Koma Komalên Kurdistan, KKK
Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans

 
Erklärung zum Waffenstillstand
 

An die Presse und die Öffentlichkeit

Unsere Region, der Mittlere Osten, macht eine Phase wichtiger Veränderungen durch. Es zeigt sich täglich mehr, dass der wichtigste Faktor für ausweglose Konflikte in der Region nationalistisches und antidemokratisches Verhalten ist.

Der einzig richtige Weg für die Lösung der Probleme der Region ist die Anwendung der Methoden des demokratischen Dialogs und der Aufbau eines modernen, demokratischen Systems auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts von nationalen und religiösen Verschiedenheiten.

Eines der grundlegendsten Probleme, die Situation in der Region verschärfen, ist bekanntlich die kurdische Frage. In der aktuellen Situation verstärkt die repressive Politik der Staaten, die von der kurdischen Frage betroffen sind, die antidemokratischen Tendenzen in der Region. Die Lösung der kurdischen Frage kann hingegen zu einem Katalysator für die Demokratisierung dieser Staaten werden. Deshalb wird eine demokratische Lösung der kurdischen Frage eine gewaltige Demokratisierungsoffensive auf regionaler Ebene einleiten.
Wir als Bewegung haben bis dato für die Lösung der kurdischen Frage bedeutende Anstrengungen unternommen und Opfer gebracht. Unsere Führung hat zu diesem Zweck viele Aufrufe getätigt und Projekte vorgelegt. Da unsere Bemühungen unerwidert blieben, gab es bisher keine endgültigen Ergebnisse, doch sie haben in bedeutendem Maße dazu beigetragen, dass die Frage auf die Agenda kam und verstanden wurde. Gegenüber den Angriffen des türkischen Staats regte sich insbesondere seit 2003 der Widerstand des kurdischen Volkes, und es kam zu einer Ausweitung des Konfliktes. Unser Freiheitskampf hat in den letzten beiden Jahren sowohl im Bereich der demokratischen Aktionen und der Organisierung als auch im Bereich der Guerilla einen bedeutenden Sprung vorwärts gemacht. Dies stellt mittlerweile ein ernsthaftes Problem für das System der Verleugnung und Vernichtung in der Türkei dar. Parallel zu diesem Aufbruch unseres Volkes im Norden bereitet der zunehmende Freiheitskampf in Ost- und Westkurdistan den Staaten Iran und Syrien ernsthafte Probleme. Die jüngsten Entwicklungen in allen vier Teilen Kurdistans haben die Kurden in der Region zu einem der wichtigsten Faktoren für die internationale Politik und die Kräfteverhältnisse in der Region gemacht.

Die Türkei und ihr Verhältnis zu den Kurden sind also zu einem wichtigen Thema für die Region geworden. Als Folge all dieser Entwicklungen steht die Lösung der kurdischen Frage mittlerweile auf der internationalen Tagesordnung. Verschiedene Kräfte haben in diesem Zusammenhang Erklärungen veröffentlicht und zu einer Lösung aufgerufen. Verschiedene internationale Kräfte und Institutionen haben zu einem Waffenstillstand oder zum Niederlegen der Waffen aufgerufen, allen voran die USA mit ihrer schriftlichen Erklärung zum 15. August, die Föderale Republik Irak und die Regionalregierung von Südkurdistan. In der Türkei haben allen voran einige Verantwortung tragende Institutionen sowie die DTP, die Friedensmütter, die patriotischen Religionsführer und verschiedene Gruppen von Intellektuellen, Schriftstellern und Künstlern zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Einige dieser Aufrufe wurden über die Presse verbreitet, andere über diplomatische Kanäle weitergeleitet.

Unter Bezug auf diese Entwicklungen hat unsere Führung (Abdullah Ocalan) einige Erklärungen abgegeben, und unsere Bewegung hat am 23. August 2006 eine Deklaration veröffentlicht, mit der eine Phase der demokratischen Lösung eingeleitet wurde. Daraufhin haben sich die Aufrufe und Verhandlungen im Sinne einer Lösung verdichtet und sich die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Waffenstillstandsprozesses erhöht. Daraufhin hat unsere Führung (Abdullah Öcalan) am 07.09.2006 einen Waffenstillstandsaufruf an unsere Bewegung gerichtet, der nicht veröffentlicht wurde.

