800 Inhaftierte in türkischen Gefängnissen seit 46 Tagen im Hungerstreik!

Seit 46 Tagen befinden sich knapp 800 politische Gefangene in türkischen Gefängnissen in einem unbefristeten Hungerstreik. Unter diesen zumeist kurdischen Hungerstreikenden befinden sich auch ParlamentarierInnen, JournalistInnen, Bürgermeister und Friedensmütter. Sie überstreiten in diesen Tagen einen kritischen Zeitpunkt bei ihrer Gesundheitslage; es kann jederzeit zu ersten Toten kommen. Die Hungerstreikenden haben drei Forderungen:
1) Aufhebung der erschwerten Isolationshaft des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, dem seit Juli 2011 jeder Besuch seiner Anwälte verwehrt wird.
2) Anerkennung des Verteidigungsrechtes in der kurdischen Sprache bei Gerichtsverhandlungen
3) Anerkennung der kurdischen Sprache im schulischen Bildungssystem der Türkei
Bei diesen Forderungen sollte es sich für Demokratien um Selbstverständlichkeiten handeln. Doch vor uns steht die Republik Türkei, die in den letzten drei Jahren nach einer Periode gewisser Reformen die Repressionsschraube gegen alle Oppositionelle kräftig gedreht hat. In den letzten fünf Jahren hat die AKP-Regierung die Justiz erobert und vor allem das Militär sich unter geordnet, womit der ganzen Staat übernommen wurde. Den größten Druck bekommt die kurdische Demokratiebewegung, die größte Oppositionskraft, ab. Das führt zur Verschärfung des Konflikts um die ungelöste kurdische Frage.
Seit Sommer 2011 wurden über 4.000 BDP'ler (Friedens- und Demokratiepartei, die legale prokurdische Partei) und AktivistInnen der kurdischen Zivilgesellschaft unter fadenscheinigen Gründen inhaftiert, womit die Zahl der politischen kurdischen Gefangenen auf 9.000 gestiegen ist. Weil sie sich nicht auf Kurdisch bei den Gerichtsverhandlungen verteidigen dürfen, sind ihre Verfahren seit zwei Jahren de-facto blockiert.
In der Türkei sitzen 100 Journalisten in Haft, womit der türkische Staat sogar China und den Iran überflügelt hat. Auch Angehörige der nach wie vor nicht anerkannten Glaubensrichtung der Aleviten, Gewerkschaftler, Frauenrechtlerinnen und Öko-Aktivisten sind Ziel der Angriffe.
Die ehemaligen „Ausgegrenzten“ – Islamisten um die AKP - sind die neuen Unterdrücker von heute geworden und das in einer Weise, was in nichts den türkischen NationalistInnen (Kemalisten) nachsteht. So selbstbewusst und autoritär sind sie geworden, dass sie sich sogar direkt in den Syrien-Konflikt einmischen und für die eigenen politischen Interessen (keine Rechte für syrische KurdInnen; mehr Einfluss im Mittleren Osten) den Krieg schüren.

Wir solidarisieren uns mit dem politischen Protest der hungerstreikenden
Inhaftierten: Für eine Beendigung der Isolationshaft von Öcalan und allen politischen Gefangenen! Für die Anerkennung des muttersprachlichen Verteidigungsrechtes! Gleichsetzung der kurdischen und aller anderen Sprachen mit dem Türkischen.
Was Sie tun können: Beteiligen Sie an der seit September laufenden internationalen Unterschriftenkampagne für die „Freiheit von Öcalan“ unter www.freeocalan.org.
Schreiben Sie ans türkische Innen- und Justizministerium und fordern Sie die türkische Regierung auf, den legitimen Forderungen der Hungerstreikenden Gehör zu schenken.

• Innenminister Idris Naim Sahin; gsekreter@icisleri.gov.tr und mustesarlik@icisleri.gov.tr
• Justizminister Sadullah Ergin; info@adalet.gov.tr; Gefängnissabteilung: cigm@adalet.gov.tr

Kulturverein Mesopotamien e.V., e-mail: mesop.erfurt@gmail.com