5 März 2011/Caracas

An die Teilnehmerinnen der Weltfrauenkonferenz

Stellungnahme der Delegiertinnen und Teilnehmerinnen der Kurdischen Frauenbewegung

Aus Respekt vor den Teilnehmerinnen der Weltfrauenkonferenz und allen Frauen weltweit, sehen wir uns mit der Notwendigkeit konfrontiert, im Namen der Kurdischen Frauenbewegung folgende Erklärung zu machen:

Da wir es als eine dringende Notwendigkeit sehen, die Freiheitskämpfe von Frauen auf internationaler Ebene durch bessere Vernetzungen und gemeinsame Bezüge zu stärken, haben wir uns als Kurdische Frauen aktiv an der Frauenkonferenz in Venezuela und dem Vorbereitungsprozess zu dieser Konferenz beteiligt. Unser Anliegen war es, unsere Standpunkte, Meinungen und Erfahrungen in diesen Prozess mit einfließen zu lassen. Auf diese Weise haben wir uns als Kurdische Frauenbewegung seit 2008 aktiv an der Konferenzvorbereitung beteiligt. Da wir mit dieser Konferenz das Ziel verbanden, Frauen auf internationaler Ebene zusammenzubringen; den Erfahrungsaustausch und unsere gemeinsamen Kämpfe zu stärken; ein Zusammenkommen mit Frauenbewegungen weltweit zu ermöglichen, trug diese Konferenz eine große Bedeutung für uns, und wir haben uns mit großem Verantwortungsbewusstsein daran beteiligt. Schon in der Vorbereitungsphase mussten wir erleben, dass es auch unter den verschiedenen Frauenbewegungen und -organisationen nicht immer leicht ist gleichberechtigte, offene, respektvolle und solidarische Beziehungen untereinander aufzubauen. So waren wir in den letzten drei Jahren aufgrund einiger diskriminierender, dominanter Verhaltensweisen gezwungen gewesen, uns für einen bestimmten Zeitraum aus der Vorbereitung zurückzuziehen. Schon damals haben wir unsere Befürchtungen zum Ausdruck gebracht, dass diese Konferenz auf diese Weise nicht erfolgreich verlaufen wird und nicht dem Charakter einer Weltfrauenkonferenz gerecht werden wird.
Außerdem mussten wir feststellen, dass bei jeder Versammlung des Initiatorinnenkomitees die Ergebnisse einer vorherigen Versammlung über Bord geschmissen wurden und gemeinsame Beschlüsse nicht eingehalten wurden. Trotz dieser Mängel und Kritiken an der Vorbereitungsphase haben wir als Freie Frauenbewegung Kurdistans uns darauf gefreut, gegenseitig Neues voneinander zu lernen. Wir haben uns aus der Überzeugung an der Weltfrauenkonferenz beteiligt, dass wir als Frauen gemeinsam unsere Kämpfe gegen Sexismus, gegen jegliche Form von Gewalt gegen Frauen, gegen Diskriminierung, Rassismus, Armut und Kapitalismus verstärken können. Aus diesem Grund sowie um neue Perspektiven und Aktionskraft für den Aufbau gesellschaftlicher Utopien und Alternativen, um ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit, Würde und Freiheit erreichen sind wir nach Venezuela gekommen. Jedoch mussten wir von dem Zeitpunkt unserer Ankunft in Caracas an, ernsthafte Enttäuschungen erleben. Um einige Beispiele zu nennen:

- Viele Delegierte (z.B. aus dem Irak und Kolumbien) konnten aufgrund von Visa-Problemen an der Konferenz nicht teilnehmen. Gegenüber diesen ernsten Problemen ist das Initiatorinnenkomitee seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.
- Obwohl diese Konferenz als eine Weltfrauenkonferenz der “Basisfrauen” angekündigt wurde, bleibt es für uns eine Frage, warum insbesondere von Frauen aus der Basis und der Bevölkerung Venezuelas unterrepräsentiert sind.
- Weder das Regelwerk, das für die Arbeitsweise der Konferenz erstellt wurde, noch zuvor gefasste Beschlüsse wurden umgesetzt. Beispielsweise war festgelegt worden, dass bei der Eröffnung der Konferenz ein Frauenlied gespielt werden sollte. Jedoch mussten wir mit Verwunderung feststellen, dass stattdessen die Nationalhymne Venezuelas erklang.
- Die enge und ausschließende Vorgehensweise des Initiatorinnenkomitees hat sich auch in Caracas fortgesetzt. Die Delegiertinnen wurden über die Probleme, die bezüglich der Realisierung der Konferenz entstanden und den Beginn der Konferenz hinauszögerten, nicht informiert. Die Delegiertinnen wurden ignoriert, Nachfragen wurden abgewiegelt. Am ersten Tag der Konferenz wurden alle Delegiertinnen stundenlang warten gelassen. Anstatt die politische Situation zu bewerten, die hierzu geführt hatte, wurde versucht, diese Situation durch Lieder und Parolen zu vertuschen. Es wurde nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt, dass alle Konferenzteilnehmerinnen trotz großer finanzieller und immaterieller Hindernisse mit großen Hoffnungen für eine zukünftige Entwicklung des Frauenkampfes nach Caracas gekommen sind.

