Keine fairen Wahlen in der Türkei

In einigen Wahllokalen werden KurdInnen zur Wahl der AKP gezwungen

12.06.2011

Am heutigen Sonntag finden in der Türkei Parlamentswahlen statt. Dass in der Türkei Wahlen nicht fair und frei ablaufen, ist bekannt. Die 10% Hürde, Repressionen gegen Kandidaten und Wähler, v.a. kurdische, sind nur einige Beispiele hierfür.

Bereits jetzt, drei Stunden nach Öffnung der Wahllokale vermelden örtliche Wahlbeobachter, unter ihnen auch Delegationen aus Deutschland, schwere Verletzungen des Rechts auf freie und faire Wahlen. Polizei- und Militärpräsenz vor und in den Wahllokalen, Repressalien und Festnahmen von kurdischen WählerInnen, Stimmzettelabgabe an AKP-Wähler vor den Wahllokalen uvm. Berichten örtlicher Agenturen zufolge sollen am Vortag aus der Ägäisregion 10 Busse mit AKP-Wählern nach Amed (Diyarbakir) gebracht worden sein.

Die AKP, der durch die unabhängigen KandiatInnen des Blockes für Demokratie, Arbeit und Freiheit ein deutlicher Stimmeneinbruch insbesondere in Nordkurdistan droht, versucht mit jeglicher Gewalt dies zu verhindern. Das Verteilen von Lebensmittelrationen und Geld an kurdische Familien durch AKPler im Vorfeld der Wahlen sind weitere Mittel zum Zweck.

Wir fassen einige von den internationalen Wahlbeobachterdelegationen gemeldete Vorfälle zusammen:
- kanadische Delegation: Polizei trägt bei eigener Stimmabgabe Waffen
- italienische Delegation in Dersim (Tunceli): in Pülümür wird verhindert, dass alte Menschen von Familienangehörigen begleitet werden, der Vorsitzende der Wahlkommission in Ovacik macht Schwierigkeiten, in Pertek werden WählerInnen fotografiert
- norwegische Delegation in Siirt: im Dorf Ekindüz versuchte man WählerInnen zu behindern, einer wollte für alle wählen, örtliche Wahlkreisbeauftragte verhinderten dies
- dänische Delegation in Siirt Pervari im Dorf Dügüncüler: in der Schulklasse, in der die Wahlurnen 1033 und 1034 stehen, saßen bewaffnete Soldaten an den Urnen; die Mitglieder der Delegation wurden gewaltsam aus der Schule gebracht
- deutsche Delegation in Van – Bahcesaray: über Funk wurde Polizisten die Anweisung gegeben die ausländischen Beobachter nicht in die Wahllokale zu lassen, da sie nicht auf den offiziellen Listen des Hohen Wahlrates für Beobachter stehen; örtliche Wahlbeobachter wurden geschlagen und festgenommen; anstelle des Vorsitzenden des Wahlvorstandes saß ein Polizeibeamter an seinem Platz; der von Polizisten einzuhaltende Abstand von 15 Metern wurde verletzt; WählerInnen wurden vor Stimmabgabe durchsucht; gewählt wurde unter Polizeipräsenz
- deutsche Delegation in Bitlis – Adilcevaz, Güzelsu, Yogurtyemez, Porhuz: die Delegationsmitglieder wurden der Wahllokale verwiesen
- deutsche Delegation in Bitlis – Zentrum: die Wahlurne 1025 im Bitlis Imam Hatip Gymnasium erhielt keinen ordnungsgemäßen Stempel, die Delegationsteilnehmer wurden an Beobachtung und Fotografieren gehindert; die Polizisten, die im Wahllokal an Urne 1025 wählen müssen, wählen zudem an Urne 1024, also doppelt; in der Grundschule 8. August haben Polizisten, die an Urne 1065 gewählt haben, auch an 1069 gewählt, somit zweifach ihre Stimme abgegeben
- deutsche Delegation Bitlis – Dörfer: in Müzik und Yukarikaraboy zwingen die Vorsitzenden des Wahlvorstandes zu gemeinsamer Stimmabgabe und Wahl der AKP
- deutsche Delegation Hakkari – Zentrum: AKP-Anhänger hatten unechte Stimmzettel dabei und wollten diese abgeben
- deutsche Delegation Sirnak – Güclükonak: 5 türkische Staatsbürger, die aus dem Irak angereist sind, werden am Wählen gehindert, obwohl sie ordnungsgemäß gemeldet sind
- deutsche Delegation Antep – Zentrum: der Wahlvorstandsvorsitzende drängt die WählerInnen dazu, AKP zu wählen; in der Grundschule Azize Abdülkadir Hamamcioglu hat die AKP gegenüber dem Wahllokal einen Informationsstand aufgestellt und drängt die WählerInnen zur Wahl der AKP
- französische Delegation Erzurum: ausländische Wahlbeobachter werden gefilmt, ihnen wurde mit Festnahme bei erneutem Betreten eines Wahllokales gedroht
- britische Delegation Bingöl: im an das Zentrum angeschlossenen Dorf Saban sitzt ein führendes Gendarmeriemitglied anstelle des Vorsitzenden des Wahlvorstandes
- österreichische Delegation Urfa – Siverek: im Dorf Uzunziyaret wählt einer für alle Dorfbewohner; im Dorf Bejik wird starker Druck durch die Gendarmerie ausgeübt
- schwedische Delegation in Mardin – Zentrum: der Vorsitzende des Wahlvorstandes hat die Wähler mit den Worten „Wenn ihr Muslime seid, wählt ihr diese Partei“ zur Wahl der AKP gedrängt; vor der Schule wurden AKP Embleme tragende Personen gesehen

Der Ausgang der Wahlen ist somit schon jetzt unglaubwürdig.

Wir verurteilen diese Vorgehensweise und rufen zu internationalem Protest auf.

weitere Hintergrundinformationen unter: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/Wahlen2011/index.htm

YEK-KOM - Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.
CENI - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
ISKU - Informationsstelle Kurdistan e.V.
YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.
KURD-AKAD - Netzwerk kurdischer AkademikerInnen e.V.