Tal der Wölfe – Kurdistan

Kommentar

Reimar Heider

Ein Film erhitzt zurzeit die Gemüter: „Kurtlar Vadisi - Irak“, auf Deutsch „Tal der Wölfe – Irak“. In der Diskussion um die türkisch-nationalistischen, antiamerikanischen und antijüdischen Klischees, die dieses Machwerk bedient, geht zumeist unter, dass der Film eine Reihe von Botschaften an die Kurden enthält. Einige sind platt, andere subtiler.

Der angemessenere, aber in der Türkei natürlich nicht mögliche Titel, wäre „Tal der Wölfe – Kurdistan“. Denn die gesamte Handlung spielt ausschließlich in Kurdistan, die Bevölkerung spricht kurdisch, die Hochzeitsgesellschaft ist kurdisch, der Kadiri-Scheich, die unumstrittene Respektsperson, und selbst einer der „türkischen“ Rambo-Verschnitte ist Kurde. Erstaunlicherweise wird dabei das Thema, das den wahren Hintergrund der (illegalen) türkischen Irakpräsenz, des „Sack-Vorfalls“, und der immer wieder ausgestoßenen Invasionsdrohungen bildet, ausgeblendet. Weder wird erwähnt, dass jegliche Irakpräsenz der Türkei mit der „Bekämpfung des PKK-Terrorismus“ legitimiert wird, noch dass den festgenommenen türkischen Geheimdienstoffizieren vorgeworfen wurde, Attentate gegen kurdische Guerillakommandanten und südkurdische Politiker zu planen. Die PKK, sonst Zentrum antikurdischer Propaganda in der Türkei, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen heißt die Botschaft: „Wir sind hier, weil wir ein Recht haben, hier zu sein. Und wir sind die einzigen, die Frieden bringen können.“

Unsäglich und kein bisschen subtil ist das türkisch-nationalistische Pathos des Films. „Rambo“ Polat Alemdar mordet und ist bereit, ein Hotel zu sprengen, nur um den bösen Amerikaner dazu zu bringen, sich ebenso mit einem Sack über dem Kopf fotografieren zu lassen wie die türkischen Geheimdienstler, die er hat verhaften lassen. Alemdar ist „kein Soldat und kein Politiker“ sondern „Türke“.

Nachdem die PKK ausgeblendet wird, bleibt eine doppelte Botschaft an die „eigenen“ Kurden, die ja zum Zielpublikum gehören. Auf der einen Seite steht die Denunzierung der „bösen Kurden“ durch die Darstellung des Barsani-Doppelgängers als Stiefellecker von Uncle Sam, auf der anderen die Umarmung der kurdischen Bevölkerung im Gewand des kurdischen Sufi-Scheichs, das Angebot, in der Gemeinschaft der Gläubigen aufzugehen. Daher werden die Straßenposten von Barsani bereits in der Einleitung brutal niedergemetzelt, die kurdischen Anhänger des Scheichs hingegen liebevoll auf kurdisch angesprochen und Heiratspläne ihrer Töchter mit Türken geschmiedet.

Letztlich bleiben die militärischen Aktionen der türkischen Rambos ziemlich glück- und folgenlos. Zwar erledigen sie Amerikaner am laufenden Band, doch ohne die Hilfe der kurdischen Braut wären sie ziemlich verloren. Die Rambos sind nur für Rache gut, der wahre Friedensstifter – man ahnt es – könnte allein der sufistische Islam des Kadiri-Scheichs sein. Vor ihm haben türkische Nationalisten, kurdische Kollaborateure und terroristische Araber Respekt, die Amerikaner dagegen Angst. Er ist der Herr über Leben und Tod, und bringt doch den Frieden. Diese Rolle ist es, die die Filmemacher, selbst Anhänger der Kadiri, und die begeisterten Funktionäre der AKP-Regierung in Ankara, vielfach ebenfalls Anhänger von sufistischen Bruderschaften, einer islamischen Türkei zumessen. Dabei ist diese politische Linie nur in der eigenen Propaganda antiimperialistisch, in der Realität dagegen durchaus US- und EU-kompatibel. Mit Fetullah Gülen sitzt nicht umsonst einer der einflussreichsten Sufi-Scheichs in den USA und betreibt von dort aus ein islamisches Presse- und Bildungsnetzwerk.

So beschreibt der Film hervorragend die Politik der AKP-Regierung gegenüber den Kurden und den USA: Extremer türkischer Nationalismus wird gepaart mit islamisch bemäntelten Integrationsangeboten für die Kurden, bei denen die Scheichs und nicht das Militär die Hauptrolle spielen sollen. Populistische antiamerikanische Kritik verdeckt die tatsächliche politische Kompatibilität mit USA, EU, NATO und IWF.

Der einzige Verdienst dieses Gruselkabinetts des schlechten Geschmacks, zu dessen Boykott auch kurdische Organisationen aufgerufen haben, ist, die Kriegsverbrechen der USA vom Nachrichten- ins Kinoformat geholt zu haben. Das macht noch keinen guten Film aus – aber wenn Stoiber und Cinemaxx-Betreiber Flebbe alle schlechten und nationalistischen Filme aus deutschen Kinos verbannten, verschwänden mehr Hollywoodfilme als solche aus der Türkei von den Leinwänden.

Von Reimar Heider, 28.02.2006