Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan

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INTERNATIONALE INITIATIVE - SPEZIAL - Dossier Nr.3

Inhalt:
° Lex Öcalan wird zum Bumerang oder Nichts Neues aus der Türkei
° Neuster Stand der Gesundheits- und Haftbedingungen von Abdullah Öcalan - Schreiben der Öcalananwälte
° IHD: Wir werden uns weiter für Öcalan einsetzen!- Pressekonferenz des Türkischen Menschenrechtsvereins (IHD)
° Stimmen aus der türkischen Presse zum mutmaßlichen Ausgang des Urteils vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof im Revisionsverfahren von Abdullah Öcalan

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Liebe Leserinnen und Leser,

Auch sechs Jahre nach seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung in die Türkei, bleibt Abdullah Öcalan ein Politikum. So auch in diesen Tagen, da am 12. Mai 2005 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Revisionsverfahren von Abdullah Öcalan sein Urteil verkünden wird. Aller Voraussicht nach wird dieser sein vorheriges Urteil im Wesentlichen bestätigen. Doch bevor überhaupt das Urteil gesprochen ist, haben in der Türkei schon die Diskussionen darüber begonnen, wie ein eventuell erneuter Prozess gegen den Kurdenführer verhindert werden könnte. Interessierte Leser und Leserinnen können dies den Kolumnen der türkischen Press entnehmen, die wir hierfür repräsentativ ausgewählt haben. Des Weiteren ist im Dossier ein Schreiben der Öcalananwälte dokumentiert, das den aktuellen Stand hinsichtlich der Haftbedingungen Öcalans wiedergibt. Der türkische Menschenrechtsverein hat derweil angekündigt, sich auch weiterhin für eine Verbesserung der Situation einzusetzen. Diesem Anliegen können wir uns nur anschließen.

Die Redaktion, im Mai 2005



Köln, 14. April 2005



INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:
Lex Öcalan wird zum Bumerang oder Nichts Neues aus der Türkei


