Frankfurter Rundschau 18.09.1998

Deutsche in der Türkei verurteilt

Gericht verhängt 15 Jahre Haft wegen PKK-Mitgliedschaft

VAN/GÖTTINGEN, 17. September (ap/ epd/afp). Wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ist am Donnerstag die Deutsche Eva Juhnke in der Türkei zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Anatolien meldete, wurde die 34jährige von einem Gericht in der osttürkischen Stadt Van für schuldig befunden, der PKK seit 1983 bis zu ihrer Inhaftierung im Oktober 1997 angehört zu haben.
Wie die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation „prison watch international“, Heidi Lippmann-Kasten, in Göttingen mitteilte, haben Vertreter ihrer Organisation und der Deutschen Botschaft die Verhandlung beobachtet. Das Urteil sei in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidiger gesprochen worden. Eine Vertreterin der Botschaft informierte Juhnke im Gefängnis der Stadt Mus über das Urteil. Nach Angaben der Deutschen Botschaft in Ankara wird Juhnke auch weiterhin betreut. Das Auswärtige Amt in Bonn äußerte sich zunächst nicht zu der Verurteilung.
Bei „tage- und nächtelangen“ Polizeiverhören in Gefängnissen von Hakkari und Diyarbakir sei der aus Hamburg stammenden Frau mehrfach angedroht worden, sie zu töten. „Stundenlang mußte sie mit verbundenen Augen und gefesselten Händen in ihrer Zelle stehen, Tag und Nacht brannte Licht“, sagte Lippmann-Kasten, die Juhnke mehrfach im Gefängnis besucht hat.
Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichts in Van Ende Oktober Anklage wegen PKK-Mitgliedschaft erhoben habe, sei Juhnke in das Gefängnis von Mus gebracht worden. Dort habe sie die meiste Zeit ihrer fast einjährigen Untersuchungshaft „isoliert“ von den übrigen Gefangenen verbracht und sich aus Protest gegen die Haftbedingungen an einem 42 Tage dauernden Hungerstreik beteiligt, berichtete die Vorsitzende von „prison watch international“. Sie gehe davon aus, daß Juhnke gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen werde.
Mit Eva Juhnke kommt zum ersten Mal ein westlicher Ausländer als aktiver PKK-Kämpfer in ein türkisches Gefängnis. Sie war bei Gefechten im Herbst vergangenen Jahres im Norden Iraks von einer mit Ankara verbündeten Kurdentruppe gefangengenommen und an die türkische Armee übergeben worden. Die Informationsstelle Kurdistan in Köln betonte, da die seit fünf Jahren im Kurdengebiet lebende Juhnke nicht auf türkischem Staatsgebiet, sondern in Nordirak aufgegriffen wurde, sei die Verurteilung der Hamburgerin illegal.