Özgür Politika, 21.09.2002

Gemeinsamer Wille durch die weibliche Identität

Die kurdischen Frauen sind zur Zeit die politischsten Frauen in dem Gebiet. Sie verfolgen aktiv die Entwicklung der politischen Tagesordnung. Aber gleichzeitig ist eine gemeinsame Willensbildung notwendig. Es genügt nicht nur Politik zu machen oder aufzunehmen. Es bedeutet auch, soziale Gewinne zu erzielen, und dieses Bewusstsein in den eigenen vier Wänden in die Praxis umzusetzen.

MERAL AKYOL

Wir haben mit Suna Parlak, vom Dicle Frauenkulturzentrum ein Gespräch über Lösungen der Frauenfragen, die Rolle der Frauenbewegung bei ihrer Bildung, gemeinsame Arbeitspunkte, ihre Prinzipien und ihre Ziele geführt.

-Wenn Sie möchten, beginnen wir unser Gepräch mit der Frage über die derzeitige Lage der Aktivitäten des Dicle Frauenkulturzentrums...

Unser Zentrum ist vor ungefähr 4 Jahren gegründet worden. Vor allem gibt es Erfahrungen aus der Arbeit verschiedener Vereine und auch dieses Vereines auf diesem Gebiet. Eigentlich sind 4 Jahre eine kurze Zeit, aber es gibt auch eine Zeit vorher. Dies ist das Ergebnis einer 10-15jährigen Arbeit auf diesem Gebiet; Frauen von vor allem politischen Parteien und auch verschiedener ziviler Organisationen haben in dieser Hinsicht viel Erfahrung gesammelt. Des weiteren führt die kurdische Frau seit vielen Jahren einen Kampf. Daher war zwar die Gründung neu, aber die Erfahrung reichhaltig, auf die das Zentrum aufgebaut wurde.
Wir können unsere Arbeitspunkte unter ein paar Überschriften sammeln:
1. Vor allem beginnt jede Frau mit dem Ziel der Unabhängigkeit hier zu arbeiten. D.h. wir, die Frauen, die im Zentrum arbeiten brauchen diese Institution. Dies bedeutet, wir müssen uns selber erziehen. Unsere Arbeit besteht aus einzigartigen Frauenschulungen und Aktivitäten, die das Bewusstsein und die Sensibilität der Frau entwickelt.
Als 2. können wir folgendes kennzeichnen; unser Ziel ist nicht uns aus der Gesellschaft auszuschliessen; andere Frauen, in den Stadtteilen, bei der Arbeit, auf den Dörfern bilden unsere Zielgruppe.

-Zu welcher Entwicklung haben Ihrer Meinung nach die grossen Probleme der kurdischen Frauen geführt?

Die kurdischen Frauen sind zur Zeit in der Situation, die politischten Frauen der Region zu sein. Sie verfolgen aktiv die Entwicklung der politischen Tagesordnung. Aber gleichzeitig ist eine gemeinsame Willensbildung notwendig. Es genügt nicht nur Politik zu machen oder aufzunehmen. Es bedeutet auch, soziale Gewinne zu erzielen, dieses Bewusstsein in den eigenen vier Wänden in die Praxis umzusetzen, die Widersprüche innerhalb der Familien innerlich zu reflektieren, Regeln aufstellen zu können, dies im sozialen Umfeld weiter zu entwickeln, dies auf ihr Arbeitsleben zu übertragen. Natürlich ist es dafür notwendig, dass sie eine Ausbildung haben, dass sie im Arbeitsleben stehen. Oder sagen wir einmal, es genügt nicht nur ein Parteimitglied zu sein. Zur selben Zeit ist es notwendig, Kader oder Führende Person zu sein. Unser Ziel besteht darin, die Frauen in allen Gebieten, in denen sie sind, in allen Gesellschaften, in denen sie sind, aktiv und erzeugend zu sein. Und dazu müssen wir vermehrt Schulungen durchführen. Z.B. in Bezug auf familiäres Leben, wie kann die Beziehung mit dem Ehemann, den Kindern sein, oder wie kann Gleichberechtigung, Unabhängigkeit in die Familie übertragen werden? Wie kann sie aktiver werden bei Kultur und Kunst. Denn Kultur und Kunst bedeutet nicht nur dies zu tun, sondern zeigt auch ihre Sozialisierung. Es stellt sicher, dass sie sich im sozialen und politischen Leben noch aktiver ausdrücken kann. So eine Persönlichkeit wird im politischen Umfeld mit ihrer weiblichen Identität ihren Platz einnehmen und ihre Politik wird Frauenpolitik sein. Daher ist es notwendig, dass die Frau unterschiedliche Gedanken und Forderungen als der Mann in Bezug auf die Unterdrückung der Gesellschaft hat. Es ist notwendig, dass sie dies zunächst für sich, dann für ihre Identität und auch als ein gesellschaftliches Projekt verlangt. Dies kann man politisch als Diskriminierung der Männer betrachten, aber die Frau darf nicht, wenn sie in der Politik ist, nur geschlechtsspezifische Politik betreiben. Aber sie muss mit ihrer geschlechtsspezifischen Identität Politik für die gesamte Gesellschaft machen. Also zielen wir darauf hin, mit Hilfe dieser einzigartigen Einrichtung, eine Frau zu schaffen, die sich in jedem Bereich entwickelt hat, die weiss was sie will, die produktiv ist.

