben jedoch auch Garantien: es sei vieles in positiver Hinsicht machbar, wenn ihnen nur Zeit eingeräumt würde, um die internationale Öffentlichkeit und die EU in Bewegung setzen zu können. Daher wäre es notwendig, Griechenland erst einmal zu verlassen. So forderte die griechische Regierung Öcalan auf, das Land schnell zu verlassen. Öcalan blieb nichts anderes einzuwilligen, da gleichzeitig ein großer Druck auf ihn ausgeübt wurde. Öcalan flog mit einem griechischen Flugzeug nach Minsk, wo ihn ein anderes Flugzeug in die Niederlande bringen sollte. Er wollte vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag den Völkermord des türkischen Staates am kurdischen Volk anzuzeigen und somit einen Prozess einzuleiten. Da jedoch das zweite Flugzeug nie da war, flog er nach einem kurzen Aufenthalt in Minsk zurück nach Griechenland. Nun wurde ihm versprochen, dass er nach Südafrika gehen könnte. Doch das griechisch gesteuerte Flugzeug landete am 2. Februar 1999 in Nairobi/Kenia. Öcalan wurde sodann in der griechischen Botschaft untergebracht. Ihm wurde immer mitgeteilt, dass er in wenigen Wochen nach Südafrika weiterreisen könnte.

15.02.1999
Abdullah Öcalan wurde in einer Geheimdienstoperation, an dem auch Mossad und die CIA maßgeblich beteiligt waren, aus der griechischen Botschaft in Kenia heraus in die Türkei entführt. Millionen KurdInnen auf der ganzen Welt bringen ihren Wut, Schmerz und Trauer auf die Straßen und protestieren heftig gegen die Verschleppung von Öcalan.
Die Proteste der ersten Tage wurden in Kurdistan sehr repressiv unterdrückt. In Europa und insbesondere in Deutschland kam es zu mehreren Besetzungen griechische Konsulate.

16.02.1999
Abdullah Öcalan wurde nach seiner Verschleppung in die Türkei sofort auf die Gefängnisinsel Imral? gebracht. Alle dort Inhaftierten wurden woandershin verlegt, somit wurde er zum einzigen Inhaftierten auf dieser Insel im Marmara Meer.

Mitte Januar 1999
Der 6. PKK-Kongress fand in den Bergen Süd-Kurdistans statt. Die Verschleppung von Öcalan durch internationale Mächte führte zu Beschlüssen, die den Krieg in Kurdistan und in der Türkei ausweiten sollten. Diese wurden jedoch infolge des im Sommer 1999 einsetzenden Strategiewechsels nicht umgesetzt.

17.02.1999
Bei einem Protest vor dem und im israelischen Konsulat in Berlin schießen Sicherheitsbeamten des Konsulats mit Maschinenpistolen gezielt auf die Menschen. Vier KurdInnen, darunter ein 18jährige Kurdin, wurden tödlich getroffen. 18 Personen werden teilweise schwer verletzt und 229 KurdInnen von der Polizei festgenommen.

Februar-März 1999
In Nord-Kurdistan fanden täglich Massenproteste der Bevölkerung gegen die Verschleppung von Abdullah Öcalan und den türkischen Staat statt. Vor allem in den größeren Städten Amed, Batman und Wan, aber auch in Istanbul kam es neben Demonstrationen und Blockaden auch zu Angriffen gegen staatliche Ziele.
In Ost-Kurdistan protestierten auch viele hunderttausende Menschen. Vor allem in den Städten Urmiye, Mahabad und Sine versammelten sich mehrmals je zehntausende Menschen. Der Grenzübergang in die Türkei zwischen Urmiye und Hakkari, Esendere, wird von der ostkurdischen Bevölkerung zweimal blockiert.

21.03.1999
Größere Newrozfeiern wurden weitgehend vom türkischen Staat mit größter Repression unterbunden. Diese fanden im kleineren Maßstab in den jeweiligen Stadtteilen oder Dörfern.

17.04.1999
In Bonn demonstrieren knapp 200.000 Menschen für die Freiheit von Abdullah Öcalan. Es ist die größte Demonstration der KurdInnen in Europa, die je bisher stattgefunden hat.

18.04.1999
Parlaments- und Kommunalwahlen in der Türkei. Die HADEP erreichte knapp 4,8 % der Stimmen, erhöht zwar ihren Stimmenanteil, verfehlt aber weiterhin den Einzug ins Parlament. In den meisten kurdischen Provinzen wurde sie die stärkste Partei und eroberte in Nord-Kurdistan 39 Bürgermeisterämter. Die DSP (Demokratische Linkspartei) unter Ecevit und die MHP (Nationale Bewegungspartei) unter Bahçeli sind mit 21 bzw. 18 % der Stimmen die Wahlsieger. Sie stellen zusammen mit der ANAP (Mutterlandspartei) unter Yilmaz eine Dreierkoalition bis 2002.

24.05.1999
In Amsterdam gründeten 189 Delegierte von mehr als zwanzig Parteien und Organisationen allen Teilen Kurdistans den Nationalkongress Kurdistans (KNK). Abdullah Öcalan wurde einstimmig zum Ehrenvorsitzenden des "Nationalkongress Kurdistans" gewählt. Zum ersten Vorsitzenden des KNK wird Prof. Ismet Sherif Vanli gewählt. Der KNK wurde in 15 Komitees gegliedert.


Stopp des Krieges in Nord-Kurdistan, Strategiewechsel und „Demokratische Konföderalismus“


31.05.1999
Der Gerichtsprozess gegen Abdullah Öcalan begann auf der Gefängnisinsel Imrali, wo Öcalan seit Ende Februar festgehalten wurde. Abdullah Öcalan wurde von etwa 100 Anwälten, die sich in dem "Jahrhundertrechtsbüro" (türk: Asrin Hukuk Bürosu) zusammen schlossen, vertreten. Die live vom TV übertragene erste Gerichtsverhandlung bringt für die meisten Menschen eine Überraschung, weil Öcalan nicht zum bewaffneten Widerstand, sondern zu einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und zur Sc haffung einer "demokratischen Republik" Türkei aufruft. Diese Ansprache führt zu vielen Diskussionen in der kurdischen Gesellschaft und Öffentlichkeit, aber auch dazu, dass der seit Monaten aufgebaute türkische Chauvinismus in die Leere läuft. Es entwickeln sich im Laufe des Prozesses interessante Dialoge zwischen A. Öcalan und den Richtern, die teilweise an die Öffentlichkeit gelangen. Am 08.06.1999 plädieren die Staatsanwälte für die Todesstrafe.