Die Türkei hat ein Problem. Wieder einmal. Bevor überhaupt das Urteil im Revisionsverfahren von Abdullah Öcalan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gesprochen ist, haben in der Türkei schon die Diskussionen darüber begonnen, wie ein erneuter Prozess gegen den Kurdenführer verhindert werden könnte.
Dem liegt die allgemeine Einschätzung zugrunde, dass in Kürze die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das vorangegangene Urteil im Wesentlichen bestätigen werde. Schon im ersten Beschwerdeverfahren stellten die Richter in Straßburg fest, dass der Kurdenführer kein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht erfahren hatte, sein Recht auf Verteidigung eingeschränkt gewesen war und er inhumane Behandlung durch die Verhängung der Todesstrafe erlitten hatte. Sollte dies erneut bestätigt werden, stünde die Türkei vor einem Dilemma.
Zwar hat die Türkei im Rahmen des Annäherungsprozesses an die Europäische Union Gesetzesreformen im Strafrecht verabschiedet, wonach u. a. richterliche Entscheidungen aus Straßburg auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden müssen. Gleichzeitig wurden diese durch anderweitige Gesetze wieder eingeschränkt, so auch im Fall der Wiederaufnahme von Verfahren, wonach die Gesetzesreform nicht für Verfahren gültig ist, die bis Anfang 2003 abgeschlossen wurden. Das beanstandete Verfahren gegen Abdullah Öcalan bleibt somit davon ausgeschlossen. Grundlage hierfür war die Befürchtung, dass auch der „Staatsfeind“ Abdullah Öcalan davon profitieren könnte, weshalb die türkische Presse der Gesetzesreform auch den Namen „Lex Öcalan“ gab.
Was sind diese Befürchtungen? Warum scheiden sich an Öcalan immer noch die Geister?
Es ist nicht so sehr die Person Öcalans, die derart für Aufregung sorgt. Vielmehr wird seine Person mit einem Konflikt in Verbindung gebracht, der nach wie vor nicht gelöst ist. Sobald die kurdische Frage thematisiert wird, in welcher Form auch immer, ruft dies bei den Machthabern in Ankara und bei den immer noch einflussreichen Militärs reflexartige Abwehrreaktionen hervor, welche sich dem Europäer nicht immer erschließen. Mit rationalem Handeln hat dies nicht mehr viel zu tun. Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei scheinen diesen Eindruck zu bestätigen.
Derzeit bahnt sich eine nationalistische Welle den Weg. Allerorts werden Fahnenmärsche veranstaltet und Oppositionelle jeglicher Couleur auf der Straße angegriffen. Auslöser hierfür war eine Stellungsnahme des Generalsstabs der türkischen Armee, nach dem in der türkischen Hafenstadt Mersin, am Rande der diesjährigen Newrozfeierlichkeiten, zwei kurdische Kinder eine türkische Fahne zu Boden geworfen hatten. In dieser Stellungsnahme wurden die Kurden insgesamt als „so genannte Bürger“ der Türkei bezeichnet, welche zur Räson gebracht werden müssten. Die aufgeheizte nationalistische Stimmung richtet sich jedoch nicht nur gegen die Kurden. Auch türkische Journalisten und Intellektuelle sind davon betroffen. So muss der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk derzeit um sein Leben fürchten, nur weil er in einem Interview freimütig über den türkisch-kurdischen Konflikt und über die Massaker an den Armeniern von 1915 gesprochen hatte. Karikaturisten müssen zum Teil horrende Geldstrafen zahlen, weil deren Zeichnungen dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan nicht genehm sind.
Derweil haben aber auch europäische Diplomaten mit Befremden registriert, dass der Reformeifer Ankaras sichtlich erlahmt. Erst kürzlich mahnte der europäische Erweiterungskommissar, Oliver Rehn, eine Fortsetzung der Reformbemühungen an. Andernfalls würde dies den Termin vom 3. Oktober 2005, an dem die Beitrittsgespräche zwischen der Türkei und der EU beginnen sollen, in Frage stellen. Diese Mahnung kommt nicht von ungefähr. Angekündigte Reformen bleiben aus, verabschiedete Gesetzesänderungen werden nur teils oder überhaupt nicht umgesetzt. Internationale Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International und Human Rights Watch, registrieren einen rapiden Anstieg von Menschrechtsverletzungen und einen zunehmenden Rassismus, der sich gegen die Kurden insgesamt richtet. Die Besorgnis erregende Entwicklung bleibt jedoch nicht darauf beschränkt. Zurzeit führt die türkische Armee in den kurdischen Gebieten weitflächige militärische Operationen gegen kurdische Rebellen durch. Schon mehren sich die Nachrichten über schwere Gefechte, Tote und Verletzte. Bei einem längeren Andauern ist eine Verselbstständigung der Zusammenstöße zu befürchten.
Wie lässt sich in diesen Zusammenhang die Option einer Neuverhandlung des Öcalanverfahrens einordnen, die derzeit in der Türkei für hitzige Diskussionen sorgt? Abgesehen davon, dass Öcalan immer noch die Öffentlichkeit polarisiert – für die Einen ist er ein Held, für die Anderen ein Staatsfeind – dürfte allein die Tatsache eines öffentlichen Prozesses schon bei denjenigen für Unbehagen sorgen, die die kurdische Frage am liebsten ausblenden. Denn in einem solchen Prozess würden wahrscheinlich auch der türkisch-kurdische Krieg und somit das Verhalten der türkischen Armee zur Sprache kommen. Das wäre ein Politikum, was nicht wenige verhindern möchten. Eines ist jedoch schon jetzt gewiss: Wenn auch das Problem immer noch auf höchster Ebene geleugnet wird, verhindert dies nicht, dass das Problem sich an anderer Stelle seine Bahn bricht. Ein erneutes Verfahren könnte jedoch auch eine Chance für einen Neubeginn bedeuten, an dem beide Seiten aufeinander zugehen. Die Kurden scheinen hierfür bereit zu sein. Es liegt somit an der Türkei, den nächsten Schritt zu tun. Andernfalls wird es der Türkei mehr als schwer fallen, den Ansprüchen Europas an eine Mitgliedschaft gerecht zu werden.


