Die Zeichen der Zeit erkennen – Demokratie stärken

Erklärung zu Internationalen Tag der Menschenrechte

Vor dem Hintergrund des diesjährigen Internationalen Tags der Menschenrechte stehen wir mit unseren Forderungen nach Frieden, Freiheit und Gleichheit vor gewaltigen Herausforderungen. Das Jahr 2015 stand im Zeichen des Krieges. Im Mittleren Osten wüten die barbarischen Milizen des selbsternannten „Islamischen Staates“ (IS) gegen jegliche Werte von Demokratie und Humanität. Menschen werden aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit ermordet und versklavt. Die Anschläge in Beirut, Ankara, Rojava und Paris verdeutlichen einmal mehr, das der IS eine die Grenzen der Region überschreitende, internationale Bedrohung darstellt.

Gleichzeitig werden Menschen, die aus Angst um ihr Leben ihre Heimat verlassen und Richtung Europa flüchten, vor der Toren der EU abgewehrt. Die Weigerung der Europäischen Gemeinschaft Flüchtlingen den angemessenen Schutz zu bieten und das Menschenrecht auf Asyl durchzusetzen, wird begleitet von rechtspopulistischer Propaganda und offener, menschenverachtender Hetze. Schleichender Rassismus breitet sich über die EU aus. Um diese Abschottungspolitik aufrecht zu erhalten und voranzutreiben werden Abkommen mit Despoten ausgehandelt. Machthaber die jegliche Menschenrechte mit Füßen treten werden infolgedessen, anstatt sie politisch zu isolieren, zu Verbündeten und Partnern erklärt. So auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Offensichtlich wurde der türkischen Regierung ein Freibrief für jeglichen Staatsterror gegen die eigene Bevölkerung erteilt – im Austausch dafür, dass die Flüchtlingsströme nach Europa aus der Region an der türkischen Grenze gestoppt werden. Keine westliche Regierung hat bislang Kritik am Vorgehen der türkischen Regierung geäußert. Weder von der deutschen Regierung noch der EU ist also angesichts der Flüchtlingskrise gegenwärtig ein Einsatz für die Wahrung von Grund-und Menschenrechten in der Türkei oder eine Demokratisierung des Landes zu erwarten.

In der Türkei überschlagen sich seit Monaten die Ereignisse. Mittels einer nationalistischen Rhetorik und Kriegspropaganda, die Andersdenkende zu Zielscheiben erklärt, wurde das Land systematisch an den Rand eines Bürgerkriegs manövriert. Verhaftungen und Folter von AktivistInnen der HDP und der türkischen Linken, Journalisten, aber auch gezielte Attentate wie jüngst die Ermordung des Menschenrechtlers Tahir Elci gehörigen zum traurigen Alltag des Landes. Wir haben erleben müssen, wie kurdische Geschäfte und Parteibüros pogromartigen Angriffen durch einen aufgehetzten Mob schutzlos ausgeliefert waren. Oppositionelle und kritische Medien werden durch Razzien und Verhaftungen systematisch eingeschüchtert; über weite Teile der kurdischen Provinzen wurde der Ausnahmezustand verhängt und viele kurdische Städte werden regelrecht belagert durch das türkische Militär. Zivilisten, darunter viele Kinder, werden von türkischen Sicherheitskräften
wahllos auf offener Straße ermordet.
Auch das Betätigungsverbot der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) ist einer Politik geschuldet, die geostrategische Interessen über die Wahrung von Menschenrechten stellt. Dieses Verbot wurde aus einer rein politischen Entscheidung heraus ungerechtfertigt ausgesprochen und ist längst hinfällig. Es kann keinerlei Legitimation dafür geben, den stärksten Akteur im Kampf gegen den barbarischen IS und wichtigsten Stabilitätsfaktor in dem von Bürgerkriegen und bewaffneten Konflikten gezeichneten Mittleren Ostens, die PKK, als „terroristisch“ zu brandmarken. Die kurdische Freiheitsbewegung bildet ein solides Fundament für nachhaltige Veränderungen in der Region und eine demokratisch-pluralistische Gesellschaft jenseits von nationalistischen, patriarchalen und religiös-fundamentalistischen Gesinnungen. Es gilt, diese demokratischen Strukturen und Werte auszubauen und fortschrittliche Kräfte zu stärken.

Die historische und aktuelle Rolle und Verantwortung des Westens – so auch Deutschlands – in der Region darf nicht vergessen werden, insbesondere in Bezug auf die bis heute ungelöste „kurdische Frage“. Anstatt ausgedehnte Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gegen das kurdische Volk zu verurteilen und sich um eine politische Lösung der kurdischen Frage verdient zu machen, setzte und setzt man, in blinder Loyalität zum NATO-Partner Türkei, auf Verbote sowie Terrorlisten. Diese stärken lediglich den rückständigen, barbarischen Kräften und Staaten in der Region den Rücken und unterwandern jegliches Streben nach Freiheit und Demokratie.

Hier ist ein deutlicher und offener Kurswechsel von Seiten Deutschlands und anderen westlichen Regierungen zwingend notwendig. Es gilt die PKK als legitime und legale politische Kraft im Mittleren Osten anzuerkennen, anstatt sie in der EU und den USA als terroristische Organisation zu listen und ihr die politische Betätigung zu verbieten. Ein erster Schritt wäre, seitens des Bundesjustizministeriums die Verfolgungsermächtigung gegen die PKK nach 129b StGB zurückzunehmen – gefolgt von einer Aufhebung des PKK-Verbots, der Streichung der PKK von der EU-Terrorliste, der Freilassung der politischen Gefangenen sowie einer Einstellung aller politisch motivierten Verfahren.

NAV-DEM

Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.

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