Eine vergessene Wirklichkeit
Bericht einer Frauendelegation zum Flüchtlingslager Maxmur

Flüchtlingslager Maxmur, September 2002

Zur Situation des Flüchtlingslagers

Militärische Operationen, Dorfzerstörungen, Folter und Morde im Ausnahmezustandsgebiet der Türkei zwangen in den Jahren 1993 bis 1995 u.a. über 17.000 Kurdinnen und Kurden aus der Region Hakkari-Sirnak-Yüksekover zur Flucht. Da sie keine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit besassen, die ihnen eine Lebensgarantie gegeben hätte, blieb ihnen keine andere Wahl, als über die Grenze in den Nordirak zu fliehen. Der Weg durch das stark verminte Grenz-gebiet, erneute Angriffe, Lebensmittelembargos und mangelnde medizinische Versorgung erforderten viele Opfer. Auch im Nordirak waren die Flüchtlinge an unterschiedlichen Zufluchtsorten immer wieder erneuten Angriffen und Überfällen ausgesetzt, so dass sie sich schliesslich Ende Mai 1998 in der Nähe der Kleinstadt Maxmur, die sich auf irakisch kontrolliertem Gebiet befindet, mit Zustimmung der irakischen Behörden niederliessen. Der Platz, der den Flüchtlingen zur Errichtung eines Kampes zugewiesen wurde, befindet sich in Mitten einer von Wasserlosigkeit und Skorpionplagen gekennzeich-neten Wüste. Das Gelände liegt ausserhalb des als "Flugverbotszone" bekannten 36. Breitengrades.

Innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren waren die Flüchtlinge sieben Mal gezwungen, ihren Fluchtort zu wechseln. Jedes Mal waren Anstrengungen notwendig, um Unterkünfte zu errichten und die notwendigen Lebensbedingungen zu schaffen. Bei jeder erneuten Flucht mussten sie diese in Eigenarbeit aufgebauten begrenzten Möglichkeiten und einen weiteren Teil ihres spärlichen Eigentums zurücklassen. Vor diesem Hintergrund stellt die Zeit ihres Verbleibes im Maxmur-Lager seit dem Beginn ihrer Flucht und Vertreibung die vergleichsweise längste Aufenthaltsdauer an einem Ort dar.
Seit nahezu 4 Jahren leben die Flüchtlinge nun in Maxmur und bemühen sich trotz aller Schwierigkeiten gemeinsam um den Ausbau der Infrastruktur, sozialer Einrichtungen und Bildungsmöglichkeiten. Laut der letzten Zählung leben heute an die 10.000 Menschen in dem Flüchtlingslager, von denen der Grossteil Frauen und Kinder sind.

Ziel der Delegationsreise nach Maxmur

Im Sommer 2001 wandte sich das Frauenzentrum des Flüchtlingslagers Maxmur mit einem Antrag auf finanzielle und fachliche Unterstützung ihrer in Eigeninitiatitve begonnenen Aktivitäten an die Internationale Freie Frauenstiftung (IFWF). Seit diesem Zeitpunkt bemühte sich die IFWF schwerpunktmässig in den Niederlanden und Deutschland durch den Aufbau von Solidaritätsgruppen, mit Veröffentlichungen und Informationsveranstaltungen darum, die Situation der kurdischen Flüchtlinge im Nordirak und insbesondere die Initiative der Frauen im Flüchtlingslager Maxmur einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Um die notwendig finanzielle Unterstützung des Projektes gewährleisten zu können, wurde eine Spendenkampagne gestartet, an der sich sowohl Einzelper-sonen als auch Frauengruppen aktiv beteiligten.