Neuster Stand der Gesundheits- und Haftbedingungen von Abdullah Öcalan
April 2005 / ASRIN HUKUK BÜROSU

Die gesundheitlichen Probleme Öcalans dauern weiterhin an, seine Gesundheit verschlechtert sich unter den Haftbedingungen auf Imrali zusehend. Wir unterrichteten die zuständigen Stellen und Gesundheitseinrichtungen über Öcalans Probleme. Wir haben Anträge und Eingaben formuliert und persönliche Gespräche mit diesen Institutionen geführt. Die Probleme dauern nichtsdestotrotz bis zum heutigen Tage an. Bei unserem letzten Besuch am 19.01.2005 erklärte Herr Öcalan, dass seine gesundheitliche Situation ernster werde und dass eine Intervention vonnöten sei. Um auf Öcalans gesundheitliche Situation aufmerksam zu machen, möchten wir hier unseren Kenntnisstand in dieser Angelegenheit zusammenfassend vorlegen.

Herr Öcalan leidet unter einer bekannten allergischen Rhinitis, und seine gesundheitlichen Beschwerden hängen damit zusammen. Die Symptome werden zunehmend gravierender, wie er uns mitteilte. Insbesondere klagt er über Schlaflosigkeit, plötzliches Erwachen und Atemnot, ständige zähflüssige Schleimbildung und Sekretfluss in den Rachen, Brennen an Zunge und Gaumen, Verlust von Geruchs- und Geschmacksempfindung, sowie Schmerzen in Augen und Ohren. Diese Beschwerden belegen das Fortschreiten seiner Krankheit.

Die klimatischen Bedingungen in seiner Zelle sind äußerst schädlich für Allergiepatienten wie Herr Öcalan. Die Zelle wird durch eine Klimaanlage belüftet, es gibt keine andere Möglichkeit, Frischluft zuzuführen. Klimaanlagen verschlimmern bekanntlich allergische Erkrankungen, da sie die Schleimhäute im Nasen- und Rachenraum austrocknen. Darüber hinaus bergen sie ein hohes Infektionsrisiko, da sich in ihnen Keime sammeln. Wir glauben, dass eine Verbesserung der Lüftung von besonderer Bedeutung ist. Das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) hat in seinem Bericht vom 2. März 1999 selbst die unzulänglichen Haftbedingungen kritisiert.

Die gesundheitliche Versorgung in den letzten sechs Jahren bestand aus zwei Komponenten. Zum einen wurden täglich oder an jedem zweiten Tag 3-5minütige Routineuntersuchungen durchgeführt, bei denen nach Beschwerden gefragt und Puls und Blutdruck gemessen wurden. Dabei werden im Rotationsverfahren Ärzte eingesetzt, die auch in anderen Gefängnissen, insbesondere in den Gefängnissen in der Region Marmara Dienst tun. Diese Ärzte notieren während der Checkups die Beschwerden und Messwerte und leiten diese an die Verwaltung weiter. Die Verwaltung erstellt daraus einen Bericht, welchen der Diensthabende Arzt unterschreibt. Diese Berichte werden dem EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) zugesandt, welcher sie an die Anwälte weiterleitet. Nach unseren Informationen erscheinen die Notizen der Ärzte nicht komplett in den Berichten. Außerdem ist während der Untersuchungen ein Militärrichter anwesend.

Zum Zweiten wurde auf unseren Antrag und unsere Beschwerden hin eine Ärztedelegation aus Bursa, für eine Untersuchung auf die Insel entsandt. Eine solche Delegation von Fachärzten besuchte, sowohl im Jahr 2004, als auch Im Jahr 2005 die Gefängnisinsel, um Öcalan zu untersuchen. Uns liegen von der ersten Delegation lediglich der Abschlussbericht, von der zweiten der Abschlussbericht und die Untersuchungsergebnisse vor. Allerdings ist knapp die Hälfte der Untersuchungsergebnisse unleserlich und kann daher nicht interpretiert werden. Schlimmer noch, einige der Laborwerte weisen auf mögliche Pathologien hin, worauf jedoch keiner der ärztlichen Berichte eingeht. Diese Werte betreffen die Blutgerinnung (niedriger Quick-Wert), die Schilddrüse (sehr niedriger T3-Wert) und die Blutproduktion (geringer Folsäure-Wert). Diese Werte wurden weder interpretiert, noch wurden weitere diagnostische Maßnahmen eingeleitet.