In der Folge wurde zunächst die Herbstplanung der Volksverteidigungskräfte HPG gestoppt, die für den 15. September eine umfassende militärische Offensive vorgesehen hatte, und auf Antrag des Exekutivrats der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans (Koma Komalên Kurdistan, KKK) wurde am 24. und 25. September 2006 die erste Versammlung des intermediären Parlaments des zweiten Gesetzgebungsjahrs des Volkskongresses (Kongra-Gel) einberufen, an der Vorstand des Kongra-Gel, die ständigen Ausschüsse, das Komitee für Volksverteidigung und der Kommandorat der Volksverteidigungskräfte (HPG) teilnahmen. Einziger Tagesordnungspunkt war der Aufruf unseres Vorsitzenden. In den Diskussionen wurde ein allgemeiner Konsens erzielt und der folgende Beschluss gefällt:

1-Es wurde beschlossen, einen Waffenstillstand auszurufen, der ab dem 1 Oktober 2006 Gültigkeit besitzt. Seine weitere Aufrechterhaltung hängt von den zu kommenden Schritten und den weiteren Entwicklungen ab.

2-Solange keine Angriffe zum Zwecke der Vernichtung gegen unsere Kräfte unternommen werden, wird definitiv nicht von der Waffe Gebrauch gemacht werden. Wenn jedoch Vernichtungsangriffe unternommen werden, verteidigen sich unsere Kräfte in jeder Weise.

3-Während dieser Zeit werden die Volksverteidigungskräfte (HPG) keinerlei militärischen Bewegungen durchführen. Davon ausgenommen sind selbstverständliche Bewegungen zu logistischen Zwecken und aus Gründen der Vorsicht.

4-Entsprechend dieses Beschlusses wird der Kommandorat der HPG die Stellungen, Bewegungen und Planungen aller Kräfte im Sinne des Waffenstillstandes revidieren.

5-Ziel aller Kader, Organisationen und Institutionen der Freiheits- und Demokratiebewegung in in Kurdistan, die im ideologischen, politischen, organisatorischen und gesellschaftlichen Bereich tätig sind, wird es sein, den Waffenstillstandsprozess zum Erfolg zu führen. Die Planungen ihrer politischen und organisatorischen Aktivitäten und Aktionen werden sie dementsprechend revidieren.

6-Dieser Beschluss ist bindend für alle Kräfte, die in das System der Kommunen Kurdistans (Komalên Kurdistan) eingebunden sind. Niemand wird Schwierigkeiten bereitet, alle Kräfte werden sich um den Erfolg des Prozesses bemühen.

Nach diesem Beschluss unserer Versammlung wurde am 28. September 2006 der Waffenstillstandsaufruf des Gründers der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans (Koma Komalên Kurdistan), des Vorsitzenden Apo, unserer Bewegung und der Öffentlichkeit folgendermaßen deklariert: „Damit all dies erreicht werden kann, leiste ich meinen Beitrag und rufe die PKK zu einem Waffenstillstand auf. Dieser beginnende Waffenstillstandsprozess ist notwendig, aber nicht hinreichend. Es gibt viele wesentliche Dinge, die anschließend getan werden müssen.“

Somit gewinnt dieser Prozess auch in allen unseren nationalen Institutionen Gewissheit und wird offiziell.

Dieser Beschluss unserer Führung und unserer Bewegung ist der gemeinsame Beschluss aller nationalen demokratischen Institutionen. Insofern ist er für alle demokratisch-nationalen Kräfte bindend. Daher müssen sich auch die bewaffneten Kräfte, die sich außerhalb unseres Systems bewegen, jedoch behaupten, dass sie im Namen der kurdischen Nation handeln und insbesondere unserem Vorsitzenden gegenüber loyal seien, dem Aufruf unseres Vorsitzenden gemäß verhalten.

Wer sich nicht an diesen Aufruf hält und dem Freiheitskampf unseres Volkes Schaden zufügt, muss wissen, dass sich unsere Bewegung ihm überall entgegenstellen wird. Unser Volk, das den Freiheitskampf mit großem Einsatz und großer Opferbereitschaft erfolgreich führt, ist ebenfalls aufgerufen, diesen Waffenstillstandsprozess entschlossen zu unterstützen und auf der Linie der demokratischen Lösung und der demokratischen Einheit das Seinige beizutragen. Es muss deutlich werden, dass in diesem Prozess die Forderung nach einer demokratischen Lösung unüberhörbar artikuliert wird und breiteste Unterstützung erfährt; die Bevölkerung sollte ihre diesbezügliche Entschlossenheit und ihren Wunsch nach Frieden so deutlich machen wie nur irgend möglich.