29.06.1999
Das türkische Staatssicherheitsgericht verurteilt Abdullah Öcalan zu Tode. Nicht zufällig wurde dieses Datum ausgewählt: Am gleichen Tag im Jahre 1925 wurde der kurdische Anführer Shêx Said in Amed aufgehängt.
Das Verfahren verstieß von Anfang an gegen türkische und internationale Gesetze. Um nur einige zu nennen: Die Vorbereitungsphase war relativ kurz, die Anwälte von Öcalan konnten kaum den mehrere tausend Seiten langen Anklageordner, der ihnen kurze Zeit vor Beginn des Verfahrens gegeben wurde, durchlesen. Die Anwälte konnten sich kaum mit ihrem Mandanten für den Prozess vorbereiten. Es traten keine Zeugen auf. Auch wurde kein Beweismaterial vorgelegt. Die Verfahrenszeit war sehr kurz. Der Angeklagte und die Anwälte wurden durch die Nebenkläger (Verein der Gefallenen) und anwesende Nationalisten (gezielt ausgesuchte Verwandte von getöteten Soldaten) unter Druck gesetzt.

02.08.1999
Abdullah Öcalan rief die PKK auf, ab dem 1. September (Weltfriedenstag), den bewaffneten Kampf in der Türkei einzustellen und alle bewaffneten Einheiten aus dem türkischen Staatsgebiet abzuziehen. Am 05.08.1999 erklärte der Präsidialrat der PKK: "Dieser Schritt ist die effektivste Vorgehensweise, um eine verhinderte Demokratisierung der Türkei und die Verschlossenheit gegenüber der kurdischen Frage zu überwinden. Dieser Schritt wird alle Interessen und die Zukunft des kurdischen Volkes vertreten, allen Feindseligkeiten eine Ende setzen sowie den Frieden und Brüderlichkeit entwickeln."
Damit wird eine grundlegende strategische Änderung vorgenommen, die von nun an die Politik bestimmt. Es dauert ein halbes Jahr, bis die PKK Guerilla sich aus türkischen Staatsgebieten weitgehend nach Süd-Kurdistan zurückgezogen hat. Dabei verlieren mehr als 100 Guerilleros ihr Leben, denn die türkische Armee lässt sie nicht frei abziehen und griff sie immer wieder an.

August 1999
An zwei Universitäten in Ost-Kurdistan, in Mahabad und Sine, wurde jeweils ein kleiner Lehrstuhl zur kurdischen Sprache eingeführt. Doch folgten in den kommenden diesem Schritt keine weitere.

Oktober 1999
Als Geste des guten Willens und der Entschlossenheit zum Aufbau einer Demokratischen Republik und des Friedens gingen zwei "Gruppen für Frieden und Dialog" in die Türkei, die eine bestand aus acht Guerilleros und die andere aus kurdischen Politikern in Europa. Die Gruppen wurden bei ihrer Ankunft verhaftet, verhört und teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Inzwischen sind fast alle Personen wieder auf freien Fuß.

Oktober 1999
Das türkische Kassationsgericht in Ankara bestätigt das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan.

11. Dezember 1999
Der Antrag der Türkei bei der Europäischen Union auf den Kandidatenstatus wird auf einem EU-Gipfel in Helsinki nach vielen langen Verhandlungen angenommen. Die Türkei erhielt offiziell den Status als Beitrittskandidaten zuerkannt. Die vor einigen Monaten von den KurdInnen begonnen Friedenspolitik und die damit sich etwas entspannende Lage in der Türkei trägt zu dieser Entscheidung erheblich bei.

Ende 1999
Die PKK machte zu den Todesopfern des Krieges von 1984 bis 1999 folgende Angaben: 42.459 Tote auf Seiten des türkischen Staates (Soldaten, Polizisten, Dorfschützer, Kollaborateure etc.); 6.671 Tote auf Seiten der PKK. Hinzu kommen 9.000 bis 10.000 Zivilisten sowie etwa 2.000 Opfer von Auseinandersetzungen zwischen PKK, PDK und YNK im Irak.

12.01.2000
Die türkische Regierung setzte das Todesurteil gegen Öcalan aus und will bis zum Ende des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshofes abwarten.

Februar 2000
Die PKK hielt in Kurdistan ihren 7. Parteikongreß ab, in dem sie den neuen strategischen Weg mit Beschlüssen untermauert. Der grundlegende Kampf um die Rechte und Anerkennung der KurdInnen sollte ab jetzt hauptsächlich politisch und nicht mehr militärisch geführt werden. In den Vordergrund wurden die Massenbewegung in den Städten und die demokratische Selbstorganisierung auf lokaler Ebene hervorgehoben. Das Ziel, eine Lösung der kurdischen Fragen innerhalb der bestehenden Grenzen der Türkei zu finden (Demokratische Republik), wurde offen formuliert. Auch für die anderen Teile Kurdistans wurde der gleiche Weg vorgeschlagen.
Aus der ERNK wird die YDK (Yekîtiya Demokratika Gel - Demokratische Volkseinheit) und aus den ARGK die HPG (Hezen Parastîna Gel - Volksverteidigungskräfte).

Ab 2000 bis 2004
Nach dem Strategiewechsel und der weitgehenden Beendigung des Krieges entspannte sich langsam die Lage in Nord-Kurdistan. So nahmen die Straßenkontrollen spürbar auf den Landstraßen ab (sie wurden nie ganz aufgegeben), die militärische Präsenz in den Städten wurde weniger, die Zahl der Verhaftungen und Folterfälle wurde weniger, das Lebensmittelembargo gegen die Dörfer in Botan und Dersim wurde aufgehoben, in einige Dörfer konnten wenige Vertriebene (mit eigenen Mitteln) zurück etc. Grundlegend ist zu erwähnen, dass die Repression insgesamt nie verschwand. Hauptsächlich ist der Rückgang auf die Beendigung des Krieges und die Nichtexistenz von militärischen PKK Einheiten innerhalb des türkischen Staatsterritoriums zurückzuführen.

Anfang März 2000
Die PKK stellte der Öffentlichkeit ein Friedensprojekt für die Lösung der kurdischen Frage vor und richtet diese an die Türkei.

21.03.2000
In Kurdistan, der Türkei und im Mittleren Osten feiern Menschen in einer bisher noch nie gekannten Form Newroz, es kommen mindestens eine Million Menschen zu den Feierlichkeiten, die zumeist friedlich ablaufen. Allein in Amed kommen 250.000 Menschen zusammen. Weitere jeweils hunderttausend in Batman, Wan und Mersin.

Ab 2000
Die Regierung unter Ecevit verabschiedete ab dem Jahr 2000 bis 2002 einige kleinere positive Reformpakete (u.a. die Zivilrechtsreform), auch im Hinblick auf die anvisierte EU Mitgliedschaft. Dabei stellte sich vor allem die in der Regierung befindliche neofaschistische MHP als bremsende Kraft.

Ab 2000
Die wirtschaftliche Lage in Süd-Kurdistan wurde ab 2000 langsam besser. Die Investitionen durch die kurdische Regionalregierung und andere nahmen zu, nach dem die KurdInnen durch die begrenzt erlaubten Erdölexporte Iraks ein 13 % dieser Einnahmen erhielten.

10. Juni 2000
Nach dem Tod des 30 Jahre regierenden Präsidenten Hafiz Al-Assad am 10. Juni 2000 starb, wurde sein Sohn Baschar Al-Assad der neue Präsident Syriens. Die positiven Ansätze im ersten Jahr verlaufen sich schnell. Oppositionelle und die KurdInnen wurden weiterhin verfolgt.

