Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
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Düsseldorf, 13. März 2003


Pressemitteilung

Partei der Freien Frau feiert Geburtstag!

Genau vor vier Jahren wurde die Partei der Freien Frau (PJA) - damals noch unter dem Namen PJKK – gegründet. Aus diesem Anlass dokumentieren wir einen übersetzten Auszug aus einem Interview mit Evindar Ararat (Mitglied des PJA-Parteirats), das heute in der türkischsprachigen Tageszeitung Özgür Politika erschienen ist.


Damit wir sein können, wie wir sind’

Wie ist es zur Parteigründung gekommen?

(...) Natürlich gibt die Frauenbefreiungsbewegung in Kurdistan nicht erst seit vier Jahren. Sie hat eine lange und schwierige Vergangenheit und kann auch nicht auf die Zeit des nationalen Befreiungskampfes in Kurdistan reduziert werden. Wenn wir die letzten 5000 Jahre hinterfragen, wird der historische Zusammenhang zur PJA als Form der Frauenorganisierung deutlich.
Unsere Organisierung hat eine 17-18jährige Vergangenheit. 1987 wurde die YJWK („Union der heimatliebenden Frauen Kurdistans“) gegründet. Im Jahr 1993 wurde eine eigene Frauenarmee eingerichtet. 1995 schließlich entstand die YAJK (Union Freier Frauen Kurdistans) und 1999 die erste eigenständige Frauenpartei unter dem Namen PJKK (Arbeiterinnenpartei Kurdistans). All diese Jahreszahlen sind Ausdruck für verschiedene Entwicklungsprozesse.

Die Entstehung einer Frauenbefreiungsbewegung war nicht einfach. In der Region, in der wir leben, hatten Frauen überhaupt keinen Wert mehr. Physisch und psychisch wurden erstickt. Wir verfügten nicht über das Bewusstsein, eine Frauenbewegung zu organisieren. Als wir in den kurdischen nationalen Befreiungskampf eintraten, hatten wir nicht den Anspruch, eine Frauenbewegung zu gründen. Auch die Genossinnen, die sich ganz zu Beginn am Kampf beteiligten, hatten kein Geschlechterbewusstsein. Das hat sich lange Zeit negativ auf den Kampf ausgewirkt. (...) Das Zusammenkommen von Frauen und die Bewusstseinsbildung bezüglich der Frauenfrage sind Resultat der Arbeit des Vorsitzenden [Abdullah Öcalan].

(...) Insbesondere die Zeit bis 1999 war sehr schwierig für uns. „Wie können wir uns selbst gehören, wie können wir uns mit unserer eigenen Identität bewegen, wie können wir Liebe und Dialog zwischen Frauen entwickeln, wie können wir uns gegenseitig stärken, wie können wir gegen patriarchales Denken vorgehen, wie können wir uns verteidigen?“ Die Antwort auf all diese Fragen schien uns durch die Erschaffung einer eigenen Organisation möglich.

Wir sind nicht auf Kurdistan beschränkt’

Warum ist bei der Umbennung in PJA das Wort ‚Kurdistan’ gestrichen worden?

In der Zeit von YJWK, YAJK, PJKK wurde das Wort Kurdistan benutzt, aber in ideologischer Hinsicht haben wir uns nie als eine reinkurdische Frauenbewegung gesehen. Vor allem haben wir uns bemüht, Frauen aus der Türkei anzusprechen. Als die Frauenarmee gegründet wurde, haben sich Frauen verschiedenster Herkunft uns angeschlossen. Das steht in Zusammenhang mit der Entwicklung der Frauenbewegung. Unsere Partei ist Ausdruck einer universellen Denkweise. Die PJKK drückte unserer Bewegung einen regionalen Charakter auf, die in Widerspruch zur Universalität unserer Ideologie stand. Das wollten wir verändern. Wir wollten den Widerspruch zwischen Ideologie und Praxis aufheben. Auf dem 3. PJKK-Kongress im Jahr 2000, der zugleich Gründungskongress der PJA war, wurde in den Diskussionen deutlich, dass wir die nationale Ebene längst überschritten haben. Wir wollten eine Partei für alle Frauen erschaffen, deren Leidenschaft der Freiheit gilt. Dabei kann kein Unterschied nach Herkunft gemacht werden, und zunehmend wird auch der Geschlechterunterschied unwesentlicher werden. Auf unserem vierten Kongress wurde sogar der Beschluss gefasst, dass Männer unter bestimmten Bedingungen Mitglied werden können.

Frauenarmee gegen das Kräfteungleichgewicht

Wie kam es zur Gründung der Frauenarmee und wie wurde sie aufgenommen?

Zunächst trat die Frage auf, wofür eine Frauenarmee gut sein soll und warum es zwei verschiedene Armeen geben soll. Die Gründung der Frauenarmee richtete sich gegen das bestehende Kräfteungleichgewicht. Damit sollte nicht nur das fehlende zweite Standbein der Revolution vervollständigt werden, sondern die Frau sollte als ganzes in den Besitz von Kraft kommen. Es ging darum, einen Status der Gleichberechtigung zu erlangen. Zunächst haben wir die Armeewerdung lediglich als die Gründung bewaffneter Einheiten aufgefasst, aber das war falsch. Über die Frage hinaus, ob die Frau eine Macht darstellen kann, bedeutet die Bewaffnung einer Kraft, die unter ungleichen Bedingungen einen gleichberechtigten Status erlangen will, ihr Durchsetzungskraft zu geben. Wir sind damit erstmalig wirklich zu einer eigenständigen Kraft geworden. Es war die praktische Antwort auf die Frage, wie wir uns in den Bergen selbst verteidigen und durchsetzen können, wie wir uns entwickeln können. Gleichzeitig war es eine Entgegnung auf die feudale Denkweise, mit der Frauen herabgesetzt, erniedrigt und als Last betrachtet werden.