Wir werden das Unsrige tun, um das Problem innerhalb der Grenzen der Türkei zu lösen und auf der Basis der Einheit in Freiheit ein demokratisches Zusammenleben zu verwirklichen. Jedoch wird unser Volk sich einer Politik der Verleugnung und Vernichtung wie stets in der Geschichte so auch heute in keiner Weise beugen, sondern sich verteidigen, wenn es nötig ist. Unser Schritt des Waffenstillstands ist ein Schritt von historischer Bedeutung für das dauerhafte freiwillige Zusammenleben zweier Völker. Wir sagen: „Jetzt besteht eine Gelegenheit zum Frieden, lasst sie uns nutzen.“ Sonst bleibt das Feld den Kriegstreibern überlassen, die mit Nationalismus und Chauvinismus gefährlichen Hass zwischen den Völkern schüren wollen. Daher sollten alle demokratischen Institutionen und Kreise, Presseorgane, Intellektuelle, Künstler und alle, die für die Geschwisterlichkeit der Völker eintreten, unseren Schritt unterstützen, damit daraus eine dauerhafte Lösung entstehen kann. Sie alle sollten das Ihrige tun und nicht wie in der Vergangenheit untätig bleiben

Die türkische Regierung und Armee müssen erkennen, dass die kurdische Frage nicht mit Gewaltmethoden aus der Welt schaffen können, wie sie es schon so oft versucht haben. Auf „Kapitulation oder Vernichtung“ zu beharren wird unseren Völkern Leid und unserer Region Instabilität bescheren; Dialog und eine demokratischen Lösung hingegen werden dazu führen, dass die Türkei aufstreben kann und attraktiv wird. Sie sollten unserer Waffenstillstandserklärung, die eine historische Gelegenheit darstellt, mit angemessen Schritten begegnen.

Ein Erfolg des Waffenstillstandsprozesses wird der Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans nützen. Es wird mit jedem Tag deutlicher, dass die kurdische Frage in keinem Teil Kurdistans im wirklichen Sinne gelöst werden kann und die Errungenschaften nicht dauerhaft sein können, solange die kurdische Frage in der Türkei nicht gelöst wird. Daher sollten alle Kräfte Kurdistans, vor allem die KDP und die PUK, den Prozess bewusst unterstützen und sich um seinen Erfolg bemühen.

Auch Staaten in der Region wie der Iran und Syrien können aus der Lage, in der sie sich befinden, nur befreien, wenn sie einen demokratischen Prozess einleiten und mit dem kurdischen Volk Frieden schließen. Wenn der Waffenstillstandsprozess, den wir einleiten wollen, Erfolg hat, wird dies auch die genannten Ländern und die gesamte Region positiv beeinflussen.

Ein friedlicher und stabiler Mittlerer Osten wird die beste Garantie für globalen Frieden und Stabilität sein. Wenn die internationalen Mächte, allen voran die USA, an die kurdische Frage nicht mit Gewaltmethoden, sondern orientiert an einer demokratischen Lösung herangehen, wird das auf regionaler und globaler Ebene positive Resultate zeitigen. Dass wir als Reaktion auf positive Signale in dieser Richtung einen Waffenstillstandsprozess einleiten, ist ein wichtiger Beitrag zum Demokratisierungsprozess und zur Stabilität. Obwohl die Möglichkeit besteht, durch Dialog und demokratische Methoden eine Lösung zu finden, beharrt der türkische Staat irrigerweise darauf, unsere Bewegung als terroristisch darzustellen, und darauf, Gewalt anzuwenden. Obwohl der türkische Staat diese Art der Politik seit Jahrzehnten fortsetzt und trotz Massakern, Vertreibung und Gewalt war er in keiner Weise damit erfolgreich, sondern ist noch tiefer in die Sackgasse geraten.

In diesem Sinne sollte die Aufgabe der im Rahmen der Dreiermechanismus ernannten „PKK-Koordinatoren“ nicht sein, unsere Bewegung als Terrororganisation darzustellen und Liquidierungspläne auszuhecken. Es liegt auf der Hand, dass die so oft angewandten Gewaltmethoden keine Lösung bringen werden. Das beste wird sein, wenn dieser Mechanismus das Problem mit einem Projekt für eine demokratische Lösung angeht und eine an die Wurzel gehende Lösung vorlegen. Insbesondere eine konstruktive Haltung der USA und des Irak als eines Staates, der die kurdische Frage gut kennt, zu unserem Schritt eine Waffenstillstandes ist von großer Wichtigkeit.

Mit diesem Waffenstillstand hat unsere Bewegung das Ihrige getan. Wir rufen alle, die an der Entwicklung eines demokratischen Prozesses und an Stabilität interessiert sind, allen voran diejenigen, die einen Waffenstillstand gefordert haben, die betreffenden Staaten und Gruppen auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und sich um eine Lösung des Problems auf der Grundlage eines gerechten, demokratischen Projekts zu bemühen. Eine solche Lösung liegt im Interesse aller, einschließlich des kurdischen Volks.

30.09. 2006

Koma Komalên Kurdistan

Präsidium des Exekutivrats