Brief aus dem Gefängnis - Erklärung von Nuriye Kesbir

Kesbir: Holland muss sein Auslieferungsurteil überprüfen

Die kurdische Politikerin Nuriye Kesbir beendete am 10. Juni nach 34 Tagen vorerst ihren am 7. Mai begonnen Hungerstreik. Sie erklärte, dass sie voller Respekt gegenüber den Gesetzen und dem Recht der Niederlande handele und forderte die Regierung dazu auf, das Auslieferungsurteil erneut zu überprüfen. Sie erklärte jedoch, dass sie entsprechend des Verlaufes des Prozesses erneut in Hungerstreik treten werde, falls sie es für nötig halte. Weiterhin erklärte Kesbir:

“Im Verlauf des letzten Monats hat mein Fall insbesondre durch die Unterstützung des kurdischen Volkes, demokratischer Menschenrechtsvereine, verschiedener Frauenbewegungen und Organisationen wie der UNO und Amnesty International eine neue Dimension erreicht. Mit dem Ziel, den Verlauf meines Prozesses nicht zu erschweren habe ich mich, die Ratschläge meiner Anwälte Victor Koppe und Britta Böhler beachtend, dazu entschlossen, zu folgenden Punkten eine Erklärung abzugeben:

1- Das kurdische Volk hat durch seine Haltung bewiesen, dass sein Kampf berechtigt ist und hat gezeigt, dass es das ungerechte Urteil gegen meine Person als Urteil gegen sich selbst begreift. Innerhalb des letzten Monats sind Zehntausende Unterschriften, Faxe, E-Mails und Briefe aus Holland und aller Welt im Justizministerium der Niederlande eingegangen. Ich handele in dem Verantwortungsbewusstsein, dem Justizministerium die Möglichkeit zu geben, diese Realität in ihrem gesamten Umfang zu bewerten.
2- Weiterhin handele ich aus Respekt vor den Erklärungen und dem Einsatz der UNO, von Amnesty International, dem türkischen Menschenrechtsverein IHD und vieler anderer MenschenrechtlerInnen, sowie der Sensibilität der Frauenbewegungen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich dem Eintreten dieser Institutionen eine große Bedeutung zumesse und ihre Rolle sehr hoch einschätze.
Hierfür möchte ich mich bedanken und hoffe, dass sie ihre Arbeit weiterhin fortsetzen. Ich glaube daran, dass sie sich nicht mit dem bisherigen Einsatz begnügen, sondern Solidarität leisten, bis die Gerechtigkeit siegt.
3- Ich bin mir bewusst, dass der Kampf des kurdischen Volkes eine sehr empfindliche und heikle Phase durchlebt. Jeder weiß, dass sich der türkische Staat im Wesen und der Geisteshaltung nicht bedeutend verändert hat und damit beschäftigt ist, durch Verschleierung und Gesetzesänderungen einen Termin für einen EU-Beitritt zu erhalten. Heute noch, weil es Vorteile bringt ‘Demokrat’ kann er am nächsten Tag wieder die militärische Linie einschlagen. Fünf Jahre lang hat der türkische Staat die zum Frieden ausgestreckte Hand nicht ergriffen. So traurig es auch ist, erhalten wir wieder Nachrichten von bewaffneten Auseinandersetzungen. Der einseitige Waffenstillstand ist beendet. Leider hat auch die EU keinen konstruktiven Beitrag zur Erhaltung der Friedensphase eingenommen. Im Gegenteil hat ihre Haltung den Krieg noch aufgewiegelt und angefacht. Ich bin mir sehr wohl über diese Spielchen bewusst und strebe an, meinen legitimen und demokratischen Kampf als Teil des Kampfes gegen sie bis zum Schluss fortzuführen.
4- Dem holländischen Staat, seinen gesamten politischen Parteien und den zivilen Gesellschaftsorganisationen möchte ich folgendes mitteilen: Die Niederlande sind als Land der Freiheiten bekannt, respektvoll gegenüber Menschen- und Frauenrechten, als Mosaik der Religionen und Kulturen, der Überlegenheit des Rechtes und einer Kultur der Verständigung. Sie dürfen sich nicht, unter welchen Umständen auch immer, dem Einfluss von zeitlich begrenztem ökonomischem Profit beugen.”

Quelle: MHA, Mesopotamian Nachrichtenagentur, 11.06.2004