02.09.2000
150.000 Menschen nehmen am alljährlichen "Internationalen Kurdischen Kulturfestival" in Köln teil.

Oktober / Dezember 2000
Die YNK unter Talabani führte militärische Angriffe gegen die PKK Guerilla in der Region um den Kandil-Berg. Mit dem Einmarsch türkischer Truppen Anfang Dezember in Süd-Kurdistan spitzten sich die Kämpfe zu. Doch schnell zogen sich die YNK als auch die Türkei erfolglos zurück. Ab dann konnte sich die PKK dauerhaft in der Region Dreiländereck Irak-Iran-Türkei bis einschließlich des Kandil Berges niederlassen.

24.11.2000
Am HADEP-Kongreß in Ankara beteiligen sich rund 100.000 Menschen.

19.12.2000
Der türkische Staat griff die politischen Gefangenen in vielen Gefängnissen der Türkei an, die gegen die Einführung der Isolationshaft einen Hungerstreik bzw. Todesfasten begonnen hatten. Bilanz: Mehr als 30 massakrierte Gefangene an diesem Tag. Kurz vor dem Angriff scheiterten Versuche von Intellektuellen, die als Vermittler fungierten. Weil die mehrere türkische linke Organisationen den Hungerstreik auf eigene Faust begannen und die Verhandlungen nicht ausschöpften und somit sie teilweise bewusst in Kauf nahmen, hielten sich die Gefangenen der kurdischen Bewegung zurück.
Der Hungerstreik wird nach dem Angriff nicht beendet. Im den kommenden zwei bis drei Jahren forderte er mindestens weitere 80 Tote, weil die türkische Regierung nicht auf die Forderungen der Gefangenen einging.
Nach diesem Massaker wurden in den kommenden Jahren die Isolationsgefängnisse vom Typ F (exportiert aus Europa) weitgehend landesweit durchgesetzt. Viele politische Häftlinge werden in 2-3 Zellen gesteckt. Damit konnte der Staat erheblich die Organisationsstruktur der diversen politischen Organisationen einschränken.

19.01.2001
In Holland wurde der 1. Kurdische Ökonomiekongreß abgehalten und der KARSAZ (Internationaler kurdischer Arbeitgeberverband) gegründet. Karsaz verlegte seinen Sitz nach Frankfurt und brachte hunderte kurdische Geschäftsleute zusammen. Ende 1996 wurde Karsaz jedoch geschlossen.

Ende Februar 2001
Wirtschaftskrise in der Türkei. Die türkische Lira wurde um bis zu 30 % abgewertet, die Inflation steigt wieder rapide an. Die Wirtschaft hatte am Ende des Jahres 2001 ein Minus von 6-7 % an Wachstum. In der Türkei fanden daraufhin landesweite Proteste gegen den türkischen Staat statt.

Newroz 2001
In Kurdistan und in der Türkei feiern etwa 2 Millionen Menschen das Newroz-Fest, allein eine halbe Million in Amed.

12.05.2001
Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren in Dortmund für eine politische Lösung der kurdischen Frage und gegen das PKK-Verbot in der BRD.

Juni 2001
Die KurdInnen führten in Europa die Kampagne der "Selbstanzeige" durch. Knapp 100.000 Menschen zeigten sich bei Staatanwaltschaften als PKK'ler an. Sie forderten die Anerkennung der KurdInnen als ethnische Gruppe, die kulturellen und politischen Rechte und die Aufhebung des sog. PKK-Verbotes.

19.06.2001
Die HADEP führte in der Türkei und in Kurdistan eine Mitgliederkampagne durch, mit dem Ziel 100.000e neue Mitglieder zu erreichen, was nur teilweise gelang. Die nachfolgenden kurdischen Parteien sahen bisher von solchen Kampagnen ab.

11.09.2001
Der von der radikal-islamistischen Organisation El Kaida höchstwahrscheinlich durchgeführte Angriff mit Flugzeugen auf zivile Ziele in New York und Washington DC (Ereignis wird 11. September genannt), infolgedessen etwa 3000 Menschen starben, veränderte die Politik in der ganzen Welt. Jetzt trat der "Kampf gegen den Terrorismus" hervor, der von den USA dazu genutzt wurde, gewisse seit langem geplante Strategien umzusetzen und den jeder Staat für sich auf eine andere Weise interpretierte. So wurden auch viele Befreiungskämpfe versucht zu diskretisieren. Die Türkei war und ist bestrebt, die PKK und ihren Freiheitskamp in diesem Sinne auf der Welt darzustellen. Insgesamt wirkte sich der 11. September negativ auf eine mögliche Lösung der kurdischen Frage aus.

Ende 2001 / Anfang 2002
Nach mehrjährigen Kampagnen in Nord-Kurdistan und in Europa scheiterte vorläufig das Ilisu-Staudammprojekt am Tigris. Die türkische Wirtschaftskrise von 2001 ist dabei auch ein Faktor. Die Proteste entwickelten sich, weil das Projekt schwerwiegende soziale, ökologische, kulturelle und politische Folgen haben würde.

Januar 2002
Kurdische und andere Studierende an den türkischen Universitäten begannen mit einer Muttersprachen-Kampagne. Viele Tausende forderten mit Petitionen von ihren jeweiligen Rektoren die Einführung eine Wahlfaches Kurdisch. Feierlich wurden die Petitionen übergeben. Obwohl die Kampagne auch in den türkischen Medien behandelt wurde und von der kurdischen Bevölkerung Solidarität erfuhr, gingen die Universitäten und die Regierung auf diese Forderungen nicht ein. Die Reaktion der oftmals nationalistischen Hochschulleitungen war hart, sie ließ die Polizei bzw. das Militär aufmarschieren und insgesamt mehrere tausend Studierende festnehmen, hunderte wurden inhaftiert. Die Repression fand an der 100. Jahr Universität in Wan statt. Denn hier hatte die Kampagne besonders viele Unterstützer. Im Jahr 2002 wurden hunderte Studierende von ihren Universitäten ausgeschlossen. So konnten viele ihr Studium nicht abschließen.

21. März 2002
Die Newroz Feiern erreichten hinsichtlich der Teilnehmer ihren Höhepunkt: bis zu 2,5 Millionen Menschen feiern Newroz in Nord-Kurdistan und in der Türkei. Allein 800.000 Menschen in Amed. Ab dann nahmen regelmäßig an den Newroz Feiern 2 bis 2,5 Millionen Menschen teil.

4. April 2002
Die PKK löste sich auf ihrem 8. Parteikongress aus. Stattdessen wurde der KADEK (Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê - Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) ins Leben berufen. Damit sollte dem Strategiewechsel entsprochen und von einer klassischen Parteistruktur Abstand genommen werden. Doch traten bei der Umsetzung der neuen Struktur Probleme und Defizite auf.

2002
Die von der EU nach dem 11. September aufgestellte Liste terroristischer Organisationen nahm die PKK auch auf diese Liste auf.

August 2002
Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten durch das türkische Parlament nach dem Anfang im Juli die Regierung beschloss, frühzeitige Neuwahlen zu halten. Damit ist die Todesstrafe für Abdullah Öcalan endgültig vom Tisch. Gleichzeitig wurde mit einem Beschluss grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen, Kurdisch und andere Sprachen in Privatschulen zu lehren.