Natürlich gibt es viel zu tun. Denn solch ein gesellschaftlicher Umbruch wird nicht in ein oder zehn Jahren zu realisieren sein. Dies ist ein dauerhaftes Projekt; eins das weitere Einrichtungen wie dieser schaffen soll und sich durch Organisierung der Frauen auf jedem Gebiet weiter entwickelt. Daher ist unser zweites Ziel Frauenorganisationen zu schaffen, die über die gesamte Region und der Metropolen verteilt sind. Wir verstehen auch nicht darunter, dass diese an uns gebunden sind. Wichtig ist es bei den Frauen ein Bewusstsein für eine Organisierung zu entwickeln, und überall und in jedem Umfeld, wo Frauen sind diese Organisierung herzustellen. Wir alle haben Bedarf dazu. Es ist auch nicht richtig nur einen Typus von Mensch zu schaffen, denn die Schaffung einer vielseitigen Frau bringt die Frau dazu, sich in jeder Hinsicht besser darstellen zu können.

- Sind Sie in einem Dialog mit anderen Frauenorganisationen, arbeiten Sie auch gemeinsam?

Natürlich haben wir mehr oder weniger Beziehungen zu allen Frauenorganisationen im Umfeld. Die meisten Frauenorganisationen sind linksorientiert, fühlen sich der linken Politik näher oder nehmen die Rolle der aktiven Opposition ein. In der Türkei ist dies noch weiter verbreitet. Natürlich nur wenn wir „Papatya“ oder andere Beispiele aussen vor lassen. Aber die meisten Frauenorganisationen gehören zu dem Teil, die noch aktiver im Bereich der Probleme in der Türkei sind oder diesen Problem gegenüber mehr Aufmerksamkeit schenken. Z.B waren die Frauenorganisationen, unter denen wir auch waren, die ersten Gruppen, die auf den Angriff der USA in Afghanistan reagiert hatten. Vor allem nehmen wir innerhalb verschiedener Plattformen teil.

Unter anderem gibt es da die Antikriegsplattform; Bürgerrechtsplattform; die alljährlich zum 8.März geschaffenen 8.-März-Plattform; die Frauenkoalition; eine Plattform, die unter dem Namen Frauenkongress steht; und es gibt Plattformen, in denen unsere anderen Sektionen ihren Platz haben. Unsere Sektion in Izmir ist in der Ägäischen Frauenplattform. Das sind natürlich diejenigen, die zur Zeit stattfinden, daneben sind wir in der Frauenkonferenzinitiative. Bei verschiedenen, stattfindenden Aktivitäten sind wir oder die anderen Frauenorganisationen die Organisatoren und haben gemeinsame Treffen. Das bedeutet, dass wir eine gemeinsame Sprache gefunden haben. Die ehemalige Trennung, oder die Auseinandersetzungen wegen unterschiedlicher Ansichten treten nicht mehr auf, sowohl bei denen als auch bei uns haben wir dieses überwunden.

Als Frauenorganisationen legen wir auch auf folgendes Wert: Egal ob Türkin, Kurdin, Tscherkessin, oder sonst auch immer, alle Frauen werden vom System zu Opfern gemacht. Dadurch, dass wir mit unserer Identität als Frau aktiv in der Politik unseren Platz einnehmen, werden wir uns aufgrund der natürlichen Probleme der Gesellschaft in einem gemeinsamen Punkt treffen. Als kurdische Frauen haben wir uns einen dauerhaften Platz in diesem Umfeld geschaffen. Ohne uns wollen sie nichts durchführen. Diese Situation hat eine natürliche Beziehung geschaffen und so sollte es auch sein.

- Wie viele Sektionen habt Ihr zur Zeit?

Unser Zentrum ist in Istanbul und ausser diesem haben wir eine Sektion in Izmir. Wir hatten auch eine Sektion in Diyarbakir, aber unter dem Vorwand, dies sei auf der Grundlage der Ausnahmezustandsregelung nicht möglich, wurde diese geschlossen.

- Ohne Begründung....

Ohne Begründung. Aber unsere dortigen Freundinnen hatten schon ein Potential geschaffen. Die Frauen waren schon organisiert. Auch ohne uns können sie sich organisieren, wir haben unsere Erfahrungen an die dortigen Freundinnen weitergeleitet. Als Ergebnis dieser langen Arbeit – denn unsere Freundinnen erzielen ihre Ergebnisse – haben sie dort ein Frauenzentrum gegründet, wozu ich den Freundinnen auf diesem Wege auch weiterhin viel Erfolg wünsche.

Nicht nur die Opposition, sondern auch die Macht muss umgewandelt werden

- Wir befinden uns in einer kritischen Zeit der Wahlen, die eine Dimension erreicht hat, in der es um die Lösung demokratischer Fragen in der Türkei geht. Welcher Rolle widmen sie sich in dieser Zeit, als Dicle Frauenkulturzentrum.

Zunächst einmal fordern wir, dass diese Wahl demokratisch geführt wird. Überall auf der Welt gibt es eine ca. 30% Quote der Frauen. Dies ist die Quote, mit der Frauen aktiv im Arbeitsleben und dem sozialen Leben teilnehmen. Es sollte doch mindestens diese Quote im politischen Bereich angewendet werden, denn wie auch immer ihre politische Ansicht aussieht, sollte es möglich sein, dass eine Frau ihr Bewusstsein weiter entwickelt. Die Runde der Männer im Parlament muss endlich beendet werden. Wir glauben daran, dass ein Frauenparlament indem die Frauen, wie auch immer die Ansichten sind, gemeinsam arbeiten, eine Frauenopposition oder sogar ihre Macht diesem ein Ende bereitet. Die Frau darf nicht mehr nur in der Opposition oder die Aktivistin sein, sie muss diese aktive Kraft in Politik umwandeln. Mit Hilfe der Stimmen, ihrer Kandidatur und ihrer Arbeit sollte sie eine Kraft werden.