Pressemitteilung, 21.01.2013

Stellvertretender AKP-Vorsitzender „warnt“ Deutschland vor ähnlichen Mordfällen wie in Paris

Nach Angaben der türkischen Tageszeitung Radikal vom 21.01.2013 hat der stellvertretene AKP-Vorsitzende Mehmet Ali Şahin auf einer Veranstaltung in seinem Wahlort Karabük bezugnehmend auf die Morde an drei PKK-Mitgliedern in Paris davor gewarnt, dass ähnliche Fälle auch in Zukunft in Deutschland passieren könnten.

Şahin erklärte, dass nun eine Phase seitens der Regierung eingeläutet wurde, in der die PKK dazu gebracht werde, ihre Waffen niederzulegen. „Aufgrund dessen befinden sich nun einige Kreise in Aufruhr. Sie versuchen alles in Gang zu setzen, um diese Phase zu sabotieren. Der Mord in Paris ist in diesem Kontext zu bewerten", so Şahin. Zugleich kritisierte er die Haltung der europäischen Staaten, welche PKK-Verantwortliche in ihren Ländern angeblich schützen würden: „Wir machen die Länder der EU, Frankreich und Deutschland immer wieder darauf aufmerksam. Wir sagen ihnen, dass sie falsch handeln, indem sie die Mitglieder der PKK Terrororganisation in ihren Ländern freies Handeln gewähren. (...) Ich befürchte, dass sich in den folgenden Tagen und Wochen auch in Deutschland ähnliche Vorfälle ereignen können. Deswegen denke ich, hat die Türkei die Verantwortung sich von dieser Last zu befreien", erklärt Şahin.

Erdoğan: Es gibt keine kurdische Frage

Unterdessen verneinte der türkische Ministerpräsident Erdoğan in seiner gestrigen Rede in einem syrischen Flüchtlingscamp die Existenz einer kurdischen Frage. „So etwas wie eine kurdische Frage gibt es nicht! Nein zum Kurdischsein. (…) Was haben wir zu Beginn gesagt gehabt? Eine Nation, eine Flagge, ein Land. Wir werden keine Veränderung unseres 780.000 m² Heimatlandes erlauben.“ Nach dem Pariser Mordattentat auf drei kurdische Aktivistinnen hatte Erdoğan vor möglichen Provokationen bei der Trauerveranstaltung in Diyarbakir gewarnt. Die Haltung des kurdischen Volkes würde ausschlaggebend für weitere Gespräche der Regierung mit Öcalan im Rahmen der sogenannten „integrativen Strategie“ sein.

Doppelte Strategie / National wie International

In einem Interview vom 2. Januar 2013 mit dem Kolumnisten Fikret Bila für die türkische Tageszeitung Milliyet erklärte Besir Atalay, stellvertretender AKP-Vorsitzender, die neue Strategie des türkischen Staates wie folgt: „Während wir einerseits diese Arbeiten [gemeint die Gespräche mit Öcalan] fortführen, versuchen wir andererseits die Moral und Motivation unserer Sicherheitskräfte, die sich im Kampf mit den Terroristen befinden, aufrecht zu halten. […] Wir verfolgen eine doppelte Strategie, in die wir alle Instrumente integrieren wollen. Ziel dieser Instrumente ist dafür zu sorgen, dass sie die Waffen niederlegen. Die Gespräche auf Imralı sind ein Teil dieser Strategie. Auf der anderen Seite führen wir unsere Arbeiten national wie international weiter fort. Wir stehen in Kontakt zu Nordirak und auch unsere Arbeiten mit den USA und Europa halten an. Das ist der internationale Fuß unserer Strategie.“

Versteckte Drohung an Deutschland

In einem Telefongespräch mit Civaka Azad äußerte der in Deutschland lebende kurdische Politiker Muzaffer Ayata, der unter dem Vorwurf der PKK-Führungsmitgliedschaft 20 Jahre lang in türkischen Gefängnisse verbrachte, dass die Äußerungen von Mehmet Ali Şahin als Drohung gegen alle kurdischen AktivistInnen in Europa zu deuten sei. „Im Zuge ihrer neuen sogenannten „integrativen Strategie“ werden nun auch die KurdInnen in Europa zur Zielscheibe erklärt. Nichtumsonst fokussieren sich die regierungsnahen Medien auf die kurdischen PolitikerInnen in Europa. Die Türkei zielt darauf ab, den in Kurdistan geführten Krieg nach Europa auszulagern. Dementsprechend wird versucht den europäischen Staaten ein Allianzbündnis aufzuzwingen. Als ob nicht die unzähligen militärischen Operationen und Massenverhaftungen in Kurdistan und der Türkei ausreichend wären. In dem Sinne sind ebenfalls die Aussagen von Mehmet Ali Şahin zu interpretieren, die als verdeckte Drohung an Deutschland zu verstehen gilt. Es soll ausgedrückt werden, dass sich die KurdInnen in Deutschland auf der Zielscheibe befinden und dementsprechende Vorbereitungen für Mordanschläge getroffen werden. Im Nachhinein werden sie dann sagen, wir haben es euch doch gesagt gehabt“, so Ayata, der die Äußerungen von Erdoğan und Atalay folgendermaßen auffasste: „Auf der eine Seite wird von Frieden geredet, während zeitgleich auf der anderen Seite Krieg geführt wird. Dem wird dann die Bezeichnung „integrative Strategie“ verliehen. Hier gilt zu fragen, von welcher Integration denn die Rede ist. Durch solch eine feindliche Ausdrucksweise, in der Vernichtung und Liquidation permanent Erwähnung finden, in der kurdische Institutionen und PolitikerInnen zum Angriffsziel erklärt werden, kann keine Lösung erzielt werden. Wenn von einer demokratischen Lösung geredet werden soll, dann gilt es die elementaren Rechte des kurdischen Volkes anzuerkennen und den Rahmen für einen gerechten und würdevollen Frieden zu schaffen.“

Jelpke: Offene Drohung gegen kurdische Exil PolitikerInnen

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE Ulla Jelpke nahm in einer Pressemitteilung Stellung zu den Äußerungen von Mehmet Ali Şahin. „Die Äußerungen des türkischen Regierungspolitikers Mehmet Ali Şahin sind als offene Drohung gegen kurdische Exilpolitikerinnen und Exilpolitiker zu verstehen. Die türkische Regierung setzt in der kurdischen Frage weiter auf Gewalt und will die Bundesregierung zu weitergehender Repression gegen die kurdische Bewegung nötigen. Şahins Vorstoß steht im Zusammenhang mit weiteren Äußerungen türkischer Regierungsmitglieder, die auf eine Doppelstrategie hindeuten. Auf der einen Seite will die AKP einen Dialog mit PKK-Chef Abdullah Öcalan führen. Auf der anderen Seite wird gedroht, dass es für die politisch tätigen Kurdinnen und Kurden weltweit keinen Rückzugsraum vor Vernichtung gäbe", so Jelpke.

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