Özgür Politika, 17.06.2001

Ist es ein Verbrechen, die Wahrheit zu sagen?

Die Vorsitzende der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins (IHD), Rechtsanwältin Eren Keskin, stand gestern wegen Beleidigung des Militärs vor Gericht, weil sie die Folterung von Dutzenden von Frauen in Berichten festgehalten hat. Keskin, die an dem ersten Verhandlungstag vor dem 2. Strafgericht Beyoglu teilnahm, erklärte, dass sie Untersuchungen zum Thema Folter angestellt habe und 136 Frauen zu ihren Mandantinnen zähle, die ausgesagt hätten, dass sie gefoltert worden seien. Diese Folterfälle habe sie in Berichten festgehalten und veröffentlicht, so Keskin, die weiter sagte: "Jeder, der die Entwicklung der Demokratie in der Türkei befürwortet, muss sich gegen Folter einsetzen." In der Anklageschrift heißt es, dass Rechtsanwältin Eren Keskin am 4. Oktober 2000 eine Gruppe von Frauen besucht habe, die in Silopi festgenommen worden waren und sich eine Weile in Haft befanden. Keskin habe einen Bericht über die Folterung dieser Frauen erstellt und diesen später in der Zeitung Yeni Gündem veröffentlicht. Damit habe sie das türkische Militär beleidigt, so die Anklage, für die Keskin bis zu sechs Jahre Haftstrafe bekommen kann. Die Verhandlung wurde vertagt. (Übersetzung: ISKU e.V.)