Mitglieder der Delegation vorübergehend festgenommen

Erklärung der internationalen Menschenrechtsdelegation vom 14. bis 25. September 2011 in der Türkei/Kurdistan zur Aufklärung von Kriegsverbrechen

Die Internationale Menschenrechtsdelegation zur Aufklärung von Kriegsverbrechen protestiert gegen die Vorführung ihrer Mitglieder Martin Glasenapp (Mitarbeiter von medico international) und Martin Dolzer (Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Heidrun Dittrich/Die Linke) ins Polizeipräsidium Van: In der Nacht vom 20.9. auf den 21.9.2011 erschienen in dem Hotel Van Garden, in dem unsere Delegation untergebracht ist, um 1 Uhr 10 Zivilbeamte in einem Panzerwagen mit einer staatsanwaltlichen Anordnung, unsere obengenannten Mitglieder vorzuführen. Der Vorwurf: Propaganda für eine terroristische Vereinigung, der mit 3 bis 12 Jahren Haft laut türkischem Strafgesetzbuch geahndet werden kann. Der Hintergrund: Am Vormittag des 20.9. hatten Martin Glasenapp und Martin Dolzer unter anderen auf der gemeinsamen Pressekonferenz in einem öffentlichen Park mit dem Menschenrechtsverein IHD Van und der Partei BDP, die den Bürgermeister stellt, aus Anlass der Abreise der Delegation aus Van nach Bitlis und Diyarbakir gesprochen. Hier wurde noch einmal deutlich gemacht, dass die Delegation - wie sie es von Anfang an angekündigt hat - die Aufklärung von Kriegsverbrechen fordert und sie dabei deutlich gemacht hat, dass eine friedliche Lösung nur unter Einbeziehung aller Konfliktparteien zu haben ist.
Die beiden Delegationsmitglieder wurden auf dem Polizeirevier zur Befragung vorgeführt und circa jeweils 3 Stunden verhört. Begleitet wurden sie von einem Anwalt des IHD Van und einer Übersetzerin. Eine Anwältin des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV), die Mitglied der Delegation ist, wartete zusammen mit anderen Mitgliedern der Delegation und des IHD die gesamte Nacht vor dem Polizeihauptquartier Van. Um 7.30 wurden die Vorgeführten wieder entlassen. Die Polizeibeamten hatten sie vor dem Verhör und nach dem Verhör ins Krankenhaus gebracht, um ihren Gesundheitszustand zwecks möglicher Folterungen von einem Arzt attestieren zu lassen.
Die Delegation protestiert gegen dieses Vorgehen und wird diesen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen. Die Delegation wird ihre Arbeit fortführen und heute in Bitlis in Begleitung kurdischer Menschenrechtlerinnnen und GewerkschafterInnen zwei weitere Sammelgräber aufsuchen.
Ohne Aufklärung der Kriegsverbrechen der türkischen Armee kann es keine Gerechtigkeit und keinen Frieden in der Türkei geben.
Die Delegation weist die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft aufs Schärfste zurück. Es ist bezeichnend und lächerlich, wenn ein Polizeibeamter im Jahre 2011 in einem Verhör die Frage stellt: "Was ist Kurdistan?". Offensichtlich ist aber, dass der türkische Staat die Arbeit der Delegation ernst nimmt und versucht einzuschüchtern. Wir werten das als Erfolg unserer Anwesenheit und öffentlichen Präsenz in Van. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen und uns nicht einschüchtern lassen.

21. September 2011 - 7:30