Libertad! Kampagne für internationale Solidarität - Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit
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Wissen Sie eigentlich, was in der Türkei passiert?

Wir besuchen heute am 17.5.2001 das Büro des Unterbezirks der SPD, mit dem angegliederten Bürgerbüro der Bundesministerin für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul, um gegen die vernichtende Einführung der Isolationshaft in der Türkei zu protestieren. Die Bundesministerin unterstützt mit viel Geld Regierungsprojekte in der Türkei.

Sie fragen, was Sie damit zu tun haben? Sie fragen, warum die bundesdeutsche Regierung Verantwortung für die Geschehnisse in der Türkei trägt?

Wir zitieren: Zur aktuellen Situation in der Türkei erklären der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler und der Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Rudolf Bindig: "...Die Art, wie die türkische Regierung Modernisierungen im Strafvollzug erzwingen will, ist für die Betroffenen alles andere als vertrauenerweckend. Auch wenn die Einführung von Gefängnissen mit kleineren Zellen zu den europäischen Forderungen gehört, ist es vor dem Hintergrund der leider immer noch verbreiteten türkischen Folterpraxis verständlich, dass das Misstrauen der Gefangenen sehr groß ist. Was dabei gewährleistet sein muss, sind die europäischen Standards im Strafvollzug, die Möglichkeit sozialer Kontakte und insbesondere, dass es in den neuen Gefängnissen nicht zu inhumaner Isolation, erniedrigender Behandlung oder gar Folter kommt..."

Was ist "inhumane Isolation"?

Die Einführung der "langsamen Todesstrafe auf Raten", wie die Isolationshaft von einem französischen Gefangenen genannt wird, hielt hierzulande schon früh Einzug. Ab den 70iger Jahren wurde in der Bundesrepublik Deutschland die "Weiße Folter" gezielt praktiziert. Zuerst wurde sie gegen die politischen Gefangenen aus der Guerilla RAF und 2.Juni wissenschaftlich untermauert eingesetzt. Später dehnte sich dieses Konzept aus auf Gefangene, die gegen die Repression im Knast Widerstand leisteten. Zuerst waren die Gefangenen mit den sogenannten "Toten Trakten" konfrontiert, später dann mit den speziellen Hochsicherheitstrakten. Isolationsfolter in der Bundesrepublik bedeutet: jeglicher Entzug von sinnlichen Reizen, die Zelle ist weiß, das Neonlicht brennt Tag und Nacht, ununterbrochene Überwachung, Kommunikationsverbot mit anderen Gefangenen, lückenlose Postzensur, Trennscheibe bei Besuchen. Stammheim: Ist das die humane Isolation? Das "Modell Stammheim", das bundesdeutsche Hochsicherheitsgefängnis bei Stuttgart, wurde in späteren Jahren zum Exportartikel.

1987 wurde die Isolationsfolter in Spanien eingeführt. Die politischen Gefangenen kämpften erbittert dagegen. Aber, Spanien trat in die EU ein und eine Bedingung waren die Veränderungen in den Gefängnissen - den europäischen Standard einzuführen. 1988 gab es Einführungen in die Praxis der unblutigen Art, die Identität von politischen Gefangenen zu vernichten für eine peruanische Regierungsdelegation in Köln-Ossendorf. Es verursachte internationales Aufsehen, dass die Regierung zwei Jahre zuvor, während einer Tagung der Sozialistischen Internationalen in Lima unter dem Vorsitz von Willi Brandt, drei Gefängnisse stürmte und über 300 politische Gefangene ermordete. 1990 begehrte die Türkei den Exportartikel "Modell Stammheim". In den nachfolgenden Jahren starben dutzende Gefangene im Kampf gegen die Einführung der Isolationshaft in der Türkei. Der vorläufige Höhepunkt in dieser Eskalation war die Militäroperation in den türkischen Gefängnissen am 19. Dezember 2000. 30 politische Gefangene wurden ermordet. Viele wurden verletzt, die z.T. bis heute nicht medizinisch versorgt werden, weil sie sich nach wie vor im Todesfasten befinden. Die türkische Regierung verlangt jedoch zuerst die Kapitulation. In den Monaten nach dem Massaker starben weitere 21 politische Gefangene und ihre Angehörigen im Todesfasten. Deshalb sind wir hier - niemand kann sich einfach als Zuschauer davonstehlen. Vor einigen Wochen fand in Hamburg ein Besuch bei der GAL statt. Die BesucherInnen telefonierten mit Herrn Pellet vom Auswärtigen Amt. Dieser teilte mit, dass die deutsche Botschaft in Ankara in täglichem Kontakt mit der türkischen Regierung stehen würde und um eine Lösung für die Situation bemüht ist. Wir fordern die Offenlegung dieser Gespräche für Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, Amnesty International und Human Rights Watch, damit diese gegebenenfalls eingreifen können. Eine politische Lösung in diesem Konflikt kann nur bedeuten, dass es keinen europäischen Standard in den türkischen Gefängnissen geben kann, weil diese "inhumane Isolation" die Identität der politischen Gefangenen vernichten soll. Kein Stammheim am Bosporus! Sofortige und bedingungslose Freiheit für alle haftunfähigen und verletzten Gefangenen vom 19.12.2000!

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