junge Welt 26.11.1998

Den Mördern auf die Spur kommen
Untersuchungskommission soll Tod von Andrea Wolf klären

Nachdem in Norddeutschland in verschiedenen Städten Mitglieder von Kurdistan-Solidaritätsgruppen Büros der Grünen besetzt haben, um die Bundesregierung zu drängen, sich für eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts einzusetzen und sich um die Aufklärung der Todesumstände der deutschen Internationalistin Andrea Wolf zu bemühen, gibt es nun weitere Bestrebungen, Bonn zum Handeln zu bewegen. In einem »Münchner Aufruf« fordert der »Initiativkreis der FreundInnen und GenossInnen von Andrea Wolf die Unterstützung einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission«. Der Aufruf zur Schaffung der Kommission wird von Lilo Wolf, der Mutter der Ermordeten, sowie der Rechtsanwältin Angelika Lex verbreitet.
Nach Augenzeugenberichten war Andrea Wolf, die sich dem Frauenverband innerhalb der PKK-Guerilla angeschlossen hatte, am 22. Oktober 1998 bei einem Gefecht von der türkischen Armee gefangengenommen und nach einem Verhör mit acht weiteren Guerillas erschossen worden. Auf Anfragen des Auswärtigen Amtes hat die türkische Regierung diesen Sachverhalt dementiert: Andrea Wolf sei »bei keiner Operation der türkischen Sicherheitsbehörden innerhalb der Türkei oder außerhalb tot oder lebendig aufgefunden worden«. Das widerspricht Angaben eines türkischen Diplomaten, die Deutsche sei bei einem Gefecht umgekommen, und die Behörden wüßten nicht, wo sich ihre Leiche befinde.
Diese Ungereimtheiten und die Tatsache, daß die türkische Armee seit Jahren gegen die Zivilbevölkerung und die Guerilla vorgeht, so der Initiativkreis, mache eine Untersuchungskommission notwendig. Die Aufklärungsarbeit der geforderten Kommission hat laut Aufruf eine klare Zielsetzung: »Der türkische Staat muß gezwungen werden, die Genfer Konvention zu unterschreiben, anzuerkennen und einzuhalten. Die Verantwortlichen für Mißhandlung, Folter und Ermordung müssen zur Rechenschaft gezogen werden, der türkische Staat muß wegen seiner ständigen Verstöße gegen das Völkerrecht und seiner Kriegsverbrechen international geächtet werden.«
Rechtsanwältin Lex und der Initiativkreis sind darum bemüht, ein breites Spektrum politisch aktiver Personen und Gruppen für die Unterstützung dieser Sache zu gewinnen. Einige bündnisgrüne und PDS-Politikerinnen und -Politiker hätten signalisiert, daß sie das Vorhaben mittragen werden.
Thomas W. Klein