"Ich werde nicht locker lassen"

Von Derya Balduz und Aysel Kilic / DIHA

S.A., 21 Jahre, wurde am 12. Dezember gegen 16.30 Uhr im Istanbuler Stadtteil Aksaray an einer Bushaltestelle von drei Männern - mutmaßlich Zivilpolizisten - mit Gewalt in ein Auto gezerrt und vergewaltigt. Bei einer Pressekonferenz zu der Gewalttat im Menschenrechtsverein (IHD), bei der der Vorfall öffentlich gemacht wurde, wurde sie ohnmächtig. Jetzt hat sie sich erstmalig der Nachrichtenagentur DIHA gegenüber zu ihren Erlebnissen geäußert.

Seit einem Jahr sei sie im Ekin-Kulturzentrum im Istanbuler Stadtteil Ikitelli tätig, erzählt sie. Niemals zuvor sei sie bedroht worden und niemals sei ihr der Gedanken gekommen, dass ihr etwas derartiges zustoßen könne. "Aber dieser Vorfall wird mich nicht von meiner Arbeit abhalten. Ganz im Gegenteil haben sie damit erreicht, dass ich noch aktiver sein werde".

"Ich war stundenlag bewusstlos"

Es geschah, als sie an einer Haltestelle auf den Bus gewartet habe, berichtet sie. Ein ca. 25-jähriger Mann sei auf sie zugekommen, habe sie angesprochen und in einen weißen Renault gestoßen. Im Auto sei ihr eine schwarze Maske über den Kopf gezogen worden. An das weitere kann sie sich nicht erinnern. „Es waren drei Personen. Der Mann auf dem Rücksitz war blond, hatte ein rotes Gesicht und war sehr dick. Der Fahrer war etwas älter, vielleicht 35 Jahre. Er hatte eine Glatze und eine dicke Brille. Derjenige, der mich gerufen hatte, war ca. 1,75 Meter groß, von normaler Statur. Er war schwarzhaarig, hatte einen Schnurrbart und trug eine blaue Hose. Das Auto fuhr schnell. Ich wehrte mich. Sie hielten mich an den Haaren fest und zogen mir eine Maske über das Gesicht. Ich glaube, da bin ich ohnmächtig geworden. Ich kam wieder zu mir, als sie mir Wasser ins Gesicht schütteten. Die Maske hatte ich immer noch auf. Ich stellte fest, dass ich nackt war und sich zwischen meinen Beinen eine klebrige Flüssigkeit befand.“

„Das tun wir euch allen an“

Als sie das Bewusstsein wieder erlangte, sagten die Männer: „Was glaubt ihr, wer ihr seid und was versucht ihr, zu machen? Wir werden es euch zeigen. Das werden wir euch allen antun. Geh doch, wenn du kannst, und mach im Ekin-Kulturzentrum revolutionäre Kunst. Das wollen wir mal sehen“. Zu diesen Sprüchen sei sie geschlagen worden. „Es war immer die gleiche Person, die mit mir sprach. Später gaben sie mir meine Kleidung und sagten mir, ich solle mich anziehen. Sie traten mich, so dass mein Kopf auf dem Boden aufschlug. Sie brachten mich zum Auto. Die ganze Zeit konnte ich nichts sehen. An einer Tankstelle stießen sie mich aus dem Auto.“

„Ich lief bis nach Ikitelli“

Gegen 21.30 Uhr sei sie aus dem Fahrzeug gestoßen worden, erzählt S.A. „Mir tat alles weh. Ich lief drei Stunden bis nach Ikitelli zum Kulturzentrum. Um ein Uhr kam ich an. Ich zögerte, von all dem zu erzählen und versuchte, meinen Kopf klar zu kriegen. Dann erzählte ich meinen Freundinnen, was passiert war.“

„Heute ich, morgen wer anders“

Sie betrachte die Angelegenheit nicht gemäß der traditionellen gesellschaftlichen Wertmaßstäbe, sagt sie, aber eine Vergewaltigung sei etwas, über das keine Frau leicht hinweg komme. „Es handelt sich um einen Krieg zweier unversöhnlicher Klassen gegeneinander. So wie es Hinrichtungen und Morde dabei gibt, so gibt es auch Vergewaltigungen.“

„Es war der Staat“

Die erfahrene Unterstützung helfe ihr dabei, auf den Beinen zu bleiben, betont die junge Frau. „Mir ist klar, wie ernst die Sache ist. Ich werde mich erneut an die Staatsanwaltschaft wenden, damit die Polizisten, die mich vergewaltigt haben, identifiziert werden. Ich werde nicht locker lassen. Vom Staat erwarte ich nichts. Denn es war der Staat, der das getan hat.“

Quelle: Gündem, 17. Dezember 2005, ISKU