An die Presse und Öffentlichkeit

Seit dem 15. September 2014 greift die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den Kanton Kobanê in Nordsyrien/Westkurdistan (Rojava) mit schweren Waffen, die in großen Teilen von der irakischen Armee in Mossul erbeutet wurden, mit aller Gewalt aus drei Richtungen an. Der IS genießt dabei militärische, politische und logistische Unterstützung der türkischen Regierung. Unter Anderem im Gegenzug für die Freilassung von 49 türkischen Konsulatsangehörigen sowie aus strategischen Gründen toleriert und unterstützt die Türkei die Angriffe der Dschihadisten auf Kobanê. Sie beliefert den IS zudem auf illegaler Weise und im Widerspruch zur internationalen Bekämpfung der Organisation mit Waffen und Panzern. Zusätzlich gehen die türkischen Sicherheitskräfte und Soldaten mit aller Härte gegen Menschen vor, die sich aus Solidarität mit dem Widerstand in Kobanê an der türkisch-syrischen Grenze versammelt haben. Dabei kam es zu mehreren Toten und zahlreichen Verletzten.

Die AKP-Regierung setzt gleichzeitig die internationale Staatengemeinschaft unter Druck zu tolerieren, dass türkische Streitkräfte in Rojava eine Pufferzone errichten. Unter dem Vorwand sich selbst zu schützen ist geplant Rojava zu entvölkern und zu besetzen sowie die dortige demokratische Selbstverwaltung zu zerstören.

Die Terrororganisation IS, die eine große Gefahr für die Menschheit ist, greift gegenwärtig vornehmlich die Errungenschaften kurdischer Kulturen und Gesellschaften an. Erst vor einem Monat hat der IS in Schengal an vielen Orten in großem Ausmaß ezidische Kurden und andere Bevölkerungsgruppen gefoltert, versklavt, massakriert und vertrieben. Seit dem 15. September versuchen die Dschihadisten des IS nun einen ähnlichen Angriff auf den Kanton Kobanê durchzuführen.

Der IS ist es, dank der in Mossul erbeuteten und von der Türkei gelieferten schweren Waffen (Panzern, Katjuscha, Kanonen und Raketen), gelungen, bis an die Grenzen der Stadt Kobanê vorzurücken. Es handelt sich um eine asymmetrische Kriegsführung. Folglich sind hunderttausende Bewohnerinnen und Bewohner Kobanês der akuten Gefahr von Kriegsverbrechen, bis hin zum Genozid ausgesetzt.
Die Verteidigungseinheiten von Rojava YPG und YPJ (Frauenverteidigungskräfte) kämpfen mit leichten Waffen gemeinsam mit der Bevölkerung gegen die waffentechnisch überlegene Terrororganisation. Sie sind kaum in der Lage den Vormarsch des IS zu verhindern. Obwohl die demokratische Selbstverwaltung und die Verteidigungskräfte YPG und YPJ seit Langem an die internationale Koalition gegen IS appelliert haben, sie im Kampf gegen die Organisation militärisch, logistisch und humanitär zu unterstützen, wird das bis heute verweigert. Die Koalition, die vorgibt sich für den Kampf gegen die IS gegründet zu haben, handelt nicht der Situation und Notwendigkeit entsprechend, obwohl sie über die Angriffe und den Vormarsch des IS gegen Kobanê bestens informiert ist. Die Luftangriffe der US-Streitkräfte finden nicht in der Region statt, wo die Gefechte und Angriffe auf Kobanê stattfinden, sondern im entfernten Rakka und auf Ölfelder. Fraglich ist, ob diesen Kräften Öl wichtiger ist als Menschen. In verantwortungsloser Weise werden weitere Kriegsverbrechen bis hin zum Völkermord in Kauf genommen.

Die kurdische Bevölkerung und die weiteren in Kobanê lebenden Bevölkerungsgruppen werden weiterhin von ihrem legitimen Recht auf Verteidigung und Widerstand gegen die Terrororganisation IS Gebrauch machen, wie sie es seit mehr als zwei Jahren tun. Die Menschen in Kobanê, die in heldenhafter Art und Weise Widerstand gegen den IS leisten, verteidigen die Werte Demokratie und Menschlichkeit für die gesamte Welt.

Daher rufen wir die internationale Staatengemeinschaft, die in Anspruch nimmt Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen und entschlossen gegen den IS vorzugehen, dazu auf, die Menschen in Kobanê und ihre Verteidigungskräfte umgehend zu unterstützen
Diejenigen Staaten, die den IS unterstützen, allen voran die türkische Regierung, müssen endlich mit Konsequenzen wie z.B. Sanktionen konfrontiert werden, um sie dazu zu bewegen, ihre verheerende und menschenfeindliche Politik zu beenden.

Um eine erneute humanitäre Katastrophe, menschliche Tragödie und einen Genozid zu verhindern, sollten die kurdische Bevölkerung und die weiteren in Rojava lebenden Bevölkerungsgruppen auf allen Ebenen – auch militärisch – in ihrem Widerstand gegen den IS – unterstützt werden.

Die Verteidigung und der Widerstand Kobanês bedeuten gleichzeitig die Verteidigung der Menschlichkeit und eines würdigen miteinanderlebens unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen.

KCD-E (Demokratische Gesellschaftskongress der KurdInnen in Europa)
27.09.2014