Im Rahmen dieser Arbeiten entstand das Vorhaben, eine Frauendelegation in das Flüchtlingslager zu senden, um sowohl die gesammelten Spenden und Hilfsgüter an das Frauenzentrum zu übergeben, als auch eine den Bedingungen vor Ort entsprechende langfristige Unterstützung des Projektes im direkten Dialog mit den Flüchtlingsfrauen auszuarbeiten. Um für eine langfristige Verbesserung der gesundheitlichen und psycho-sozialen Lage der in dem Lager lebenden Flüchtlingsfrauen entsprechendes Hilfprogramm entwickeln zu können, war geplant, dass die Delegationsteilnehmerinnen im Rahmen einer Arbeitsteilung in verschiedenen Bereichen vor Ort eine umfassende Bestandsaufahme durchführen. Für die Durchführung der Untersuchungsarbeiten war ein Zeitraum von 14 Tagen angesetzt. Im Vorfeld der Delegationsgründung waren unter Mitarbeit von Ärztinnen und Sozialarbeiterinnen Fragebögen und ein Interviewleitfaden hierfür vorbereitet worden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten nach der Rückkehr der Delegation in Form von Berichten und Dokumentationen ausgewertet werden.

Auf dieser Grundlage ist eine langfristige fachliche und finanzielle Unterstützung für die Projekte des Frauenzentrums vorgesehen, die die Zielsetzung haben, den unter den Folgen von Krieg, Verfolgung und Vertreibung leidenden Frauen und Kindern Hilfe und Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten.

Zum Aufenthalt der Delegation im Flüchtlingslager

Im Herbst 2002 spitzte sich die Situation hinsichtlich eines von der Regierung der USA angekündigten militärischen Eingriffes gegen den Irak zu. Obwohl frühzeitig Anträge für den Aufenthalt der Delegation im Irak gestellt worden waren, kam es unter Einfluss der angespannten politischen Lage zu Verzögerungen bei der Visa-Ausstellung und Einreise. Dies hatte zur
Folge, dass die Delegation erst am 13. September 2002 das Flüchtlingslager erreichen konnte und den geplanten Aufenthalt von 14 Tagen auf 3 Tage verkürzen musste. Bei ihrer Ankunft übergaben die Delegationsteilnehmerinnen dem Vorstand des Frauenzentrums Geldspenden in Höhe von 15.000 €, Sachspenden wie Medikamente, Unterrichtsmateri-alien und Musikinstrumente, die im Rahmen der Hilfskampagne der IFWF gesammelt worden waren.
Aufgrund der verkürzten Aufenthaltsdauer mussten die Delegationsteilnehmerinnen jedoch ihr ursprüng-lich geplantes Arbeitsprogramm kurzfristig ändern. Während der Zeit ihres Aufenthaltes im Flüchtlings-lager versuchte die Delegation vorrangig, sich einen Überblick über die Lebensbedingungen der Flüchtlinge und die von ihnen im Lager in Eigenini-tiative errichteten Einrichtungen zu verschaffen. Die Delegationsteilnehmerinnen hatten die Möglichkeit das Frauenzentrum, die Krankenstation, Grund- und weiterführende Schulen, den selbstverwalteten Stadtrat, die Hilfsvereinigung der Angehörigen von Kriegsopfern und eine Schneiderei-Werkstatt zu besuchen. Bei den Besuchen fanden intensive Gespräche mit den freiwilligen MitarbeiterInnen und NutzerInnen dieser Einrichtungen statt, in denen sie einen Eindruck von den Lebensumständen und den mit Flucht und Krieg verbundenen Schwierigkeiten gewinnen konnten. Aufgrund des begrenzten Zeit-rahmens war es ihnen aber nicht möglich, eine repräsentative Studie selbst durchzuführen.
Deshalb übergaben sie die Fragebögen für die geplanten Interviews und die medizinische Bestandsaufnahme den Mitarbeiterinnen der jeweiligen Instiutionen zur Weiterführung der begonnen Untersuchungsarbeiten.
In den vor Ort, seitens der Delegationsteilnehmer geführten Gespräche und Beobachtungen entstanden folgende Eindrücke:

Seit dem Beginn der Vertreibung und Flucht ist den Flüchtlingen keinerlei systematische, langfristige Hilfe von Aussen erteilt worden. Lediglich monatliche Lebensmittelrationen des UNHCRs im Umfang von z.Zt. 9 kg Mehl, 2 kg Reis, 2 kg Zucker, 350 g Reinigungsmittel, 150 g Tee, 120 g Linsen, 1 kg Speiseöl, 250 g Milch und 2 Stück Seife pro Person, stellen einen Beitrag zum Lebenserhalt dar.