Obwohl demokratische Partizipation, Offenheit und gegenseitiger Respekt grundlegende Prinzipien der Konferenz sind, hat sich das Initiatorinnenkomitee im Widerspruch zu diesen Prinzipien verhalten und die Konferenzteilnehmerinnen weder in die Diskussionen über die bestehenden Probleme noch in Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Versammlungen fanden nur im geschlossenen Kreis statt. Was wir am ersten und zweiten Tag der Konferenz erleben mussten, war ein Zeugnis davon, dass das Initiatorinnenkomitee sich selbst ins Zentrum von allem stellte und die Delegiertinnen ignorierte. Trotzdem versuchten wir aus unserem Frauenbewusstsein heraus noch vor dem eigentlichen Beginn der Konferenz eine verantwortungsbewusste Haltung zu zeigen, um auf die bestehenden Probleme hinzuweisen und gemeinsam produktiv auf eine Lösung hinzuarbeiten. Dies wollten wir gemeinsam mit allen Konferenzteilnehmerinnen diskutieren, denn als kurdische Frauen haben wir uns nicht als “Gäste”, sondern als Mitveranstalterinnen dieser Konferenz gesehen. Deshalb war es uns wichtig, über die bestehenden Schwierigkeiten zu diskutieren, um den Fortschritt und die Zukunft der Konferenz gemeinsam sicherstellen zu können. Während wir noch Anstrengungen unternahmen, um zu einem gemeinsam Diskussionsprozess zu kommen, wurde mitgeteilt, dass das Initiatorinnenkomitee angeblich für diesen Abend eine weitere Versammlung zur Bewertung der Situation einberufen hatte. Die Tatsache, dass eine solche Versammlung am Abend gar nicht stattfand, zeigt erneut die Hinhalte-Taktik, mit der einige Mitglieder des Komitees arbeiten.

Trotz all dieser undemokratischen Vorgehensweisen, haben wir nach neuen Wegen gesucht, um unsere Meinungen und Kritiken auszutauschen und zum Fortschritt der Konferenz beizutragen. Schon häufig mussten wir erleben, dass unser Zusammenkommen und gemeinsamen Kämpfe dadurch erschwert werden, wenn wir uns voneinander abgrenzen oder zueinander auf Distanz gehen. Deshalb sehen wir es als eine Voraussetzung an, unsere Kritiken zu äußern, kritische und selbstkritische Auseinandersetzungen führen zu können, wenn wir diskriminierende und dominante Herangehensweisen unter Frauen überwinden wollen. Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, um eine wirkliche Solidarität, die auf Prinzipien basiert, untereinander entwickeln zu können.

Letztendlich haben wir als Teilnehmerinnen der Kurdischen Frauenbewegung aufgrund der von uns angeführten Gründe darauf beharrt, gemeinsam eine Lösung zu finden. Doch während wir dazu unsere Anstrengungen fortsetzen, wurde uns bei der Delegiertinnenversammlung das Wort abgeschnitten. Unser Wille und unsere Beiträge wurden ignoriert, es wurde versucht, uns mit lauten Parolen zum Schweigen zu bringen und wurden unberechtigten Anschuldigungen ausgesetzt. Deshalb sahen wir uns mit Bedauern gezwungen, unsere Konferenzteilnahme zurückzuziehen, da uns die Ausdrucksmöglichkeit verweigert wurde. Wir sind bestürzt darüber, dass es zu so einer Situation auf einer Konferenz gekommen ist, die durch den Einsatz und die Anstrengungen Tausender von Frauen in verschiedenen Ländern einberufen wurde. Jedoch betonen wir nochmals unsere Entschlossenheit, weiterhin daran zu arbeiten, den ideologischen und solidarischen Austausch unter Frauen international zu vertiefen und gemeinsame Plattformen für unseren Freiheitskampf aufzubauen.

Die Delegiertinnen und Konferenzteilnehmerinnen der Kurdischen Frauenbewegung