Jungle World 06.Mai.98

Nachrichten: Ausland

Indonesiens Studenten werden ungeduldig  

Nach einer Woche zunehmend militanter studentischer Proteste gegen das Suharto-Regime und drei Tage nach Schließung der Universität von Nord-Sumatra ist am Sonntag auch die Universität von Nommensen in Indonesien geschlossen worden - für zunächst eine Woche. Knapp 2 000 Studenten hatten sich dort nach einem kleinen Riot auf dem Campus verschanzt; sie hatten sich geweigert abzuziehen, bis ihre bereits am Freitagabend festgenommenen Kommilitonen freigelassen würden. 

Präsident Suharto wurde am Freitag von Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert, es werde bis zum Ablauf seiner Amtszeit im Jahre 2003 keine wesentlichen politischen Änderungen geben. Kurz darauf bemühten sich Informationsminister Alwi Dahlan und Innenminister Raden Hartono um Korrekturen: Das Wahlsystem solle erneuert werden. Der indonesische Studentenführer Pius Lustrilanang hat dagegen am Sonntag in Köln bei einer Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen Bonn aufgefordert, die Ausbildung indonesischer Soldaten in Deutschland zu beenden. Zudem verlangte er ein Ende der Waffenlieferungen an das Suharto-Regime. Nach eigenen Angaben war er erst am 3. April "dank einer internationalen Unterstützung" aus einem Militärgefängnis entlassen worden, wo er auch gefoltert worden sei. Die indonesische Polizei habe mittlerweile 60 solcher Entführungen zugegeben, die tatsächliche Zahl sei allerdings höher, so Lustrilanang. 

Thessaloniki ohne Villa  

Nach knapp viereinhalb Jahren Besetzung wurde am 23. April das politisch-kulturelle Zentrum Villa Barbara in Thessaloniki geräumt - auf die wohl weltweit bekannte und beliebte Art: Vermummte Antiterrorpolizisten stürmten mit gezogenenen Waffen am frühen Morgen das Haus; nach Festnahme und Abtransport der 13 anwesenden Personen wurden von Polizisten und städtischen Bautrupps Möbel und Kleider ordnungsgemäß auf die Straße geschmissen, die Fenster zerschlagen und die Türen ausgebaut. 

Back to the Roots  

Seit dem vergangenen Sonntag sind im südspanischen Andalusien Spezialisten des schwedisch-kanadischen Bergbau-Unternehmens Boliden Aspirsa dabei, verseuchten Boden abzutragen. Schätzungsweise sieben Millionen Tonnen Erdmassen werden dabei in eine stillgelegte Mine gekippt. Ursache für die große Umschichtungsaktion ist ein kleines Mißgeschick vom 25. April. Da brach in dem Örtchen Aznalc-llar die Mauer eines Reservoirs, in dem säurehaltiges Wasser aus den Bergen aufbewahrt wurde. Fünf Millionen Kubikmeter davon ergossen sich über die Landschaft und dann in den nahegelegenen Fluß Guadalquivir. Eine Fläche von etwa 5 000 Hektar sowie 40 Kilometer des Flußlaufs sind von der Sauerei betroffen. In der ätzenden Suppe werden insbesondere Kadmium-, Blei-, Kupfer-, Zink- und Schwefel-Ionen vermutet. 

In Aznalc-llar sorgt man sich seitdem vor allem, daß die Firma ihr Bergwerk wegen der hohen Aufräumkosten dichtmachen könnte. 520 der etwas mehr als 5 000 Bewohner sind direkt bei Boliden Aspirsa beschäftigt, 1 500 weitere Arbeitsplätze seien zudem von der dortigen Metallgewinnung abhängig. Das schwedisch-kanadische Unternehmen wußte die Leute aber zu beruhigen, da es die Ausbeutung der Bodenschätze fortzusetzen gedenkt. 