2. November 2002
Bei den Parlamentswahlen konnte die DEHAP (trat anstelle der HADEP an, es gab ein Bündnis mit den beiden sozialistischen Parteien EMEP und SDP) ihre Stimmen erhöhen, jedoch nur auf 6,3 %, was wiederum für einen Einzug ins Parlament nicht ausreichte. In der Wahlkampfphase lebte zeitweilig die Hoffnung, dass dieses Mal die 10% Hürde überwunden könnte. Im Anschluss an die Wahl macht sich eine breite Enttäuschung breit. Die Wahlen gewann die von Tayyip Erdogan und Abdullah Gül vor einem Jahr gegründete AKP (Abspaltung von der traditionelleren islamischen Partei SP, die Nachfolgerin der RP und FP ist) haushoch. Mit 34 % der gültigen Stimmen erhielt sie knapp 2/3 der Sitze. Die anderen Sitze errang die inzwischen sehr nationalistisch gewordene CHP unter Deniz Baykal. Alle anderen Parteien scheiterten an der 10% Hürde. Abdullah Gül wurde Ministerpräsident, weil Erdogan wegen einem Politikverbot nicht antreten konnte.

Ende November 2002
Bei einem EU Gipfel in Kopenhagen beschloss die EU, im Dezember 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, sobald die Türkei die Kopenhagener Kriterien erfülle. In den kommenden Jahren wurde eine Reihe von EU Anpassungsgesetzen verabschiedet, die wichtige Reformen für die Türkei beinhalteten. Die Reformen blieben jedoch oft nur auf dem Papier, die Umsetzung wurde selten realisiert.

November 2002
In den letzten zwei kurdischen Provinzen Sirnak und Çolemerg wurde der Ausnahmezustand aufgehoben. Seit 1999 nahm die Zahl der Provinzen in Ausnahmezustand schrittweise ab. Anstelle erhielten die Gouverneure gewisse zusätzliche Machtbefugnisse gegenüber normalen Provinzen. Außerdem änderte das Aufheben an der Praxis der Staatspolitik gegenüber der Bevölkerung kaum was.


US-Besetzung des Iraks und Zuspitzung des politischen Lage in Nord-, Ost- und Südwest-Kurdistan

20. März 2003
Beginn des 3. Golfkriegs im Irak. Die USA und Großbritannien okkupierten innerhalb von zwei Wochen den ganzen Irak, womit Saddam Hussein entmachtet wurde. Die KurdInnen unterstützten als einzige Gruppe im Irak die USA aktiv. In der Folge wurde eine neue Verfassung angenommen und Süd-Kurdistan erhielt einen autonomen Status innerhalb eines föderalen Irak, jedoch ohne die Erdölregion um Kerkuk. Mesud Barzani wurde zum Präsident der Region Kurdistan, sein Neffe Neçirvan Barzani Ministerpräsident.
Dieser Golfkrieg wirkte und wirkt sich sehr negativ auf einen möglichen Friedensprozess in der Türkei aus. Denn die Türkei betrachtete nach den Errungenschaften der KurdInnen im Irak ab 2003 die "eigenen" KurdInnen immer argwöhnischer. Dabei geht es der Türkei vor allem darum, dass die Erdölregion Kerkuk nicht Teil der Autonomieregion Kurdistan wird. Denn - so die Logik des türkischen Staates - mit Kerkuk könnte ein unabhängiger kurdischer Staat seine ökonomische Basis haben. Sie hat in den vergangenen Jahren öfters mit einer Einmischung zugunsten der Turkmenen, von denen einige hundert tausend in und um Kerkuk, aber auch in arabischen Gebieten leben, gedroht. Die Türkei suchte nach der US-Besetzung des Iraks ein engeres Bündnis mit dem Iran und Syrien gegen die KurdInnen. Alle diese drei Staaten erhöhten seitdem langsam ihren Druck auf die KurdInnen in ihren jeweiligen Staatsgebieten.
Ende März 2003
Bei Nachwahlen in der Provinz Siirt (wegen angeblichen Ungereimtheiten) konnte Erdogan ins türkische Parlament gewählt werden. Kurz zuvor wurde das Politikverbot gegen ihn aufgehoben. Erdogan löste anschließend A. Gül als Ministerpräsident ab. Die DEHAP boykottierte diese Nachwahl.

August 2003
Die türkische Regierung brachte ein Amnestiegesetz heraus, dass sich von den früheren und wirkungslosen kaum unterschied. Das "Gesetz zur Wiedergewinnung in die Gesellschaft" wurde von KADEK kategorische abgelehnt. In den Monaten vorher gab es Forderungen von verschiedenen Seiten, dass dieses Gesetz ermöglichen sollte, das alle KADEK-Mitglieder "straffrei" in die Türkei zurückkehren und am politischen Leben teilhaben könnten. Mit diesem Gesetz zeigte die türkische Regierung, dass sie nicht ernsthaft daran dachte, die kurdische Frage zu lösen.

06.11.2003
Infolge von vielen Diskussionen wurde der KADEK auf seinem 2. Kongress aufgelöst und der Volkskongress (Kongra-Gel) am 6. November gegründet.
Die Demokratische Einheitspartei PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) wurde anschließend gegründet. Sie arbeitet seitdem in Südwest-Kurdistan und ist seitdem im Kongra Gel bzw. KCK System integriert.
Etwa zur gleichen Zeit wurde die Demokratische Lösungspartei Kurdistans PÇDK (Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistan) gegründet. Sie ist in Süd-Kurdistan und Irak tätig und bestrebt, die KurdInnen hier zu organisieren.

Anfang 2004
Die wöchentlichen Gespräche zwischen Abdullah Öcalan und den Anwälten konnten knapp drei Monate lang nicht stattfinden. Unter seltsamen und immer gleichen Vorwänden wurde die Überfahrt der Anwälte auf die Insel Imrali verweigert. Dies führte zur politischen Anspannung unter den KurdInnen und bei Kongra-Gel. In den kommenden Jahren konnten im Durchschnitt nur etwa 40 % der Gespräche abgehalten werden. Auch beklagte Öcalan immer mehr sich über seine angeschlagene Gesundheitslage auf der sehr feuchten Imrali Insel.

Februar-März 2004
Osman Öcalan und Nizamettin Tash, zwei führende Kader im Kongra Gel setzten sich von ihr ab, nachdem sie zuvor vergeblich versucht hatten, die Macht an sich zu reißen. Die Parteibasis stellte sich zumeist gegen sie. Diese Auseinandersetzung führte zu einer ernsthaften Krise im Kongra Gel, die erst einige Monate später überwunden wurde. In dieser Zeit verließen hunderte Kader die Partei, das Durcheinander wirkte sich auch auf die KurdInnen im Vorfeld der Kommunalwahlen in der Türkei aus. Mit Murat Karayilan an der Spitze des Kongra-Gel kam wieder Stabilität.
12. März 2004
Arabische Nationalisten griffen in Südwest-Kurdistan zusammen mit Sicherheitskräften kurdische Fußballfans an und töteten drei Menschen. Die anschließenden Protestdemonstrationen Qamishli und Amuda wurden gewaltsam niedergeschlagen, dabei töteten syrische Polizei und Militär weitere 12 Menschen. So ein Gewaltausbruch des syrischen Staates gegen die KurdInnen passierte in den voran gegangenen Jahren überhaupt nicht. Es war ein Ergebnis der seit Jahren - nach dem Abdullah Öcalan Syrien im Jahre 1998 verlassen hatte - zunehmenden repressiven Politik gegen den KurdInnen.

