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Schluss mit der Kriegspolitik in Kurdistan und dem Mittleren Osten!

Stopp des Genozids an ÊzîdInnen und ChristInnen!

Solidarität mit den kämpfenden KurdInnen!

Der Beginn des 1. Weltkriegs jährt sich dieses Jahr zum 100. Mal. Trotz dieses und weiterer Traumata der Menschheit, sind Kriege nach wie vor weltweit präsent. Vor allem der Nahe und Mittlere Osten kommt seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe, aber auch in anderen Teilen der Welt tobt offener Krieg. Daher ist es umso wichtiger, am 1. September, dem internationalen Antikriegstag, auf die Straße zu gehen und gegen Krieg und Unterdrückung einzustehen.

Seit Monaten terrorisiert die menschenverachtende Organisation Islamischer Staat (IS) Kurdistan und den Mittleren Osten. Mit äußerster Härte greift sie vor allem Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) an. Rojava gliedert sich in drei Kantone und wird von der Bevölkerung selbst verwaltet.
Vor allem der Kanton Kobanê muss sich seit dem Frühjahr verstärkt gegen die Angriffe des ISverteidigen, welcher nach der Übernahme von Mossul und Tikrit Mitte Juni des Jahres seine Angriffe auf Kobanê ab dem 2. Juli gestärkt und mit neuer Härte und Brutalität fortgesetzt hat.
Doch der IS greift KurdInnen nicht nur in Rojava an, sondern hat seine Offensive auf Südkurdistan/Nordirak ausgeweitet. Binnen weniger Tage brachte er große Gebiete in Südkurdistan unter seine Kontrolle. Wenige Wochen nachdem der IS die Stadt Mossul eingenommen hatte, eroberte er dieStadt Sengal, das Hauptsiedlungsgebiet der ÊzîdInnen. Zehntausende schiitische TurkmenInnenund ÊzîdInnen mussten wegen der Angriffe ab dem 2. August fliehen – Tausende massakrierte der IS noch auf der Flucht. Die Familien flohen in die umliegenden Berge. Dort müssen viele von ihnen immer noch ausharren und werden spärlich mit Nahrung und Wasser versorgt. In der Sommerhitze sind sowohl Kinder als auch alte Menschen verhungert oder verdurstet. Viele der Familien schafften es, nach Rojava zu flüchten, wo sie von der PKK-Guerilla und der YPG (Volksverteidigungseinheiten in Rojava) beschützt werden. Auch das UN-Flüchtlingscamp Maxmur wurde aufgrund der Angriffe des IS evakuiert.

Der IS ist ein Terrorinstrument verschiedener Kräfte: er richtet Menschen massenhaft hin, foltert und vergewaltigt, verschleppt Frauen und Kinder. Als wäre diese Brutalität nicht genug, werden die Hinrichtungen gefilmt und Kämpfer posieren vor den Kameras mit den Köpfen ihrer Opfer. Jeder Mensch ist gefährdet, der nicht in das salafistische Weltbild der Organisation passt, politische GegnerInnen, Frauen generell, andere Ethnien, „Andersgläubige“ – vor allem ÊzîdInnen und ChristInnen sind einer großen Gefahr des Genozides ausgesetzt, der in Teilen bereits stattgefunden hat. Neuesten Berichten von drei geretteten Augenzeugen aus der Region zufolge wurden 600 Menschen am Sonntag, dem 17. August in einer Schule massakriert, weil sie sich geweigert hatten, bis zur vom IS gesetzten Frist zu konvertieren.

Der IS wurde aus der Tradition der Al-Kaida 2005 im Irak gegründet. Ihre Stärke erlangte die Organisation einerseits durch die ausgrenzende Politik der schiitischen Regierung im Irak. Systematisch wurden alle sunnitischen Beamten und Entscheidungsträger ihrer Ämter beraubt. Jegliche Einflussnahme der SunnitInnen auf die Politik war nicht möglich oder stark eingeschränkt. Anderseits ist die Stärke auch ein Ergebnis der machtpolitischen Interessen der Staaten Türkei, Katar und Saudi Arabien; sie unterstützen IS finanziell, militärisch und politisch. Obwohl die Türkei mit der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen pflegt, wird die Regierung in absehbarer Zeit kein Erstarken der kurdischen Selbstbestimmung in Rojava erlauben. Deshalb schleust die Türkei dschihadistische Kämpfer nach Syrien oder behandelt verwundete Kämpfer in ihren Krankenhäusern.

