Redebeitrag auf der Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Demonstration am 12.1.2013

Auf dieser Demonstration, an dieser Stelle, gibt es viel zu sagen über die revolutionären Vorkämpfer Karl und Rosa: über die Geschichte und die Bedeutung ihres Kampfes für eine Welt in der der Mensch kein verächtliches, ausgebeutetes Wesen ist – ihren Kampf den sie bis zu ihrer Ermordung durch Schergen der deutschen Sozialdemokratie konsequent geführt haben. In diesem Redebeitrag wollten wir auf die Bedeutung der von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geschaffenen Werte im weltweiten Befreiungskampf eingehen – doch es kam anders.
Am 09.01.13 wurden die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez durch heimtückischen Mord aus unserer Mitte gerissen. Unsere Freundinnen wurden in den Räumen des Kurdischen Informationsbüros in der Nähe des Pariser Nordbahnhofes durch professionelle Killer mit Genickschüssen exekutiert.
Wir immer noch sprachlos über dieses unglaubliche Verbrechen – voll Trauer, aber auch voll Wut.
Sakine Cansız, nicht ohne Grund häufig als die kurdische Rosa Luxemburg bezeichnet, war schon lange bevor sie an der Gründung der kurdischen Befreiungsbewegung PKK 1978 teilnahm eine antifaschistische Revolutionärin. Auch 12 jährige Kerkerhaft in der Türkei konnten sie nicht brechen. Unvergessen ist, wie sie im berüchtigten Militärgefängnis von Diyarbakir ihren Folterern noch ins Gesicht spuckte. Ihr Kampf führte sie von den Bergen Dersim bis in die Metropolen Europas. Sakine spielte eine führende Rolle in der kurdischen Frauenbewegung, die einen Zweifrontenkampf gegen den türkischen Kolonialismus und die feudalen und patriarchalen Gesellschaftstrukturen führt. Ihr Widerstand konnte durch Repression und Folter nie gebrochen werden, daher war sie wie Rosa Luxemburg damals, als Frau und als Freiheitskämpferin bei den Reaktionären und Unterdrückern verhasst – so ist durch ein Wikileaks Dossier bekannt geworden, dass die CIA Sakine Cansız schon 2007 im Visier hatte, in dem geheimen Dossier steht ausdrücklich: Jetzt müssen wir unseren Fokus verengen und die beiden Hauptziele Sakine Cansız und Riza Altun verfolgen.

Nun wurde unsere Freundin Sakine Ziel eines Mordkomplotts.
Die mit Sakine ermordete Fidan Doğan war eine erfahrene Diplomatin, die sich als Vertreterin des Kurdistan Nationalkongresses international für eine friedliche Lösung des kurdischen Konfliktes einsetzte. Leyla Şaylemez war eine Jugendaktivistin, die ihre Ausbildung abgebrochen hatte, um ihr Leben ganz dem Befreiungskampf zu widmen.
Die Morde fanden vor dem Hintergrund eines neuen Friedensdialogs zwischen der türkischen Regierung und dem inhaftierten Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan statt. Wir wissen noch nicht, wer die Täter oder ihre Hintermänner sind. Aber wir sind der Überzeugung, dass diese Morde ein Anschlag gegen den Friedensprozess waren. Immer, wenn es während der letzten 20 Jahren Verhandlungen zwischen der PKK und dem Staat kam oder die PKK einen einseitigen Waffenstillstand erklärte, verübten Kräfte des türkischen Geheimdienstes, des Militärs oder Faschisten Massaker an Zivilisten und prokurdischen Aktivisten. Auch die Morde an unseren drei Genossinnen in Paris tragen die Handschrift des türkischen „tiefen Staates“.
Was haben die drei ermordeten gemeinsam? Sie sind Kurdinnen, sie sind Frauen – Aktivistinnen der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung. Die kurdische Frauenfreiheitsbewegung ist nicht nur der aktivste Teil und Kern des Freiheitskampfes der Kurdinnen sondern ebenfalls eine stärksten Bewegungen für Geschlechterbefreiung und Emanzipation weltweit.
Wir sind uns sicher, diejenigen die Sakine, Leyla und Fidan ermordeten, sind so wie es die Mörder von Rosa und Karl, die faschistischen Kriegstreiber und Reaktionäre, die eine Emanzipation, ein Ende kapitalistischen Kriegs und kolonialer Ausbeutung als Gefährdung ihrer Existenz fürchten.
Der türkische AKP-Staat spielt anscheinend wieder ein doppeltes Spiel. Gegenüber der türkischen Öffentlichkeit wird Verhandlungsbereitschaft mit der PKK suggeriert. Doch gleichzeitig gehen die Militäroperationen gegen die Guerilla und die Massenverhaftungen von mittlerweile über 9000 zivilen kurdischen Aktivisten und Politikern weiter.
Und Ministerpräsident Erdogan hat vor wenigen Tagen gegenüber der PKK gedroht: "Wir werden euch überall finden, wo ihr auch seid." Vor einer Woche wurden dann in Lice zehn Guerillakämpfer getötet und jetzt die drei Frauen in Paris.
Abdullah Öcalan soll unter Isolationshaftbedingungen mit der Pistole auf der Brust verhandeln. Aber so kann es keinen Frieden geben. So kann es keine Lösung geben. Unter diesen Bedingungen wäre eine Entwaffnung der PKK nichts anderes Selbstmord, denn Volksverteidigungskräfte der HPG sind die einzige Sicherheitsgarantie der kurdischen Bevölkerung.
Wir fragen aber auch nach der Rolle Frankreichs. In Europa spielt Frankreich gemeinsam mit der Bundesrepublik die Speerspitze bei der Verfolgung der kurdischen Befreiungsbewegung. Heute sitzen in Frankreich mehr kurdische Politiker in Haft als in Deutschland, immer wieder wurden kurdische Institutionen von der Polizei gestürmt. Wir wissen, dass das Kurdische Informationszentrum in Paris rund um die Uhr überwacht wird. Der französische Staat muss also wissen, wer die Mörder unserer Genossinnen ist. Wir verlangen vollständige Aufklärung dieses Verbrechens. Andernfalls würde sich Frankreich zum Komplizen der Mörder machen und die Konsequenzen tragen müssen.

Die Morde an Sakine und ihren Freundinnen zielte auf die Demoralisierung der Kurden und insbesondere der kurdischen Frauen. Doch der Plan der Mörder und ihrer Hintermänner ist gescheitert. In den letzten Tagen sind hunderttausende in Paris und an vielen anderen Orten der Welt auf die Straße gegangen.
Dieser Angriff auf Sakine, Leyla und Fidan ist ein Angriff nicht nur auf alle Kurdinnen und Kurden, es ist ein Angriff auf alle Menschen die weltweit für Emanzipation, Freiheit und Sozialismus kämpfen – deswegen müssen wir gemeinsam als Revolutionärinnen und Revolutionäre unsere Stimme und unsere Fäuste erheben, in Wut und Trauer für die Gefallenen Genossinnen denn wir alle sind Sakine, Leyla und Fidan. Wir werden sie in unseren Kämpfen, in unseren Herzen weiterleben lassen.

Es lebe der demokratische Konföderalismus – es lebe der Befreiungskampf der Frauen weltweit – auch durch Mord werden uns nicht stoppen!
Leyla, Sakine und Fidan sind unsterblich! Hoch die internationale Solidarität!

YXK Berlin, 12.01.2013