28. März 2004
Bei den Kommunalwahlen in der Türkei konnte die DEHAP die Zahl ihrer eroberten Bürgermeister von 39 auf 57 steigern. Die DEHAP verlor dabei die Provinzhauptstädte Çewlik (Bingöl), Wan, Agri und Siirt und den wichtigen Bezirk Mersin-Akdeniz, gewann dafür Dersim und Çolamerg. In der Stadt Siirt wurde die Wahl eindeutig durch Wahlfälschung und Repression verloren, in den anderen Städten waren die schwachen Bürgermeister und ihr Regierungsstil entscheidender. Die AKP gewann in Nord-Kurdistan fast alle restlichen Bürgermeisterämter und kommunalen Parlamente. Die Wahl war insgesamt kein wirklicher Erfolg für die DEHAP, es zeigten sich große Gefahren für die legale kurdische Politik.

4. April 2004
Die Partei für ein freies Leben (PJAK) wurde am 4. April 2004 mit Gründungskongress ins Leben gerufen. Der zweite Kongress erfolgte Januar 2006. Sie setzt sich seitdem für die Rechte der KurdInnen in Ost-Kurdistan und Iran ein. Organisatorisch ist sie als Schwesterorganisation der PKK zu werten, denn sie ist Teil des Kongra-Gel bzw. KCK und teilt die Ideologie des Demokratischen Konföderalismus. Seit 2006 führt die PJAK einen Guerillakampf gegen den iranischen Staat, nach dem dort die Unterdrückung der KurdInnen spürbar zunimmt (Auslöser: Massaker 2006 in Marivan) und der Iran zusammen mit der Türkei gegen die KCK gemeinsam politisch, geheimdienstlich und militärisch vorgeht. Die PJAK konnte innerhalb kürzester Zeit große Sympathien in der ostkurdischen Bevölkerung gewinnen und hat heute eine große Basis in Ost-Kurdistan und dürfte mindestens genauso verbreitet wie die PDK-Iran oder Komalah sein. Von mehreren Seiten im Mittleren Osten wird der PJAK vorgeworfen, dass sie von den USA unterstützt wird. Dies ist jedoch bis heute unklar, denn zuletzt haben die USA die Türkei aktiv im Kampf gegen die KCK, PKK und damit auch PJAK unterstützt.

April 2004
Der bekannte kurdische Geistliche Hüseyin Xeznewî aus Südwest-Kurdistan wurde in der Haft von syrischen Staatskräften zu Tode gefoltert.

Mai 2004
Die Arbeiterpartei Kurdistans PKK wurde wieder gegründet. Doch dieses Mal soll sie vielmehr eine theoretische als eine praktische Funktion innehaben. Sie hatte und hat eher die Rolle eines ideologischen Zentrums. Die PKK ist heute Teil des KCK.

Mai 2004
Die PJA (Partiya Jina Azad - Freie Frauenpartei) wurde aufgelöst und stattdessen die PAJK (Partiya Azadiya Jin a Kurdistan - Freie Frauenpartei Kurdistans) gegründet.

1. Juni 2004
Der mehr als fünfjährige einseitige Waffenstillstand wurde am 1. Juni vom Kongra Gel aufgekündigt. Der neue Zustand wurde als "aktive Selbstverteidigung" bezeichnet. Im Jahr 2004 kommt es zunächst nicht zu größeren Gefechten.

Juni 2004
Die seit 1994 inhaftierten ehemaligen DEP Abgeordneten Leyla Zana, Hatip Dicle, Selim Sadak und Orhan Dogan wurden nach 10-jähriger Haft freigelassen.
September 2004
In zehn Städten der Türkei und Nord-Kurdistans wurden private Schulen eröffnet, die Kurdisch (sowohl Kurmanci als auch Kirmançki-Zazaki) privat zu unterrichten begannen. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis die Türkei nach ihrem Beschluss vom Sommer 2002 entsprechende Regeln für solche Kurse schaffen konnte. Die Bestimmungen wurden sehr restriktiv formuliert, so wurde sogar die Breite der Türen bestimmt. Nur Personen ab 14 Jahren durften an Abenden und am Wochenende unterrichtet werden. Insgesamt nahmen tausende Menschen diesen Unterricht in Anspruch.
Die Privatschulen unterrichteten Kurdisch genau ein Jahr lang; sie beschlossen danach gemeinsam wieder zu schließen, weil diese Art von Kurdisch Unterricht deutlich unzureichend gewesen sei, um die kurdische Sprache wiederzubeleben. Damit sollte der Forderung nach muttersprachlichen Unterricht in den staatlichen Schulen Druck verliehen werden. Dies lehnte und lehnt die türkische Regierung nach wie vor ab.

17. Dezember 2004
Am 17. Dezember 2004 entschieden die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, dass ab dem 3. Oktober 2005 mit der Türkei Verhandlungen über den EU-Beitritt aufgenommen werden.

Anfang 2005
Der EU-Reformprozess gelangte nach über zwei Jahren reformfreudiger Politik der AKP Regierung immer mehr ins Stocken.

20. März 2005
Der Kongra-Gel wurde aufgelöst und stattdessen der KKK (Koma Komalên Kurdistan - Gesellschaftsräte Kurdistans) gegründet. Ein Jahr später wird der KKK in KCK (Koma Cîvaken Kurdistan - Gemeinschaftsräte Kurdistans) umbenannt.

21. März 2005
Nach der Gründung des KKK erfolgte die Deklaration des Konzepts des "Demokratischen Konföderalismus" durch Abdullah Öcalan zu Newroz. Darunter ist eine basisdemokratische Organisation zu verstehen. Öcalan erklärt erneut seine Gegnerschaft zum kurdischen Nationalismus und zur Forderung nach einem kurdischen Staat.

6. April 2005
Talabani wurde am 6. April 2005 vom irakischen Parlament mit 227 Stimmen zum Staatspräsidenten des Landes gewählt. Damit hat der Irak erstmals einen Kurden als Staatshaupt.

Mai 2005
Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline begann ab Mai 2005 Erdöl aus Mittelasien und Kaukasien in die Türkei und von dort nach Westeuropa zu liefern. Die Ölleitung ist 1760 km lang, hat eine Kapazität von etwa 1 Million Barrel pro Tag und führt auch durch einige kurdische besiedelte Gebiete innerhalb der Türkei. Die BTC-Pipeline gilt weltweit als eines der teuersten, heikelsten und technisch aufwändigsten Pipeline-Projekte.