Infrastruktur und Selbstverwaltung

Flucht und Vertreibung bedeuten für die Betroffenen immer Entwurzelung, den Verlust sozialer und ökono-mischer Strukturen. Die Machtlosigkeit gegenüber diesen Umständen und die Konfrontation mit dem Überlebenskampf, führte in vielen Fällen zu einer Passivisierung, d.h. zu gesellschaftlicher Teilnahms- und Interessenlosigkeit der Menschen oder aber zu einem Anstieg von Gewalt innerhalb der eigenen Gemeinschaft und den Familienstrukturen.
Demgegenüber ist das Leben im Flüchtlingslager Maxmur von einem erstaunlich hohen Grad an Selbst-organisierung, Kollektivität und starkem gesellschaft-lichen Engagement von Frauen gekennzeichnet. Vor allem in der Anfangszeit litten die Flüchtlinge unter extremem Wassermangel. Infolge fehlender Wasser-anschlüsse waren sie täglich auf Wasserlieferungen von Tankwagen angewiesen. Ihre Behausung bestand aus provisorischen Laubhütten und Zelten. Um eine Verbesserung dieser Umstände zu erreichen, begannen sie in Eigeninitiative Schritt für Schritt die Infrastruktur des Lagers und ihre Interessenvertretung im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszubauen.

Beim Aufenthalt der Delegation in Maxmur hatten die Teilnehmer die Gelegenheit in Gesprächen mit Vertreterinnen des Stadtrates der Flüchtlinge ausführliche Gespräche zu führen. Das gemeinsame Leben im Lager und die Interessenvertretung der Flüchtlinge wird von einem „Stadtrat“ organisiert, der jährlich neu gewählt wird. Wahlberechtigt sind alle Lagerbewohner ab dem Alter von 18 Jahren. Derzeit besteht der Stadtrat aus 36 Personen (20 Männer und 16 Frauen), die wiederum einen Bürgermeister und eine stellvertretende Bürgermeisterin bestimmt haben. Für die Koordination der weiteren Arbeitsbereiche wurden seitens der Mitglieder des Stadtrates folgende Unterkommissionen eingerichetet:

- Infrastruktur (Müllentsorgung, Wasser- und Stromversorgung)
- Gesundheitsversorgung
- Bildung und Schulen
- Aussenbeziehungen
- Frauenvertretung
- Jugendvertretung

Wasserversorgung: Auch wenn mit Wasser-leitungen, die vom Fluss Zap gelegt wurden, die quantitative Wasserversorgung verbessern konnte, so stellt insbesondere die schlechte Qualität des Wassers nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem für die Gesundheit der Flüchtlinge dar. Das Trink-wasser wird mit Chlor angereichert, um es überhaupt trinkbar zu machen. Von einem Wassertank wird das Wasser täglich für 1-2 Stunden durch, die von den Flüchtlingen selbst angelegten Rohre in die vier Stadtteile des Lagers geleitet. Innerhalb dieser Zeit füllen die Familienmitglieder die Wassertanks bei ihren Unterkünften mit Hilfe von Schläuchen und Blech-kanistern auf. Dieses Wasser wird sowohl für jegliche Art von Tätigkeiten (Hausbau, Reinigung ect.), für die Bewässerung der kleinen Gärten als auch als Trink-wasser genutzt. Eine labatorische Untersuchung der Wasserproben, die von den Delegationsteilnehmer-innen veranlasst wurde, ergab dass das Wasser stark verschmutzt ist und keine Trinkwasserqualität aufweist. Es ist davon auszugehen, dass die schlechte Wasserqualität die Grundursache für einen Grossteil der im Lager auftretenden Krankheiten ist.

