Beobachtung des Prozesses gegen Eva Juhnke am 11. Juni 1998 in Van  
von Susanne Kalhammer

Die Delegation begab sich gegen 8.45 Uhr vor das Gerichtsgebäude. Bis 9.10 Uhr hatten sich ca. 60 weitere an dem Prozeß interessierte Menschen vor dem Gebäude versammelt. Kurze Zeit später sprach uns der in zivil gekleidete und für uns zuständige Sicherheitsbeamte an. Er erkundigte sich, ob wir eine offizielle Erlaubnis hätten, den Prozeß zu beobachten und von welcher Organisation wir kämen. Wir stellten uns als pwi-Delegation vor. 
Daraufhin wurde uns von ihm mitgeteilt, daß lediglich die Delegation und max. 2 Vertreter der HADEP den Prozeß beobachten dürften. Das war für uns nicht akzeptabel. Da auch ein Vertreter der deutschen Botschaft in Ankara vor Ort war, versuchten wir über ihn zu erreichen, daß die Delegation sowie alle anwesenden Frauen zum Prozeß zugelassen werden. Wir entschieden uns für diese Forderung, weil wir wußten, daß der Saal für alle Anwesenden zu klein sein würde. Daraufhin sprach uns erneut der Gerichtsbeamte an und wies uns darauf hin, daß der Prozeß in wenigen Minuten beginnen würde und daß nach Beginn der Verhandlung niemand mehr den Saal betreten könne. 
Der Botschaftsvertreter und Evas deutsche Vertrauens-anwältin Jutta Hermann begaben sich in das Gerichts-gebäude, um an dem Prozeß teilzunehmen. Der Herr von der Botschaft sicherte uns zu, die Größe des Ver-handlungssaales zu prüfen. Während der Wartezeit versuchten wir andere deutsche Behörden zu erreichen, um Unterstützung für unser Anliegen zu fordern. Es konnte allerdings aufgrund eines Feiertages in Deutschland niemand erreicht werden. So warteten wir mit den kurdischen Freundinnen und Freunden vor dem Gerichtsgebäude. Die Verhandlung dauerte nur 20 Minuten und wurde auf den 23. Juli 1998 vertagt.

Der Prozeß:
Als ZuschauerInnen waren nur Evas Vertrauensanwältin, der Vertreter der deutschen Botschaft und Presse im Saal anwesend. Als Jutta Hermann den Verhandlungssaal betrat hatte die Verhandlung bereits begonnen, so daß sie sich nicht mehr für die Wartenden einsetzen konnte. Allerdings konnte Eren Keskin, eine Anwältin von Eva, davon in Kenntnis gesetzt werden. Diese stellte dann vor Gericht fest, daß die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht gewahrt wurde und beantragte die Öffentlichkeit zuzulassen. Dies wurde abgelehnt, ebenso wie die Aufnahme des Antrags ins Protokoll. Eren Keskin erstattete nochmals Anzeige dagegen, daß Eva gegen ihren Willen einer Jung-fräulichkeitsprüfung unterzogen wurde. Sie forderte, diesen sogenannten Jungfräulichkeitstest als Folter und Diskriminierung anzusehen. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab, was im Protokoll aufgenommen wurde. Die sinngemäße Begründung für die Ablehnung lautete folgendermaßen: Viele Gefangene würden behaupten, während der Haft vergewaltigt zu werden. Um zu beweisen, daß dies nicht während der Haft geschehen ist, wäre diese Prüfung unumgänglich.
Eva beantragte nochmals die Zulassung von Jutta Hermann als ihre deutsche Anwältin und Vertrau-ensperson. Sie erklärte, daß dies nötig sei, weil sie sich als Ausländerin hier nicht gut genug auf türkisch verständigen kann. Der Antrag wurde abgelehnt und nicht ins Protokoll aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft beantragte nach §168 Abs 2 eine 12 bis 18 jährige Haftstrafe. Eva übergab dem Gericht erneut eine mehrseitige Prozeßerklärung, die sie aber nicht verlesen durfte. Um diese Erklärung übersetzen zu lassen wurde der Prozeß auf den 23. Juli 1998 vertagt.*