Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
   
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Düsseldorf, 7. März 2006

Pressemitteilung

- Frauendelegation zum 8. März in Kurdistan -

Seit dem 4. März ist eine von Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden organisierte Frauendelegation in der Türkei/Kurdistan, um die diesjährigen Aktivitäten zum Internationalen Frauentag am 8. März zu beobachten. Prägend dabei werden die Themen Gewalt gegen Frauen, die so genannten „Ehrenmorde“ sowie die immer noch ungelöste kurdische Frage sein, die die Türkei nicht zur Ruhe kommen lassen.
Als Kurdisches Frauenbüro für Frieden ist es unser Anliegen, für Frauenrechte einzutreten und als Frauen den Frieden zu stabilisieren. Unsere Delegation, die aus sieben Frauen verschiedener Berufsgruppen aus Hamburg, Berlin und München besteht, möchte mit ihrer Reise die Frauenbewegung in Kurdistan und der Türkei unterstützen, sich vor Ort einen Eindruck von der Situation machen und mit Fraueneinrichtungen in einen Austausch treten.
Die Lage in der Türkei ist derzeit wieder angespannt. Nach einer relativ ruhigen Phase im Winter, wenn die Witterungsbedingungen keine Militäroperationen zulassen, sind an mehreren Orten in den kurdischen Provinzen wieder Operationen eingeleitet worden. In Mardin wurden vor zwei Wochen sieben Guerillakämpfer getötet, bei einem mutmaßlichen Guerillaangriff in Cizre ein Soldat. Zuvor war es um den Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei am 15. Februar 1999 zu einer Repressionswelle gegen die stattfindenden Proteste gekommen. Friedliche Veranstaltungen wurden von Sicherheitskräften angegriffen, Hunderte Menschen verhaftet.
Für große Empörung sorgt immer noch die Inhaftierung von 24 Mitgliedern der Initiative „Mütter für den Frieden“. Die Mütter hatten sich mit der Forderung nach „einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans“ auf einer Straße in Diyarbakir angekettet und wurden verhaftet. Fast täglich werden Menschen verhaftet, weil sie sich für die gleichen Forderungen einsetzen. Zumeist sind die Betroffenen Mitglieder der neu gegründeten Partei für eine demokratische Gesellschaft (DTP).
Erst vor wenigen Tagen hat der IHD-Vorsitzende Yusuf Alatas bei der Vorstellung des Berichtes des Menschenrechtsvereins zum Jahr 2005 dieses Jahr als „ein verlorenes Jahr“ für Demokratie, Rechte, Freiheiten und die Zukunft der Bürger und Bürgerinnen der Türkei bezeichnet. Die öffentliche Diskussion ist in der Türkei seit Monaten von den illegalen Machenschaften staatlicher Strukturen beherrscht.
Nach den polizeilichen Übergriffen auf eine Frauendemonstration am 6. März im vergangenen Jahr hat auch die EU dieses Mal einen Vertreter zur Beobachtung des Ablaufes der Veranstaltungen zum internationalen Frauentag entsendet.
Die Frauendelegation wird am Internationalen Frauentag an der Demonstration in Diyarbakir teilnehmen. Es ist möglich, direkt mit der Frauendelegation in Kontakt zu treten, die noch bis zum 15. März in der Türkei sein wird.
Die Mobiltelefonnummer lautet 0090-538-709 56 12 (Meike Nack)
Für weitere Informationen stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Anbei ein Bericht der bisherigen Aktivitäten zum internationalen Frauentag in der Türkei und Kurdistan.


8.-März-Aktivitäten in der Türkei/Kurdistan

Bereits am vergangenen Wochenende haben sich türkeiweit Tausende Frauen an Aktivitäten zum 8. März, dem internationalen Frauentag, beteiligt. Neben Veranstaltungen, Feiern, Seminaren und anderen öffentlichen Aktionen fanden mehrere Demonstrationen statt. So protestierten in Istanbul-Kadiköy ungefähr 10.000 Frauen gegen Gewalt gegen Frauen und für gleiche Rechte. Die Aktionen werden noch die ganze Woche weiter gehen.

