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Presseerklärung:
29. 03. 2006

 

DAS KRIEGSBEHARREN DES TÜRKISCHEN STAATES GEGEN DEN FRIEDEN DER KURDEN

Das kurdische Volk hat auch in diesem Jahr das Neujahrsfest Newroz eindrucksvoll gefeiert. Trotz begründeten Befürchtungen, es könnte zu staatlichen Provokationen und Angriffen kommen, verliefen die Veranstaltungen im allgemeinen friedlich. Newroz ist ein wichtiges Ereignis, das seit längerem den Charakter eines Prüfsteins hat.

Neben der Forderung nach Beendigung des Krieges, nach einer friedlichen demokratischen Lösung der kurdischen Frage und der Anerkennung ihrer Rechte, haben Millionen Kurdinnen und Kurden an den diesjährigen Newrozfeiern deutlicher als je zuvor bekundet, dass sie Abdullah Öcalan als ihren politischen Repräsentanten sehen und seine sofortige Freilassung fordern. Somit hat das kurdische Volk erneut unter Beweis gestellt, dass alle Bestrebungen der Türkei und anderen politischen Kräften, die kurdische Frage losgelöst von Abdullah Öcalan und der PKK behandeln zu wollen, unrealistisch sind.

Schon im Vorfeld war aus politischen und militärischen Kreisen der Türkei zu entnehmen, dass Newroz im Zeichen des Krieges verlaufen würde. So wurden trotz schlechter Wetterbedingungen im Vorfeld von Newroz Militäroperationen in unterschiedlichen kurdischen Provinzen begonnen. Um möglichen negativen Entwicklungen vorzubeugen und einen friedlichen Verlauf der Newrozfeiern zu ermöglichen, erklärten die kurdischen Volksverteidigungskräfte (HPG) für die Zeit um Newroz eine einwöchige militärische Aktionslosigkeit. Auch waren die Organisatoren der Feierlichkeiten sehr bemüht, die politische Atmosphäre nicht anheizen zu lassen. Nur so konnte ermöglicht werden, dass die befürchteten Eskalationen ausblieben.

Der türkische Staat hat vor allem die hohe Beteiligung und die genannten Forderungen mit Argwohn aufgenommen und unmittelbar nach Newroz, in der Zeit der Aktionslosigkeit der HPG, breit angelegte Militäroperationen mit Zehntausenden von Soldaten durchführt.

Nach Pressemeldungen begann das türkische Militär am 24. März im Gebiet zwischen Bingöl und Mus mit über 10.000 Soldaten eine Militäroperation, die zwei Tage lang anhielt. Bei den Gefechten wurden 14 Guerillaangehörige getötet. Nach Informationen der HPG und nach Aussagen der Familienmitglieder setzte die türkische Armee bei dieser Operation chemische Waffen ein. Parallel dazu wurden auch in den Provinzen Mardin, Dersim und Sirnak Operationen begonnen, die zur Stunde noch anhalten.

Obwohl das kurdische Volk bei jeder Gelegenheit seine Haltung für eine demokratische und friedliche Lösung darstellte und in den letzten Jahren zahlreiche Opfer hierfür aufgebracht hat, hat der türkische Staat immer wieder an seiner provozierenden Haltung festgehalten. Mit Militäroperationen, mit seiner Isolationspolitik gegen Abdullah Öcalan, mit seinen illegalen Banden und mit den Mitteln des schmutzigen Krieges hat er die Repressionen gegenüber den Kurdinnen und Kurden verstärkt und – wie bei den letzten Militäroperationen – die Kinder dieses Volkes auf unmenschliche Weise getötet.

Die Auseinandersetzungen in Diyarbakir und Adana während der Bestattung der getöteten Guerillas führte die Dimension des Problems erneut vor Augen.

Täglich erreichen uns Informationen über Ermordungen, Festnahmen und Folterungen von Zivilisten: So verlor am 25. März der 25jährige Kurde Serdar Dönmez sein Leben in Folge einer Minenexplosion. Während Protestaktionen der Bevölkerung von Hakkari gegen die Festnahme des ehemaligen Provinzvorsitzenden der verbotenen Demokratischen Volkspartei (DEHAP), Sabahattin Suvagi, wurden mehrere Personen verhaftet. Am 25. März explodierte in Elazig vor dem Parteibüro der Demokratischen Gesellschaftspartei (DTP) eine Bombe, in Batman wurde der 42jähriger Kleinunternehmer Osman Sütcü vor seiner Wohnung von unbekannten Tätern angeschossen und erlag seinen Verletzungen. Bei den gestrigen Auseinandersetzungen in Diyarbakir wurden über 90 Menschen zum Teil schwer verletzt und über 100 Personen festgenommen.

Diese Liste könnte ohne weiteres verlängert werden. Diese Fälle verdeutlichen die Antwort des türkischen Staates auf die Friedensbestrebungen des kurdischen Volkes. Nach Semdinli zeigen auch die jüngsten Entwicklungen, dass in der Türkei nach wie vor eine Strategie zur friedlichen Lösung der kurdischen Frage fehlt und stattdessen weiterhin an der militärischen Lösung festgehalten wird.

Auch die EU und vor allem Deutschland scheinen die Türkei in ihrem kriegerischen Vorgehen nicht stören zu wollen. Obwohl in der Türkei, ein Land mit der die EU offiziell Beitrittsverhandlungen begonnen hat, weiterhin ein Krieg tobt und starke Menschenrechtsverletzungen anhalten, wird diese Realität einfach ausgeklammert. Bislang hat es die EU versäumt, die Türkei unmissverständlich zur Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzung aufzufordern. Stattdessen wird die Türkei weiter mit Waffen ausgerüstet.

Die Newrozfeierlichkeiten fanden in diesem Jahr unter dem Motto „Es gibt noch eine Chance für den Frieden“ statt. Um diese Chance nicht ungenutzt zu lassen, fordern wir von der EU und vor allem von der Bundesregierung, die Gewaltpolitik der Türkei gegen die Kurdinnen und Kurden unmissverständlich zu verurteilen und konkrete Lösungsprojekte mit einzuleiten. Die Türkei muss für seine Menschenrechtsverletzungen und der Verletzung internationaler Abkommen, die den Einsatz von chemischen Waffen verbieten, zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir rufen die EU dazu auf, ihre historische Verantwortung zu übernehmen und für die Lösung der kurdischen Frage, wie am Beispiel von Irland, dem Baskenland und anderen, den Dialogweg zu ebnen.