Unsere Aufgabe war es, Wahllokale in der Provinz Sirnak, Kreis Uludere und Beytüssebap zu besuchen und die Wahlen zu beobachten

Bericht Wahlbeobachtung am Wahltag, den 12.6.2011:

Unser Herz war so voller Freude, als gestern Abend das Wahlergebnis für Sirnak und andere Orte mit unabhängigen Kandidat/innen bekannt wurde. Das linke Wahlbündnis der BDP würde zu den großen Gewinnern der Wahl gehören. Dann die Anschläge in mehreren Orten gefolgt von brutalen Polizeieinsätzen. In Sirnak wurden wir unmittelbare Augenzeugen und von Beobachtern zu Betroffenen. Unser Herz füllte sich mit Kummer, Bitterkeit und Mitleid mit diesem geschundenen Volk, dem immer noch die selbstverständlichsten Rechte verwehrt werden. Unter diesem Eindruck nun ein Bericht über den Wahltag der Delegationsteilgruppe Weinberg/Eskin:

Unsere Aufgabe war es, Wahllokale in der Provinz Sirnak, Kreis Uludere und Beytüssebap zu besuchen und die Wahlen zu beobachten.

In Uludere selbst wurden wir von der Bürgermeisterin begleitet und besuchten zunächst mehrere Wahllokale in einer Schule.

Das Militär war auch hier in sichtbarer Entfernung postiert. Im Vorraum war Polizei, die eigentlich 15 Meter Abstand halten sollte. Darauf angesprochen, meinte einer der Vorgesetzten, er sei für das ganze Haus zuständig. Dann gab es Streit darüber, ob die Bürgermeisterin uns begleiten dürfe oder dies nicht auch eine Beeinflussung darstelle. Der Polizeioffizier kündigte eine Anzeige gegen Bürgermeisterin an. Wir wiesen darauf hin, dass auch der Gouverneur anwesend sei, der vom Staat eingesetzt wird und einiges an Machtbefugnissen hat, weil er z.B. über die Zuteilung der grünen Karten entscheidet, mit denen eine Grundhilfe und Gesundheitsversorgung gewährt wird. Der Polizeibeamte wollte da keine Parallelität sehen. Es war in dem Fall ein Glück, dass der Richter kam, der von der Hohen Wahlkommission berufen war. Er wirkte tatsächlich mäßigend auf den Konflikt ein und brachte die Polizeikräfte dazu, Abstand zu halten. Später hörten wir, dass er den Polizeioffizier wohl auch dazu gebracht hat, die Anzeige zurück zu ziehen.

In einem weiteren Wahllokal keine Vorkommnisse und ein ruhiger, geordneter Verlauf. Allerdings konnten wir auf dem Weg eine Häufung von Militärbewegungen beobachten. Ganz offensichtlich wurden im größeren Umfang Truppen verlegt. Die Präsenz des Militärs ist ohnehin extrem hoch.

Ein Wahllokal im Kreis Uludere: Hier waren bewaffnete Sicherheitskräfte im Vorraum, was nach der 15 Meter-Regel nicht sein darf. Darauf angesprochen gab es keine Reaktion. Allerdings machten auch die unabhängigen Wahlbeobachter keine große Sache daraus.

In einem Wahllokal in der Stadt Uludere kurz vor Beginn der Auszählung: Sicherheitskräfte sind noch im Korridor und es geht um die Frage, ob sie das Wahllokal nun von innen oder von aussen abschliessen. Drinnen haben sie eigentlich nichts verloren. Das Problem wurde dann dadurch gelöst, dass ein zusätzlicher unabhängiger Wahlbeobachter mit hinein durfte, um sicher zu stellen, dass keine Urne entwendet wird und die Auszählung nicht manipuliert wird.

In einer anderen Schule das gleiche Problem. Es wurde auch berichtet, dass Sicherheitskräfte in einem Wahllokal eine Urne geöffnet hätten. Der Verantwortliche der Sicherheitskräfte versuchte uns das so zu erklären, dass die Wahlleiterin als schwache Frau die Urne nicht aufgebracht hätte und daher sie zur Hilfe gerufen hätte. Nachdem aber auch der Rechtsanwalt des BDP-Wahlbündnisses meinte, da sei nichts weiter geschehen, haben wir den Vorfall nur aufgenommen, aber nicht weiter verfolgt. Nach unserer Intervention sind die Sicherheitskräfte hier raus und haben die Schule von aussen geschlossen.

Vor der Parteizentrale der BDP erfuhren wir von den eingehenden Ergebnissen, die wie erwartet positiv für das Wahlbündnis ausfielen. Das erhöhte wohl noch mal die Aggressivität, denn plötzlich hiess es, eine Wahlurne solle mit einem Panzerwagen statt - wie vorgesehen - mit einem Bus transportiert werden. Eine Rechtsanwältin griff dort ein, was ihr zwar einige Beleidigungen einbrachte, aber immerhin zum Ergebnis hatte, dass die Urne wie vorgesehen transportiert wurde.

Zurück in Sirnak fiel uns sofort die sehr gedrückte Stimmung auf. Wir erfuhren dann, dass Anhänger der BDP angegriffen und mehrere Menschen verletzt worden sind. Der Parteivorsitzende wirkte mäßigend auf die aufgebrachten Menschen ein.

Später wurden die Wahlergebnisse von Sirnak bekannt. Alle 3 Kandidat/innen - von denen allerdings 2 derzeit inhaftiert sind - sind gewählt worden. Jetzt gab es großen Jubel und eine große Begeisterung bei den Menschen. Tausende Menschen waren auf den Beinen und feierten ausgelassen mit Feuerwerk und Autokorsos, bis zu dem schrecklichen Anschlag mit einer Handgranate, die in die frierende Menge geworfen wurde.

In gedrückter Stimmung warten wir jetzt auf die Weiterfahrt nach Diyakabir.

Harald Weinberg (MdB)/ Bediye Eskin