Seit August 2004 haben wir jedoch keinerlei medizinische Berichte mehr erhalten. Daher haben wir außer den Äußerungen Öcalans keinerlei Informationen. Dieses Informationsdefizit muss unserer Meinung nach dringend beseitigt werden.
Die Routine-Checkups und die fachärztliche Untersuchung stimmen in ihren Feststellungen betreffend der Atemwegsprobleme von Herrn Öcalan dahingehend überein, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine allergische Rhinitis handelt. Daraufhin wurden verschiedene Behandlungen eingeleitet, darunter solche mit kortisonhaltigem Spray, antiallergischen Medikamenten, Antibiotika und pseudoephedrinhaltigen Tabletten. Einige dieser Medikamente dienen lediglich der Milderung von Symptomen, während andere nutzlos oder gar kontraindiziert sind. Nach Auskunft von HNO-Spezialisten sind insbesondere die pseudoephedrinhaltigen Tabletten bei den gegebenen Beschwerden kontraindiziert. Sie trocknen die Schleimhäute weiter aus und führen so zu einer Verschlimmerung der nächtlichen Atembeschwerden, sowie der Schmerzen in Hals, Ohren und Augen. Daher trägt die jetzige Behandlung, unserer Auffassung nach, nicht zu einer dauerhaften Lösung der gesundheitlichen Probleme Herrn Öcalans bei, sondern verschlimmert sie weiter.

Bemerkenswert ist, das trotz der Diagnose „allergische Rhinitis“ bis dato kein Fachmann für allergische Erkrankungen hinzugezogen worden ist. Die wichtigste Behandlung allergischer Erkrankungen besteht in der Expositionsprophylaxe, das heißt dem Fernhalten des Patienten von Allergie auslösenden Faktoren, nachdem diese diagnostiziert sind. Zusammen mit Fachärzten, die wir in der Angelegenheit konsultiert haben, sind wir der Auffassung, dass die Art der Allergie und ihre auslösenden Faktoren diagnostiziert werden müssen. Darüber hinaus muss eine Gutachten erstellt werde, welches die Frage klärt, ob und in welchem Maße andere Faktoren wie die Räumlichkeiten, die Umgebung, das Wetter usw. die Erkrankung beeinflussen. Wir glauben, dass nur so eine angemessene Diagnose möglich ist.
Weiterhin muss untersucht werden, inwieweit die Allergie sich auf andere Organe auswirken kann, ob dies bereits geschehen ist, und wenn ja, in welchem Maße. Das gilt insbesondere für Lungen, Herz und Gehirn. Während unserer Besuche klagt Öcalan beständig über häufigen Auswurf. Deshalb drängen wir zusätzlich zu den oben aufgeführten Maßnahmen auf eine Analyse des ausgehusteten Materials. Kurz, wir sind überzeugt, dass eine komplette Diagnostik sowie andere Therapiemethoden als die bisher versuchten angewandt werden müssen, um die Probleme zu lösen.

Trotz verschiedentlicher Anstrengungen sind Herrn Öcalans gesundheitliche Probleme bisher nicht gelöst worden. Herr Öcalan ist der Patient, und seine Beschwerden dauern an. Wir sind davon überzeugt, dass wir von seinen Beschwerden ausgehen müssen.

