Türkei/Kurdistan: „Tamilische Lösung“ der kurdische Frage nimmt Gestalt an

Seit dem 17. August 2011 greift die türkische Armee Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak (Südkurdistan) an. Die Angriffe gelten der Arbeiter Partei Kurdistans PKK, die sich für Autonomierechte der KurdInnen in der Türkei und die Demokratisierung des Landes einsetzt. Durch die tagelangen Bombardierungen und Gefechte kamen sowohl türkische Soldaten als auch PKK-Guerillas und auch einige Zivilisten ums Leben. Allein am 21. August kamen bei einem türkischen Luftangriff auf zivile Fahrzeuge nahe dem Dorf Gollê sieben Mitglieder einer Familie ums Leben. Darunter waren vier Kinder und eine schwangere Frau. Die türkische Armee bombardiert bewusst zivile Liegenschaften, um die Bewohner zur Flucht zu bewegen. In diesem Zusammenhang wurden bereits Dutzende Dörfer beschädigt und Hunderte Familien nach Angaben der örtlichen Behörden in die Flucht getrieben. Die internationale Presse - auch in Deutschland - verschweigt diese Aggression.

Die türkische AKP-Regierung bereitet sich seit längerem auf einen Krieg vor. Während die AKP bei den landesweiten Wahlen am 12. Juni als erste Aufgabe der neuen Regierung die Ausarbeitung einer neuen demokratischen Verfassung versprochen hatte, führt die Türkei jetzt grenzüberschreitende militärische Operationen durch und bereitet sich auf eine breit angelegte Operation gegen kurdische legale politische Strukturen in der Türkei vor. Die Politik, Justiz, Sicherheit und vor allem die Presse bereiten seit Wochen die Grundlage für einen solchen Vernichtungskrieg vor.

Parallel mit der Aufhetzung der Öffentlichkeit gegen das kurdische Volk wird in den türkischen Medien über die „Tamilische Lösung“ der kurdischen Frage debattiert.

Was hiermit gemeint ist, wird offensichtlich, wenn man sich die Luftangriffe vom 21. August vor Augen führt. Türkische Kampfflugzeuge bombardieren gezielt zwei Autos, in denen sich Zivilisten befanden. Sieben Menschen sterben, darunter vier Kinder. Durch diesen Angriff soll die Zivilbevölkerung im Kandil-Gebiet eingeschüchtert und in die Flucht getrieben werden. Die irakische Zentralregierung kooperiert mit der Türkei bei diesem Vorhaben und bietet Familien, die freiwillig ihre Dörfer verlassen, umgerechnet mehr als 17.000 € als Abfindung an. Ziel ist es, weitere 124 Dörfer in und um das Kandil-Gebiet zu entvölkern. Die Bevölkerung vor Ort bewertet diese Strategie dahingehend, dass dadurch im ersten Schritt die Kandil-Region entvölkert werden soll, damit die türkische Regierung danach ohne großes Aufsehen die PKK-Guerillaeinheiten in der Region mit chemischen Waffen angreifen kann.

Auch der Iran, dessen Raketenbeschuss auf Kandil ununterbrochen andauert, ist Teil dieser Strategie des antikurdischen Bündnisses. Auch die US-Besatzungsmacht ermutigt diese Angriffe, indem sie Geheimdienstinformationen über die Stellungen von PKK und der Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (PJAK) an die Türkei liefert, die diese wiederum auch an den Iran weitergibt.

Gleichzeitig wird den friedlichen Protesten gegen die Luftangriffe in den Metropolen Nordkurdistans und der Türkei mit massiver Polizeigewalt begegnet. Es kursiert zudem seit einigen Tagen in den türkischen Medien das Gerücht über die Existenz einer Liste mit bis zu 1400 Namen von politischen Aktivisten, darunter zahlreiche Vertreter der BDP und des DTK, die in naher Zukunft hinter Gittern gebracht werden sollen. Durch diese Haltung des türkischen Staates wird der politische Weg für die Lösung der kurdischen Frage quasi unmöglich gemacht.

Wir sind davon überzeugt, dass die Türkei unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit ihr Konzept gegen die Kurden nicht vollziehen kann. Deshalb rufen wir die die Bundesregierung und alle politischen Parteien, NGOs, Friedensbewegungen und alle demokratische Kräfte dazu auf, sich klar gegen diese völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei auszusprechen und Maßnahmen zu deren Beendigung einzuleiten.

22.08.2011

 

Yek-Kom | Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.
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