Im folgenden dokumentieren wir Auszüge aus der Presseerklärung von prison watch international vom 27.07. 1998 zum Prozeßbesuch von Eva Juhnke am 23.07. 1998                        
von Heidi Lippmann-Kasten

PWI-Delegation kehrt aus der Türkei zurück
In der vergangenen Woche hat sich erneut eine von pwi organisierte Delegation in der Türkei und in Nordkurdistan aufgehalten. Neben der Prozeßbeobachtung und einem Gefängnisbesuch in Van bei Eva Juhnke, für die pwi eine Patenschaft übernommen hat, standen Gespräche mit Menschenrechtlern über die Situation der politischen Gefangenen und der Verschwundenen im Vordergrund. (...)

Der Prozeß gegen Eva Juhnke wurd erneut vertagt
Nach 10monatiger Untersuchungshaft und neun Verhandlungstagen ist es dem Staatssicherheits- und Militärgericht in Van immer noch nicht gelungen, ein Urteil zu sprechen. Als nunmehr letzter Prozeßtermin wurde der 17. September angesetzt, an dem das Urteil verkündet werden soll. Immerhin gelang es Eva Juhnke am Prozeßtag am 23.06. gegen den anfänglichen Widerstand der Richter, ihre politische Verteidigungsrede auf Deutsch zu verlesen. Ausführlich schilderte sie, unter welchen Umständen sie Anfang Oktober 1997 von türkischen Militärs auf irakischem Boden festgenommen, in die Türkei verschleppt und anschließend in Ermittlungshaft behandelt wurde (pwi berichtete). In einem weiteren Teil äußerte sie sich zu der Entwicklung der Unterdrückung des kurdischen Volkes und über die Notwendigkeit des Befreiungskampfes. In deutlichen Worten machte sie die Türkei und die internationale Staatengemeinschaft, insbesondere auch die Bundesrepublik Deutschland,  für die anhaltende Unterdrückung, Vertreibungs- und Verfolgungspolitik und dem Völkermord am kurdischen Volk verantwortlich. Ihre letzten Worte widmete sie der PKK: “Es lebe die PKK! Es lebe der Parteivorsitzende Abdullah Öcalan!” Leider erfolgte keine Übersetzung ihrer Rede ins Türkische, so daß die türkischen Journalisten und die wenigen einheimischen Zuschauerinnen nichts verstanden. Wie auch bei den vorherigen Prozeßtagen war die Öffentlichkeit erneut faktisch ausgeschlossen worden. Der wenige Platz, der für Zuschauer zur Verfügung steht, wurde erneut durch eine große Anzahl von Soldaten und Polizisten ausgefüllt. Obwohl das Gericht angeordnet hatte, soviel Personen zuzulassen, wie im Saal Platz finden, sorgte die Anti-Terrorpolizei vor dem Gericht dafür, daß nach längerem hin und her lediglich die deutsche Delegation, einige Journalisten sowie zwei kurdische Frauen in den Gerichtssaal durften. Scharfe Kritik übten die Verteidiger Eva Juhnkes an der Verhandlungsführung. Eren Keskin, 2. Vorsitzende des türkischen Menschen-rechtsvereins IHD, kritisierte, daß die Ermittlungsakten nicht die Fakten der Festnahme wiedergäben, so z.B. hinsichtlich des Zeitpunktes  und des Ortes der Verhaftung. Sie verwies darauf, daß die Verteidigungsmöglichkeiten Eva Juhnkes massiv beschränkt würden, so z.B. wegen fehlerhafter Übersetzung sowie der Nichtzulassung der deutschen Rechtsanwältin Jutta Hermanns. Über Monate hinweg hatte die mit einer Prozeßvollmacht ausgestattete Anwältin versucht, vom Justizministerium als Vertrauensanwältin zugelassen zu werden, leider vergeblich. So wurde es ihr noch nicht einmal gestattet, Eva Juhnke im Gefängnis zu besuchen. Nach Einschätzung der Verteidiger wird es am nächsten Prozeßtermin im September zu einer Verurteilung nach §168, 2. Türkisches Strafgesetzbuch zu einer mindestens 12 1/2jährigen Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in der PKK kommen. Da die politische Verteidigungsrede Eva Juhnkes vom Gericht als Schuldeingeständnis gewertet würde, seien strafmildernde Umstände quasi ausgeschlossen. In der Strafvollstreckung kommt dann noch einmal  nach Anti-Terror-Gesetz ein Drittel hinzu, wie bei allen Straftaten, die sich gegen den Staat richten.

Gespräch mit Eva Juhnke im Gefängnis von Van
Im Anschluß an den Gerichtstermin gelang es der Vorsitzenden von pwi, Heidi Lippmann-Kasten erneut, Eva Juhnke im Gefängnis von Van zu besuchen. Eva Juhnke war hierüber sehr erfreut, da Besuchsgenehmigungen nur noch ausschließlich für Anwälte, nahe Angehörige, Botschaftsvertreter und Seelsorger erteilt werden. In dem über einstündigen Gespräch berichtete  sie von ihren derzeitigen Haftbedingungen (...) Der Tagesablauf sei von ihnen selbst streng durchorganisiert und sie hätten ein festes Unterrichtsprogramm für die Frauen aus den unterschiedlichen Teilen Kurdistans und unterschiedlicher Bildung aufgestellt. “Wer kein Türkisch kann lernt Türkisch, wer kein Kurdisch kann, Kurdisch. Wer nicht Schreiben und Lesen kann, muß lernen und wer nur arabisch schreiben kann, wie zwei Mitgefangene aus Syrien, lernt die lateinische Schrift.”
Zu den politischen Gefangenen im Gefängnis von Mus, von denen ca. 70-80 der PKK und dieselbe Anzahl der Hisbollah zugerechnet werden, kommen die sozialen Gefangenen. Deren Haftbedingungen seien noch schlimmer, erzählt Eva, insbesondere die der Frauen. Wegen dem Bau von Einzelhaftzellen hätten sie keinerlei Hofgang mehr  und seien 24 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingeschlossen. Hinzu käme, daß deren Fenster mit Farbe geschwärzt seien, weil sich gegenüber eine Soldatenunterkunft befände. Obwohl die politischen Gefangenen die sozialen eingeladen hatten, ihren Hof gemeinsam zu nutzen, sei dies von der Gefängnisleitung abgelehnt worden. Wie auch schon  bei dem letzten Gespräch geht Eva Juhnke davon aus, die nächsten 10 bis 15 Jahre in einem türkischen Gefängnis verbringen zu müssen. (...) Zum Ende des Gespräch äußerte sie den Wunsch, viel Post aus Deutschland zu bekommen. Zur Zeit beschränke sich ihr Briefkontakt hauptsächlich auf Gefangene in anderen türkischen Gefängnissen. Von denen werde sie regelmäßig über deren Situation informiert.*