Herr Öcalan ist insbesondere besorgt, ob seine gegenwärtigen Symptome auf eine andere Erkrankung hinweisen oder sie auslösen könnten. Er ist besorgt, dass sich seine gesundheitliche Situation in der nächsten Zeit weiter verschlechtern könnte, und geht nicht davon aus, dass die jetzige Verwaltung in der Lage ist, das Problem zu lösen. Allergisches Asthma ist eine gefürchtete Komplikation der allergischen Rhinitis. Die gegenwärtigen gesundheitsschädlichen Umweltbedingungen und das Niveau der durchgeführten Behandlungen geben zu ernster Sorge über die weitere Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes von Herrn Öcalan Anlass.

Wir möchten weiterhin auf einen anderen wichtigen Punkt aufmerksam machen: Es liegt uns fern, uns in die Arbeit der Ärzte einzumischen oder ihre Berichte diskreditieren zu wollen. Wir hegen keinerlei derartige Absichten. Dennoch sind wir uns der politischen Dimension des Gesundheitszustandes unseres Mandanten bewusst. Daher denken wir, dass diese Angelegenheit gelöst werden muss. Wir glauben nicht, dass es den Ärzten unter den Ausnahmebedingungen des Gefängnisses Imrali möglich ist, unabhängig zu arbeiten. Da dies Angestellte des öffentlichen Dienstes sind und in der Türkei arbeiten, sind mögliche Konsequenzen für sie unabsehbar. Wir alle kennen die Gegebenheiten der Türkei sehr genau. Wir wissen alle, dass die Türkei noch einen weiten Weg zur Demokratie zurücklegen muss. Beispielsweise leben wir in einem Land, in dem einige Ärzte keine medizinischen Berichte verfassen, die belegen, dass eine Person gefoltert worden ist, bzw. Berichte nach den Vorgaben der Sicherheitskräfte erstellen. Über einige derartige Fälle wird zur Zeit gerichtlich verhandelt. Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen wünschen wir eine komplette Diagnose der gesundheitlichen Probleme unseres Mandanten.

Die Diskussionen über eine Wiederaufnahme seines Verfahrens, die Welle des Chauvinismus und Nationalismus und die entsprechende Atmosphäre, die seit einiger Zeit in der Türkei herrscht, haben unsere Besorgnis in dieser Frage weiter vermehrt.

Wir glauben, dass eine internationale Gesundheitsdelegation Untersuchungen in Imrali und eine definitive Diagnostik sowie eine dauerhafte Behandlung durchführen sollte. Wir sind davon überzeugt, dass Herr Öcalan das Recht besitzt, von Ärzten seines Vertrauens untersucht und behandelt zu werden.

Asrin Hukuk Bürosu
(Anwaltsbüro)
04.04.05
Istanbul



IHD: Wir werden uns weiter für Öcalan einsetzen!
ISTANBUL / MHA / 3. Februar 2005

Die Vize-Vorsitzende des Türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) forderte die zuständigen Behörden der Türkei dazu auf, im türkischen Strafvollzug internationalem Standard gerecht zu werden. So werde man sich auch weiterhin im Fall Öcalan für die Verbesserung seiner Haftbedingungen, sein Recht auf einen angemessenen juristischen Beistand und für sein Recht auf Kommunikation einsetzen. Hierfür werde man bei dem Anti-Folterkomitee des Europarats, aber auch bei anderen internationalen Institutionen vorstellig werden.

So habe man eine Delegation gebildet, die den tatsächlichen Gesundheitszustand des Kurdenführers feststellen und seine Haftbedingungen untersuchen sollte. Dies sei jedoch der Delegation durch die zuständigen Behörden verwehrt worden.

Die Haftbedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali widersprechen den Menschenrechten

Der IHD habe sich, so Yalcindag, wegen einer Besuchserlaubnis an das Justizministerium und an die zuständige Staatsanwaltschaft in Bursa gewendet, die jedoch verweigert wurde. Die im Untersuchungsbericht „Imrali“ des IHD vom 7. Februar 2003 festgehaltenen Zustände, würden nach wie vor andauern. Das Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben müsse auch für Öcalan gelten. Die menschenunwürdige Behandlung Öcalans müsse ein Ende haben. Man habe letztendlich keine wirklich gesicherten Informationen über den tatsächlichen Gesundheitszustand des Kurdenführers. Deshalb fordere der IHD die Entsendung einer unabhängigen Ärztekommission, welche diese Aufgabe übernimmt.

