Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
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Düsseldorf, 9. Januar 2003

Frieden fordert Aktion!

Aufruf zur Teilnahme an einer Newroz-Delegation

Alle Zeichen stehen auf Krieg im Mittleren Osten. Bevor der Angriff auf den Irak überhaupt begonnen hat, sind die Folgen über die Grenzen des irakischen Staatsgebiets heraus bereits spürbar. Überall auf der Welt sind die Menschen mehrheitlich gegen eine Irak-Intervention eingestellt; am stärksten ist jedoch die Ablehnung im Mittleren Osten zu spüren. So haben sich auch in der Türkei und in Kurdistan in allen Städten Antikriegsbündnisse gebildet. Täglich finden Protestaktionen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Zusammenschlüssen statt, auf denen die neue AKP-Regierung des Verrats beschuldigt wird. Wenn auch eine offizielle Zustimmung der türkischen Regierung zu den Forderungen der USA nach Nutzung des Luftraums sowie militärischer und ziviler Flugplätze und Häfen noch aussteht und versucht wird, sich einen demokratischen Anschein zu geben, so gilt ein letztendliches Nachgeben als sicher. Auch unter der im November 2002 gewählten Regierung weist der türkische Staat nicht den Willen auf, eine wirkliche Demokratisierung einzuleiten, die kurdische Frage endlich zu lösen und eine von den USA unabhängige Politik zu machen.

Deutlich zeigt sich die Haltung der Machthabenden in der Türkei auch im Vorgehen gegen die kurdische Demokratiebewegung und den KADEK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der den Friedensprozess in der Türkei überhaupt erst möglich gemacht hat. Abdullah Öcalan befindet sich seit vier Jahren als einziger Gefangener in Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali. Seit vier Monaten werden allwöchentlich stattfindende Besuche seiner Verteidigung und seiner Familie mit fadenscheinigen Begründungen verhindert. Seit sechs Wochen ist jeder Kontakt abgerissen. Die türkische Regierung weiß, dass sie damit den äußerst wackeligen Friedenszustand im eigenen Land gefährdet, da eine mögliche Vernichtung Abdullah Öcalans auf die Vernichtung der kurdischen Bewegung abzielt und jeder Angriff gegen seine Person ein Grund für einen erneuten Kriegsausbruch ist.

Am stärksten betroffen von dem bevorstehenden Irak-Krieg werden in der Türkei die kurdischen Gebiete sein. Hier liegen die Luftstützpunkte, von denen die USA ihre Angriffe starten werden. US-amerikanische Pläne beinhalten u.a. die Stationierung von bis zu 80 000 Soldaten in Diyarbakir – ein Projekt, das schwere Folgen für die Region haben wird. Schon jetzt befinden sich ca. 20 000 türkische Soldaten auf irakischem Staatsgebiet. Damit will sich die Türkei ihre Krumen von dem blutigen Kuchen sichern. Sie folgt damit der Logik: Wir haben diesen Krieg nicht gewollt, aber wenn es schon sein muss, dann wollen wir wenigstens davon profitieren.

Das Leid der Menschen im Irak und in Kurdistan spielt dabei keine Rolle. Im Golfkrieg von 1991 kamen 460 000 Flüchtlinge über die irakisch-türkische Grenze. Auch jetzt werden entlang der Grenze sogenannte Auffanglager errichtet, um die Flüchtlingswelle aufzuhalten, die Schätzungen zufolge noch größer ausfallen wird.

In diesem Krieg geht es nicht um Saddam, Diktaturen, Terrorismus oder Massenvernichtungswaffen. Es geht um Macht, um Ressourcen, Expansion und Handelswege, kurzum eine Neuaufteilung der Region, deren Zentrum Mesopotamien darstellt. Mesopotamien, das Land zwischen Euphrat und Tigris, die Wiege der Zivilisation, soll wieder zum Kriegsschauplatz in einer Welt gemacht werden, die vom patriarchalen System beherrscht wird.

Wir sind gegen diesen Krieg. Da Worte jedoch nicht ausreichen, stellen wir unsere diesjährige Newrozdelegation zum kurdischen Neujahrsfest unter das Motto „Frieden fordert Aktion“. Newroz ist ein Tag des Widerstands in Kurdistan und wird dieses Jahr wie schon sooft in der kurdischen Geschichte in einer vom Krieg geprägten Atmosphäre stattfinden. Die von uns organisierte Frauendelegation wird in eine der kurdischen Städte im türkischen Grenzgebiet fahren, um vor Ort die kurdisch-türkische Antikriegsbewegung zu unterstützen und die Newrozfeiern zu beobachten.

Wenn sich die Regierungen unserer Länder nicht diesem Krieg verweigern, können auch wir uns nicht raushalten.
Nutzen wir die Waffe der Solidarität.

Geplanter Reisetermin: 17.-23. März 2003 (steht noch nicht endgültig fest)
Für weitere Informationen stehen wir jederzeit zur Verfügung.