Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
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Düsseldorf, 25. November 2003

Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen erklärt das Kurdische Frauenbüro für Frieden – Cenî und das Kurdische Menschenrechtszentrum, folgendes:

Gerade in der heutigen Welt ist es wichtig, den Geschwistern Mirabel, die am 25. November 1960 vergewaltigt und anschließend ermordet wurden, zu gedenken. Dafür haben wir viele Gründe.

Trotz des „modernen Zeitalters“ in dem wir leben, sind Frauen weltweit immer stärker der Gewalt ausgesetzt. Die Statistiken über die Art und den Umfang der Gewalt an Frauen sind erschreckend. Die Gewalt ist weder geografisch noch kulturell eingegrenzt, noch auf Klassen oder soziale Schichten beschränkt. Jede Sekunde wird eine Frau vergewaltigt oder ist der Gewalt ausgesetzt. Jedes Jahr werden 170 Millionen Frauen gezwungen unter der Gewalt zu leben. Täglich werden 650 Frauen getötet (Quelle: Özgür Politika 24.11.03)

In Kriegsgebieten wie in Kurdistan, ist die Gewalt an Frauen viel offener und stärker, da die Frauen neben gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gewalt auch staatlicher Gewalt ausgesetzt sind.

So wurde erst am 14. Juni 2003 Gülbahar Gündüz, Vorstandsmitglied der DEHAP-Frauenkommission Istanbul, von vier Zivilpolizisten entführt und vergewaltigt. Der direkte politische Hintergrund der Folter und Vergewaltigung von Gülbahar Gündüz ist die aktive Beteiligung von Frauen an der Kampagne für gesellschaftlichen Frieden und demokratische Partizipation am politischen Prozess, in dessen Rahmen als juristisch notwendige Maßnahme eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen, einschließlich der Guerilla, gefordert wird. Gülbahar Gündüz ist nur eine von tausenden von staatlicher Gewalt betroffenen Frauen.

Und Semsiye Allak.... Massaker an Frauen, weil sie die „Familienehre beschmutzt haben“ kommen immer wieder in Kurdistan vor. So wurde Semsiye Allak am 21. November 2002 in Mardin durch Steinigung ihrer eigenen Familie schwer verletzt, weil sie eine uneheliche Beziehung zu einem Mann hatte. Der Mann wurde durch den Angriff sofort getötet, Semsiye fiel ins Koma und verlor ihr ungeborenes Kind. Nachdem sie sieben Monate lang im staatlichen Krankenhaus von Diyarbakir gelegen hatte, verstarb sie am 7. Juni 2003. Ihre Leiche lag bis zum 20. Juni 2003 in der Leichenhalle, weil ihre Familie sich weigerte, Semsiye zu beerdigen.

Millionen Frauen, deren Fälle nicht bekannt sind, sind der patriarchalisch geprägten Denkweise der heutigen Welt ausgesetzt. Zudem legitimieren die Gesetze dieser Logik die Gewalt. Die Grenzenlosigkeit der Gewalt an Frauen ist ein klarer Ausdruck hierfür. Der erste systematisch geplante Krieg wurde gegen die Frau geführt. Erst nachdem die Frau unterworfen wurde, begann die Geschichte der Kriege und Unterwerfungen (Klassenkämpfe und ethnische Auseinandersetzungen). Die Menschheit hat viele Widerstandskämpfe zur Verbesserung der Verhältnisse geführt, aber keinem ist es bislang gelungen, die erste Unterdrückungsform der Menschheit zu überwinden. Daher wundert es nicht, dass Staaten dieser Erde weit davon entfernt sind, die Rechte der Frauen lückenlos zu gewähren und Kriege zu unterbinden.

Die Tatsache, dass auch in den Ländern, in denen die Frauen in den politischen Entscheidungsgremien stärker vertreten sind, wie in Schweden, die Gewalt an Frauen immer mehr zunimmt, zeigt die Notwendigkeit für eine tiefgreifende und umfassende Annäherung an das Problem.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Frage nach Krieg und Frieden im Zusammenhang mit der Frauenfrage zu behandeln. Wie kann auf dieser Erde der Frieden, die Gerechtigkeit, die Demokratie und die Freiheit der Menschen dauerhaft für alle erreicht werden, wenn die Frauen, die die Hälfte der Menschheit sind, tagtäglich ermordet, ausgebeutet, durch den Ehrenkodex versklavt, vergewaltigt und entwürdigt werden?

Eine andere Welt ist nötig!

Aus diesem und vielen anderen Gründen möchten wir nochmals erklären, dass die geschriebene Geschichte nicht unsere ist. Wir sind davon überzeugt, dass eine globale Frauenvereinigung eine grenzenlose Welt ohne Klassen, Gewalt und Unterdrückung erreichen kann, um somit die begonnene Geschichte der Frauen weiter schreiben zu können.

Wir verurteilen jegliche Gewalt, ob physisch, verbal oder psychisch. Wir sehen es als eine Aufgabe jeder Frau, sich gegen die Gewalt zu engagieren und zu organisieren.

Kurdisches Frauenbüro für Frieden - Cenî

Kurdisches Menschenrechtszentrum