Gesundheitssituation: Die schweren klimatischen Bedingungen, die schlechte Wasserqualität und die einseitige, vitaminarme Ernährung bringen besonders in den heissen Sommermonaten eine rasante Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten wie Ruhr und Thyphus mitsich. Auch wenn im begrenzten Rahmen eine medizinische Grundversorgung seitens des UNHCRs und der irakischen Behörden für das Lager zur Verfügung gestellt wurde, so ist diese nicht geeignet den vorhandenen Bedürnissen gerecht zu werden. Bei ihren Untersuchungen und in den Gesprächen mit dem Gesundheitspersonal vor Ort, stellte die Delegation Folgendes fest:
- Die durch den UNHCR bereitgestellte medizinische Versorgung ist beschränkt auf kurzfristige, erste Hilfe und das Verabreichen von Schmerzmitteln; die Krankenstation entspricht weder technisch noch personell den Anforderungen; das Gesundheitspersonal ist nicht durchgehend im Lager anwesend und zahlenmässig nicht in der Lage die gesundheitliche Versorgung der 10.000 BewohnerInnen des Flüchtlingslagers zu gewährleisten. 3 Flüchtlinge wurden als medizinisches Hilfspersonal angelernt, jedoch sind auch sie überlastet und können bei Notfällen und Geburten häufig nicht rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen ergreifen.
- Im Krieg und durch Angriffe erlittene Verletzungen, wie beispielsweise durch Landminenexplosionen verursachte Behinderungen können nur notdürftig mit schmerzstillenden Mitteln behandelt werden. Es gibt keine physiotherapeutischen Behandlungs-möglichkeiten.
- Die Flüchtlinge verfügen nicht über die Möglichkeit einer fachgerechten Behandlung von psycho-somatischen Krankheiten, die durch Flucht und Gewalterfahrungen verursacht wurden.
- Es bestehen keine Behandlungsmöglichkeiten für schwere Krankheiten, bzw. für Krankheiten, die eine langfristige Behandlung und Therapie bedürfen.
- Geburten werden in den Unterkünften der Flüchtlinge mit Hilfe von Nachbarinnen oder Verwandten unter notdürftigen Bedingungen durchgeführt.

Bildungssituation: In ihren Heimatdörfern hatten nur wenige der heute im Flüchtlingslager Maxmur lebenden Menschen eine Schulbildung erhalten können. Während einerseits ihre kurdische Mutter-sprache durch die türkischen Behörden verboten war und in den Schulen der Zwang zum Gebrauch der türkischen Sprache bestand, waren häufig auch die knappen ökonomischen Möglichkeiten und traditionell-feudalen Einstellungen der Familien ein Hindernis für den Schulbesuch. Insbesondere Mädchen konnten nur in Ausnahmefällen eine Schulbildung bekommen. Im Laufe der Zeit setzte sich jedoch bei den Flüchtlingen die Ansicht durch, dass es notwendig war für ihre Kinder Bildungs-möglichkeiten aufzubauen, um eine Zukunfts-perspektive gewinnen zu können. So begannen die BewohnerInnen des Flüchtlingslagers in Eigenini-tiative Schritt für Schritt ein Schulsystem aufzubauen und im Laufe der Zeit weiterzuentwickeln.

Nachdem die ersten Schulen in Eigeninitiative aufgebaut wurden, errichtete der UNHCR im Jahr 2000 ein weiteres Schulgebäude. Den Kindern im Schulalter stehen drei Grundschulen, zwei Mittelschulen und ein Gymnasium zur Verfügung, an denen neben dem Unterricht in der kurdischen Muttersprache, in natur- und gesellschaftswissen-schaftlichen Fächern, Musik- und Sportunterricht werden als Fremdsprachen auch Türkisch und Englisch gelehrt. Der Unterricht wird von den Flüchtlingen selbst geleitet, wobei sich die Lehrer-Innen ständig selbst weiterbilden müssen, um den steigenden Anforderungen gewachsen zu sein. Jedoch besteht neben dem Mangel an fachkundiger Unterstützung für die Lehrerfortbildung auch ein Mangel an grundlegende Unterrichtsmaterialien wie an Schulbüchern, Schreibheften, Stiften, u.ä.. Seit dem Schuljahr 2001/2002 werden die Zeugnisse der Schulen im Flüchtlingslager Maxmur durch den UNHCR offiziell anerkannt.

