Presseerklärung:

Annulierung von Aufenhaltsstatus von politischen Flüchlingen aus der Türkei

Kürzlich hat das Regierungspräsidium Karlsruhe entschieden, dass der unbefristete Aufenthaltsstatus (die Niederlassungserlaubnis) des stellvertretenden Vorsitzenden des Dachverbands der kurdischen Vereine in Deutschland YEK- KOM, Bahaddin Dogan, annuliert wird. Bahaddin Dogan soll nun ausgewiesen werden. Bis zur Umsetzung dieser Entscheidung hat der Politiker eine verschärfte Residenzpflicht. Er muss zweimal in der Woche bei der Polizei eine Unterschrift leisten. Mit der gleichen Entscheidung ist das Mitglied des Disziplinarrates von YEK-KOM, Ahmet Zeyrek, konfrontiert.

Das ist ein nicht hinnehmbarer Skandal! Beiden Politkern drohen im Falle einer Abschiebung in der Türkei langjährige Haftstrafen und Folter.

Auffällig und nicht hinnehmbar ist, dass in Zusammenhang mit der zunehmenden Repression des türkischen Staates gegenüber der kurdischen Bevölkerung in der Türkei auch die deutsche Regierung und die Behörden eine zunehmend härtere Haltung und Praxis gegenüber den hier lebenden kurdischen MigrantInnen, insbesondere gegenüber ihren politischen VertreterInnen, entfalten.

Die Arbeit von YEK-KOM besteht darin sich um die sozialen und kulturellen Probleme der in Deutschland lebenden KurdInnen zu kümmern und ihnen bei der Integration in der Bundesrepublik behilflich zu sein. Dass solche Aktivitäten kriminalisiert werden, dass legitime und demokratische politische Arbeit als Straftat gewertet wird, ist in der Türkei an der Tagesordnung. Dass eine solche menschenverachtende Praxis nun auch in der Bundesrepublik angewandt werden soll ist Unrecht und inakzeptabel.

Gegen B. Dogan, der vor seiner Flucht in die Bundesrepublik in der Türkei für den Menschenrechtsverein IHD und die Partei Leyla Zanas, HEP, arbeitete, wurde von den türkischen Behörden ein Haftbefehl ausgeschrieben. Der Politiker hat 7 in Deutschland lebende Kinder, die Mehrheit von ihnen sind (angehende) Abiturienten oder befinden sich im Studium. A. Zeyrek hat 4 Kinder die sämtlich Akademiker-Innen sind. Beide Vorstandsmitglieder leben seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik.

Die derzeitige Situation in der Türkei erinnert an die 1990er Jahre, als die kurdische Bevölkerung täglich mit staatlicher Gewalt, Morden an Intellektuellen, JournalistInnen und PolitikerInnen, Folter und Unterdrückung konfrontiert war. Seit den Kommunalwahlen 2009 wurden 6500 politische tätige KurdInnen im Rahmen der „KCK Verfahren“ inhaftiert. Darunter 6 Abgeordnete, 31 BürgermeisterInnen, mehr als 100 StadträtInnen, 110 JournalistInnen, unzählige Intellektuelle und MenschenrechtsaktivistInnen sowie über 1000 politisch tätige Frauen, u.a. viele in Therapieein-richtungen tätige. Im Jahr 2011 wurden 1555 Fälle von Folter angezeigt, 10 Menschen seit 2009 von der Polizei mit Tränengasgranaten erschossen, darunter der Stadtrat der kurdischen Metropole Van, Yildirim Ayhan.

Im Verlauf des diesjährigen kurdischen Frühjahrsfest Newroz 2012 erschossen Polizisten den Politiker Haci Zengin, von der Demokratischen Friedenspartei (BDP) mit einer Tränengasgranate. Mehrere Abgeordnete der BDP, darunter Ahmet Turk, wurden von Sicherheitskräften tätlich angegriffen. Dem Vorsitzenden der BDP in Cizre zertrümmerten Polizisten mit einem Gewehr-kolben mehrere Gesichtsknochen, das Parteigebäude wurde zuvor mit scharfer Munition beschossen. Jegliche Opposition soll offensichtlich demoralisiert und unterbunden werden. Der türkische Staat versucht die kurdische Frage mit Gewalt, Repression, Massenverhaftungen und militärischer Macht zu lösen. Die AKP Regierung nutzt eine aggressive Rhetorik und spricht u.a. von einer „tamilischen Lösung“ der kurdischen Frage. Die Bevölkerung befürchtet zu Recht Pogrome und fühlt sich an das Schicksal der ArmenierInnen erinnert.

Dass in einer solchen Zeit auch in der Bundesrepublik der Druck auf kurdische PolitikerInnen erhöht wird, ist moralisch und politisch nicht hinnehmbar. Es entsteht der Eindruck, dass auf diese Art und Weise die autoritäre und auf gewaltorientierte Vorgehensweise der türkischen Regierung unterstützt wird. Durch Waffenexporte und eine derartige sicherheitspolitische Zusammenarbeit unterstützen die Regierungen der EU die rassistische Verleugnungspolitik der Regierung Erdogan. Erst kürzlich protestierten ca. 26000 AlevitInnen, ArmenierInnen und KurdInnen genau deshalb mit Erfolg gegen die Verleihung des Steiger Awards an R.T. Erdogan in Bochum.

Unser Ansicht nach ist es ein Fehler, wenn die Bundesregierung aus rein ökonomischen Gesichtspunkten die undemokratischen und besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei unterstützt und auch hier faktisch das Recht der KurdInnen, sich politisch zu betätigen, beseitigt. In einem demokratischen Land sollte vielmehr jedem Menschen der Weg der gesellschaftlichen und politischen Partizipation eröffnet werden. Die Bundesrepublik sollte unserer Ansicht nach, aufgrund ihrer demokratischen Tradition und historischen Erfahrungen, einen aktiven Beitrag zur friedlichen Lösung der kurdischen Frage leisten und dementsprechend politischen Druck auf die türkische Regierung entfalten.

Als YEK-KOM verurteilen wir den administrativen und rechtlichen Druck gegen unsere Vorstands-
mitglieder. Wir werden diese Art der Unterdrückung nicht akzeptieren und sämtliche juristischen und politisch-demokratischen Wege beschreiten, um gegen diese Urteile vorzugehen.

Von den demokratischen und zivilgesellschaftlichen Institutionen und Persönlichkeiten erhoffen wir uns Solidarität in der Auseinandersetzung um Gerechtigkeit und die Menschenrechte.

YEK-KOM

Düsseldorf, den 03.04.2012