Pressemitteilung, 27.02.2014

Die Situation der kranken Gefangenen in der Türkei ist dramatisch

Nach neuesten Berichten des Menschenrechtsvereins (İnsan Hakları Derneği, IHD) gibt es in der Türkei 544 schwerkranke Gefangene, von denen mehr als 200 in einem äußerst kritischen Zustand sind. Das Justizministerium gibt an, dass in den letzten 13 Jahren 2.300 Gefangene in der Haft verstorben sind. Allein diese Zahlen belegen, dass die Lage in den Gefängnissen dramatisch ist.

Die Chancen für kranke Gefangene auf Haftentlassung haben sich durch das im Januar 2013 erlassene neue Haftvollzugsgesetz, das ohnehin nur für Straf-, nicht aber für Untersuchungsgefangene gilt, nochmals verschlechtert. Hier heißt es nun: „Wenn aufgrund einer schweren Behinderung oder Krankheit das Leben des Gefangenen durch die Inhaftierung bedroht ist, kann die Haftstrafe ausgesetzt werden, soweit festgestellt wird, dass der Gefangene keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.“ Das bedeutet, dass dieses Gesetz für erkrankte politische Gefangene, die meist nach den umstrittenen Antiterrorgesetzen verurteilt werden, keine Gültigkeit hat. Neu ist auch, dass eine Entlassung von der Beurteilung der gerichtsmedizinischen Institute abhängig gemacht wird. Die Gerichtsmediziner in der Türkei sind politisch nicht neutral, sie vertuschen Folterungen, ignorieren fachärztliche Atteste qualifizierter Krankenhäuser und verschleppen die Begutachtung von schwerkranken Gefangenen.

Menschenrechtsorganisation, Anwaltskammern und die Ärztekammer der Türkei (TTB) kritisieren diese Praxis seit langem und oppositionelle Abgeordnete haben bereits Gesetzesvorschläge für einen anderen Umgang mit kranken Gefangenen vorgelegt. All dies wird von der Regierung ignoriert. Staatspräsident Gül könnte von seinem Recht auf Begnadigung Gebrauch machen, tut dies aber nur in den äußerst seltenen Fällen, in denen es ihm opportun erscheint. Die politische Willkür in der Türkei kennt keine Grenzen und kalkuliert tote Gefangene bewusst ein, obwohl 2002 die Todesstrafe abgeschafft und 2004 die Folter unter Strafe gestellt wurde.

Die Inhaftierung schwerkranker Gefangener verstößt gegen das Recht auf Leben und gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Türkei wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte viele Male wegen dieser Verstöße verurteilt. Menschenrechtsorganisation und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) müssen sich endlich mit der unerträglichen Situation der kranken Gefangenen befassen, denn die Zeit läuft für viele von ihnen ab und wir dürfen nicht abwarten, bis reihenweise Särge aus den Gefängnissen getragen werden. Unterstützen Sie mit uns die Forderung nach Freilassung der kranken Gefangenen in der Türkei!

Wenn Sie sich weiter informieren möchten, vermitteln wir Ihnen gerne den Kontakt zu Ruhi Karadağ, der sich bis zum 18. März in Deutschland aufhalten wird. Der Regisseur aus der Türkei engagiert sich seit vielen Jahren in der Frage der kranken Gefangenen und erhielt 2012 für „Simurg“ den Filmpreis des Europarates (FACE).

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir gerne unter der Nummer 069-84772084 zur Verfügung.

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