Andrea Wolf - Ronahi - Internationalistin der Frauenarmee des Freien Frauenverbandes in Kurdistan, wurde von
türkischen Sicherheitskräften ermordet
Andrea, unsere Genossin und Freundin wurde am 22. 10. in der Provinz Catak im Norden Kurdistans bei einer Operation der türkischen Armee von Sicherheitskräften festgenommen und anschließend hingerichtet.

Nach einem von der Volksbefreiungsfront ERNK veröffentlichten Augenzeugenbericht gehörte Andrea zu einer Einheit von 39 KämpferInnen. Bei dem Gefecht zwischen der türkischen Armee und der Volksbefreiungsarmee Kurdistan, ARGK, wurden 24 FreundInnen getötet. Andrea fiel mit 10 anderen Kämpferinnen und Kämpfern lebendig in die Hände des Feindes. 2o Minuten wurden sie verhört. Als die Soldaten hörten, daß Andrea Deutsche ist, wurde sie kaltblütig mit den Worten: Sie wird uns  genau so viel Ärger bereiten wie Kani. (Kani ist der Codename der Genossin Eva Juhnke, die wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, im September '98 in Van zu 15 Jahren Haft verurteilt worden ist) erschossen. Drei Tage später fand die Guerilla die Leiche von Andrea und den anderen FreundInnen, die in der Gefangenschaft ermordet wurden und begruben sie in den Bergen.
Andrea war eine Revolutionärin. Mit ihrem Leben und ihrem Kampf trug sie dazu bei, Lösungen für die dringenden Probleme der Menschheit zu finden. Dafür wurde sie von den Herrschenden gehaßt und immer wieder verfolgt.
Andreas Geschichte ist eng verknüpft mit der Geschichte der Linken in der BRD der letzten 20 Jahre. Seit Anfang der 80er Jahre war sie politisch aktiv. Sie beteiligte sich an Hausbesetzungen und am Widerstand gegen die Wiederaufbereitungs-anlage in Wackersdorf.
Immer wieder war Andrea auf der Straße, war treibende Kraft in Auseinandersetzungen und Organisationsprozessen. Sie war am Aufbau revolutionären feministischen Widerstands ebenso beteiligt wie an weiteren politischen Initiativen und sozialen Kämpfen. Die Zusammenlegung und die Freilassung der Gefangenen aus der RAF und dem antiimperialistischem Widerstand, das Zusammen-fließen der Kämpfe weltweit, das war ihr ein direktes Anliegen.
Der Staat ließ nichts unversucht, um Andrea wieder und wieder in die Enge zu treiben. Der Spitzel Steinmetz wurde in die Linke im Rhein-Main Gebiet eingeschleust und hatte auch Kontakt zu Andrea und ihrer Gruppe. Durch seinen Verrat wurde Wolfgang Grams in Bad Kleinen ermordet,  Birgit Hogefeld wurde festgenommen.
Andrea war von diesem Ereignis und den gesamten Konsequenzen sehr erschüttert. Im Anschluß versuchte man ihr eine Beteiligung an dem Anschlag der RAF auf den Knast in Weiterstadt anzuhängen. Ein erneuter Komplott gegen sie. Denn Andrea war zur Zeit dieses Anschlages in Mittelamerika. Andrea war mehr als unbequem für den Verfassungsschutz, denn sie machte öffentlich, daß Steinmetz und somit auch der Verfassunfsschutz von Weiterstadt vorher gewußt hatten. Ihre WG, ihr gesamtes Umfeld wurde versucht zu kriminalisieren, einige sollten zu Aussagen erpresst werden, FreundInnen kamen in Beugehaft. Zu ihrer Zeugenvorladung ist Andrea nicht erschienen. Sie wollte erstmal die Situation in sicherer Entfernung neu einschätzen und bewerten, denn eine Verhaftung und eine längere Haftstrafe gegen sie erschien ihr sicher.
Nachdem man einige Briefe von ihr an GenossInnen abgefangen hatte, eröffnetedie Bundes Anwaltschaft, BAW, ein neues Ermittlungsverfah-ren, gegen sie und andere FreundInnen. Jetzt wegen dem angeblichen Aufbau einer "neuen terroristischen Vereinigung, nach dem Vorbild der RAF", "orientiert an der Strategie der PKK."
Andrea hatte sich schon lange vor der Zuspitzung der Repression entschlossen, nach Kurdistan zu gehen um dort für einige Zeit am Befreiungskampf teilzunehmen. Sie beteiligte sich als Internationali-stin in der Frauenarmee der YAJK. Doch so sehr sie den kurdischen Befreiungskampf auch lieben lernte, so war es ihr Ziel nach Europa zurückzukommen, um am Aufbau revolutionärer Politik mitzuarbeiten. Sie wollte Erfahrungen über die Organi-satonsprozesse der kurdischen Revolution sammeln und ihre Erfahrungen aus den Kämpfen hier in Europa an die kurdische Befreiungsbewegung weitergeben.
