Übersetzung aus der Özgür Politika vom 9. Februar 2000

Interview von Özge Adali mit der Vorsitzenden des Dicle Frauen-Kulturzentrums in Istanbul, Mürüvet Yilmaz:

Frau und Kultur sind die Fundamente der Demokratie

Das Frauen-Dicle Kulturzentrum ist 1998 gegründet worden. Die Vorbereitungszeit liegt dem aber weit voraus. Mürüvet Yilmaz ist Vorsitzende des Vereins, der sich zum Ziel gesetzt hat, Frauen mithilfe kultureller Arbeit zu unterstützen sich weiterzuentwickeln und der kulturellen Arbeit einen Frauenstempel aufzudrücken. Wir haben uns mit ihr getroffen, um von den Schwierigkeiten zu erfahren, denen sie in der Friedensarbeit wie in der Frauen-Kulturarbeit begegnet.

Welche Art Aktivitäten haben Sie bis heute realisiert, und wie groß ist das Interesse an Ihrer Einrichtung?

Von der Gründung bis heute sind unsere Arbeiten in zwei Richtungen aufzuteilen. Einerseits Aktivitäten, um Frauen aus sämtlichen Bereichen (Haus, Arbeitsplatz, Stadtviertel, Schule...) in der Bewältigung ihrer Probleme, in ihrer Befreiung und Politisierung, darin sich kulturell weiterzuentwickeln zu unterstützen. Hierzu organisieren wir Veranstaltungen, Diskussionen, Seminare, Feste und Konferenzen.
Organisationsarbeiten finden statt in der Kommission der Dicle Frauen-Organisation, der Kommission des Medien-Archivs, in der Kommission Beziehungen zum Volk und ähnlichen Kommissionen.
Die andere Richtung betrifft auf Frauen bezogene Kunst- und Kulturarbeit. Diese Arbeit hat zum Ziel, den Blick der Frauen auf Kunst zu erweitern und ihre sozialen und kreativen Fähigkeiten stärken. Auf dieser Grundlage werden auch Folklore-, Theater-, Musik-, Alphabetisierungskurse gegeben und Untersuchungen zur Geschichte der Frau angestellt.
Wir sind dabei, unsere Aktivitäten in der demokratischen Umgebung auszuweiten.

Warum ein Frauen-Kulturzentrum? Was können Sie über die Beziehung von Frau und Kultur sagen?

Was dieses System auf den Beinen hält und das, was bei einer Veränderung neu geschaffen werden muß, sind hauptsächlich zwei Hauptelemente, die Frau und die Kultur. Wenn wir die Geschichte untersuchen, stellen wir fest, das es eine tiefe Beziehung von Frau und Kultur gibt. Bei der Entstehung von Kultur spielt die Frau eine große Rolle. So war die in Mesapotamien geschaffene Kultur der GöttInnen zugleich ein erster Schritt zur Schaffung der Zivilisation. Wir können sehen, daß zu Zeiten, in denen die Frauen die Kultur maßgeblich formten, der soziale Frieden gesichert war. Wir wollen eine Brücke sein zwischen den Frauen, die auf dem Boden der Wiege der Zivilisation in die Mythologie eingegangen sind und den Frauen, die sich Jahre später wieder aus der Asche erheben. In dem Kampf um die Menschwerdung gibt es zwei wichtige Punkte: die Frau und die Kultur sind die zwei Hauptelemente von Demokratie und gesellschaftlichem Frieden. Wenn etwas vom Kurdentum erhalten geblieben ist, so ist das den Frauen anzurechnen.

In vielen Bereichen ist man der Meinung, daß die Rolle der Frau im Prozeß des Friedens und der Demokratisierung eine bestimmte ist ...

Der Grund, warum die Frauen in diesem Prozeß eine wichtige Rolle spielen, ist, daß die Frau, die ihre eigene Entfremdung überwindet, Trägerin des Wesens von Frieden und Demokratie ist. Führt man diese Bewertung fort, können wir sagen, daß der Frieden in der Natur der Frau liegt und daß es nötig ist, das Leben aus der Sicht der Frau zu bewerten und zu planen.

Hat sie Ihrer Meinung nach bis heute die notwendige Rolle gespielt?

Es ist nicht möglich zu sagen, daß der Frau in der letzten Zeit eine ausreichende Rolle zugekommen ist. Zweifellos gibt es führende Frauenpersönlichkeiten mit einer Symbolfunktion, die mit ihren Aktionen und ihren Botschaften den kurdischen Frauen wie den Frauen aus aller Welt eine Perspektive geboten haben. Wenn wir die Realität der Frauen bewerten, können wir sagen, daß die Frauenbewegung bereits einen weiten Weg zurückgelegt hat. Aber um die Ideologie der Frau tiefergehend umzusetzen, neben Quantität auch Qualität zu entwickeln, die Arbeit zu einer politischen Kraft werden zu lassen, ist es nötig, Mittel zu schaffen, die Macht zum Ziel haben.

