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Evaluierung der Auflagen für den Ilisu-Staudamm und ihrer Umsetzung

Eine umfassende Analyse der internationalen Ilisu-Kampagne zeigt auf, dass die Auflagen, die die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz an ihre Unterstützung für den Ilisu-Staudamm knüpften, bei weitem nicht internationale Standards einhalten. Darüber hinaus werden die Auflagen bei der beginnenden Enteignung in der Ilisu-Region nicht einmal eingehalten.

Ein Vergleich der Auflagen zur Umsiedlung mit Weltbankstandards zeigt zum Beispiel, dass wesentliche Anforderungen der Weltbank nicht erfüllt sind. Insbesondere fehlt die Einbettung der Umsiedlungsplanung in einen rechtlichen Rahmen, so dass die Betroffenen ihre Ansprüche vor Gericht erstreiten können. Trotz einer Überarbeitung im Jahr 2006 weist das türkische Umsiedlungs- und Entschädigungsgesetz gravierende Defizite auf, weitergehende Versprechungen sind jedoch nicht einklagbar. Auch fehlt eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts und als Weitergabe des Nutzens an die betroffene Bevölkerung, die die Weltbank vorschreibt, sind lediglich der Bau von Infrastruktur und Moscheen vorgesehen. Indikatoren, ob die Ziele der Umsiedlung erreicht wurden, wurden nicht festgelegt.

Obwohl die Auflagen in einigen Bereichen die zuvor geäußerte Kritik der Nichtregierungsorganisationen aufnehmen, zeigen sie vor allem, dass in sämtlichen Bereichen – Umsiedlung, Umwelt, Kulturgüter – die Grundlageninformationen fehlen, auf denen eine seriöse Planung hätte stattfinden können. Weder bei der Weltbank noch bei irgendeiner Genehmigungsbehörde in einem europäischen Land, wäre das Projekt daher auch nur zur Prüfung angenommen worden. Bei den Umweltauflagen zeigt sich die Widersprüchlichkeit und Unwissenschaftlichkeit der Auflagen besonders deutlich: Obwohl konstatiert wird, dass Informationen über die Umweltauswirkungen fehlen, wird bestätigt, dass keine schweren Schäden auftreten werden. Einerseits werden in den Auflagen weitere Studien gefordert, welche Folgen deren Ergebnisse haben sollen, wird jedoch nicht festgelegt. Die Auflagen zum Kulturgüterschutz werden der Bedeutung der von Überflutung bedrohten Güter in keiner Weise gerecht, und die Auflagen zu den Nachbarstaaten stellen keine angemessene Umsetzung des Völkerrechts dar.

Neben den Unzulänglichkeiten der Auflagen weist die von Erklärung von Bern, WEED und Eca-Watch Österreich in Zusammenarbeit mit FERN, The Corner House und Kurdish Human Rights Project vorgestellte Analyse vor allem auf die jetzt schon zutage tretenden Defizite in der Umsetzung der Auflagen hin. So hat die Enteignung in den ersten Dörfern bereits begonnen, ohne dass die zur Festsetzung der Entschädigungshöhen vorgesehenen Strukturen und die Beschwerdemechanismen überhaupt eingerichtet sind. Den Betroffenen wurden sehr geringe Entschädigungshöhen angeboten, so dass die Mehrzahl von ihnen vor Gericht gezogen ist. Ein zentrales Problem der Umsiedlungsplanung ist, dass die türkische Umsiedlungsgesetzgebung es für die Betroffenen extrem unattraktiv macht, sich einem staatlichen Umsiedlungsprogramm anzuvertrauen. Die meisten Umzusiedelnden werden sich daher dafür entscheiden, Entschädigungszahlungen anzunehmen und in den umliegenden Städten ihr Glück zu versuchen. Deren Bürgermeister haben jedoch mehrfach betont, dass sie diesen Zustrom von Menschen nicht auffangen können, und ein Anwachsen der Armenviertel zu befürchten ist. Das neue Umsiedlungsgesetz hebt dieses Manko nicht auf. Zudem weisen die NGOs darauf hin, dass aus dem gesamten Umsiedlungsbudget von 1,02 US Mrd. Dollar nur 25 Mio US Dollar für die Wiederbeschaffung von Einkommensmöglichkeiten vorgesehen sind. Der übrige Betrag wird der Entschädigung der kleinen Gruppe von Landbesitzern dienen, die den Großteil des Landes besitzen, und dem Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur.

Die Nichtregierungsorganisationen fordern daher, dass die endgültigen Bürgschaftsverträge nicht unterzeichnet werden und keine Kredite ausbezahlt werden, solange eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung, ein Umsiedlungsplan und ein Plan zum Kulturgüterschutz erstellt wurden und in Einklang mit Weltbankstandards von der betroffenen Bevölkerung gutgeheißen wurden, und eine Vereinbarung mit den Nachbarstaaten erreicht wurde.

Die Analyse der Auflagen ist zu finden unter www.weed-online.org/ilisu bzw. http://www.weed-online.org/themen/hermes/746173.html.

Nähere Informationen bei:

Ceberlein_at_evb.ch

Heike.drillisch_at_weed-online.org

Ulrich.eichelmann_at_eca-watch.at

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