Offener Brief an Herrn Justizminister Sadullah Ergin
Justizministerium der Republik Türkei


Sehr geehrter Herr Justizminister,

am 10. August 2010 wurde der Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Dogan Akhanli in Istanbul verhaftet und seitdem im Gefängnis Metris festgehalten. Herrn Akhanli, der nach seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland als Flüchtling anerkannt wurde und die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat, wird seine angebliche Beteiligung an einem Raubüberfall im Jahr 1989 vorgeworfen.

Die angeblichen Beweise für eine Beteiligung Akhanlis sind durch schwere Folter und Manipulation von Zeugen erpresst worden und rechtsstaatlich nicht verwertbar. Die Söhne des bei dem Raubüberfalls getöteten Mannes konnten Herrn Akhanli bei einer Vernehmung am 13.August 2010 nicht als Täter identifizieren. Diese entlastenden Zeugenaussagen wurden bislang vom zuständigen Staatsanwalt Hüseyin Ayar dem Haftrichter vorenthalten, so dass dieser jede Haftbeschwerde bislang zurückwies.

Entgegen völkerrechtlicher Verpflichtungen wurde das Deutsche Konsulat auch zwei Wochen nach der Verhaftung des deutschen Staatsbürgers Akhanli nicht von dem Fall informiert. Obwohl Herr Akhanli 1998 durch den türkischen Ministerrat zwangsausgebürgert wurde, sieht ihn die türkische Staatsanwaltschaft weiterhin als türkischen Staatsbürger.

Selbstverständlich hat die türkische Justiz die Pflicht, den Raubüberfall und Mord von 1989 aufzuklären. Doch es besteht in meinen Augen der Verdacht, dass Herr Akhanli nicht deswegen, sondern aufgrund seines politischen Engagements und seiner schriftstellerischen Tätigkeit festgehalten wird. Offenbar ist der Einsatz von Herrn Akhanli in Projekten, die sich mit den Genoziden des 20.Jahrhunderts, darunter auch dem türkischen Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg, beschäftigen, Teilen der türkischen Justiz ein Dorn im Auge.

Bald jährt sich der Militärputsch vom 12. September 1980 zum 30.Mal. Die in meinen Augen unrechtmäßige Haft von Dogan Akhanli, der bereits in den 80er Jahren wegen seines Engagement gegen das Putschistenregime inhaftiert und gefoltert wurde, zeigt, dass der Geist dieser Zeit offensichtlich immer noch in Teilen der türkischen Justizbehörden am Leben ist.

Ihre Regierung hat dazu aufgerufen, mit dem Ungeist des 12.-September-Regimes zu brechen. Wenn diese Absicht ernst gemeint ist, sollten Sie rechtsstaatliche Standards im türkischen Justizwesen sicherzustellen. Dies bedeutet, dass die unrechtmäße Haft von Dogan Akhanli beendet werden muss.
mit freundlichen Grüßen


mit freundlichen Grüßen,

Ulla Jelpke

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Ulla Jelpke, MdB
Innenpolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE.

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