"Wir haben uns der Wahrheit verpflichtet"
Gespräch mit einem Mitarbeiter der Zeitung „Ülkede Gündem" am 6. Juni 1998
von Monika Morris

Die Zeitung ist seit Dezember letzten Jahres in den kurdischen Ausnahmezustandsgebieten auf unbefristete Zeit verboten. Der Freund berichtete, daß am Tag zuvor 12.ooo Exemplare der Zeitung in Istanbul beschlagnahmt worden seien mit der Begründung, daß an der Grenze zum Iran neun Kurden getötet worden seien (so absurd wird „argumentiert" !). Alle rechneten eigentlich damit, daß die Zeitung innerhalb der nächsten zwei Monaten ganz verboten werde. 
Er informierte uns darüber, daß am gestrigen Tage drei weibliche (Kriegs-)Gefangene vom Gefängnis Mardin zum Staatssicherheitsgericht nach Diyarbakir gebracht und unterwegs von Soldaten gefoltert worden seien. Da die Strecke von dort nach Diyar-bakir recht weit sei, könnten die Soldaten unbehelligt und unbeobachtet mit den Frauen machen, was sie wollten.
Soweit irgend möglich, versuchen die Freunde, Nachrichten und Artikel an die Zentralredaktion nach Istanbul weiterzuleiten; das Resultat ihrer Arbeit jedoch würden sie durch das Verbot nie zu sehen bekommen. Es gab schon einmal den Versuch, „Ülkede Gün-dem"  nach Diyarbakir einzuschleusen, doch sei dies fehlgeschlagen und habe mit einem Prozeß geendet. Auf die Frage, ob es eine Zusammenarbeit mit den Kollegen von der ebenfalls unter Repression stehenden Zeitung „Emek" gebe, meinte der Freund, daß es schon unter den linken Zeitungsprojekten Verbindungen gebe, aber  keine spezielle Kooperation. 
Es sei z.B. so, daß seit dem 20. Mai wieder intensive Militäroperationen der türkischen Armee in Nord- und Südkurdistan durchgeführt würden, über die aber nicht berichtet werden dürfe. Täglich könne beobachtet werden, daß tote Soldaten und Zivilisten nach Diyarbakir gebracht würden, doch Recherchen hierüber seien eben unmöglich. Das Informationsmonopol liege einzig und allein beim Gouverneur. Wenn beispielsweise Nachrichten von gefallenen KämpferInnen verbreitet werden, würde darüber in den türkischen Blättern massiv berichtet. Wenn sie jedoch Recherchen anstellen würden, kämen sie zu völlig anderen Ergebnissen. 
Generell läßt sich sagen, daß die türkischen Medien nicht über Menschenrechtsverletzungen berichten, sondern lieber ausführlich über Modeschauen und ähnlichen Schnickschnack. Sie zögen es vor, den Eindruck zu erwecken, als stünde in dieser Region alles zum Besten. In Diyarbakir sei z.B. vor einiger Zeit ein Möbelgeschäft eröffnet worden. Bei der Eröffnungsshow habe die Geschäftsleitung  halbnackte Models in der Öffentlichkeit präsentiert, was für die kurdischen Menschen als eine Provokation aufgefaßt worden und natürlich beabsichtigt gewesen sei. Sie als Journalisten hätten so gut wie keine Möglichkeit, zur Berichterstattung in die umliegenden Dörfer zu gelangen. Vor kurzem sei ein Kollege bei einem solchen Versuch verhaftet worden. Der Fall habe nur deshalb einen einigermaßen glimpflichen Verlauf genommen, weil sofort ein Anwalt zur Stelle gewesen sei. Andere Fälle verliefen weniger günstig. *
gefaßt worden und natürlich beabsichtigt gewesen sei. Sie als Journalisten hätten so gut wie keine Möglichkeit, zur Berichterstattung in die umliegenden Dörfer zu gelangen. Vor kurzem sei ein Kollege bei einem solchen Versuch verhaftet worden. Der Fall habe nur deshalb einen einigermaßen glimpflichen Verlauf genommen, weil sofort ein Anwalt zur Stelle gewesen sei. Andere Fälle verliefen weniger günstig. 
 

In den letzten zehn Jahren sind unzählige  JournalistInnen ermordet wurden, viele sind wegen sogenannter Gedankenschuld in Haft.