Öcalan muss umgehend in ein anderes Gefängnis überstellt werden

Laut Yalcindag, seien die Isolationshaftbedingungen auf Imrali, sowohl in der Türkei, als auch international ohne Beispiel. Letztendlich müsse das Gefängnis Imrali sofort geschlossen werden. Öcalan müsse in ein anderes Gefängnis überführt werden, wo er auch Kontakt zu Gefangenen seines Vertrauens pflegen könne. Bis dahin müssten jedoch auf Dauer die immer wieder willkürlich verhinderten Anwaltsbesuche gewährleistet werden. Die veraltete Barkasse „Imrali 9“, die bei rauer Witterung nicht seetauglich ist, müsse ausrangiert und das neue Schiff, dass für die Überfahrt nach Imrali im Auftrag des Justizministeriums angeschafft wurde, in Betrieb genommen werden. Des Weiteren müsse Öcalan, wie auch vom CPT gefordert, die Möglichkeit zu TV, Radio und Telefongesprächen bekommen.
Yalcindag bezeichnete die Isolationshaft als eine Schande für die Menschheit. Deshalb müsse alles für die Aufhebung dieser Haftbedingungen getan werden. Die Türkei müsse sich an international gültigem Standart für den Strafvollzug halten. So werde man sich auch weiterhin im Fall Öcalan für die Verbesserung seiner Haftbedingungen, sein Recht auf eine angemessenen juristischen Beistand und sein Recht auf Kommunikation einsetzen. Hierfür werde man bei dem Anti-Folterkomitee des Europarats, aber auch bei anderen internationalen Institutionen vorstellig werden.


Stimmen aus der türkischen Presse:

M. Ali Birand, Hürriyet, 15. April 2005:
Warum macht uns eine Neuverhandlung des Öcalanverfahrens derart nervös?


Wir sind schon eine komische Gesellschaft.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird in den nächsten Tagen sein Urteil verkünden, demnach Öcalan kein faires Verfahren gehabt habe.
Um Himmels Willen, meine Herren! Und in Ankara nehmen die Spannungen zu.
Gerade weil sich die Parteien der Opposition einen Vorteil versprechen, stürzen sie sich dankbar auf das Thema. Ihrer Meinung nach, seien politischer Druck von Außen in der kurdischen Frage und die Unfähigkeit der Regierung, darauf adäquat zu reagieren, der Grund für eine wahrscheinliche Neuverhandlung. Manche Berufskollegen entwerfen sogar unglaubliche Komplotttheorien, wonach Europa der Türkei APO* wegnehmen würde, um ihn erneut zu verurteilen.
Wir durchleben zurzeit ein „Neuverhandlungs-Syndrom“.
Lasst uns einmal annehmen, dass die Opposition aufgrund von Eigeninteressen sich derartig verhält. Was passiert aber dann mit den Regierenden? Warum verfallen diese in Aufregung? Warum sollte eine Neuverhandlung des Öcalanverfahrens die Gesellschaft beunruhigen? Fürchten sie sich etwa davor, dass Öcalan womöglich freigesprochen werden könnte?
Für mich ist die Haltung der AKP deshalb nicht nachvollziehbar.
So war es die AKP, der die daraus resultierenden Konsequenzen von Beginn an bewusst war. Sie war es doch, die, mittels technokratischen Kunststückchen, eine Gesetzesreform ablieferte, welche nicht mehr als Makulatur war. Weshalb regt sie sich nun auf?
Waren es nicht wir, die im Rahmen der Gesetzesreformen von 2003, bezüglich des Umgangs mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, speziell für Öcalan eine Ausnahmereglung veranlassten? War uns dabei nicht bewusst, dass dieses Ausnahme auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist, weshalb sie uns eines Tages auf die Füße fallen würde?
Deshalb müssen wir uns fragen lassen, was wir hier überhaupt diskutieren. Warum regen wir uns überhaupt auf?