In Syrien haben sich die oppositionellen Kräfte zerstritten und schrittweise marginalisiert, sodass Diktator Baschar al-Assad seine Macht aufrechterhalten konnte. Der Staat Irak zerfällt zusehends, selbst eine neue Regierung kann nicht gebildet werden. Der Iran, mit seinem Mullah-Regime, scheint nun durch den Westen legitimiert zu werden und die demokratische Entwicklung der Türkei kann der AKP-Regierung nur sehr schwer von den fortschrittlichen Bewegungen abgerungen werden, obwohl seit Ende 2012 ein Dialog zwischen der PKK und dem Staat geführt wird. Die Regierung errichtet ganz im Gegenteil weitere Militärstationen in Nordkurdistan und baut den Polizeistaat aus, wie die Gezi-Proteste gezeigt haben. In dieser chaotischen politischen Landschaft breitet nun der faschistische IS seine Macht und sein Einflussgebiet aus. Einzig und allein die KurdInnen kämpfen derzeit dort tatsächlich gegen dessen Vorrücken.

Mit dem Aufbau der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) durch die PKK und der Entwicklung des Demokratischen Konföderalismus in den kurdischen Gebieten der Staaten Türkei, Iran, Irak und Syrien entsteht eine demokratische Alternative für den gesamten Mittleren Osten, jenseits von nationalistischen, religiös-fundamentalistischen, patriarchalen und kapitalistischen Vorstellungen. Es sind vor allem die organisierten Verteidigungskräfte der KCK, die HPG und dieYPG-KämpferInnen, die zehntausenden ÊzîdInnen, AssyrerInnen, TurkmenInnen, ChristInnen und SchiitInnen gegen den IS Schutz boten. Seit über zwei Jahren verteidigen zudem die YPG und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten in Rojava) das Projekt der Demokratischen Autonomie in Rojava – das einzig erfolgreiche demokratische Modell in Syrien – gegen die Angriffe durch Islamisten und das Assad-Regime. Hier wurde im November 2013 die Autonomie mit einer demokratischen Verfassung unter Beteiligung aller religiösen und ethnischen Gruppen ausgerufen. So ist es auch im Norden Kurdistans keine andere Kraft als die PKK, die gerade den türkischen Staat massiv zu einem friedlichen Dialog und somit zur eigenen Demokratisierung zwingt. Auch im Iran leistet die kurdische Bewegung nicht nur Widerstand, sondern baut kontinuierlich autonome demokratische Strukturen auf. Besonders der durch die PKK erwirkte Wandel der gesellschaftlichen Rolle der Frau in Kurdistan stellt eine Revolution für den gesamten Nahen und Mittleren Osten dar.

Mit dem Verbot der PKK in der BRD und ihrer Nennung auf der europäische Liste von Terrororganisationen wird eine fortschrittliche Bewegung kriminalisiert, die in allen Teilen Kurdistans für eine Demokratisierung der Region kämpft und die Bevölkerung aktiv und erfolgreich vor der Ausweitung der Vernichtung, ob von Seiten des IS oder des Staatsterrors schützt. Das PKK-Verbot ist ein Teil der Kriegspolitik der BRD und der europäischen Staaten zu der auch die Waffenlieferungen an das NATO-Mitglied Türkei und andere Staaten in der Region gehören. Der Bundesregierung kriminalisiert die kurdische Bewegung sowie die kurdische Gesellschaft vor allem auf Grundlage des PKK-Verbots. Dabei geht es ihr ausdrücklich um die Unterdrückung einer fortschrittlichen Bewegung, um das Bündnis mit der Türkei aufrecht zu erhalten und die eigenen wirtschaftlichen und machtpolitischen Interesse zu sichern.
Statt das PKK-Verbot sofort aufzuheben, debattiert die Bundesregierung über die Lieferung neuer Waffen in die Region. Bevor allerdings über Waffenlieferungen diskutiert wird, muss sichergestellt sein, dass alle beteiligten demokratischen AkteurInnen anerkannt und in den politischen Prozess einbezogen werden.

Daher fordern wir:
Stopp aller Waffenexporte der BRD in die Türkei, den Mittleren Osten und weltweit!
Anerkennung der Demokratischen Autonomie in Rojava!
Aufhebung des PKK-Verbots!

NAV-DEM – Zentrum der demokratischen Gesellschaft
Cenî – Frauenbüro für Frieden
ISKU – Informationsstelle Kurdistan
Kampagne TATORT Kurdistan
CIWANÊN AZAD – Freie Jugend
YXK – Verband der Studierenden aus Kurdistan
FKÊ – Föderation der êzîdischen Vereine
CÎK – Islamisch-kurdische Gesellschaft
FEDA – Föderation der alevitischen Vereine

1. September 2014