Erklärung des Volksrats von West-Kurdistan

Die Gründung des Volksrats von West-Kurdistan ist ein dynamischer Schritt auf dem Weg zu einem demokratischen, freien Syrien sowie der Entwicklung einer demokratischen Selbstverwaltung in West-Kurdistan. Nach erfolgreichen, freien Wahlen und vielen konstruktiven Diskussionen erklärte der Volksrat von West-Kurdistan in der Abschlussresolution seiner ersten Konferenz: „An diesem sensiblen Zeitpunkt in der Geschichte Syriens und Kurdistans veranstaltete der Volksrat von West-Kurdistan am 16.12.2011 eine Konferenz an der 335 von 359 gewählten Delegierten teilnahmen. Sie repräsentieren große Teile der Gesellschaft, Ethnizitäten und Religionen aus den unterschiedlichen Regionen Syriens und Westkurdistans. Zusätzlich waren mehrere Gästen anwesend.“

Auf der Konferenz wurden Schlüsselprobleme, sowohl der syrischen als auch der kurdischen Gesellschaften, diskutiert. Die TeilnehmerInnen betonten u. a., dass der arabische Frühling den Bankrott der autoritären und nationalistischen Regime und die Geburt der Demokratie in der gesamten Region ankündigt. Ein weiterer entscheidender Punkt der Diskussion war die gegenwärtige Situation in Syrien und in West-Kurdistan. Die Delegierten boten der Volksbewegung, die sich in den letzten 10 Monaten im Aufstand gegen das totalitäre Regime befindet und auf die Gestaltung einer pluralistischen Demokratie hinarbeitet, ihre Unterstützung an. Sie warnten jedoch gleichzeitig davor, dass von einigen Kräften versucht wird den Aufstand zu instrumentalisieren und seine Zielrichtung zu ändern, um strategischen Interessen des Auslands zu dienen, die von den Interessen der Mehrheit der Bevölkerungen weit entfernt sind.

Die Delegierten gehen des Weiteren davon aus, dass die repressive Politik des chauvinistischen baathistischen Regimes in Syrien, die Folter, die Tötung von unschuldigen Demonstranten und die Inhaftierung von politischen Dissidenten sowie die kontinuierliche Verleugnung der Rechte der kurdischen Bevölkerung umfasst, den Weg für eine Intervention aus dem Ausland ebnen könnte, die das Land in eine Katastrophe führen würde. Darüber hinaus kamen die Delegierten zu dem Ergebnis, dass die Haltung von Oppositionsparteien, die sich hauptsächlich bemühen die Macht um jeden Preis zu erlangen – auch ohne grundsätzliche Änderungen in der institutionellen Struktur des Staates sowie der Verfassung einzufordern oder anzustreben – lediglich dazu beiträgt, die von der Bevölkerung getragene Revolution, die den Aufbau eines freien und demokratischen Syriens zum Ziel hat, zu verhindern.

Die TeilnehmerInnen diskutierten und kritisierten ebenfalls die Zersplitterung und Teilungstendenzen innerhalb der syrischen Oppositionsparteien. In diesem Rahmen verurteilten sie die Haltung vieler internationaler und regionaler Parteien und Akteure – insbesondere die der Türkei, die mit allen Mitteln versucht ihre eigenen Ziele durchzusetzen und diese gegen den Willen der Bevölkerung von Syrien und insbesondere der KurdInnen durch und umzusetzen.

Deshalb betonten die TeilnehmerInnen im Bewusstsein der historischen Herausforderungen: (1) die Notwendigkeit eine nationale Formel zu finden, die auf einheitliche demokratische Grundsätze für die unterschiedlichen Gruppierungen und AkteurInnen innerhalb der syrischen Gesellschaft, ohne Exklusion und Verleugnung beruht; (2) die Notwendigkeit der Zurückweisung ausländischer Interventionsversuche, (3) die Notwendigkeit des Verzichts auf Gewalt und Sektiererei; und (4) die Notwendigkeit der Verhinderung eines Bürgerkriegs.