Situation der Flüchtlingsfrauen
Frauen stellen mit einem Anteil von 65% einen Grossteil der dort lebenden Bevölkerung dar. Wegen der traditionellen, patriarchal-feudalen Familien-strukturen hatten viele dieser Frauen niemals die Möglichkeit eine Schule zu besuchen; ihre Erfahrungswelt war bis zum Zeitpunkt der Flucht allein auf das Leben innerhalb der Familie und des Dorfes beschränkt gewesen. Folglich sind 97 % der Flüchtlingsfrauen Analphabetinnen. Viele der Frauen sind sehr jung verheiratet worden, ohne jemals ihren eigenen Willen und ihre eigene Lebensvorstellungen zum Ausdruck gebracht zu haben. Neben der gesellschaftlichen geschlechtsspezifischen Diskriminierung, waren Frauen unter den Bedingungen von Aus-nahmezustand und Krieg in ihrer Heimat zugleich auch sexueller Gewalt durch türkische Sicherheitskräfte ausgesetzt. Vergewaltigungen wurden bei Dorfentvölkerungen und willkürlichen Festnahmen gezielt als Foltermethode angewandt, weil sich die Täter Stillschweigen und gesellschaftliche Ächtung des Opfers versprachen.

Aufbau des Frauenzentrums: Um unter Frauen einen Austausch über bislang tabuisierte Themen und gegenseitige Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme anzuregen, begannen Anfang letzten Jahres einige Flüchtlingsfrauen mit dem Aufbau eines Frauenzentrums. In Eigenarbeit errichteten die Frauen mit den dort vorhandenen Baumaterialien, aus Steinen und Lehmziegeln, drei kleine Gebäude, die nun für unterschiedliche Aktivitäten des Frauen-zentrums genutzt werden: Während es einerseits wichtig war, einen Treff- und Anlaufspunkt für Frauen zu schaffen, wurde andererseits mit Bildungsange-boten wie Alphabetisierungskursen für Frauen und Mädchen begonnen. Kulturelle Aktivitäten, wie Folklore- und Theatergruppen, bieten Frauen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Ausdruckskraft zu erweitern.
Um den Müttern eine Teilnahme an diesen Angeboten zu ermöglichen, sowie Kindern im Kleinkindalter Spiel- und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, wird eines der Gebäude als Kindergarten genutzt. Innerhalb eines kurzen Zeitraumes wurden vor allem in den Bereichen Bildung und Kultur wichtige Fortschritte erreicht. Jedoch reichen die materiellen Mittel, die Einrichtung und die Lehrmateri-alien des Frauenzentrums nicht aus, um auf die vorhandenen Bedürfissen und steigende Nachfrage eine entsprechende Antwort zu liefern.
Im dritten Gebäude des Frauenzentrums wurde eine kleine Schneidereiwerkstatt eröffnet. Mit der Produktion sollte sowohl der Bedarf der BewohnerInnen gedeckt werden, als auch eine ökonomische Einnahmequelle für die Flüchtlings-frauen geschaffen werden. Nach der Eröffnung begannen die Frauen mit intensiven Produktionsaktivitäten im Handarbeitsbereich, die jedoch infolge von Absatzmarktschwierigkeiten und fehlenden Materialien wieder eingestellt werden mussten. Aufgrund dieser Umstände kann die Produktionsstätte derzeit nur in begrenztem Umfang, d.h. vorrangig zu Reparatursarbeiten an Kleidungsstücken und für Einzelproduktion, genutzt werden.
Neben der materiellen Armut und den Versorgungs-schwierigkeiten, stellen besonders die durch die Flucht verursachte Trennung von der gewohnten Umgebung, der Verlust von Angehörigen und Bekannten und die Isolation von der Aussenwelt eine grosse psychologische Belastung für die Flüchtlings-frauen dar. In dieser Hinsicht ist der Aufbau des Frauenzentrum ein bedeutender Schritt, Vereinsamung und passiver Schicksalsergebenheit entgegen-zuwirken. Die Frauen brachten in den Gesprächen mit den Teilnehmerinnen der Delegation den Wunsch zum Ausdruck, neben dem innerhalb des Lagers unter Frauen begonnenen Dialog, auch mit Frauen ausserhalb des Lagers und in anderen Ländern einen beständigen Austausch zu haben.