In Istanbul-Beyazit fand eine Demonstration linker Gruppen statt. Aufgrund der scharfen Kritik aus Europa an den Polizeiübergriffen im vergangenen Jahr begnügte sich die Polizei dieses Mal damit, das Geschehen zu beobachten. Auf der Demonstration, an der auch Männer teilnahmen, wurden die Parolen gerufen: „Der 8. März ist rot – rot wird er bleiben“ und „Das organisierte Volk kann nicht besiegt werden“. Das Motto der Demonstration lautete „Männer und Frauen Hand in Hand“.

In Dersim versammelten sich mehrere Hundert Frauen und forderten ein Ende der Gewalt gegen Frauen, die Einstellung sämtlicher Militäroperationen sowie die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans. Auf Transparenten war zu lesen: „Glaubt an Euch selbst, setzt Euch für Eure Identität ein“, „Unser Körper und unsere Identität gehören uns“, „Schluss mit den Ehrenmorden“. Im Namen der Frauenplattform Tunceli hielt Nermin Sen von der Lehrergewerkschaft Egitim-Sen eine Ansprache, in der sie den 8. März als Frauenbefreiungstag bezeichnete: „Die Frauen, die hier in diesem Land für Freiheit kämpfen, schreien es heute heraus, dass sie sich nicht vor Raketen und nicht vor Gewehren, nicht vor Ehemännern oder Lehrern und nicht vor dem Staat fürchten!“ Esra Ciftci von der Demokratischen Freien Frauenbewegung wurde im Anschluss an die Veranstaltung wegen einem Redebeitrag zu Abdullah Öcalan kurzzeitig festgenommen.

In Hakkari warfen Frauen Rosen in den Zap-Fluss. Eine geplante Demonstration vom Stadtzentrum zum Flussufer wurde von den Sicherheitskräften nicht genehmigt. Daraufhin machten sich die Frauen in vierzig Taxis auf den Weg. Unter breiten Sicherheitsvorkehrungen brachten sie am Zap-Ufer ihre Friedensforderungen zur Sprache und warfen Rosen in den Fluss. Den sieben Kilometer langen Rückweg nutzten sie im Anschluss für eine Demonstration in die Innenstadt.

In Izmir wurde die 8.-März-Veranstaltung fünf Arbeiterinnen gewidmet, die im vergangenen Dezember in Bursa bei einem Feuer in einer Textilfabrik ums Leben gekommen sind. Auf der Demonstration wurden unter anderem die Parolen „Jeder Tag ist 8. März, jeder Tag bedeutet Kampf“ und 'Jin jiyan azadi' gerufen. Ein Flugblatt der Frauenplattform Izmir wurde auf türkisch und kurdisch verlesen. Darin wurde eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Sprache und die Freilassung der in Diyarbakir inhaftierten 24 Mitglieder der Initiative „Mütter für den Frieden“ gefordert sowie gegen die Verschleppung und Vergewaltigung von Sevda Aydin in Istanbul durch mutmaßliche Polizisten protestiert.


In Mersin fand ein gemeinsamer Besuch von Frauen der Demokratischen Freien Frauenbewegung und der SDP am Grab von Süheyla Camöz statt, die im vergangenen November von ihrem Vater durch einen Schnitt durch die Kehle getötet worden war. In einer am Grab gehaltenen Ansprache hieß es: „Wir haben es vielleicht nicht geschafft, den Tod von Süheyla und vielen weiteren zu verhindern, aber wir können etwas dafür tun, dass es keine weiteren Tote mehr gibt. Es gibt nur einen Weg, um weitere Süheylas zu verhindern – kämpfen.“

In Adana fand eine Demonstration verschiedener linker Gruppen statt, an der sich mehr Männer als Frauen beteiligten.

In Urfa fand eine Demonstration statt an der sich über 100 Frauen beteiligten. In den Redebeiträgen wurde die Gleichstellung der Frau, Frauenselbstmorde sowie die Arbeitsbedingungen der Frau thematisiert. Die Parolen „Die Wut der Friedensmütter wird die Mörder ihrer Kinder umbringen“ und „Freies Leben für die Frauen“
wurden lautstark gerufen. Die Stimmung war angespannt aber fröhlich. Nach der Demo wurden im Zentrum Blumen an Frauen verschenkt und Aufrufe zum 8. März verteilt.

Quelle: Gündem, 06.03.2006, ISKU