Frühling-Sommer 2005
Zwischen der HPG Guerilla und der türkischen Armee kam es zu ersteren größeren Gefechten nach 1999. Im Jahre 2005 verlieren einige hundert Menschen dabei ihr Leben. Doch zum Herbst nehmen diese spürbar ab.

3. August 2005
Mahmud Ahmedinecad wurde zum Staatspräsident des Irans gewählt. Damit wurde Khatami abgesetzt. Ahmedinecad wird dem radikalen Flügel der islamischen Republik zugeordnet. Sowohl in seinem Auftreten gegenüber dem westlichen Ausland als auch gegenüber der Opposition im eigenen Staat vertritt er eine "harte" Linie. Seine Wahlagenda beinhaltete: Islamisierung der Gesellschaft, Kleiderordnungspflicht für Frauen, erhebliche Einschnitte der Presse- und Meinungsfreiheit, eine Abwendung von diplomatischen Eingeständnissen in internationalen Verhandlungen (Atomstreit), etc.
Mit dem neuen Präsidenten nahmen im Inland mit ihm die Repressionen gegen Oppositionelle im Allgemeinen und vor allem gegen die KurdInnen zu.

12. August 2005
Ministerpräsident Erdogan räumte in Diyarbakir erstmals Fehler des Staates in der Politik gegenüber den KurdInnen ein und spricht von einer "kurdischen Frage". Diese Rede wurde von den KurdInnen positiv aufgenommen.
Mitte August 2005
Die KCK erklärte auf die positive Rede Erdogans hin einen einseitigen Waffenstillstand mit einer vorübergehenden Gültigkeit bis Mitte Oktober. Doch in den kommenden Wochen zeigte Erdogan wenig Mut und nahm auf Druck des Militärs und anderer nationalistischer Kreise seine Äußerungen zurück. Die Reaktion der Armee waren die umfangreichsten Militäroperationen seit 7 Jahren. Deswegen wurde der Waffenstillstand nicht verlängert.

1. September 2005
Aus Nord-Kurdistan und der Türkei fuhren anlässlich des Weltfriedenstags hunderte Busse nach Gemlik/Bursa, die nächste Stadt zur Gefängnisinsel Imrali, wo sie sich aus Solidarität mit Öcalan versammeln wollten. Doch sie schaffen es nicht bis dahin. Entweder wurden die meisten von Polizei und Militär aufgehalten oder von Faschisten unterwegs angegriffen. Viele Menschen entkamen einer Lynchjustiz nur knapp.

3. Oktober 2005
Nach 40-jähriger Bemühung erreichte die Türkei am 3. Oktober 2005 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union.

9. November 2005
Im Herbst erschütterte eine Reihe von gezielten Bombenattentaten Nordkurdistan. Nachdem eine Handgranate in einer Buchhandlung in Shemzinan (Shemdinli) explodierte, wurden die Täter auf frischer Tat ertappt, von der Bevölkerung festgenommen und der Justiz übergeben. Es waren Geheimdienstoffiziere, die auch hinter den anderen Attentaten steckten. Der Generalstaabschef nimmt sie in Schutz, der ermittelnde Staatsanwalt wird nach der Bekanntgabe der Anklageschrift abgesetzt, weil er mögliche Verwicklungen des Generalstabs nicht ausschließen will. Der Shemdinli Affäre führte zu vielen Diskussionen in der Öffentlichkeit der Türkei.

28.-30. März 2006
Nach einem Begräbnis einer Gruppe gefallener Guerillakämpfer bricht in Amed und in mehreren anderen Städten ein offener Aufstand aus. In Amed hielten die Kämpfe zwischen Bevölkerung und Polizei drei Tage lang an. Das Militär musste in die Stadt einrücken, damit der Staat die Kontrolle wieder gewinnen konnte. Allein in Amed wurden elf Menschen gezielt durch Scharfe Munition ermordet. In Qoser (Kiziltepe) und Batman starben weitere drei Menschen durch Kugelhagel. Unter den 14 Toten sind vier Kinder. Insgesamt wurden 1500 Menschen festgenommen, die meisten wurden gefoltert.

Frühling 2006
In der ostkurdischen Stadt Marivan wurden bei Demonstrationen 10 Menschen von iranischer Polizei getötet. Dies war der Auftakt des Guerillakrieges der PJAK gegen den iranischen Staat. Die PJAK hat gegenüber der iranischen Armee kaum Verluste zu beklagen. Jedoch waren die Auseinandersetzungen 2006 im kleinen Rahmen.

04.08.2006
In der antiken Stadt Hasankeyf demonstrieren knapp 10.000 Menschen gegen den geplanten Ilisu-Staudamm mit einem abschließenden Konzert. Am nächsten Tag erfolgte die offizielle Grundsteinlegung des Projektes durch Ministerpräsident Erdogan. Die Kampagne gegen den Ilisu-Staudamm (Initiative zur Rettung von Hasankeyf) begann Anfang 2006 und nimmt bis heute trotz Vergabe von Kreditbürgschaften durch drei europäische Regierungen (D, A und CH) immer größere Ausmaße an.

01.09.2006
Eine türkisch-faschistische Gruppe verübte ein Bombenattentat an einer Bushaltestelle in Amed, als sich Kinder dort aufhielten. Acht Kinder verloren dabei ihr Leben.

05.09.2006
In Deutschland wurde am 5. September 2006 vom deutschen Bundesministerium die Zeitung Özgür Politika verboten, da sie "in die Gesamtorganisation der PKK eingebunden" sein soll. Das Verbot wurde jedoch vom Bundesverwaltungsgericht wieder aufgehoben, doch sie erschien nicht mehr weiter. Denn seit Oktober 2006 erscheint in Europa die kurdische Tageszeitung Yeni Özgür Politika.

1. Oktober 2006
Die KCK erklärte zum fünften Mal seit 1993 einen einseitigen Waffenstillstand, der bis März 2007 andauerte. Voraus gingen indirekte Signale der AKP Regierung an den KCK, die anschließend damit nichts zu tun haben will. Trotz erster vorsichtiger Reaktionen aus der Türkei wurde diese Möglichkeit von einer vom Militär angestoßenen nationalistischen Welle wieder einmal von der Hand abgewiesen.

15. Dezember 2006
Bei den Kommunalwahlen im Iran, an denen überraschend viele Menschen teilnahmen, erlitten die radikalen Kandidaten um Ahmedinedschad eine herbe Niederlage.

Januar 2007
In Ankara fand eine vom Friedensrat (setzt sich aus türkischen und kurdischen Intellektuellen zusammen) organisierte Konferenz namens "Die Türkei sucht ihren Frieden" statt, die großes Interesse weckte. Breite Kreise nahmen daran teil und äußerten die Notwendigkeit eines Friedens.

01.03.2007
Öcalans Anwälte erklärten auf einer Pressekonferenz, dass sie über stark erhöhte Schwermetallwerte in den Haaren ihres Mandanten besorgt seien und forderten eine unabhängige medizinische Delegation um festzustellen, ob eine Vergiftung vorläge. Den ganzen Sommer über fanden Demonstrationen besorgter KurdInnen für Öcalan statt. Der Staat schickte eine eigene medizinische Delegation zu Öcalan und behauptete anschließend, dass alles normal sei.

