Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan

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Köln, 25. März 2005

INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:

DOKUMENTATION:

"Deklaration des demokratischen Konföderalismus

Wir leben in einer Zeit, die für die Menschheit große Entwicklungsmöglichkeiten und zugleich große Gefahren birgt. Der Mittlere Osten durchlebt ein Chaos und Auseinandersetzungen, welche auch als „Dritter Weltkrieg“ bezeichnet werden. Kurdistan befindet sich im Zentrum dieser Widersprüche und Auseinandersetzungen. Obwohl die Bewahrer des alten politischen Status Quo Widerstand leisten und die Mächte des globalen Kapitals in diesem Chaos nach einem Ausweg in ihrem Interesse suchen, versuchen die Völker, ihr demokratisches System in Freiheit zu entwickeln, um dieses Chaos zu überwinden. Wir können zusammengefasst folgendes feststellen:

1. Die agrikulturelle Revolution fand innerhalb des Ökosystems des Zagros-Gebirges statt. Diese Revolution bildete für die Menschheit bis ins 19. Jahrhundert die Lebensgrundlage. Anfang des 19. Jahrhunderts fand die industrielle Revolution statt. Diese war die zweite große Revolution der Menschheitsgeschichte. Sie spielte für die Herausbildung des Nationalstaates eine große Rolle. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Nationalstaat zu einem ernsthaften Hindernis für die gesellschaftliche Entwicklung und für Demokratie und Freiheit.

2. Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen wurde als Recht auf Staatsgründung interpretiert. Die Nationalstaaten, die infolge dessen entstanden, stellen heute ein ernstes Hemmnis für die weitere Entwicklung der Menschheit dar. Auch das heutige Modell der Vereinten Nationen ist hierfür nicht geeignet, die Nationalstaaten sind dafür ein Hindernis. Der Golfkrieg und die Situation im Irak sind dafür ein klarer Beweis.

3. Statt der Globalisierung im Sinne der Nationalstaaten bietet sich als Ausweg ein demokratisch-konföderales System an, dass sich ausschließlich auf Basisorganisierung des Volkes stützt. Denn in der Geschichte der Menschheit hat es den Staat nicht immer gegeben, und auch der Nationalstaat wird nicht ewig Bestand haben. Ohnehin wird dieser durch die Globalisierung in Frage gestellt. Dem Imperialismus hingegen gelingt es nicht, ein neues Modell zu entwickeln. Die Systemkrise verschärft sich weiter.

4. Als Alternative drängt sich die demokratische Konföderalismus förmlich auf. Sein Organisierungsmodell gestaltet sich pyramidenförmig von unten nach oben. Die Communities kommunizieren, diskutieren und fällen Entscheidungen. Delegierte der Basis bilden nach oben hin eine lockere Koordination. Die Delegierten erhalten ein einjähriges Mandat des Volkes.

5. Auch für die Probleme des Mittleren Ostens stellt der demokratische Konföderalismus ein Lösungsmodell dar. Das kapitalistische System und dessen imperiale Kräfte schaffen keine Demokratie, allenfalls benutzen sie die Demokratie. Deshalb kommt es darauf an, der Option einer sich von der Basis her entwickelnden Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen. Der demokratische Konföderalismus ist ein System, das ethnische, religiöse und klassenmäßige Unterschiede in der Gesellschaft berücksichtigt.

6. Für Kurdistan konkretisiert sich der demokratische Konföderalismus als eine Bewegung, die das Selbstbestimmungsrecht nicht als Recht zur nationalistischen Staatsgründung auslegt, sondern ungeachtet der politischen Grenzen eine authentische Demokratie anstrebt. In einer zu schaffenden kurdischen Struktur bildet diese Bewegung Föderationen in den kurdischen Gebieten des Irans, der Türkei, Syriens und des Irak. Diese Föderationen bilden wiederum auf höherer Ebene eine konföderale Struktur.

7. Die eigentliche Entscheidungskompetenz liegt bei den Dorf-, Stadtteil- und Stadträten und ihren Delegierten, also beim Volk und bei der Basis.