* APO: Onkel, vertrauliche Respektsbezeugung, mit der Kurdinnen und Kurden Abdullah Öcalan betiteln.

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M. Ali Birand, Hürriyet, 16. April 2005:

Ecevit sei es ein Rätsel, warum sich die USA für die Auslieferung von Öcalan entschied


Diese Überschrift hatte mein besonderes Interesse geweckt. In der letzten Ausgabe der Zeitung Sabah, sagte Ecevit in einem Interview, dass er sich die Entscheidung der USA von 1999, Öcalan an die Türkei auszuliefern, nicht erklären könne. Demnach haben die USA keine Gründe angegeben und keine Bedingungen gestellt.
Ich konnte das nicht glauben. Die Gründe hierfür kann selbst ein Blinder erkennen. Hierfür würde es ausreichen, sich die Aufzeichnung einer Sendung von 2002 anzuschauen, an der er selbst teilgenommen hatte. Die Aussagen des Regierungsberaters Antony Blinken sind diesbezüglich aufschlussreich. Demnach hat der damalige amerikanische Präsident, Bill Clinton, höchstpersönlich die Entscheidung getroffen. Grund hierfür sei das strategische Interesse der USA an einer starken Türkei gewesen, weshalb man die Türkei von der Last der kurdischen Frage entlasten wollte. Voraussetzung hierfür war erstens, dass Öcalan nicht einem „Unfall“ zum Opfer fällt; zweitens, dass Öcalan ein faires Verfahren bekomme; und drittens, dass den Kurden ihre Grundrechte zugestanden werden müsse. Dies nur zur Erinnerung, Herr Ecevit.

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Can Dündar, 14. April 2005, Milliyet

Was wird Öcalan bei seinem Prozess sagen?

Vor zwei Wochen betitelte ich eine Kolumne mit der Überschrift “Sorgen im April. In diesem Monat rechnete jeder mit der Thematisierung von zwei hochsensiblen Angelegenheit: Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Öcalan, verbunden mit der Forderung das Verfahren neu aufzurollen. Und der „Völkermord“ an den Armeniern, anlässlich des 90. Jahrestages am 24. April.
Beides ist auch so eingetroffen.
Es ist davon auszugehen, dass im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Neuverhandlung verfügt wird.
Die Türkei hätte dies wissen müssen, da im Öcalan anfänglich auch ein Militärrichter zu Gericht saß. Indes hat auch der Staatsanwalt am Kassationsgerichtshof der Republik, Ömer Faruk Eminagaoglu, darauf hingewiesen, dass man in diesem Fall nicht um eine Neuverhandlung umhinkomme, wenn nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen werden soll (Radikal, 24. März 2005). Es ist nicht der Inhalt des Urteils, sondern der Zeitpunkt, worüber man sich Sorgen macht. Denn die momentane Lage ist sehr angespannt. So sorgt man sich darüber, dass das Urteil Benzin ins Feuer gießen und den Volkszorn anstacheln könnte.

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Niemand erwartet ein Urteil, das anders als das Vorherige ausfällt.
Man sorgt sich vielmehr darüber, dass Öcalan den Prozess zur Selbstdarstellung nutzen könnte und die alten Akten wieder hervor geholt werden.

Weniger wird einem dabei bewusst, dass sich die Welt mittlerweile verändert hat. Auch Öcalan hat sich verändert. Das was Öcalan zu sagen hat, wird deshalb sehr wichtig sein.

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Wir sind an einem sehr interessanten Punkt angelangt. Auf manchem Gebiet decken sich die Interessen der Türkei mit denen der Anhänger von Öcalan. Darüber sollten insbesondere diejenigen nachdenken, die sich darüber aufregen, dass Öcalan seine Ansichten über seine Anwälte mittels der Presse verbreiten kann. Diesmal könnte jedoch Öcalan direkt, ohne die Hilfe seiner Anwälte, unerwartete Botschaften zum Besten geben. Das könnte Konsequenzen nach sich ziehen, die den USA nicht unbedingt gefallen werden.