Frühling 2007
Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der HPG Guerilla und der türkischen Armee erreichten im Mai und Juni einen neuen Höhepunkt. Besonders durch ferngesteuerte Bomben kamen viele Soldaten ums Leben. Diese Angriffe lösten in der Türkei eine erneute nationalistische Hysterie aus, die einen Einmarsch in Süd-Kurdistan verlangte. Diese Forderung stellte die Türkei an die USA, die sich nach wie vor etwas zurück hielten.
Gleichzeitig nahmen die Gefechte zwischen PJAK und der iranischer Armee an Intensität erheblich zu. Die iranische Armee hatte 2007 insgesamt einige hunderte Tote zu beklagen, selbst Hubschrauber wurden abgeschossen. Der Iran beschoss im Sommer 2007 erstmals die südkurdischen Kandil Berge, wo das PJAK Hauptquartier liegen soll. Diese Angriffe gingen 2007 und 2008 weiter. In dieser Zeit nahmen die Repressionen im Iran gegen KurdInnen und andere Oppositionelle erheblich zu.

2007
Im Jahr 2007 verschlechterten sich die Menschenrechtsbedingungen im Iran spürbar, so auch Bedingungen für die Pressefreiheit. Mehrere Zeitungen wurden verboten und Journalisten verhaftet. Im Jahre 2007 wurden im Iran nach amnesty international 177 Menschen hingerichtet. Diese Zahl betrug 2005 noch bei 94. Ein Teil dieser Menschen wurde durch Steinigungen getötet.

April/Mai 2007
In der Türkei brach eine Staatskrise aus, weil die AKP einen eigenen Kandidaten für den Posten des Staatspräsidenten (wichtig für die Bestimmung des bürokratischen Apparats) stellen wollte. Das Militär gab Erklärungen ab, daraufhin organisierten nationalistisch-laizistische Kreise in der ganzen Türkei Kundgebungen mit mehrere Millionen Menschen. Der Versuch der AKP, trotzdem den Staatspräsidenten durch Parlament schlug fehl, weil das Verfassungsgericht wegen fehlerhaften Wahlvorgängen dies unterband. Die Folge war der Beschluss über eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments, noch vor der Wahl des Staatspräsidenten.
Hinter dieser Staatskrise steckte der nach wie vor andauernde Machtkampf zwischen der anatolischen Bourgeoisie und den konservativ-islamischen Kreise gegen nationalistisch-laizistische Kreise und westlich orientierter Bourgeoisie. Die AKP versucht, mehr Anteil am Staat zu haben, was die andere Seite verhindern will.

1. Mai 2007
Zum ersten Mal nach 1997 schafften es Demonstranten in Istanbul an einem 1. Mai nach vielen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht auf den Taksim Platz vorzudringen. 2008 wird dies jedoch durch einen extrem brutalen Einsatz der Polizei verhindert.

9. Juni 2007
Die Provinzen Siirt, Shirnak und Çolemerg wurden vom Militär für drei Monate zur Hochsicherheitszone deklariert. Nach Ablauf wurde dies immer wieder um drei Monate verlängert.

22.7.2007
Bei Parlamentswahlen in der Türkei gelang es 22 fortschrittlichen Unabhängigen, die 10%-Hürde bei den Parlamentswahlen zu umgehen. 20 (inzwischen 21) von ihnen gründeten daraufhin die DTP-Fraktion. Damit gab es erstmals seit 13 Jahren wieder eine pro-kurdische Fraktion im türkischen Parlament. Die AKP gewann noch mehr Stimmen und erreichte 46,6 % der Stimmen (damit die Mehrheit der Parlamentssitze), die MHP 14 % und die CHP 21 %. Erdogan blieb Ministerpräsident. Nach der Parlamentswahl konnte die AKP Abdullah Gül im Parlament zum Staatspräsidenten wählen lassen.
Das Militär und die klassische Elite protestierten gegen die Wahl von Gül dieses Mal wenig, was an einer zuvor geheim geschlossenen Vereinigung zwischen Militär und AKP lag. Die AKP konnte demnach am Staatsapparat mehr teilhaben. Im Gegenzug begann sie die Politik gegenüber den KurdInnen voll mitzutragen.

August 2007
Schwerer Bombenanschlag auf zwei Dörfer von yezidischen (jesidischen) Kurden in Südkurdistan. Mehrere Mehr als 400 Menschen wurden dabei getötet. Es war bis heute im Irak der Anschlag mit den meisten Toten. Die Yeziden (Jesiden) sind im Irak seit 2003 erhöhtem Druck seitens Islamisten ausgesetzt.

21. Oktober 2007
Koordinierter Angriff von rund 200 Guerillakämpfern in (Oramar) Daglica/Çolemerg gegen türkisches Militär. 36 Soldaten wurden getötet und acht gefangen genommen. Der Angriff löste eine weitere nationalistische Welle aus und die Forderung nach einem Einmarsch in den Süden Kurdistans gegen die HPG Guerilla wurde lauter gestellt. Die Abgeordneten der DTP bemühten sich daraufhin um eine Freilassung der acht Soldaten. Diese kamen nach zwei Wochen frei, jedoch wurden sie vor Gericht gestellt, weil sie sich angeblich festnehmen ließen.

Oktober 2007
Das türkische Parlament ermächtigte in einem Beschluss die Regierung Erdogan, ein Jahr lang nach Belieben Militäroperation in Süd-Kurdistan durchzuführen. Diese wurde im September 2008 nochmals um ein Jahr verlängert.

Herbst 2007
Die AKP-Regierung startete eine Diskussion zu einer neuen Verfassung, die nach einigen Monaten weitgehend ins Vergessen geriet. Nach wie vor hat sich hierbei wenig ergeben. Die vorliegenden Vorwürfe erkannten die Existenz der KurdInnen und ihrer kulturellen Rechte nicht an, stellten also keine wesentliche Verbesserung dar.
5. November 2007
George W. Bush erklärte bei einem Besuch von Erdogan die PKK/KCK zum "Feind der USA" und sicherte der Türkei geheimdienstliche Unterstützung bei deren Bekämpfung zu.

16. Dezember 2007
Türkische F-16 Flugzeuge griffen das Hauptquartier der HPG und KCK im Nordirak an. Die Informationen über mögliche Stellungen wurden von den USA geliefert. Die HPG gab ihre Verluste mit fünf an, die Türkei sprach von bis zu 100 Toten. Das irakische Parlament, die KurdInnen im Nordirak und die EU verurteilten diese Aktion, ohne dass dies Konsequenzen gehabt hätte.
Seitdem fanden regelmäßig größere Luftangriffe der türkischen Armee gegen Guerillastellungen in Süd-Kurdistan statt.

31.12.2007
Die in der irakischen Verfassung festgesetzte Frist für ein Referendum über die Zugehörigkeit von Kerkuk und anderen Städten (Sincar, Tel Afar, Chanekin, Maxmur) zur Region Kurdistan lief aus. Der Status von Kerkuk blieb unklar und bietet nach wie vor erhebliches Konfliktpotential. Bis heute geht diese Unklarheit, eine Auseinandersetzung zwischen den Regierungen in Hêwler und Bagdad, weiter.