Über den Kontakt zu anderen Frauenorganisationen und humanitären Einrichtungen hinaus betonten die Flüchtlingsfrauen, dass sie im medizinischen und therapeutischen Bereich professionelle Hilfe von Außen benötigen, um den Gesundheitszustand und das Wissen von Frauen diesbezüglich verbessern zu können.
Im Lager selbst gibt es weder gynäkologische Behanlungsmöglichkeiten noch Gesundheitspersonal, das über ausreichende Kenntnisse in den Bereichen Frauengesundheit, Geburtskunde, Familienplanung u.ä. verfügt. Obwohl sich das Frauenzentrum mit entsprechenden Anträgen an die zuständigen Stellen des UNHCRs wandte, blieben diese bislang unbeantwortet. Für Arztbesuche ausserhalb des Flüchtlingslagers, die nur mit Sondergenehmigung der irakischen Behörden möglich sind, fehlen den Flüchtlingen die notwendigen finanziellen Mittel. Zudem weigern sich irakische Ärzte aufgrund der dort gültigen Scheriat-Gesetze bei unverheirateten Frauen und Mädchen medizinisch notwendige gynäko-logische Untersuchungen durchzuführen, was bereits in einigen Fällen für die betroffenen Frauen tödliche Konsequenzen hatte.

Fazit und zukünftige Projekte

Der Aufenthalt der Delegation im Flüchtlingslager stellte einen wichtigen Beitrag zur Zusammenarbeit und Verschaffung eines Bildes von der aktuellen Lage der dort lebenden Bevölkerung dar. Hierbei war der prägnanteste Eindruck, zu sehen, dass die Flüchtlinge im Lager Maxmur die schwierigen Umstände nicht schicksalsergeben hinnehmen und trotz des starken Wunsches auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimatdörfer, sich aktiv für eine kollektive Gestaltung des Zusammenlebens und eine Verbesserung ihrer konkreten, gegenwärtigen Lage einsetzen.
Die Delegationsteilnehmerinnen konnten sich vor Ort wichtige Eindrücke, Fakten und Dokumentationsmaterialen verschaffen. Mit Hilfe dieser Informationen ist nun eine weiterführende aktive Öffentlichkeitsarbeit möglich geworden. Zudem wird es im Anschluss an die statistischen Erhebungen, die derzeit von Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums und der Krankenstation vervollständigt werden, möglich sein, interessierten Fachkräften die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Somit stellt der Aufenthalt der Delegation in Maxmur und der dadurch ermöglichte direkte Kontakt mit den Flüchtlingfrauen einen wichtigen, ersten Schritt für eine kontinuierliche Zusammenarbeit und die weitergehende Projektentwicklung in den Bereichen von Gesundheit und Bildung dar.

Mit der Zusammenarbeit an folgenden Projekten, die von den Frauen in Maxmur als vorrangig eingestuft wurden, wollen wir als IFWF unsere Arbeit zukünftig fortsetzen:

1. Schneiderei-Werkstatt: Verbesserung der Ausstattung und der Absatzmöglichkeiten der Produkte, um Möglichkeiten zum eigenständigen Lebensunterhalt für Frauen zu schaffen
2. Aufbau eines Frauengesundheitszentrums
3. Installierung einer Filteranlage zur Verbesserung der Wasserqualität

Danksagung
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Menschen und Institutionen, die mit ihrem Einsatz, mit finanzieller und/oder ideeler Unterstützung zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Unser besondere Dank gilt der Stiftung Mama Cash aus Amsterdam und der kurdisch-deutschen Frauengruppe Pistgiriya Jinan aus Bremen.

Die Teilnehmerinnen der Delegation zum Flüchtlingslager Maxmur
International Free Women`s Foundation

Amsterdam, September 2002

International Free Women`s Foundation
Adresse: Wibautstraat 3 • 1091 GH Amsterdam / Netherlands
Tel.: +31 (0) 20 596 2015 • Fax: +31 (0) 20 596 1174 • info@freewomensfoundation.org
Bankverbindung: Postbank Amsterdam 6218545
(Bei Spenden für das Frauenzentrum Maxmur, geben Sie bitte das Stichwort „Women`s Centre Maxmur“ an.)