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Urgent Action

UA-Nr: UA-223/2005
AI-Index: MDE 24/077/2005
Datum: 31.08.2005

DROHENDE FOLTER / HAFT OHNE KONTAKT ZUR AUSSENWELT / GESUNDHEITSZUSTAND / UNFAIRES GERICHTSVERFAHREN / MUTMASSLICHER GEWALTLOSER POLITISCHER GEFANGENER


Syrien:

Riad Drar al-Hamood, 51-jähriger Arabischlehrer und aktives Mitglied des „Komitees zur Wiederherstellung der Zivilgesellschaft“

Der politisch engagierte Bürger Riyad Drar al-Hamood wurde am 4. Juni 2005 festgenommen und befindet sich seitdem ohne Kontakt zur Außenwelt im ‘Adra-Gefängnis unweit der Hauptstadt Damaskus in Einzelhaft. Somit ist er in Gefahr, gefoltert zu werden. Außerdem ist er Diabetiker und leidet an hohem Blutdruck, sodass er auf Medikamente angewiesen ist. Ob er derzeit die lebensnotwendigen Arzneimittel erhält, ist nicht bekannt. Nach seiner Festnahme durfte er einmal im Gefängnis besucht werden, aber seitdem wird weder sein Arzt noch jemand anders zu ihm gelassen.

Riad Drar al-Hamood wurde in Haft genommen, nachdem er auf der Beerdigung des im Lande prominenten islamischen Gelehrten Scheich Muhammad Ma'shuq al-Khiznawi gesprochen hatte, welcher entführt und zu Tode gefoltert worden war. Zwei Tage nach der Festnahme durchsuchten Sicherheitsbeamte das Haus von Riyad Drar al-Hamood und beschlagnahmten Bücher sowie seine Vorlesungsmaterialien.

Wie es heißt, wird Riyad Drar al-Hamood unter anderem das „Schüren von ethnischem und religiösem Unfrieden“ zur Last gelegt, eine häufig gegen Menschenrechtsverteidiger und Verfechter der Rechte der kurdischen Bevölkerungsgruppe erhobene Anklage. Er ist vor das Oberste Staatssicherheitsgericht gestellt worden, dessen Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren bei weitem nicht entsprechen. Riad Drar al-Hamood ist aktives Mitglied des „Komitees für die Wiederherstellung der Zivilgesellschaft”, einer nicht genehmigten Gruppierung, die sich menschenrechtsrelevanten und politischen Diskussionen widmet.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Religionswissenschaftler Scheich Muhammad Ma'shuq al-Khizna, der sich stets gegen Gewalt und Terrorismus ausgesprochen hat und innerhalb der kurdischen Gemeinschaft große Anerkennung genoss, war am 10. Mai dieses Jahres offenbar von Angehörigen des Militärgeheimdienstes entführt worden. Am 1. Juni 2005 wurde sein Leichnam vom Militärgeheimdienst seiner Familie übergeben. Nach offizieller Darstellung der syrischen Behörden soll er von Kriminellen ermordet worden sein (siehe auch UA 131/05 vom 19. Mai und 1. Juni 2005, und den ai-Bericht: „Syria: Leading Islamic cleric ‘tortured to death’”, MDE 24/036/2005 vom 1. Juni 2005).

Verfahren vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht erfüllen bei weitem nicht die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Gegen Urteile dieses Gerichts können keine Rechtsmittel eingelegt werden, Angeklagte haben nur eingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand und Richter haben weitreichende Ermessensfreiheiten. Mutmaßlich unter Zwang oder durch Folter erpresste „Geständnisse“ werden zudem vor dem Obersten Staatssicherheitgericht als Beweismittel zugelassen. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat erklärt, dass die Verfahren vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht unvereinbar sind mit den Bestimmungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Syrien gehört.

