Haftbefehle wegen Ehrenmord

Gülistan Gümüs hatte ihren Mann vor drei Monaten verlassen, dem Dorf in Diyarbakir-Cinar den Rücken gekehrt und war nach Istanbul gegangen, wo sie einen Monat lang arbeitete. Dann kehrte die 22-jährige Mutter eines Kindes zurück ins Dorf und ging zu ihrem Exmann – mit dem sie nur traditionell durch einen Imam getraut worden war – und verlangte ihre zurück gebliebenen Sachen. Ihr Mann zog eine Waffe und verletzte sie durch zwei Schüsse. Dennoch gelang es der jungen Frau, sich bis zum Haus ihrer Familie zu schleppen, die sie aus Angst vor dem Exmann in ihrer Aussteuertruhe versteckten. Aber auch das nützte ihr nichts. Ihr Exmann erschien mit weiteren Familienangehörigen und fand das Versteck. Gülistan wurde in der Truhe erschossen.

Gegen vier von acht festgenommenen Personen, die im Zusammenhang mit dem Mord verhört wurden, ist inzwischen Haftbefehl ausgesprochen worden.

Nebahat Akkoc vom Frauenzentrum KA-MER in Diyarbakir gab aufgrund der gehäuften Vorfälle dieser Art eine Erklärung ab, in der sie darauf hinwies, dass sich Fälle von Ehrenmorden in jüngster Zeit „wie Pilze“ vermehren würden. Innerhalb nur einer Woche seien unglaubliche Anträge auf Unterstützung im Frauenzentrum eingegangen. „Wir haben große Probleme dabei, Unterstützung dabei zu leisten. Eine von den Frauen, die sich an uns gewendet hat, nachdem sie sehr knapp dem Tod entgangen war, ist eine Neunzehnjährige, die mit ihrem Vergewaltiger verheiratet wurde. Sie wollte sich von ihrem Ehemann trennen, weil sie diese Ehe nicht fortsetzen konnte. Aber sowohl ihre eigene Familie als auch die ihres Mannes haben versucht, sie zu töten. Sie ist geflüchtet und zu uns gekommen. Es muss ein System aufgebaut werden, an das Frauen sich sofort wenden können, wenn sie sich gefährdet fühlen, in dem ihre Sicherheit gewährleistet wird und Möglichkeiten erschaffen werden, ihr Leben neu aufzubauen. Bisher ist ein solches Licht am Himmel in der Türkei nicht zu sehen.“

Quelle: ANF, 25.07.2006, ISKU