Daß der Verfassungsschutz daraus "militärisches Training für eine Terrororganisation in der BRD" macht, ist dabei ihre Logik. In revolutionären Prozessen überall auf der Welt zu lernen, hat jedoch eine ganz andere Dimension, als ein paar Waffen bedienen zu können.
Die Presse hat viel veröffentlicht über Andreas Tod, das meiste davon sind Lügen. Natürlich schreiben sie nichts darüber, wofür Andrea gekämpft hat. In den letzten Wochen sind viele unserer Genossinnen gefallen oder verwundet worden. Die Türkei und die mit ihr verbündeten Staaten, allen voran Israel und die USA, blasen erneut zum großen, letzten Vernichtungsschlag gegen die PKK. Doch es ist ein Angriff auf alle Völker des mittleren Ostens.
Die Antwort der türkischen Regierung auf den Waffenstillstand, den die PKK am 1. September 1998 ausrief, war ein Attentatsversuch auf den Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan. Kriegsschiffe wurden von der türkischen Marine an die Seegrenze zu Syrien in Stellung gebracht, an den Landesgrenzen zog die türkische Armee auf, alle Soldaten wurden in Alarmbereitschaft gesetzt. Fast wäre ein offener Krieg gegen Syrien daraus entstanden. Momentan besetzten erneut mehr als 25.000 türkischen Soldaten Südkurdistan/Nordirak. Gleichzeitig ist die Guerilla so entschlossen wie nie, diese Angriffe zurückzuschlagen und sie sind vielerorts in der Offensive.
In vielen Ländern stehen die Menschen entschlossen an der Seite der PKK. Viele Parteien, z.B. in Rußland, Italien und Griechenland setzen sich für ein Waffenembargo gegen die Türkei ein und fordern eine politische Lösung für Kurdistan. In der BRD allerdings gibt es bisher keinen nennenswerten Widerstand gegen die deutsche Kriegsbeteili-gung in der Türkei. Längst ist die deutsche Kriegsbeteiligung bewiesen. Eine ganze NVA-Armee wurde der Türkei geschenkt. Zeitweise war die BRD erster Rüstungslieferant an das türkische Militärregime. Und der neue grüne Außenminister Fischer plant weitere umfangreiche Finanzhilfen für den türkischen Staat. Waffenlieferungen sind geplant, wie auch eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union. Genau diese Rolle war für den neuen grünen Außenminister vorgesehen. Eine wirkliche Kritik an der Türkeipolitik innerhalb des Parlaments ist nicht mehr zu erwarten.
Nicht einmal die Bundesregierung und mit ihr die bundesdeutsche Presse hat die Tatsache, daß Andrea hingerichtet wurde, in Zweifel gezogen. Längst ist es zur Normalität geworden, daß gefangene Guerillas von der türkischen Armee gefoltert, vergewaltigt und ermordet werden. Guerilleras sprengen sich vielfach selbst mit Handgranaten in die Luft, weil sie wissen, daß sie in den Händen des Feindes schlimmeres erwartet als der Tod. Auch das ist bekannt und vielfach dokumentiert. Die von Seiten der PKK unterschriebene Genfer Konvention ist für das türkische Regime nur ein Lappen Papier, das sie mit Füßen treten. Selbst die gröbsten Verletzungen des Menschen- und Völkerrechts der Türkei hält jedoch die deutsche Bundesregierung nicht davon ab, das Regime in Ankara und den schmutzigen Krieg weiter zu unterstützen.
Es ist an uns, dagegen Druck auf der Straße und überall aufzubauen. Andrea hat einen Weg aufgezeigt, wie der Kampf gegen Krieg und Faschismus geführt werden kann. Andrea ist gefallen. Sie war eine Kämpferin. Aufgeben war nie ihre Sache. Statt zu lamentieren, hat sie gehandelt. Sie wußte, daß nur, wer sich auf Widersprüche einläßt und auch riskiert Fehler zu machen, neue Erfahrungen machen und aus ihnen lernen kann.

Unsere Aufgabe ist, Andreas Kraft weiterleben zu lassen, ihren Mut, ihre Entschlossenheit, ihre Liebe für die Menschheit und für den Freiheitskampf der Völker, weiterzutragen.

Es lebe die internationale Solidarität

Unseren gefallenen Revolutionärinnen und Revolutionäre sind unsterblich

November 1998
Kurdistan Solidarität Hamburg