Diese oben angeführten grundsätzlichen Ausführungen bezüglich der Weltlage, des Mittleren Ostens und Kurdistans zeigen, dass sich die historische Aufgabe der Organisierung des demokratischen Konföderalismus in Kurdistan nicht länger aufschieben lässt. Daher ist es ein fortschrittlicher, befreiender und begeisternder Schritt, an einem neuen Newroz mit dem Aufbau des demokratischen Konföderalismus zu beginnen.

Der demokratische Konföderalismus Kurdistans ist kein Staatssystem, sondern das demokratische, nichtstaatliche System des Volkes. Es ist ein System, in dem alle Volksschichten, in erste Linie die Frauen und die Jugend, ihre authentischen demokratischen Organisationen gründen. Politik wird hierbei von freien und gleichberechtigten Bürgern der Konföderation gestaltet, die regionale freie Bürgerräte bestimmen. Dabei ist das Prinzip der eigenen Stärke und der Subsistenz wesentlich. Ein solches System bezieht seine Stärke aus dem Volk und ist bestrebt in jeglicher Hinsicht eine weitgehende Selbstversorgung zu erreichen, was auch die Wirtschaft mit einschließt.

Der demokratische Konföderalismus Kurdistans weiß sich der Gesellschaftsgeschichte und dem kulturellen Reichtum Mesopotamiens verbunden. Er stützt sich auf die demokratische kommunale Struktur der „natürlichen Gesellschaft“. So zogen die Kurden und ihre Vorfahren schon immer Klansysteme und einen Konföderalismus der Volksstämme einem zentralstaatlichen Modell vor. Der demokratische Konföderalismus stützt sich auf den Patriotismus des Volkes, das freie Leben und die Erfahrung mit einer demokratischen Organisierung, die die PKK in ihrem über 30jährigen Kampf in allen Bereichen, vor allem in den Gefängnissen und in den Bergen, mit Tausenden von Märtyrern geschaffen hat.

Der demokratische Konföderalismus zielt darauf ab, die Staaten zu tief greifenden demokratischen Reformen zu bewegen. Von nun an haben in Kurdistan drei Rechtssysteme Gültigkeit: Das EU-Recht, das Recht des jeweiligen Einheitsstaates und das demokratisch-konföderale Recht. Sofern die Einheitsstaaten Iran, Irak, Türkei und Syrien das konföderale Recht des Volkes anerkennen, wird auch das kurdische Volk deren Recht anerkennen, um auf dieser Grundlage Kompromisse zu schließen.

Der demokratische Konföderalismus hat die Anerkennung, den Schutz und die Artikulationsfreiheit aller kulturellen Existenzen zum Prinzip. Daher betrachtet er die Gewährleistung einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage, die allgemeine Anerkennung der kurdischen Identität und die Weiterentwicklung der kurdischen Sprache und Kultur als seine Hauptaufgaben.

Der demokratische Konföderalismus orientiert sich an einem ökologischen Gesellschaftsmodell. Er hat sich zum Prinzip gesetzt, sich in vielfältiger Weise gegen die gesellschaftliche Unterdrückung der Geschlechter zu stellen und diese durch den Freiheitskampf der Frau zu überwinden. Er sieht den Aufbau einer Demokratie in allen Bereichen der kurdischen Gesellschaft vor, die sich auf Ökologie und Geschlechterfreiheit stützt, und er kämpft gegen jede Art von Reaktion und Rückständigkeit. Er verbindet individuelle Rechte und Freiheiten mit der Entwicklung gesellschaftlicher Demokratie.

Ein weiteres Prinzip des demokratischen Konföderalismus ist die gewaltfreie Lösung gesellschaftlicher Probleme. Er beruht auf einer Politik des Friedens. Gegenüber Angriffen auf das Land, das Volk und die Freiheit sowie bei eklatanten Rechtsverletzungen beruft er sich auf sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung.

