Übersetzung aus Özgür Politika, 24. Januar 2001

Uns darf die Hoffnung nicht fehlen

Hallo(*). Ich habe Deinen Brief erhalten, es hat mich sehr glücklich gemacht, einen weiteren jener Freunde kennengelernt zu haben, die ich nicht kenne, obwohl unsere Herzen gemeinsam schlagen.
Ich schreibe diesen Brief derzeit unter Ausnahmebedingungen. Wie auch ihr in der Presse verfolgt habt, ist seit der Gefängnisoperation erst eine kurze Zeit vergangen.
Wäre dies nicht geschehen hätte ich sicherlich früher geantwortet. Dies ist mein erster Brief nach der Operation. Um genau zu sein, war es für uns keine unerwartete Operation. Wenn auch die Vorbereitungen zur Einführung der F-Typ-Gefängnisse , wie auch das Ministerium erklärt hat, noch nicht abgeschlossen seien, sei dennoch durchgesetzt worden, was beabsichtigt (!) war. Ihr werdet aus der Presse von der Situation der Freunde wissen, die sich in den drei F-Typ-Gefängnissen befinden.
Wir sind immer noch in Gebze. Bei der Operation haben sie diejenigen Freunde, die sich im Todesfasten befinden, mitgenommen und ins Krankenhaus gebracht. Während sie die männlichen Freunde von dort ins F-Typ-Gefängnis von Kandira gebracht haben, haben sie die Frauen wieder zurückgebracht.
Unser Gesundheitszustand ist so, wie er nach einer solchen Operation eben sein kann. Unsere Moral und Energie sind jedoch hoch.
Ich hoffe, dieser Brief kommt an. Wenn wir nicht mehr hier sind, wenn eine Antwort kommt, werdet ihr die Entwicklungen ohnehin aus der Presse erfahren. Wir wollen unsere Hoffnung und unseren Wunsch verstärken, uns in freien Zeiten wiederzutreffen, und auch unsere Entschlossenheit, diese Zeiten mit eigenen Händen zu schaffen.
Ich will ein wenig von mir berichten. Ich bin 26 Jahre alt. Ich habe eine Strafe von 12,5 Jahren erhalten und bin seit fünf Jahren im Gefängnis. Man kann die Haftzeit also als halbiert betrachten. Im Gefängnis habe ich damit begonnen, mich mit Karikaturen zu beschäftigen. Eigentlich war dies in der Vergangenheit nicht meine Arbeit, meine Richtung. Es gab auch niemand in meiner Umgebung, der mir eine Hilfe hätte sein können. Mit etwas Fingerfertigkeit und etwas eigener Anstrengung habe ich versucht, einige Sachen zu schaffen.
Inwieweit es auch unter jenen Bedingungen möglich sein wird, dies fortzusetzen, weiß ich nicht. Dies ist eine weitere Dimension der Sache.
Ich habe nach draußen keine 40-seitigen Briefe geschrieben wie ihr. Ich kann sagen, dass es mir gefällt, wieder Briefe zu schreiben. Falls es möglich sein sollte, zu schreiben, werde ich mit einer zum Gedankenaustausch, zum Teilen und zur Diskussion bereiten Feder warten.
Momentan haben wir im Hungerstreik eine Pause eingelegt. Den 30-tägigen Hungerstreik haben wir gestern beendet. Gleichzeitig sind neue Freunde ins Todesfasten getreten. Die weitere Entwicklung ist abzusehen. In diesem Sinne will ich bei dieser Gelegenheit allen unseren Freunden draußen noch einmal unsere Energie und Entschlossenheit mitteilen.
Wäre es doch möglich gewesen, an jenem Tag zusammenzusein, hätten wir doch jenen großen Zorn, Hoffnung und Selbstvertrauen gemeinsam erleben können! Wie es zu berichten ist, weiß ich nicht. Es zu beschreiben ist schwer. Viele Dinge haben wir gemeinsam erlebt. Aber wir haben uns sowohl stets Seite an Seite mit Euch gefühlt, als auch Euch und unseren Traum, das, was wir Euch dafür schuldig sind, zurückgeben zu können, wie einen Schild in unserem Herzen getragen.
Wenn ihr erlaubt, beende ich jetzt diesen ersten Brief. Wie gesagt, schreibe ich diesen Brief in einer Ausnahmezeit. Und meine Freundinnen warten ungeduldig darauf, zum ersten Mal nach der Operation in Form von Zeilen die Sehnsucht zu stillen. Ich hoffe, Ich hoffe, wir hören voneinander, ich habe schon jetzt begonnen, auf den Brief zu warten. Und wenn ihr noch, wie in den Tagen der Gefangenschaft, je 40 Seiten schreibt, [vay halime?].
Uns darf die Hoffnung nicht fehlen.

(*) Brief von Banu Bilgiç aus dem Gefängnis von Gebze an unseren Karikaturisten Avni Odabasi