Gewalt gegen Frauen kennt keine Grenzen

Gaye Erbatur (CHP) von der Parlamentarischen Kommission zu Traditions- und Ehrenmorden hat Teile von Gutachten, die der Kommission vorgelegt wurden, als angst einflößend bezeichnet. In Bezug auf ein Gutachten von Prof. Dr. Zehra Kabasakal erklärte Erbatur: „Entsprechend des Gutachtens sind die Ehrenmorde das hervorstechendste Anzeichen der Betonung männlicher Herrschaft und Kontrolle von Frauen. In einigen Gebieten in der Türkei herrscht basierend auf den Traditionen Blutrache. Um die Morde zu beenden, werden Frauen von einer Familie zur anderen als Braut, als Friedensbotschafterin, geschickt. Manchmal werden auch Männer in ungewollte Ehen gezwungen. Ein herausragendes Beispiel dessen ist die „Berdel“-Tradition, die leider immer noch fortbesteht. Nach dieser Tradition werden Söhne und Töchter zeitgleich mit den Töchtern und Söhnen einer anderen Familie verheiratet. Eine andere Tradition betrifft das Eheversprechen im Babyalter. Demnach wird eine spätere Eheschließung bereits beschlossen, wenn die Kinder gerade geboren sind.“

Die Realität der Gewalt gegen Frauen in der Türkei erinnere an einen Horrorfilm, so Erbatur. „Frauen und Mädchen werden im Haus festgehalten, damit die Ehre nicht beschmutzt wird oder um sie zu bestrafen. Sie werden in den Selbstmord getrieben, ihnen werden Nasen und Ohren abgeschnitten, sie werden bedroht, geschlagen, gefoltert. Kurz gesagt findet ihr Leben in einer Atmosphäre des Terrors statt. Manche Frauen halten es für normal, geschlagen zu werden, weil sie in ihren Familien so erzogen worden sind. Manche können aus Angst und Hilflosigkeit nicht dagegen angehen. Im Familienschutzgesetz, das einen wichtigen Schritt in der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen darstellt, gibt es zwei wesentliche Probleme. Zum einen verfügen weder die Bürger noch die Polizei und die Justiz über ausreichend Wissen, um das Gesetz zu nutzen. Zum anderen erweckt der Name des Gesetzes den Eindruck, dass nicht das Individuum, sondern die Institution Familie geschützt werden soll. Der Schutz der Familie sieht Diskretion vor, aber eben diese Diskretion ermöglicht es, dass gegen Frauen und Kinder ausgeübte Gewalt im Verborgenen bleibt.“

Quelle: Radikal, 31.01.2006, ISKU