Zwei führende Mitglieder des „Komitees für die Wiederherstellung der Zivilgesellschaft“, der Wissenschaftler Dr. 'Aref Dalilah und der ehemalige Parlamentsabgeordnete Riad Seif, sind als gewaltlose politische Gefangene in Haft. Sie waren im Jahr 2001 festgenommen und im Folgejahr in unfairen Verfahren zu zehn bzw. fünf Jahren Haft verurteilt worden. Riad Seif hatte im September 2001 ein politisches Seminar veranstaltet, auf dem politische Reformen und demokratische Wahlen gefordert wurden. Im März 2001 veröffentlichte er ein Diskussionspapier über die Statuten einer Organisation namens „Soziale Friedensbewegung“, die er offenbar zu gründen beabsichtigte. Dr. 'Aref Dalilah kam wegen seiner offenen Kritik an herrschender Korruption und seinen Forderungen nach Meinungsfreiheit im Zuge wirtschaftlicher Reformen in Haft. Auch soll er an dem politischen Seminar von Riad Seif teilgenommen haben.

Der heute 63-jährige ‘Aref Dalilah musste sich wegen des „Versuchs der Änderung der Verfassung mit rechtswidrigen Mitteln“ vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht verantworten. Riad Seif, 59 Jahre alt, hat man unter anderem wegen derselben Anklage und wegen „Schürens von ethnischem und religiösem Unfrieden“ vor das Strafgericht in Damaskus gestellt. Beide Männer befinden sich im ‘Adra-Gefängnis. Sie sind misshandelt worden und benötigen medizinische Versorgung. So muss Riad Seif am Herzen operiert werden, und Dr. ‘Aref Dalilah, der sich Meldungen zufolge seit dem 12. Juli 2005 im Hungerstreik befindet, leidet an Beinvenenthrombose (siehe auch den ai-Bericht „Smothering freedom of expression: the detention of peaceful critics”, MDE 24/007/2002 vom Juni 2002 und UA 226/01).

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie
o die Behörden auffordern, Riyad Drar al-Hamood sofort und bedingungslos freizulassen, da er offenbar ein gewaltloser politischer Gefangener ist und nur aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung festgenommen wurde;
o Ihre Besorgnis darüber äußern, dass er ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert ist und als Diabetiker an hohem Blutdruck leidet;
o fordern, dass ihm umgehend regelmäßige Besuche seiner Familienangehörigen und eines Rechtsanwalts seiner Wahl sowie jegliche erforderliche medizinische Versorgung gewährt werden;
o darauf dringen, dass er weder gefoltert noch misshandelt wird und die Behörden dabei an ihre Verpflichtungen als Unterzeichnerstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe erinnern;
o die Behörden darauf hinweisen, dass der UN-Sonderberichterstatter über Folter erklärt hat, dass Folter am häufigsten während der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt zur Anwendung kommt, dass diese verboten werden sollte und alle Gefangenen, die keinen Kontakt zur Außenwelt haben, umgehend freizulassen sind.

APPELLE AN:

His Excellency President Bashar al-Assad, President of the Republic, Presidential Palace, Abu Rummaneh, Al Rashid Street, Damaskus, SYRIEN
(Staatspräsident - korrekte Anrede: Your Excellency)
Telefax: (00 963) 11-332 3410

His Excellency General Ghazi Kan'an, Minister of Interior, Ministry of Interior, Merjeh Circle, Damaskus, SYRIEN (Innenminister – korrekte Anrede: Your Excellency)
Telefax: (00 963) 11-222 3428

His Excellency Muhammad al-Ghafari, Minister of Justice, Ministry of Justice, Al-Nasr Street, Damaskus, SYRIEN (Justizminister - korrekte Anrede: Your Excellency)
Telefax: (00 963) 11-222 3428

KOPIEN AN:

Kanzlei der Botschaft der Arabischen Republik Syrien, Rauchstr. 25, 10787 Berlin
(S.E. Herrn Hussein Omran
Telefax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de; secretary@syrianembassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Oktober 2005 keine Appelle mehr zu verschicken.

- calling on the authorities to release Riad Drar al-Hamood immediately, as he appears to be a prisoner of conscience, detained solely for the peaceful expression of his views;

- expressing concern that Riad Drar al-Hamood is being held incommunicado and is suffering from diabetes-related high blood pressure, and asking that he be allowed visits from his family, a lawyer of his choice and all the medical attention he needs;

- seeking assurances that Riad Drar al-Hamood is not being tortured or ill-treated;

- reminding the authorities that torture is, as stated by the UN’s Special Rapporteur on Torture, “most frequently practised during incommunicado detention [which] should be made illegal, and persons held incommunicado should be released without delay”;

- reminding the authorities that Riad Drar al-Hamood is entitled to a fair hearing in line with international standards for fair trial.

 

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