Zuhause repressiv, draußen demokratisch

DIHA/AMED – “Immer noch gibt es Frauen, die nicht einmal einkaufen gehen können, ohne vorher von ihrem Mann die Erlaubnis dafür einzuholen. Es gibt sogar immer noch Frauen, die ohne Erlaubnis nicht einmal auf den Balkon gehen können. Ich möchte, dass sich dieser Frauen angenommen wird.” Diese Worte stammen von Emine Ekin, die gestern von ihrem Mann zusammengeschlagen wurde, weil sie zu einer Veranstaltung aus Anlass des Weltfrauentages 8. März gehen wollte.

Emine Ekin ist 39 Jahre alt und hat fünf Kinder. Auch ihre Tochter sei von ihrem Mann geschlagen worden, als sie versucht habe, die Mutter vor dem Vater zu schützen: “Auch meine Tochter ist so heftig geschlagen worden, dass sie die Wohnung nicht verlassen kann.”
Gerade in dieser Woche, kurz vor dem 8. März, könne sie die Schläge nicht mit ihrem Stolz vereinbaren, so drückt sich Emine Ekin aus. Sie wolle ihre Erlebnisse mit anderen Frauen teilen und fordere eine Lösung.

Ihr Mann mache draußen einen demokratischen Eindruck, so Ekin, trete zuhause aber äußerst repressiv auf. “In den ersten Jahren unserer Ehe gab er Unterricht an Jugendliche, damit diese ein Bewusstsein entwickelten. Was war das wohl für ein Unterricht?”, sagt sie. Sie habe nie verstanden, warum ihr Mann sich in seiner eigenen Familie nicht so verhalte wie Außenstehenden gegenüber.

In den gesamten 25 Jahren ihrer Ehe sei sie ständig Gewalt ausgesetzt gewesen. “Gewalt hat in unserer Ehe nie gefehlt. Ständig war ich den Schlägen und Erniedrigungen meines Mannes ausgesetzt. Er hat mir den Schädel und den Arm gebrochen. Es gibt eigentlich keine Stelle meines Körpers, die er nicht verletzt hat”, so erzählt sie.

“Er will, dass ich den ganzen Tag zuhause bin. Wir werden überhaupt nicht wie Menschen behandelt. Wenn er nach Hause kommt, sollen wir auch alle zuhause sein.” Wenn sie dem nachkomme, gebe es auch keine Probleme. Aber wenn sie sich an Frauenveranstaltungen beteilige, werde sie von ihrem Mann verfolgt. “Er beobachtet, mit wem ich rede und wen ich begrüße.”

Unzählige Male habe sie aufgrund der erfahrenen Gewalt über eine Scheidung nachgedacht, erzählt Ekin weiter. “Aber in unserer Familientradition gibt es Scheidung nicht. Sie haben mich zur Welt gebracht und sie sehen, was mir widerfahren ist, aber in eine Scheidung willigen sie nicht ein.” Im Falle einer Scheidung werde sie von ihrer Familie verstoßen. “Das hat mir meine Mutter gesagt. Es heißt, dass Frauen manchmal aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Armut von ihren Männern geschlagen werden. Aber unsere materielle Situation ist gut. Ich kann das nicht verstehen. Ich kann nicht einfach die Tür zuknallen und das Haus verlassen, weil es keinen Ort gibt, an den ich gehen könnte. Gezwungenerweise lebe ich weiter mit der Gewalt. Selbst meine Mutter, die mich geboren und aufgezogen hat, ist damit einverstanden, dass ich leide. Mit einer Scheidung ist sie nicht einverstanden. Es gibt nichts, an dem ich mich festhalten könnte. Ich möchte, dass sich der Frauen angenommen wird. Immer noch gibt es viele Frauen, die nicht einmal zu einer 8.-März-Veranstaltung gehen können, weil ihre Männer es nicht erlauben. Aber ich bin entschlossen, diese Arbeit auch weiterhin zu machen, auch wenn ich sterben sollte.”
Quelle: Özgür Politika, 6.03.2005
Übersetzung aus dem Türkischen