Solch eine Übergangsphase birgt doch auch Gefahren, oder nicht?!

Es ist möglich zu sagen, daß ein Übergangsprozeß, wie der in dem wir uns befinden, ein Risiko in sich trägt für Frauen in ihrem Befreiungskampf. In dieser Zeit werden Frauen in dem Bemühen um Befreiung noch öfter mit einem Verständnis von Männerherrschaft konfrontiert sein. Stattdessen wird erwartet werden, daß sich Frauen in den ihnen vorgegebenen Grenzen bewegen sollen. Aus diesem Grund müssen Frauen wachsam sein, die Ideologie der Frau vertiefen und die Intensivierung des Kampfes um Demokratie und Frieden vorantreiben und sich mit türkischen und den Frauen der Welt im Kampf vereinen.

Welche sind Ihre Projekte bezüglich der Entwicklung von Sozialem, Politik und Kultur?

Wir arbeiten daran, Projekte in zwei Richtungen aufzubauen, damit sich Frauen im Sozialen, der Politik und Kultur weiterentwickeln können. Einerseits, Frauen im Prozeß einer weitergehenden Sozialisierung und Politisierung zu unterstützen, Alphabetisierungskurse einzurichten sowie Angebote der psychologischen und rechtlichen Hilfe, Ausbildung in den Bereichen Gesundheit und Kindererziehung und zur Erlangung ökonomischer Unabhängigkeit.
(Andererseits, d.Übers.) Kurse, Podumsdiskussionen, Seminare, Untersuchungen zur Geschichtsdokumentation aus Sicht der Frauen sollen das Bewußtsein der Frauen schärfen, um ihre eigene Situation zu erkennen, nach ihren Rechten zu suchen, Probleme lösen zu können, Selbstvertrauen zu entwickeln. Dies alles ist schon seit langem in eine Projektform gebracht worden. Wiederum ist eine internationale Frauenkonferenz unter dem Motto "Frau und Frieden" entwickelt worden, auf der die Probleme der Frauen und die Organisierung von Frauen diskutiert werden wird. Nach der Verwirklichung dieses Projekts werden wir uns ausdrücklich für Projekte einsetzen bezüglich geflohener Frauen, die jetzt zurückkehren, Teilnahme am sozialen Leben, Straßenkindern, muttersprachlichem Unterricht, Angeboten psychologischer Unterstützung zur Auseinandersetzung mit seelischen Schäden, um ein offenes Miteinander zu schaffen.


Welche Rolle kann Ihre Einrichtung bei diesen Projekten spielen?

Die kulturelle Seite der Frauen zu entwickeln, frauenspezifische Kunst und Kulturprojekte zu entwickeln; in dieser Hinsicht, Frauentheater, Frauenmusikgruppen, Folkloregruppen und ähnliches aufzubauen.
Frauen werden in diesen Arbeiten ihr politisches Niveau ausbauen bzw. sich politisieren und so wird eine frauenspezifische Organisierung weiterentwickelt werden.

Welche sind die schwierigsten Probleme, mit denen Sie in Ihrer Arbeit konfrontiert sind?

Der Hauptproblempunkt in unserer Arbeit ist ein Männerherrschafts-Denken. Wir können sagen, daß wir große Schwierigkeiten mit Frauen haben, die sich selbst entfremdet sind und solch ein Denken in sich tragen. In dieser Phase können wir erleben, wie der Ausdruck eines staatstragenden Denkens noch subtiler wird. Eine Einstellung, die sich am Freiheitsverständnis der Frauen stößt, es zu stürzen versucht, Frauen runtermacht, sie als nachrangig ansieht und mit Ausreden (Sicherheitsfragen) ein Hindernis für unsere Arbeit darstellt, macht es uns ziemlich schwer. Mit solch einer Einstellung wird es den Frauen schwer gemacht, sich mit ihrem Geschlecht zu verbinden und für ihre Arbeit einzutreten.
Zum Schluß wollen wir die Tatsache noch einmal betonen, daß die Menschheit gewinnt, wo Frauen gewinnen, denn wegen der ihnen innewohnenden Widersprüche besitzen sie eine grundsätzliche Dynamik, die Gesellschaft zu ändern und umzuwandeln.