21. Februar 2008
Die türkische Armee begann einen völkerrechtswidrigen Einmarsch ins irakische Staatsterritorum. Doch bald wurden sie durch starken Widerstand der Guerilla aufgehalten. Der Abschuss eines türkischen Helikopters verdeutlichte die Ineffizienz dieser Invasion. Es kam beinahe zu Gefechten zwischen der Türkei und südkurdischen Peschmergas. Nach mehreren Augenzeugenberichten wurden von den Kämpfen auch Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen; das türkische Militär zerstörte auch zivile Ziele, z.B. vier Brücken.
Die Türkei zog sich ohne Erfolg am 29. Februar schnell zurück, nach dem ein Tag zuvor George Bush die Türkei zur Zurückhaltung ermahnte. Der Rückzug führte in der Türkei zu großen Diskussionen und ersten Spannungen zwischen der Armee und der CHP.

März 2008
Der Iran und der NATO-Staat Türkei erklärten, dass sie gegen kurdische Rebellen militärisch enger zusammenarbeiten werden. Die Folge davon war, dass bisher einige gemeinsame militärische Operation in den Grenzgebieten gegen die HPG und PJAK Guerilla durchgeführt wurden, jedoch ohne größeren Erfolg. In Ost-Kurdistan starben in den Frühlings- und Sommermonaten jeweils dutzende iranische Soldaten.

Frühling-Sommer 2008
Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der HPG und dem türkischen Militär gingen über den ganzen Frühling und Sommer 2008 weiter, wobei viele hunderte Menschen ihr Leben ließen.

13. Juni 2008
Die deutsche Regierung verbot die Ausstrahlung des größten kurdischen TV Senders Roj TV in Deutschland. Laut Verfügung vom 13. Juni lies der Innenminister die "Teilorganisation von ROJ TV in der BRD" auflösen. Es wurde behauptet, die Tätigkeit des Fernsehsenders laufe Strafgesetzen zuwider und richte sich "gegen den Gedanken der Völkerverständigung". Damit verhielt sich die BRD einmalig und verbot einen TV Kanal. Dies war ein eindeutiger Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.

Sommer 2008
Im Zuge der Ermittlungen gegen das nationalistische Terrornetzwerk Ergenekon gerieten die Morde an vielen Tausend Kurden und andere kriminell-terroristische Machenschaften des türkischen Staates in den 1990er Jahren wieder ins Rampenlicht. Doch der Staatsanwalt ermittelt nur wegen einer Verschwörung gegen die AKP-Regierung. Dahinter steckt die Absicht, das Gesicht der Türkei zu verschönern und Ergenekon (was auch als türkisches Gladio bezeichnet werden könnte) umzuformen, d.h. einer der Regierung angenehmeren Form zu bringen. Es findet also keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte statt.

8. Juli 2008
Drei deutsche Bergsteiger wurden am Berg Ararat von der HPG Guerilla entführt, um gegen die neue aggressive Politik der deutschen Regierung gegenüber den KurdInnen zu protestieren. Am 22. Juli wurden sie wieder unbeschadet freigelassen. Diese Entführung veranlasste neue Diskussion in Deutschland über die ungelöste kurdische Frage und dabei die Verantwortung der BRD.

30. Juli 2008
Am 30. Juli 2008 wurde ein Verbotsantrag gegen die AKP vom Verfassungsgericht abgelehnt. Dieser wurde Anfang 2008 wegen des vorgeblichen Versuchs, die säkulare Grundordnung der Türkei zu untergraben, gestellt. Vorausgegangen war ein Beschluss des türkischen Parlaments mit den Stimmen der MHP und AKP zur Abschaffung des Kopftuchverbots für Studentinnen.

Anf. Oktober 2008
Als etwa zwei Dutzend Soldaten und Polizisten in Nord-Kurdistan bei Gefechten mit der HPG sterben, rollt eine neue gefährliche chauvinistische Welle gegen die KurdInnen durch die Türkei. Es kommt zu einigen faschistischen Übergriffen gegen KurdInnen in der West-Türkei.


Der Verband der Studierenden aus Kurdistan - YXK

Der YXK ist ein Dachverband von Gruppierungen von Studierenden aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Österreich, Dänemark, Schweden und Schweiz. Die Gründung erfolgte am 12./13. Dezember 1991 in Bochum mit 75 Studierenden aus 16 deutschen Hochschulen.

Aufgaben und Ziele
- der studentisch-universitären und allgemeinen Öffentlichkeit in Europa ein Verständnis über die kurdische Frage und die mit ihr zusammenhängenden Konflikte ermöglichen,
- Bewusstsein für eine eigenständige kulturelle Identität in der Emigration fördern und bewahren,
- Hilfe für kurdische Studenten bei ihren akademischen, hochschulischen, sozialen und bürokratischen Anliegen,
ferner: - die gesellschafts- und sozialpolitischen Bereiche des Lebens in Europa im Rahmen des Studiums wissenschaftlich erarbeiten, erforschen und publizieren,
- Freundschaft und Zusammenarbeit der Völker in Mesopotamien, Anatolien, Iran und Arabien fördern und solidarisieren.

Aktivitäten
- Hüseyin Çelebi Gedichts- und Erzählungswettbewerb, Delil Atesh Hallenfußballturnier, Seminare, Foren, Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Filmfestivals, Infostände, Kampagnen, Konzerte, Campings, Ausflüge, Kurdischkurse, etc.
- Es werden auch Kampagnen organisiert und durchgeführt, die sich z.B. für den Erhalt von historischen Stätte wie Hasankeyf oder von Naturlandschaften wie die in Dersim einsetzen und Muttersprachlicher Unterreicht
- Um die kurdische Kultur, Kunst, Sprache und Literatur zu fördern, werden Kurse, Ausstellungen und Vorführungen neben anderweitigen Kulturveranstaltungen durchgeführt.
- Unser Zeitschrift Ronahî erscheint zu Beginn jedes Semesters mit Texten auf Deutsch und Kurdisch. Mit ihrer Hilfe wird die Kommunikation und Diskussion in verschiedensten Themenbereichen, sowohl der Verbandsmitglieder untereinander als auch zu anderen, gewährleistet.
- Zusätzlich werden wissenschaftliche Publikationen und Broschüren verfasst und herausgegeben. Weiterhin versuchen wir, StudentInnen bei der Publizierung finanziell zu unterstützen.

Selbstverständnis
- StudentInnen sind Teil der Gesellschaft und sollten deshalb auf der Basis wissenschaftlicher Kriterien kritisch-analytisch auf das Gesamtgeschehen einwirken.
- Wir vertreten die Notwendigkeit, in Richtung einer gerechteren Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Toleranz unter ethnischen, religiösen oder anderen Gemeinschaften
- Wir sehen eine Rolle von kurdischen StudentInnen bei der demokratischen und friedlichen Lösung der kurdischen Frage sowie bei sozialen und politischen Fragen innerhalb der kurdischen Gesellschaft
- Der Verband ist allen Studierenden, Gruppen und Initiativen, welche die Ziele des YXK anerkennen, offen und zugänglich.