Urteilsverkündung gegen Deutsche verschoben  

Im Prozeß gegen die Hamburgerin Eva Juhnke, die sich vor einem türkischen Staatssicherheitsgericht wegen Verdacht auf PKK-Mitgliedschaft verantworten muß (Jungle World, Nr. 18/98), wurde die Urteilsverkündung am Donnerstag vergangener Woche vertagt. Nach 15minütiger Verhandlung wurde beschlossen, das Verfahren erst am 11. Juni fortzusetzen. Ein Sprecher der von prison watch international organisierten Prozeßbeobachtungsdelegation teilte aus Istanbul mit, das Gericht versuche, "den Prozeß bewußt in die Länge zu ziehen, um eine Beobachtung zu erschweren". Juhnke bleibt damit weiterhin im Gefängnis, obwohl die gesetzlich zulässige Dauer für Untersuchungshaft bereits überschritten ist. Eine Entlassung der vermeintlichen PKK-Aktivistin lehnte das Gericht ebenso ab wie ihre Strafanträge wegen Folter und sexueller Belästigung. Deshalb will Juhnke nun Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen. 

MRTA-Häftlinge hungern  

In Peru befinden sich etwa 200 Häftlinge der Revolutionären Bewegung Tœpac Amaru (MRTA) seit dem 22. April im Hungerstreik. Die in fünf verschiedenen Knästen einsitzenden Gefangenen wollen damit eine Verbesserung ihrer Haftbedingungen erwirken. Bereits Anfang März hatten die MRTA-Gefangenen sich per Brief an die Regierung gewandt und ihre Situation beklagt. Demnach sind sie Folterungen ausgesetzt, erhalten keinen Zugang zu Medien oder Büchern und bekommen nur wenig Hofgang oder Besuche gestattet. Eine ausreichende Ernährung sowie medizinische Versorgung seien ebenfalls nicht gewährleistet. Außerdem droht die Nationale Gefängnisverwaltung Perus, aufmüpfige Gefangene in das neue Hochsicherheitsgefängnis Challapalca ca. 5 200 Meter über dem Meeresspiegel zu verlegen. 

Soul in Heaven: Eldridge Cleaver  

30 Jahre, nachdem seine Autobiographie "Seele auf Eis" zum Bestseller wurde, ist Leroy Eldridge Cleaver am 1. Mai im Alter von 62 Jahren im kalifornischen Pomona nahe Los Angeles verstorben. Der in Arkansas geborene und in Los Angeles aufgewachsene Cleaver war seit 1966 Informationsminister der kurz zuvor gegründeten Schwarzenorganisation Black Panther und arbeitete für die in San Francisco herausgegebene Ramparts. Vorher hatte er rund neun Jahre wegen Fahrraddiebstahls, dem Verkauf von Marihuana und wegen "Überfall mit Tötungsabsicht" im Gefängnis gesessen. In Oakland wurde er nach der Ermordung Martin Luther Kings bei einer Schießerei mit der Polizei am 6. April 1968 verletzt. Ende desselben Jahres flüchtete Cleaver vor der weißen US-Justiz ins Nachbarland Mexico. Nach sieben Jahren des Exils - verbracht in Algerien, Kuba, der Sowjetunion, Nordkorea und Frankreich - kam er 1975 in die USA zurück und wurde dort zu 2 000 Stunden "gemeinnütziger Arbeit" verurteilt. Vom real-existierenden Sozialismus wollte Cleaver danach nicht mehr allzuviel wissen, statt dessen konvertierte der frühere Muslim zum Christentum und trat der Republikanischen Partei bei. Mit dem 1978 veröffentlichten Werk "Seele auf Feuer" rechnete er mit seiner Vergangenheit und dem kubanischen "Voodoo-Sozialismus" ab. Er folgte nun dem "erleuchteten Himmelspfad" und den "Marschbefehlen Gottes". Nach jahrelanger Abhängigkeit von Kokain und der synthetischen Droge Crack war Cleaver zuletzt als Dozent an der Universität von La Verne im Süden Kaliforniens tätig. 

  •  Die Nachrichten wurden von Bernd Beier und Dirk Hempel zusammengestellt