Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Metin A.

AZADÎ verurteilt politisch motivierte Verfolgung kurdischer Aktivist_innen

Am 21. Februar hat die BAW gegen Metin A. Anklage vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart erhoben. Sie wirft dem kurdischen Aktivisten vor, sich von März 2008 bis zu seiner Festnahme im Juli 2011 als „hochrangiger Kader“ der „Gemeinschaft der Jugend“ (KC) in der Bundesrepublik und im europäischen Ausland betätigt zu haben. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden ordnen die „Komalen Ciwan“ als Unterorganisation der PKK zu, so dass Metin A. als ein mutmaßliches Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach § 129b StGB angeklagt wird. Er soll in seiner Funktion Demonstrationen und Schulungsveranstaltungen organisiert, Propagandamaterial verteilt, an Ausbildungsseminaren teilgenommen und Jugendliche für die Guerilla angeworben haben.

Metin A. wurde aufgrund eines Festnahmeersuchens der BAW am 20. Juli 2011 während einer Reise in der Schweiz fest- und in der JVA Pfäffikon in Auslieferungshaft genommen worden. Während seiner Haft hatte er Asyl beantragt und ist – als Solidarität mit den zu dieser Zeit zahlreich hungerstreikenden politischen Gefangenen in der Türkei - in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.
Ende Oktober befand sich der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan auf Staatsbesuch in Deutschland, wo er wie gewöhnlich die angeblich mangelnde strafrechtliche Verfolgung kurdischer Aktivist_innen beklagte. Kaum war er am 31. Oktober wieder abgereist, wurde Metin A. am 1. November 2012 an die bundesdeutschen Behörden überstellt. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich seit über 50 Tagen im Hungerstreik.

Die Überstellung erfolgte unter äußerst fragwürdigen Umständen. Weder war sein Schweizer Anwalt zuvor über den ernsten Gesundheitszustand seines Mandanten informiert worden noch von der bevorstehenden Überstellung. Metin A. wurde unter dem Vorwand, in ein anderes Gefängnishospital verlegt zu werden, an den Füßen gefesselt mit einem Krankenwagen statt in ein Krankenhaus an die deutsche Grenze gefahren und den dortigen Behörden übergeben. Zuvor sollen drei Ärzte unabhängig voneinander damit beauftragt gewesen sein, Metin A. auf Transportfähigkeit hin untersucht zu haben. Wegen seines ernsten Gesundheitszustandes ist der Kurde in das Haftkrankenhaus der JVA Stuttgart-Stammheim gefahren worden.

Nachdem Metin A. dann seinen Hungerstreik beendet hat, wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und befindet sich seitdem – aufgrund der Bemühungen seiner Verteidiger - inzwischen unter „normalen“ Haftbedingungen in einem anderen Gefängnis in U-Haft.

Ursprünglich sollte Metin A. gemeinsam mit den beiden Aktivisten Ridvan Ö. und Mehmet A. angeklagt werden, deren § 129b-Verfahren seit September 2012 vor dem OLG Stuttgart läuft. Laut Anklage soll Metin A. über umfangreiche „Entscheidungs- und Anordnungskompetenzen“ verfügt haben – so auch gegenüber den vorgenannten Kurden.

AZADÎ verurteilt das seit nunmehr 20 Jahren anhaltende und stetig verschärfte repressive Vorgehen gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Oktober 2010, den § 129b StGB auch auf die PKK auszudehnen, wurde die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative aufgehoben und der Willkür Tür und Tor geöffnet. Nicht mehr Gerichte entscheiden darüber, ob eine Organisation aus dem Ausland als terroristisch oder als legitim eingestuft wird, sondern vorab das Bundesjustizministerium, indem es Ermächtigungen zur Strafverfolgung nach §129b erteilt – im Falle von Metin A. am 19. April 2011.

Dass an der bundesdeutschen Kriminalisierungspraxis festgehalten wird, zeigt auch das Vorgehen am 10. März in Hannover, bei dem das Kurdistan-Volkshaus (zum wiederholten Male) von Polizeikräften und Zivilbeamten durchsucht wurde und im Buchhandel zu beziehende Bücher und Zeitschriften beschlagnahmt worden sind.

AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland

12. März 2013