Mein Leben plane ich selbst

"Ich bin Sozialistin und kämpfe für die Rechte der Menschen"
"Die Situation ist für mich nicht mehr überschau- oder einschätzbar, denn politische Verfolgung war noch nie eine Frage des realen Sachverhalts. Deswegen habe ich mich entschieden, erst mal aus einer sicheren Entfernung zu beobachten, wie sich das weiterentwickelt, auch, um mich besser dagegen wehren zu können. Mein Leben plane ich selbst meine Zukunft lasse ich nicht in den Händen von irgendwelchen Bundesanwälten oder Gerichtshöfen. Ich lasse mich weder als Lückenfüllerin benutzen, noch mich in meiner Existenz als politischer Mensch tatenlos bedrohen." Dies schrieb Andrea Wolf im August 1995 in einem Offenen Brief, nachdem die Bundesanwaltschaft sie der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" (RAF) beschuldigte.
Drei Jahre später war der Name Andrea Wolf wieder in den Schlagzeilen. Sie hatte sich der kurdischen Volksbefreiungsarmee Kurdistans, ARGK, angeschlossen und sich am bewaffneten Kampf gegen die Kolonialmacht Türkei beteiligt Fortan trug sie den kurdischen Kampfnamen Ronahi, was Licht bedeutet. Am 23.10.1998 wurde Andrea Wolf bei einem Gefecht in der Provinz Van in Nordkurdistan von türkischem Militär leicht verletzt gefangen genommen, entwaffnet und nach einem Verhör zusammen mit anderen Kämpferinnen exekutiert. Der türkische Staat stritt jede Täterschaft und Verantwortung ab. Die Bundesregierung teilte auf eine parlamentarische Anfrage mit, dass die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt "wegen des Verdachts der Tötung zum Nachteil der Frau W." eingeleitet hat Im November 1998 gründete sich eine Internationale Unabhängige Untersuchungskommission zur Aufklärung der Todesumstände. Zur Erhellung der Vorfälle trägt ein Bericht des ARGK-Hauptquartiers bei. Mehrere überlebende Kämpferinnen beschreiben die Hinrichtung der Guerillas: "Nachdem sie genommen worden war, sagte sie, dass sie Sozialistin sei und für die Rechte der Menschen kämpfe.
Danach war eine Maschinengewehrsalve zu hören und Ronahi wurde dadurch getötet. "Die Leiche von Andrea Wolf war nackt und ihre Brüste abgeschnitten. Auf ihren Kopf und die Geschlechtsorgane ist geschossen worden." Da sie sich deutlich als deutsche Staatsangehörige zu erkennen gegeben hatte, ist zu vermuten, dass die Türkei nicht eine zweite Eva Juhnke mit grosser öffentlicher Aufmerksamkeit haben wollte. Dafür müssen die Freundinnen und Freunde sorgen: Zu ihrem Todestag fand am 24. Oktober 99 in eine Gedenkveranstaltung statt.

Monika Morres
Aus: WIR FRAUEN 4/99