Bezüglich der kurdischen Frage in Syrien halten die Delegierten folgendes für Notwendig:
Die Umsetzung einer demokratischen Lösung, die auf der Gestaltung eines demokratischen Gesellschaftssystems für sämtliche Gruppen und AkteurInnen, wie auch einer verfassungsmäßigen Regierungsform und demokratischer Selbstverwaltung für die kurdischen Gebiete in Syrien, basiert. Dies ist in seiner Essenz das optimale Modell, das dazu fähig ist, die Probleme Syriens zu überwinden. Darüber hinaus wurde der Kampf für die Freiheit der Kurden in sämtlichen Teilen Kurdistan begrüßt. Besonderen Respekt bekundeten die Delegierten gegenüber der Beharrlichkeit und dem Widerstand der politischen Gefangenen in Syrien, die ihrem Gewissen folgen.

Die Charta der demokratischen Gesellschaftsbewegung von West-Kurdistan (TEV-DEM) wurde zusammen mit der Charta Volksrats von West-Kurdistan verabschiedet. Die TeilnehmerInnen wählten zudem einen ständigen Rat mit 63 Mitgliedern und zwei PräsidentInnen, den Exekutivausschuss der demokratischen Gesellschaftsbewegung von West-Kurdistan (TEV-DEM), sowie die Mitglieder des Höchsten Volksgerichts und der Höchsten Wahlkommission.

Die Resolution der Konferenz:

Unsere Ziele sind:

1. Die Unterstützung der friedlichen und demokratischen Volksbewegung, die einen radikalen Wandel der Infrastruktur und der Institutionen des politischen Systems anstrebt

2. Ausländische Einmischung und Interventionsversuche zu verhindern/zurückzuweisen

3. Der Verzicht auf Gewalt und Sektiererei

4. Auf die Vereinigung der Positionen von kurdischen politischen Parteien einschließlich der demokratischen Jugendorganisationen hinzuarbeiten

5. Alle Anstrengungen fortzusetzen, die syrischen Oppositionsparteien und ihre Position zu einer Lösung der gegenwärtigen syrischen Krise zu vereinen

6. Kommunale Räte durch freie und transparente Wahlen als einen wesentlichen Schritt der Befreiung und Vereinigung aller Gruppen und AkteurInnen der Gesellschaft zu etablieren

7. Weiterhin demokratische und soziale Einrichtungen wie Gesundheitszentren, Sportzentren und Kulturzentren, Akademien der Politik und Menschenrechte, sowie Schulen und Ausbildungszentren für die Verbreitung der kurdischen Muttersprache aufzubauen und zu entwickeln

8. Medienorganisationen zu unterstützen und zu entwickeln, um die Gesellschaft zu informieren und aufzuklären sowie demokratische Kultur unter der Bevölkerung zu verbreiten

9. Dem Grundsatz der Selbstverteidigung verpflichtet zu sein. Das ist ein legitimes Recht in Übereinstimmung mit internationalen Konventionen und Menschenrechtsverträgen, als notwendiges Mittel, die kurdischen Bevölkerungen zu schützen.

10. Die Wirtschaftslage zu analysieren und zu versuchen wirtschaftliche Unabhängigkeit zu anzustreben. Das kann dadurch erreicht werden, dass von der Bevölkerung getragene Wirtschaftseinrichtungen unterstützt werden – und eine Politik die auf der Ausnutzung sowie Ausbeutung der Bevölkerung durch das Regime beruht abgeschafft/überwunden wird

11. Rassismus und nationalistische Politik die auf einer erzwungenen Assimilation beruht zu erkennen und zu überwinden

12. Die ursprünglichen Namen sämtlicher Städte und Dörfer in West-Kurdistan wieder zu etablieren.

13. Eine Kultur des Kampfes um die friedliche, demokratische und grundgesetzlich verankerte Koexistenz sämtlicher ethnischer und religiöser Gruppen zu fördern.

14. Organisationen und Einrichtungen zu entwickeln und aufzubauen, die Frauenrechte fördern. Diese sollen auf dem Grundsatz „eine freie Gesellschaft wird durch die Freiheit der Frauen erreicht“ basieren

15. Ausbildungszentren für junge Menschen zu entwickeln und aufzubauen, die zu einer sinnvollen Arbeit in sinnvollen Arbeitsplätzen führen

16. UniversitätsstudentInnen zu organisieren und zu unterstützen, da sie der dynamischste Teil in der Gesellschaft und dazu fähig sind bedeutende Änderungen zu verursachen


Der Volksrat von West-Kurdistan,

am 16. Dezember 2011, Derik, Qamishly, Syrien.