Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
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Düsseldorf, 20. Februar 2003

Frauen, die Kämpfen, sind eine Gefahr für das System...

Dringender Aufruf zur Teilnahme an einer kurzfristigen Beobachtungsdelegation am 08. März

Seit geraumer Zeit wird in der Türkei systematisch gegen Frauen vorgegangen, die sich für eine gesellschaftliche und politische Veränderung in der Türkei einsetzen. Frauen, die kämpfen, sind eine Gefahr für das System. Dies ist die Auffassung des türkischen Staates und deshalb schlägt es mit voller Kraft zurück. Gemeint ist die aktive Beteiligung von Frauen am Demokratisierungsprozess in der Türkei. Durch die zahlreichen Aktionen von Frauen in den letzten 5 Jahren, verspürt der Staat deutliche Angst vor einem möglichen Erfolg der Frauen. Mit verschiedenen Methoden wird versucht - allen voran durch den Angriff auf den „Ehrenkodex“ -, die dynamischste Kraft der Gesellschaft, die Frauen, zum Schweigen zu bringen. Verhindert werden soll der Einstieg der Frauen in die Politik.

Einige Beispiele:
Der erste Vorfall ereignete sich am 14. Juni 2003 in Istanbul. Gülbahar Gündüz ist Kurdin und Vorstandsmitglied der DEHAP (Demokratische Volkspartei)–Frauenfraktion. Sie wurde auf offener Straße entführt, anschließend 8 Stunden gefoltert und vergewaltigt. Mann hat ihr gesagt: „Warum führt ihr Frauen diese Kampagne für eine Generalamnestie an? Ihr glaubt wohl, weil ihr Frauen seid, rühren wir euch auf der Straße nicht an. Das hier soll euch Frauen ein Beispiel sein. Wenn ihr nicht wollt, dass euch Gleiches widerfährt, dann bleibt zuhause. Richtet Eure Blicke auf den Boden und schweigt. Ihr seid schwach, Ihr könnt euch nicht wehren, wir können alles mit euch machen.“ Dies wurde ihr als Botschaft für alle Frauen mitgegeben.

Am 09.12.2003 wurde Afife Mintas, ebenfalls Kurdin und Mitglied der DEHAP–Frauenfraktion, von 2 „Unbekannten“ in ein weißes Auto gezerrt und entführt. „Du wirst uns nicht entkommen, du kennst uns, wir werden die DEHAP zu eurem Grab machen“ wurde ihr gedroht. Während ihrer Entführung war sie massiver sexueller Belästigung ausgesetzt, ihr Hals wurde mehrfach mit einem Messer verletzt.

Im Abschnitt des Zivilrechtes des türkischen Grundrechtes, ist die Vergewaltigung in- und außerhalb der Familie immer noch nicht als Strafe angesehen. Diese Regelung legitimiert jegliche Gewalt und menschenverachtende Handlungen gegenüber den Frauen. Das ist der Grund, warum die Zahl der Gewalt gegen Frauen nicht sinkt. Im Gegenteil: Sie steigt rapide an (s. Bericht des Menschenrechtsvereins IHD vom Dezember 2003).

Des weiteren verfolgt der türkische Staat das Ziel, die erreichte Emanzipation des kurdischen Volkes durch Methoden wie Einführungen ins Rotlichtmilieus zu brechen. Die Frau, die erst seit einigen Jahrzehnten in der Lage ist, sich auszudrücken und ihre Erfahrungen im Bereich der Politik sammelt, soll von diesen Bestrebungen abgebracht werden. In den Augen der Gesellschaft sollen Frauen den Wert einer Ware haben und minderwertig sein. Die Entstehung zahlreicher Bordelle in den letzten 4 Jahren in Diyarbakir, im Herzen Kurdistans, legen Zeugnis ab von dieser menschenverachtenden Haltung und Entwicklung.

In der Türkei laufen seit Mai massive Operationen gegen Frauendemonstrationen, Kundgebungen und verschiedene Aktionen. Friedliche Kundgebungen werden mit grober Gewalt angegriffen und Polizeihunde auf unbewaffnete Frauen gehetzt. Die Nachrichtenagentur DIHA berichtete im Juni, dass im Anschluss an einen Protest der Befehl gegeben worden sei, zuerst die Frauen anzugreifen. Daraufhin sind anschließend Hunderte von Frauen geschlagen, verprügelt und festgenommen worden.

Aufgrund dieser Ereignisse sind wir und Frauen in der Türkei äußerst besorgt. Der 8. März steht vor der Tür. Frauenorganisationen wollen den 8. März im Rahmen einer Aktionswoche begehen. Der internationale Weltfrauentag steht als Symbol für Frauenwiderstand, gegen Ausbeutung, Unterdrückung und gegen imperialistische Kriege. Folglich werden Frauen an diesem Tag mutig auf die Straßen gehen und mit ihrer Kraft und Überzeugung gegen die herrschenden Verhältnisse demonstrieren.

Es wird der Tag sein, an dem Kurdinnen und Türkinnen gemeinsam auf die Straßen gehen und gegen die antidemokratische, sexistische, diskriminierende und menschenverachtende Politik der Türkischen Regierung sowie gegen die Globalisierung, die ausschlaggebend für die Ungerechtigkeit auf der Welt ist, protestieren. Ebenfalls werden sie ihren Widerstand gegen die Angriffe Frauen gegenüber deklarieren.

Wir möchten sie dabei unterstützen und uns mit ihnen solidarisieren. Lassen wir sie an diesem bedeutenden Tag nicht alleine.

Unser Aufruf richtet sich an alle Frauen, die bestehende Zustände innerhalb eines patriarchalen Systems ablehnen und bereit dazu sind, ihren aktiven Beitrag an einer neuen Welt zu leisten. Die Angriffe auf Frauen in der Türkei/Nordkurdistan richten sich gegen den Kampf für solch eine neue Welt. Sie richten sich gegen unsere Hoffnung einer Zukunft ohne Kriege, Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung. Zeigen auch Sie, dass der Kampf der Frauen universellen Charakters ist!

Anlässlich des 8. März wollen wir eine Delegation nach Diyarbakir mobilisieren. Frauen aus Europa sollen diese Aktionen beobachten und begleiten. Die Delegation soll vom 06.-09. März in Diyarbakir verschiedene Ereignisse zum 8. März und die zentrale Kundgebung, zu der 15.000 Frauen erwartet werden, beobachten. Für nähere Auskünfte und dem genaueren Programm zum 8. März in Diyarbkir, steht Ihnen unser Büro gerne zur Verfügung.


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