Der demokratische Konföderalismus ist eine Bewegung zum Aufbau eines authentischen demokratischen Gesellschaftssystems des kurdischen Volkes. Innergesellschaftlich definiert er einen demokratischen Nationenbegriff, nach Außen strebt er die Schaffung transnationaler Strukturen an. Gestützt auf die politische, soziale, ökonomische, kulturelle, religiöse, konfessionelle, ethnische und Geschlechterfreiheit der Gesellschaft sorgt er für die Einheit der verschiedenen Organisationen im ökologisch-kommunalen Bereich und organisiert zugleich die Selbstverwaltung als Ausdruck der organisierten Gesellschaft. In diesem Sinne rufe ich alle Schichten der Gesellschaft, allen voran die Frauen und die Jugend, dazu auf, ihre eigenständige demokratische Organisierung zu schaffen, ihre demokratischen Aktivitäten zu verstärken und selbstverwaltete Strukturen aufzubauen.

Der demokratische Konföderalismus ist zugleich der Ausdruck für die demokratische Einheit des kurdischen Volkes, das über vier Staaten verteilt und über die ganze Welt verstreut lebt. Bei der Lösung der internen Probleme der kurdischen Nation vertritt er das Prinzip der demokratischen Einheit. Er betrachtet die nationalistische Tendenz zur Staatsgründung als eine Fortsetzung eines überholten Nationalstaatsverständnisses. Weil dies für die Lösung der kurdischen Frage und die Weiterentwicklung der kurdischen Gesellschaft unzureichend ist, rufe ich die betreffenden kurdischen Kräfte dazu auf, sich für eine Demokratisierung zu öffnen und sich auf der Grundlage der demokratischen nationalen Einheit an der Konföderation zu beteiligen.

Da der demokratische Konföderalismus eine demokratische Mentalität und Ausdruck eines Freiheitsbewusstseins ist, macht er keinerlei Unterscheidung zwischen den Völkern und setzt sich für die gleichberechtigte freie Einheit aller Völker ein. Statt eines etatistischen Nationalismus, der sich auf starren Grenzen basiert, strebt er die Schaffung einer demokratischen Nation an. Daher ist er Grundlage für die Einheit aller Völker des Mittleren Ostens und der demokratischen Kräfte. Er verfolgt in den Beziehungen zu den Nachbarstaaten das Prinzip der Einheit in Freiheit und Gleichheit, in der die politischen, sozialen und kulturellen Rechte gewahrt sind. In diesem Sinne rufe ich erneut die Völker der Region zur demokratischen und konföderalen Einheit und die Nachbarstaaten zu einer demokratischen Haltung auf.

Der demokratische Konföderalismus steht für die globale Demokratie der Völker und im Gegensatz zum globalen Imperialismus. Er ist ein System, das sich im 21. Jahrhundert allen Völkern anbietet. Zugleich zeichnet sich eine allgemeine Tendenz zu demokratischen und konföderalen Strukturen im globalen Maßstab ab. In diesem Sinne rufe ich die gesamte demokratische Menschheit dazu auf, unter dem Dach des globalen demokratischen Konföderalismus eine neue Welt zu erschaffen.

Ich denke, dass wir mit der Gründung von KOMA KOMALÊN KURDISTAN, als Ausdruck der demokratischen konföderalen Organisation und Einheit des kurdischen Volkes, unser Volk um eine neue Lebensphilosophie bereichert haben. Deshalb bin stolz darauf, an dieser Gründung beteiligt zu sein. Ich rufe unser gesamtes Volk dazu auf, unter der grünen Flagge mit gelber Sonne und rotem Stern seine authentische Demokratie zu organisieren, sich zu einen und selbst zu verwalten. Ich erkläre hiermit, dass ich diese Flagge mit Stolz tragen und meinen Aufgaben auch weiterhin nachkommen werde. In diesem Frühling, der näher an der Freiheit ist als alle bisherigen Frühlinge, gratuliere ich unserem Volk, den Völkern der Region und allen Freundinnen und Freunden zum Newrozfest.

Hochachtungsvoll

Abdullah Öcalan
Gründer KOMA KOMALÊN KURDISTAN

20. März 2005"