Protokoll zu den Kommunalwahlen der Türkei am 30.03.14 – Ort: Pervari

Wir fuhren zu dritt nach Pervari: Zwei Wahlbeobachter der Delegation (Thomas Friedrich und Christoph Friedrich) und ein Anwalt (Mehmet Sabir Tas). In Pervari standen fünf Schulen als Wahllokale zur Verfügung. In einigen Schulen gab es auch zwei Wahllokale. Insgesamt besuchten wir jedes Wahllokal zwei Mal für einige Minuten und sprachen dabei mit den jeweiligen Wahlbeauftragten um uns ein Bild der Situation zu machen.

Als wir unsere erste Beobachtungsrunde machten, trafen wir vor dem ersten Schulgebäude Polizei an, welche uns nach kurzer Diskussion mit M. Sabir Tas eintreten ließ. Am Einlass bildete sich eine Schlange von Wählern. Der Einlass wurde also von der Polizei kontrolliert. Im Gebäude herrschte ein gewisses Durcheinander. Zum Wahllokal welches sich im ersten Stock befand wurde uns der Zutritt durch die Polizei und den dortigen Wahlbeauftragten verwehrt. Wir konnten jedoch sehen, dass ein Polizist direkt vor den Wahlurnen positioniert war. Nach Rücksprache mit dem Wahlmanager Pervaris wurde uns erklärt, dass die Polizei durch den Wahlbeauftragten des Lokals gerufen wurde, da zwei Personen zusammen in eine Wahlkabine gingen. Dies habe einen Konflikt im Wahllokal ausgelöst. Wir argumentierten, dass die Polizei sich jedoch nach Beendigung des Konfliktes wieder aus dem Wahllokal zu entfernen habe. Der dortige Wahlbeauftragte überzeugte den Wahlmanager aber anscheinend die Polizei aus präventiven Gründen im Wahllokal zu lassen. Da uns der Zutritt zum ersten Wahllokal verwehrt wurde rief der Wahlmanager in den Wahllokalen an um unsere Beobachtungen zu legitimieren. Fortan hatten wir uneingeschränkten Zutritt zu allen Wahllokalen.
In den weiteren Wahllokalen herrschte ebenfalls ein großes Durcheinander. Normalerweise sollten in jedem Wahllokal nur die Wahlhelfer, jeweils ein beobachtender Repräsentant der drei in Pervari großen Parteien (BDP, AKP, CHP) und einige Wähler anwesend sein. Jedoch war meist nicht transparent, wer die Personen im Wahllokal waren und was sie zu tun hatten. Dieser Umstand erhöhte die Manipulationsgefahr erheblich. Es kam auch vor, dass Personen die nicht zu den offiziellen Wahlhelfern gehörten bei der Organisation mithalfen indem sie Wahlzettel ausgaben und sogar Wahlumschläge entgegennahmen. Dies führte zu weiterer Verwirrung und Manipulationsgefahr in den Wahlbüros.

Wir konnten einen Fall beobachten bei dem ein Wahlhelfer mit in die Kabine ging, um einer Analphabetin zu helfen. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Wahlzettel Symbole tragen und wir daher keine Notwendigkeit sehen in einer solchen Situation zu helfen. Die Gefahr der massenhaften Manipulation erscheint uns viel zu groß.

Nach unserer ersten Beobachtungsrunde trafen wir uns mit dem Wahlmanager Pervaris um unsere Beobachtungen mit ihm zu teilen und ihn auf die vorher beschriebenen Probleme hinzuweisen. Er wirkte nicht besonders interessiert nach Lösungen zu suchen. Vielmehr fühlte er sich durch uns angegriffen und versuchte ständig sich zu rechtfertigen. Wir kamen also nicht auf eine gemeinsame Position.

Als wir alle Wahllokale ein zweites Mal durchliefen, schien uns das Wählen etwas organisierter vorzukommen. In den Wahllokalen herrschte auf jeden Fall mehr Ordnung. Jedoch war noch immer in jedem Schulgebäude mindestens ein Polizist positioniert. In anbetracht der Situation kam uns dies nicht notwendig vor. Außerdem gab es noch immer einige Personen deren Anwesenheit in den Wahlbüros überflüssig und möglicherweise auch rechtswidrig war.

Nach Ende der Stimmabgaben entschieden wir uns dafür, in einem Wahllokal der Auszählung beizuwohnen. Der dortige Wahlbeauftragte teilte uns mit, dass ein Polizist bei der Zählung dabei sein werde. Daraufhin versuchten wir ihm klarzumachen weshalb dies nicht möglich sei. Er sagte uns, dass er Angst um seine Sicherheit hätte und der Polizist deshalb dabei sein müsse. Unserer Meinung nach gab es, in anbetracht der dortigen Umstände, überhaupt keinen Anlass dafür. Nach Rücksprache mit Pervaris Wahlmanager wurde entschieden, dass die Polizei während der Zählung nicht anwesend sein darf. Wir beobachteten die erste halbe Stunde der Zählung, wobei uns kein Anlass zum Verdacht auf Manipulation gegeben wurde. Daraufhin verließen wir das Wahlbüro. Außerhalb des Wahlbüros standen mittlerweile drei Polizisten, einer davon in Zivilkleidung. Dieser begegnete uns mit einem verbal aggressiven Verhalten. Um 17 Uhr verließen wir Pervari in Richtung Siirt.