Pressemitteilung

Eine Delegation von Abgeordneten der Partei „Die Linke“ und MenschenrechtlerInnen reiste in den letzten Tagen in die kurdischen Provinzen der Türkei um sich mit der dortigen politischen Situation zu beschäftigen. Darunter befanden sich u.a. Jürgen Klute MdEP, Ingrid Remmers, MdB, Ali Atalan MdL NRW, Bärbel Beuermann, MdL NRW, Fraktionsvorsitzende, Rüdiger Sagel MdL NRW, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Derya Kilic Mitglied im Landesvorstand Die Linke NRW und Serdar Agit Boztemur Delegierter des Jugendverbands NRW, sowie Michael Knapp, Menschenrechtler, und Martin Dolzer Soziologe und Wissenschaftlicher Projektmitarbeiter des MdB Andrej Hunko.

In diesem Rahmen wurden Gespräche mit dem Oberbürgermeister von Diyarbakir Osman Baydemir, dem Menschenrechtsverein IHD, der BDP, dem Bürgermeister von Diyarbakir Sur Abdullah Demirbas, VertreterInnen der Anwaltskammer und von zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Es ist unübersehbar, dass die türkische Regierung seit den Kommunalwahlen 2009 wirksam PolitikerInnen kriminalisiert und inhaftiert. Die internationale Berichterstattung hat bisher kaum zur Kenntnis genommen, dass besonders seit dem Frühjahr 2010 täglich Militäroperationen gegen die PKK und die Zivilbevölkerung in der Region stattfinden.

Beispiele dafür sind die Inhaftierung von mehr als 1700 FunktionärInnen der Demokratischen Friedenspartei (BDP), darunter mehrere BürgermeisterInnen, der JournalistInnen Hamide Ciftci und Vedat Kurcun, des Menschenrechtlers Murrharem Erbey (IHD) sowie unzählige in Frauen- und Jugendorganisationen tätigen AktivistInnen. Besonders gravierend ist die gegen die UN Kinderrechtsresolution verstoßende Inhaftierung von mehr als 470 Kindern. „Die Strafandrohungen oder Strafen wegen des Engagements für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage betragen von 3 bis zu über 100 Jahren Haft. Sie entbehren jeglicher rechtstaatlichen Grundlage und sind Menschenrechtsverletzungen,“ sagt Derya Kilic. „Insbesondere Kinder und Jugendliche müssen sofort aus der Haft entlassen werden. Die Gesellschaft ist gefragt, ihnen das Leben in einer friedlichen Zukunft zu ermöglichen,“ erklärt Serdar Agit Boztemur. Nicht zu akzeptieren ist auch die zehntägige Inhaftierung und Deportation des amerikanischen Journalisten Jake Hess aufgrund kritischer Artikel über die Situation vor Ort.

„Seit Wochen mehren sich fundierte Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen durch das türkische Militär und die Verstümmelung von getöteten Guerillas. Wir fordern die sofortige Beendigung sämtlicher Rüstungsexporte an die Türkei. Der Einsatz von Chemiewaffen muss durch eine internationale Kommission untersucht werden,“ kommentiert die ,Fraktionsvorsitzende in NRW, Bärbel Beuermann. „Wenn die Bundesrepublik, die EU und die UN an einer friedlichen Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts ernsthaft interessiert sind, müssen sie sich aktiv für einen Friedensdialog und die Aufarbeitung geschehenen Unrechts einsetzen,“ ergänzt der Soziologe Martin Dolzer. „Nicht hinnehmbar ist auch das im ersten Halbjahr 2010 mehr als 20 Morde durch Sicherheitskräfte und Militär verübt wurden,“ so der Menschenrechtsaktivist Michael Knapp.

Die Abgeordneten mussten die Erfahrung machen, dass Gefängnisbesuche durch extrem hohe Hürden formaler Art be- und verhindert werden. „Die Situation für politische Gefangene ist in der Türkei Berichten zufolge von Menschenrechtsverletzungen geprägt. Ein Gespräch mit Inhaftierten wurde uns unter Vorwänden verweigert,“ kritisiert Ali Atalan.

Ziel der BDP ist seit geraumer Zeit der Aufbau von föderalen und regionalen Selbstbestimmungsstrukturen. Die Rechte der kurdischen Bevölkerungsgruppe und sämtlicher, regionaler, ethnischer und religiöser Minderheiten sollen in diesem Modell gestärkt werden. Die Türkei könnte durch eine solche Vielfalt einen neuen Zugang zu kulturellem Reichtum bekommen. Statt Separatismus wird auf die Demokratisierung des Landes gesetzt. Dies ist ein notwendiger Beitrag auf dem Weg der Türkei in die EU. Das wurde in sämtlichen geführten Gesprächen deutlich.

„Der erneute einseitige Waffenstillstand der PKK sollte seitens der türkischen Regierung als Chance begriffen werden. Ein erster unabdingbarer Schritt ist, dass auch die türkische Seite sich dem Waffenstillstand anschließt. Die friedlichen Entwicklungen z.b. in Nordirland und südamerikanischen Ländern haben gezeigt, dass zunächst die Logik der Bekämpfung von oppositionellen Bewegungen auch im internationalen Rahmen überwunden werden muss, um positive Schritte zu ermöglichen. Eine Bedingung dafür ist die Einbeziehung der PKK in einen Dialog,“ skizziert MdEP Jürgen Klute.

„Wenn Menschen die Situation vor Ort nicht erlebt haben, ist das seitens der KurdInnen erfahrene Leid nicht leicht vermittelbar. Eine unserer Aufgaben ist die einseitige Orientierung der Berichterstattung in Deutschland aufzubrechen ,“ betont MdB Ingrid Remmers

Gemeinsam werden dazu Anträge und Anfragen im Bundestag und Europaparlament vorbereitet und eine weitere menschenrechtliche Arbeit geplant. Die Mehrheit der türkischen wie auch der kurdischen Bevölkerung hat eine große Sehnsucht nach Frieden. Die PolitikerInnen sind dazu aufgerufen, dementsprechend zu handeln.

August 2010

ISKU | Informationsstelle Kurdistan